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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

kanzlers begnügt hat, sogleich als einen Beweis staatsmannischer Klugheit erkannt.
Denn ganz abgesehen davon, das; es doch niemand, dem es um das Gedeihen und
Erstarken des Deutschen Reichs zu thun ist, Vergnügen machen kann, rin den Leuten
an einem Strange zu ziehn, die in diesem Falle die Sache in die Hand genommen
hatten, so mußte es für jeden Einsichtigen klar sein, daß der geeignete Augenblick,
sich die ekligen Dinger vom Halse zu halten, vorüber war, und daß man der
Regierung nicht gut zu einem Schritt zureden konnte, der von mehr als einer Seite
falsch und von vielen Seiten hämisch beurteilt worden wäre.

Das deutsche Volk ist zum großen Teil nicht trophäenfreudig, dafür aber
-- Kant hat nicht umsonst gelebt und gelehrt -- überaus vernünftig: wenn mau
ihm erzählt, es handle sich in einem gegebnen Falle nicht um einen Krieg, sondern
um eine Expedition, mit der man einer in die Brüche gekommnen Regierung wieder
aufzuhelfen wünsche, so nimmt es eine derartige Versichrung umsomehr für bare
Münze, falls, wie sich das ja während der chinesischen Expedition zugetragen hat,
der Botschafter der gefährdeten Macht ruhig bei uns verbleibt, statt seine Pässe
zu verlangen. Aber an einer solchen ihm einmal vorgeredeten Konvention oder
Fiktion, wie man es nnn gerade nennen mag, hält der Deutsche, der doch in seinem
Innersten ein ganz klein wenig Pedant ist, dann unverrückbar fest, und was mit
einer solchen Annahme nicht stimmt, findet vor seinen Augen keine Gnade. Er
würde, auch wenn es sich um ein als Krieg anerkanntes Ringen gehandelt hätte,
den Chinesen kaum als ebenbürtigen Gegner anerkannt haben, da es für ihn und
sein Urteil bei einem Feinde nicht sowohl ans den Fanatismus und die Grausamkeit,
als auf Disziplin, Kriegskunst, Ausdauer und Ausbildung des Mannes ankommt.
Auch in einem wirklichen Kriege mit einem solchen Gegner erbeutete Trophäen
würden sich deshalb nur einer auf gewisse Kreise beschränkten Popularität zu erfreuen
gehabt haben. Nun gar eine Trophäe, von der man nicht recht weiß, unter welchem
Titel, mocws aemiirencii, sie auf uns gekommen ist, und die man uns schließlich
noch als Geschenk einer Dame mundrecht zu machen sucht, im Vergleich zu der
die Urgroßmutter der Lüge, mit andern Worten des Teufels Großmutter, beim
deutschen Volke in Achtung und Ansehen steht.

Die allgemeine Befremdung über die Nachricht von der Verschiffung der In¬
strumente und deren vorläufiger Unterbringung in der Orangerie von Sanssouci
war deshalb begreiflich, und mich an maßgebender Stelle wird man davon kaum
überrascht gewesen sein. Veranlaßt worden waren diese dem deutschen Volte nicht
sehr sympathischen Maßregeln höchstwahrscheinlich von einer Seite, gegen die wir
nicht voreingenommen sind, und von der wir nur sagen wollen, daß sie mit Helm
und Degen bewaffnet ist und leicht einige Atmosphären Dampfkraft zu viel hat.

