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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

duch Kritik üben, weshalb soll er nicht das eine oder das andre Verbot für ver¬
fehlt erklären dürfen? Das Strafgesetzbuch ist doch much uur eine menschliche
Einrichtung.

Es wäre etwas andres, wenn seine Kritik und die Anschauung, der sie entspringt,
die Befürchtung erweckte, daß er als Staatsanwalt, als berufner Hüter gerade des
Strafgesetzbuchs, seine Pflicht nicht thun würde. Ist das hier zu befürchten? Nein,
bei keinem Vergehn so wenig wie gerade beim Zweiknmpf. Sobald der Staats¬
anwalt Anklage wegen Zweikampfs erhoben hat, liegt die Entscheidung nicht mehr
in seiner Hand, sondern in der des Gerichts, und in der Hauptverhandlung würde
er sich lächerlich machen, wenn er gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes Frei¬
sprechung beantragte, oder wenn er bei seinem Strafantrag die strafmildernden und
die strafschärfenden Umstände nicht ebenso geltend machte wie bei jedem andern
Vergehn. Nur vor der Klage steht es allein in seinem pflichtmäßigen Ermessen, ob
er die Anklage für begründet hält oder das Verfahren einstellen will. Aber bei
keinem Vergehn ist es ihm weniger möglich, das Verfahren einzustellen, als beim
Zweikampf. Die Thäter geben sich hier keine Mühe, ihre That zu verschleiern
oder rechtlich anders darzustellen. Die That wird rasch in weiten Kreisen bekannt.
Meistens stellen sich die Thäter freiwillig.

Somit hat Staatsanwaltschaftsrat Cuny uur seine persönliche Ansicht ausge-
sprochen, eine Ansicht, die auf die Ausübung seines Amtes keinen Einfluß hat.

Weshalb also die scharfen Angriffe ans ihn? Weil unsre Parlamentarier eifer¬
süchtig geworden sind auf ihr Recht der Kritik und nicht zulassen wollen, daß
Beamte außerhalb des Parlaments sie auch üben. Es wird den Beamten unsrer
Zeit vorgeworfen, daß sie zu vorsichtig, zu sehr Streber seien. Geht aber einer
einmal aus sich heraus, daun greift ihn die politische Partei an, die in der Kritik
des Beamten ihre Ansichten nicht vertreten findet, dreht ihm ans einigen seiner
Worte einen Strick und liefert ihn dann dem Minister aus zur umgehenden Dis-
ziplinierung. Und an diesen Angriffen auf das Recht der Beamten, ihre Meinung
frei zu äußern, beteiligt sich die linke wie die rechte Seite des Parlaments. Jetzt
waren es die Freisinnigen, vor einigen Jahren waren es die Konservativen, die
den .Kurator der Bonner Universität gemnßregelt sehen wollten, weil er bei einen:
Feste der landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf den Agrariern unbequeme
Worte gesagt hatte.

Wie die Sachen jetzt stehn, finden die Beamten, die in den politischen Streit
oder überhaupt an die Öffentlichkeit treten, eine viel nachsichtigere Beurteilung bei
ihren Vorgesetzte" als bei den politischen Parteien.

Es wird Zeit, daß die Beamten -- einerlei, welcher politischen Richtung sie
angehören -- dahin wirken, daß ihnen der Mund nicht zugebunden wird, daß sie
vielmehr, ebenso wie andre Staatsbürger, öffentliche Schäden, auch Fehler unsers
Staatswesens freimütig rügen dürfen. Es möge das jeder von den Abgeordneten
seiner Partei verlangen, gleichviel ob im einzelnen Falle die Kritik, die ein Beamter
ausgesprochen hat, der eignen Partei zusagt oder nicht.

Der Fall Cuny giebt aber noch zu einer andern allgemeinern Betrachtung
Anlaß. Wir haben in unsrer Gesetzgebung in gewisser Beziehung noch nicht die
über ihr Ziel hinausschießenden Anschauungen des Revolutionsjahres 1848 über¬
wunden. Auch in der Presse wird nicht genügend hervorgehoben, daß unsre Be¬
völkerung nicht eine unterschiedslose Masse ist, sondern daß es höhere Stände neben
den niedern Ständen giebt, und daß auch uicht die geringste Aussicht vorhanden
ist, daß sich das ändre. Die Gesetzgebung kümmert sich um diesen Unterschied kaum.
Mau kann sagen, daß sie ihn in den Bestimmungen über den Zweikampf aner¬
kennt. Denn der Zweikampf kommt fast nur bei den höhern Ständen vor. Aber
die Gesetzgebung ist auf dem halben Wege stehn geblieben, indem sie den Unter¬
schied nnr zugiebt, wo persönliche Gegensätze schon zur Selbsthilfe im Zweikampf
geführt haben, von einem solchen Unterschied aber da nichts wissen will, wo der


Maßgebliches und Unmaßgebliches

duch Kritik üben, weshalb soll er nicht das eine oder das andre Verbot für ver¬
fehlt erklären dürfen? Das Strafgesetzbuch ist doch much uur eine menschliche
Einrichtung.

