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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Dnttmüller und sein Freund

Da nun der Herr Kantor nicht recht wußte, ob er mit Amen oder einem
Vivathoch schließen sollte, so unterließ er beides und trat von seiner Kanzel nicht
gerade mit großer Wirkung ab. Auch im übrigen, wir müssen es leider konstatieren,
hatte die Rede keinen tiefen Eindruck gemacht. Die Holzweißiger Damen hatten während
derselben fleißig gestrickt und machten hinterher dasselbe gleichgiltige Gesicht wie
vorher. Das würde übrigens auch der Fall gewesen sein, wenn es ein Reisebericht
oder ein Leichensermon gewesen wäre. Die Herren am Vorstandstische hatten auf¬
merksam zugehört, und der Herr Oberstleutnant klopfte unhörbar mit den Händen
zusammen und sagte: Brav! brav! Aber die Stützen der Gesellschaft, die begüterten
Einwohner von Holzweißig hatten sich nicht gut betragen, sondern während der
Rede Wein getrunken und mit den Gläsern angestoßen. Als aber der Direktor
mit einer Batterie Sektflaschen auffuhr, war alle Andacht vorbei, und man konnte
es nicht erwarten, daß der erste Pfropfen knallte. Und einer von ihnen, zu seiner
Schonung soll sein Name verschwiegen bleiben, soll das vermessene Wort gesagt
haben, indem er auf seiue Tasche klopfte: Ach was! der wahre Patriotismus
sitzt hier!

An dem Ölmcmnschen Tische hatte man aufmerksam zugehört. Drillhosc
mit Hochachtung, und Ölmann mit kritischem Geiste. Denn Ölmann hatte die Ver¬
besserungen des Herrn Kantor übelgenommen und hatte sich vorgenommen, es ihm
heimzuzahlen. Als sich nun der Herr Kantor mit reichlichem Händeschütteln am
Vorstandstische verabschiedet hatte und mit wenig verhehltem Hochgefühl seinen Platz
am Ölmannschen Tische wieder eirunden, sagte Herr Ölmann mit dem Tone eines
wohlwollenden Vorgesetzten: Ihre Rede, Herr Kantor, hat meine Zufriedenheit.
Sie war wissenschaftlich gebildet und standesgemäß. Aber worüber ich mich ge¬
wundert habe, Sie sagen "Genealogie." Das muß doch heißen "Generalogie."

Wieso?

Unsre Könige sind doch Generale. Also sagt man Generalogie. Ich nehme
das niemand übel, wenn er es nicht weiß, aber wenn man einundzwanzig Jahre
auf dem Gymnasium jewesen ist. . .

Hier erhob sich der Herr Kantor in Heller Entrüstung und sagte: Dieses, Herr
Ölmann, ist unerhört, es ist, es ist wahrhaft himmelschreiend, und ich kaun nichts
darauf antworten als -- guten Abend!

Damit ging er ab. Und Ölmann sagte verwundert: Ich hätte nicht gedacht,
daß sie hier in Holzweißig auf einer so tiefen Kultursprvsse stehn.

Der Herr Kantor segelte an dem Tisch, an dem man Sekt trank, vor¬
über. Man trank ihm schon von weitem zu und rief: Kommen Sie her, Herr'
Kantor, wollen Sie nicht auch uuter die Gründer gehn? -- Hier wird mit Kuxen
gehandelt, sagte ein andrer, und ein dritter fügte hinzu: -- und der Verdienst
schon im voraus vertrunken. -- Wollen Sie auch ein paar Kuxe haben, sie sind
billig. Wenden Sie sich nnr an den Herrn Direktor. -- Der Direktor soll leben,
der große Patriot und Wohlthäter der Menschheit soll leben. -- Der Herr Kantor
nahm hochachtungsvoll Platz, und der Herr Direktor erwiderte: Meine Herren, ich
nehme Sie alle zu Zeugen, daß ich keinem vou Ihnen zugeredet habe. Kuxe sind
eine gefährliche Sache. Sie stehn heute 98, können in einem Vierteljahre 150
stehn, können aber auch in den Brunnen gefallen sein. Johann, bringe noch ein
paar von den Goldköpfen her. Der Kurs soll leben: Hoch, höher und noch höher
soll er leben! Was kann das schlechte Leben helfen? Wer wird sich von früh bis
abends schinden, um ans seinem Acker vier Prozent herauszuschlagen, wenn er in
einem Vierteljahr sein Kapital um die Hälfte erhöhen kann?