Es wäre unrecht, ihr den Dank vorzuenthalten, den ihr Deutschland schuldet.
Wir staken ohne sie noch im tiefsten Morast. Wie weit man mit schönen Redens¬
arten und edeln Gefühlen in der Politik kommt, wenn man einen Kcnnpflmhn zum
Nachbarn hat, hat man gesehen. Im Juli 1870 war es ein Segen, war es die
Rettung Deutschlands, daß wir uns auf diesen kriegerischen, unternehmenden Geist
stützen konnten. Mit dem Blute des Volks sind die Herren nicht sparsam gewesen, das
haben selbst ihre Verehrer nicht von ihnen behauptet, dafür aber auch nicht mit dem
eignen; schließlich hatten wir doch, so schwer auch die Opfer waren, den laut krähenden
Eroberer von unsern Grenzen abgewehrt, und das war die Hauptsache. Durch
welches Land dieser schneidige, an Obotriten und andre fidele Heiden erinnernde Geist
über das deutsche Volk gekommen ist, weiß jeder. Wenn uns auch in vergangnen
Jahren wegen der allzugroßen Schneidigkeit bisweilen ein wenig bange gewesen ist,
da wir an ein Jahrtausende für seine Strafnrteile brauchendes aber gerechtes Regiment
glauben, so sind wir doch zu sehr Sohne unsrer Zeit, als daß wir die Hand der
Vorsehung nicht segnen sollten, die uns in den jederzeit Kampflustigeu und Kampf¬
bereiten beschert hat, was uns fehlte. Der Deutsche neigt zur Theorie: es sollte, meint
er leicht, keinen Krieg geben, und er hat damit nicht so sehr Unrecht, weil er selbst
friedliebend ist. Aber er vergißt, daß es auch andre Nationen in der Welt giebt, die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

kanzlers begnügt hat, sogleich als einen Beweis staatsmannischer Klugheit erkannt.
Denn ganz abgesehen davon, das; es doch niemand, dem es um das Gedeihen und
Erstarken des Deutschen Reichs zu thun ist, Vergnügen machen kann, rin den Leuten
an einem Strange zu ziehn, die in diesem Falle die Sache in die Hand genommen
hatten, so mußte es für jeden Einsichtigen klar sein, daß der geeignete Augenblick,
sich die ekligen Dinger vom Halse zu halten, vorüber war, und daß man der
Regierung nicht gut zu einem Schritt zureden konnte, der von mehr als einer Seite
falsch und von vielen Seiten hämisch beurteilt worden wäre.

Das deutsche Volk ist zum großen Teil nicht trophäenfreudig, dafür aber
— Kant hat nicht umsonst gelebt und gelehrt — überaus vernünftig: wenn mau
ihm erzählt, es handle sich in einem gegebnen Falle nicht um einen Krieg, sondern
um eine Expedition, mit der man einer in die Brüche gekommnen Regierung wieder
aufzuhelfen wünsche, so nimmt es eine derartige Versichrung umsomehr für bare
Münze, falls, wie sich das ja während der chinesischen Expedition zugetragen hat,
der Botschafter der gefährdeten Macht ruhig bei uns verbleibt, statt seine Pässe
zu verlangen. Aber an einer solchen ihm einmal vorgeredeten Konvention oder
Fiktion, wie man es nnn gerade nennen mag, hält der Deutsche, der doch in seinem
Innersten ein ganz klein wenig Pedant ist, dann unverrückbar fest, und was mit
einer solchen Annahme nicht stimmt, findet vor seinen Augen keine Gnade. Er
würde, auch wenn es sich um ein als Krieg anerkanntes Ringen gehandelt hätte,
den Chinesen kaum als ebenbürtigen Gegner anerkannt haben, da es für ihn und
sein Urteil bei einem Feinde nicht sowohl ans den Fanatismus und die Grausamkeit,
als auf Disziplin, Kriegskunst, Ausdauer und Ausbildung des Mannes ankommt.
Auch in einem wirklichen Kriege mit einem solchen Gegner erbeutete Trophäen
würden sich deshalb nur einer auf gewisse Kreise beschränkten Popularität zu erfreuen
gehabt haben. Nun gar eine Trophäe, von der man nicht recht weiß, unter welchem
Titel, mocws aemiirencii, sie auf uns gekommen ist, und die man uns schließlich
noch als Geschenk einer Dame mundrecht zu machen sucht, im Vergleich zu der
die Urgroßmutter der Lüge, mit andern Worten des Teufels Großmutter, beim
deutschen Volke in Achtung und Ansehen steht.