Es wäre etwas andres, wenn seine Kritik und die Anschauung, der sie entspringt,
die Befürchtung erweckte, daß er als Staatsanwalt, als berufner Hüter gerade des
Strafgesetzbuchs, seine Pflicht nicht thun würde. Ist das hier zu befürchten? Nein,
bei keinem Vergehn so wenig wie gerade beim Zweiknmpf. Sobald der Staats¬
anwalt Anklage wegen Zweikampfs erhoben hat, liegt die Entscheidung nicht mehr
in seiner Hand, sondern in der des Gerichts, und in der Hauptverhandlung würde
er sich lächerlich machen, wenn er gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes Frei¬
sprechung beantragte, oder wenn er bei seinem Strafantrag die strafmildernden und
die strafschärfenden Umstände nicht ebenso geltend machte wie bei jedem andern
Vergehn. Nur vor der Klage steht es allein in seinem pflichtmäßigen Ermessen, ob
er die Anklage für begründet hält oder das Verfahren einstellen will. Aber bei
keinem Vergehn ist es ihm weniger möglich, das Verfahren einzustellen, als beim
Zweikampf. Die Thäter geben sich hier keine Mühe, ihre That zu verschleiern
oder rechtlich anders darzustellen. Die That wird rasch in weiten Kreisen bekannt.
Meistens stellen sich die Thäter freiwillig.

Somit hat Staatsanwaltschaftsrat Cuny uur seine persönliche Ansicht ausge-
sprochen, eine Ansicht, die auf die Ausübung seines Amtes keinen Einfluß hat.

Weshalb also die scharfen Angriffe ans ihn? Weil unsre Parlamentarier eifer¬
süchtig geworden sind auf ihr Recht der Kritik und nicht zulassen wollen, daß
Beamte außerhalb des Parlaments sie auch üben. Es wird den Beamten unsrer
Zeit vorgeworfen, daß sie zu vorsichtig, zu sehr Streber seien. Geht aber einer
einmal aus sich heraus, daun greift ihn die politische Partei an, die in der Kritik
des Beamten ihre Ansichten nicht vertreten findet, dreht ihm ans einigen seiner
Worte einen Strick und liefert ihn dann dem Minister aus zur umgehenden Dis-
ziplinierung. Und an diesen Angriffen auf das Recht der Beamten, ihre Meinung
frei zu äußern, beteiligt sich die linke wie die rechte Seite des Parlaments. Jetzt
waren es die Freisinnigen, vor einigen Jahren waren es die Konservativen, die
den .Kurator der Bonner Universität gemnßregelt sehen wollten, weil er bei einen:
Feste der landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf den Agrariern unbequeme
Worte gesagt hatte.

Wie die Sachen jetzt stehn, finden die Beamten, die in den politischen Streit
oder überhaupt an die Öffentlichkeit treten, eine viel nachsichtigere Beurteilung bei
ihren Vorgesetzte» als bei den politischen Parteien.

Es wird Zeit, daß die Beamten — einerlei, welcher politischen Richtung sie
angehören — dahin wirken, daß ihnen der Mund nicht zugebunden wird, daß sie
vielmehr, ebenso wie andre Staatsbürger, öffentliche Schäden, auch Fehler unsers
Staatswesens freimütig rügen dürfen. Es möge das jeder von den Abgeordneten
seiner Partei verlangen, gleichviel ob im einzelnen Falle die Kritik, die ein Beamter
ausgesprochen hat, der eignen Partei zusagt oder nicht.

Der Fall Cuny giebt aber noch zu einer andern allgemeinern Betrachtung
Anlaß. Wir haben in unsrer Gesetzgebung in gewisser Beziehung noch nicht die
über ihr Ziel hinausschießenden Anschauungen des Revolutionsjahres 1848 über¬
wunden. Auch in der Presse wird nicht genügend hervorgehoben, daß unsre Be¬
völkerung nicht eine unterschiedslose Masse ist, sondern daß es höhere Stände neben
den niedern Ständen giebt, und daß auch uicht die geringste Aussicht vorhanden
ist, daß sich das ändre. Die Gesetzgebung kümmert sich um diesen Unterschied kaum.
Mau kann sagen, daß sie ihn in den Bestimmungen über den Zweikampf aner¬
kennt. Denn der Zweikampf kommt fast nur bei den höhern Ständen vor. Aber
die Gesetzgebung ist auf dem halben Wege stehn geblieben, indem sie den Unter¬
schied nnr zugiebt, wo persönliche Gegensätze schon zur Selbsthilfe im Zweikampf
geführt haben, von einem solchen Unterschied aber da nichts wissen will, wo der