Die allgemeine Befremdung über die Nachricht von der Verschiffung der In¬
strumente und deren vorläufiger Unterbringung in der Orangerie von Sanssouci
war deshalb begreiflich, und mich an maßgebender Stelle wird man davon kaum
überrascht gewesen sein. Veranlaßt worden waren diese dem deutschen Volte nicht
sehr sympathischen Maßregeln höchstwahrscheinlich von einer Seite, gegen die wir
nicht voreingenommen sind, und von der wir nur sagen wollen, daß sie mit Helm
und Degen bewaffnet ist und leicht einige Atmosphären Dampfkraft zu viel hat.

Es wäre unrecht, ihr den Dank vorzuenthalten, den ihr Deutschland schuldet.
Wir staken ohne sie noch im tiefsten Morast. Wie weit man mit schönen Redens¬
arten und edeln Gefühlen in der Politik kommt, wenn man einen Kcnnpflmhn zum
Nachbarn hat, hat man gesehen. Im Juli 1870 war es ein Segen, war es die
Rettung Deutschlands, daß wir uns auf diesen kriegerischen, unternehmenden Geist
stützen konnten. Mit dem Blute des Volks sind die Herren nicht sparsam gewesen, das
haben selbst ihre Verehrer nicht von ihnen behauptet, dafür aber auch nicht mit dem
eignen; schließlich hatten wir doch, so schwer auch die Opfer waren, den laut krähenden
Eroberer von unsern Grenzen abgewehrt, und das war die Hauptsache. Durch
welches Land dieser schneidige, an Obotriten und andre fidele Heiden erinnernde Geist
über das deutsche Volk gekommen ist, weiß jeder. Wenn uns auch in vergangnen
Jahren wegen der allzugroßen Schneidigkeit bisweilen ein wenig bange gewesen ist,
da wir an ein Jahrtausende für seine Strafnrteile brauchendes aber gerechtes Regiment
glauben, so sind wir doch zu sehr Sohne unsrer Zeit, als daß wir die Hand der
Vorsehung nicht segnen sollten, die uns in den jederzeit Kampflustigeu und Kampf¬
bereiten beschert hat, was uns fehlte. Der Deutsche neigt zur Theorie: es sollte, meint
er leicht, keinen Krieg geben, und er hat damit nicht so sehr Unrecht, weil er selbst
friedliebend ist. Aber er vergißt, daß es auch andre Nationen in der Welt giebt, die