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[0118] Maßgebliches und Unmaßgebliches duch Kritik üben, weshalb soll er nicht das eine oder das andre Verbot für ver¬ fehlt erklären dürfen? Das Strafgesetzbuch ist doch much uur eine menschliche Einrichtung. Es wäre etwas andres, wenn seine Kritik und die Anschauung, der sie entspringt, die Befürchtung erweckte, daß er als Staatsanwalt, als berufner Hüter gerade des Strafgesetzbuchs, seine Pflicht nicht thun würde. Ist das hier zu befürchten? Nein, bei keinem Vergehn so wenig wie gerade beim Zweiknmpf. Sobald der Staats¬ anwalt Anklage wegen Zweikampfs erhoben hat, liegt die Entscheidung nicht mehr in seiner Hand, sondern in der des Gerichts, und in der Hauptverhandlung würde er sich lächerlich machen, wenn er gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes Frei¬ sprechung beantragte, oder wenn er bei seinem Strafantrag die strafmildernden und die strafschärfenden Umstände nicht ebenso geltend machte wie bei jedem andern Vergehn. Nur vor der Klage steht es allein in seinem pflichtmäßigen Ermessen, ob er die Anklage für begründet hält oder das Verfahren einstellen will. Aber bei keinem Vergehn ist es ihm weniger möglich, das Verfahren einzustellen, als beim Zweikampf. Die Thäter geben sich hier keine Mühe, ihre That zu verschleiern oder rechtlich anders darzustellen. Die That wird rasch in weiten Kreisen bekannt. Meistens stellen sich die Thäter freiwillig. Somit hat Staatsanwaltschaftsrat Cuny uur seine persönliche Ansicht ausge- sprochen, eine Ansicht, die auf die Ausübung seines Amtes keinen Einfluß hat. Weshalb also die scharfen Angriffe ans ihn? Weil unsre Parlamentarier eifer¬ süchtig geworden sind auf ihr Recht der Kritik und nicht zulassen wollen, daß Beamte außerhalb des Parlaments sie auch üben. Es wird den Beamten unsrer Zeit vorgeworfen, daß sie zu vorsichtig, zu sehr Streber seien. Geht aber einer einmal aus sich heraus, daun greift ihn die politische Partei an, die in der Kritik des Beamten ihre Ansichten nicht vertreten findet, dreht ihm ans einigen seiner Worte einen Strick und liefert ihn dann dem Minister aus zur umgehenden Dis- ziplinierung. Und an diesen Angriffen auf das Recht der Beamten, ihre Meinung frei zu äußern, beteiligt sich die linke wie die rechte Seite des Parlaments. Jetzt waren es die Freisinnigen, vor einigen Jahren waren es die Konservativen, die den .Kurator der Bonner Universität gemnßregelt sehen wollten, weil er bei einen: Feste der landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf den Agrariern unbequeme Worte gesagt hatte. Wie die Sachen jetzt stehn, finden die Beamten, die in den politischen Streit oder überhaupt an die Öffentlichkeit treten, eine viel nachsichtigere Beurteilung bei ihren Vorgesetzte» als bei den politischen Parteien. Es wird Zeit, daß die Beamten — einerlei, welcher politischen Richtung sie angehören — dahin wirken, daß ihnen der Mund nicht zugebunden wird, daß sie vielmehr, ebenso wie andre Staatsbürger, öffentliche Schäden, auch Fehler unsers Staatswesens freimütig rügen dürfen. Es möge das jeder von den Abgeordneten seiner Partei verlangen, gleichviel ob im einzelnen Falle die Kritik, die ein Beamter ausgesprochen hat, der eignen Partei zusagt oder nicht. Der Fall Cuny giebt aber noch zu einer andern allgemeinern Betrachtung Anlaß. Wir haben in unsrer Gesetzgebung in gewisser Beziehung noch nicht die über ihr Ziel hinausschießenden Anschauungen des Revolutionsjahres 1848 über¬ wunden. Auch in der Presse wird nicht genügend hervorgehoben, daß unsre Be¬ völkerung nicht eine unterschiedslose Masse ist, sondern daß es höhere Stände neben den niedern Ständen giebt, und daß auch uicht die geringste Aussicht vorhanden ist, daß sich das ändre. Die Gesetzgebung kümmert sich um diesen Unterschied kaum. Mau kann sagen, daß sie ihn in den Bestimmungen über den Zweikampf aner¬ kennt. Denn der Zweikampf kommt fast nur bei den höhern Ständen vor. Aber die Gesetzgebung ist auf dem halben Wege stehn geblieben, indem sie den Unter¬ schied nnr zugiebt, wo persönliche Gegensätze schon zur Selbsthilfe im Zweikampf geführt haben, von einem solchen Unterschied aber da nichts wissen will, wo der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/118>, abgerufen am 15.05.2024.