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[0752] Maßgebliches und Unmaßgebliches kanzlers begnügt hat, sogleich als einen Beweis staatsmannischer Klugheit erkannt. Denn ganz abgesehen davon, das; es doch niemand, dem es um das Gedeihen und Erstarken des Deutschen Reichs zu thun ist, Vergnügen machen kann, rin den Leuten an einem Strange zu ziehn, die in diesem Falle die Sache in die Hand genommen hatten, so mußte es für jeden Einsichtigen klar sein, daß der geeignete Augenblick, sich die ekligen Dinger vom Halse zu halten, vorüber war, und daß man der Regierung nicht gut zu einem Schritt zureden konnte, der von mehr als einer Seite falsch und von vielen Seiten hämisch beurteilt worden wäre. Das deutsche Volk ist zum großen Teil nicht trophäenfreudig, dafür aber — Kant hat nicht umsonst gelebt und gelehrt — überaus vernünftig: wenn mau ihm erzählt, es handle sich in einem gegebnen Falle nicht um einen Krieg, sondern um eine Expedition, mit der man einer in die Brüche gekommnen Regierung wieder aufzuhelfen wünsche, so nimmt es eine derartige Versichrung umsomehr für bare Münze, falls, wie sich das ja während der chinesischen Expedition zugetragen hat, der Botschafter der gefährdeten Macht ruhig bei uns verbleibt, statt seine Pässe zu verlangen. Aber an einer solchen ihm einmal vorgeredeten Konvention oder Fiktion, wie man es nnn gerade nennen mag, hält der Deutsche, der doch in seinem Innersten ein ganz klein wenig Pedant ist, dann unverrückbar fest, und was mit einer solchen Annahme nicht stimmt, findet vor seinen Augen keine Gnade. Er würde, auch wenn es sich um ein als Krieg anerkanntes Ringen gehandelt hätte, den Chinesen kaum als ebenbürtigen Gegner anerkannt haben, da es für ihn und sein Urteil bei einem Feinde nicht sowohl ans den Fanatismus und die Grausamkeit, als auf Disziplin, Kriegskunst, Ausdauer und Ausbildung des Mannes ankommt. Auch in einem wirklichen Kriege mit einem solchen Gegner erbeutete Trophäen würden sich deshalb nur einer auf gewisse Kreise beschränkten Popularität zu erfreuen gehabt haben. Nun gar eine Trophäe, von der man nicht recht weiß, unter welchem Titel, mocws aemiirencii, sie auf uns gekommen ist, und die man uns schließlich noch als Geschenk einer Dame mundrecht zu machen sucht, im Vergleich zu der die Urgroßmutter der Lüge, mit andern Worten des Teufels Großmutter, beim deutschen Volke in Achtung und Ansehen steht. Die allgemeine Befremdung über die Nachricht von der Verschiffung der In¬ strumente und deren vorläufiger Unterbringung in der Orangerie von Sanssouci war deshalb begreiflich, und mich an maßgebender Stelle wird man davon kaum überrascht gewesen sein. Veranlaßt worden waren diese dem deutschen Volte nicht sehr sympathischen Maßregeln höchstwahrscheinlich von einer Seite, gegen die wir nicht voreingenommen sind, und von der wir nur sagen wollen, daß sie mit Helm und Degen bewaffnet ist und leicht einige Atmosphären Dampfkraft zu viel hat. Es wäre unrecht, ihr den Dank vorzuenthalten, den ihr Deutschland schuldet. Wir staken ohne sie noch im tiefsten Morast. Wie weit man mit schönen Redens¬ arten und edeln Gefühlen in der Politik kommt, wenn man einen Kcnnpflmhn zum Nachbarn hat, hat man gesehen. Im Juli 1870 war es ein Segen, war es die Rettung Deutschlands, daß wir uns auf diesen kriegerischen, unternehmenden Geist stützen konnten. Mit dem Blute des Volks sind die Herren nicht sparsam gewesen, das haben selbst ihre Verehrer nicht von ihnen behauptet, dafür aber auch nicht mit dem eignen; schließlich hatten wir doch, so schwer auch die Opfer waren, den laut krähenden Eroberer von unsern Grenzen abgewehrt, und das war die Hauptsache. Durch welches Land dieser schneidige, an Obotriten und andre fidele Heiden erinnernde Geist über das deutsche Volk gekommen ist, weiß jeder. Wenn uns auch in vergangnen Jahren wegen der allzugroßen Schneidigkeit bisweilen ein wenig bange gewesen ist, da wir an ein Jahrtausende für seine Strafnrteile brauchendes aber gerechtes Regiment glauben, so sind wir doch zu sehr Sohne unsrer Zeit, als daß wir die Hand der Vorsehung nicht segnen sollten, die uns in den jederzeit Kampflustigeu und Kampf¬ bereiten beschert hat, was uns fehlte. Der Deutsche neigt zur Theorie: es sollte, meint er leicht, keinen Krieg geben, und er hat damit nicht so sehr Unrecht, weil er selbst friedliebend ist. Aber er vergißt, daß es auch andre Nationen in der Welt giebt, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/752>, abgerufen am 14.05.2024.