Jetzt kamen auch die Auswärtigen heran, und mancher, der es frühmorgens
nicht geahnt hatte, kehrte abends als ein Besitzer mehrerer Kuxe und eines Heisler
Kopfes wieder heim, sah in eine rosenfarbige Zukunft, kam sich sehr gehoben vor
und gelobte sich, keine Jauchenpumpe je wieder anzurühren.

Als die Sonne unterging, sollte das patriotische Fest sein Ende haben, schon


Doktor Dnttmüller und sein Freund

Da nun der Herr Kantor nicht recht wußte, ob er mit Amen oder einem
Vivathoch schließen sollte, so unterließ er beides und trat von seiner Kanzel nicht
gerade mit großer Wirkung ab. Auch im übrigen, wir müssen es leider konstatieren,
hatte die Rede keinen tiefen Eindruck gemacht. Die Holzweißiger Damen hatten während
derselben fleißig gestrickt und machten hinterher dasselbe gleichgiltige Gesicht wie
vorher. Das würde übrigens auch der Fall gewesen sein, wenn es ein Reisebericht
oder ein Leichensermon gewesen wäre. Die Herren am Vorstandstische hatten auf¬
merksam zugehört, und der Herr Oberstleutnant klopfte unhörbar mit den Händen
zusammen und sagte: Brav! brav! Aber die Stützen der Gesellschaft, die begüterten
Einwohner von Holzweißig hatten sich nicht gut betragen, sondern während der
Rede Wein getrunken und mit den Gläsern angestoßen. Als aber der Direktor
mit einer Batterie Sektflaschen auffuhr, war alle Andacht vorbei, und man konnte
es nicht erwarten, daß der erste Pfropfen knallte. Und einer von ihnen, zu seiner
Schonung soll sein Name verschwiegen bleiben, soll das vermessene Wort gesagt
haben, indem er auf seiue Tasche klopfte: Ach was! der wahre Patriotismus
sitzt hier!

An dem Ölmcmnschen Tische hatte man aufmerksam zugehört. Drillhosc
mit Hochachtung, und Ölmann mit kritischem Geiste. Denn Ölmann hatte die Ver¬
besserungen des Herrn Kantor übelgenommen und hatte sich vorgenommen, es ihm
heimzuzahlen. Als sich nun der Herr Kantor mit reichlichem Händeschütteln am
Vorstandstische verabschiedet hatte und mit wenig verhehltem Hochgefühl seinen Platz
am Ölmannschen Tische wieder eirunden, sagte Herr Ölmann mit dem Tone eines
wohlwollenden Vorgesetzten: Ihre Rede, Herr Kantor, hat meine Zufriedenheit.
Sie war wissenschaftlich gebildet und standesgemäß. Aber worüber ich mich ge¬
wundert habe, Sie sagen „Genealogie." Das muß doch heißen „Generalogie."

Wieso?

Unsre Könige sind doch Generale. Also sagt man Generalogie. Ich nehme
das niemand übel, wenn er es nicht weiß, aber wenn man einundzwanzig Jahre
auf dem Gymnasium jewesen ist. . .

Hier erhob sich der Herr Kantor in Heller Entrüstung und sagte: Dieses, Herr
Ölmann, ist unerhört, es ist, es ist wahrhaft himmelschreiend, und ich kaun nichts
darauf antworten als — guten Abend!

Damit ging er ab. Und Ölmann sagte verwundert: Ich hätte nicht gedacht,
daß sie hier in Holzweißig auf einer so tiefen Kultursprvsse stehn.

Der Herr Kantor segelte an dem Tisch, an dem man Sekt trank, vor¬
über. Man trank ihm schon von weitem zu und rief: Kommen Sie her, Herr'
Kantor, wollen Sie nicht auch uuter die Gründer gehn? — Hier wird mit Kuxen
gehandelt, sagte ein andrer, und ein dritter fügte hinzu: — und der Verdienst
schon im voraus vertrunken. — Wollen Sie auch ein paar Kuxe haben, sie sind
billig. Wenden Sie sich nnr an den Herrn Direktor. — Der Direktor soll leben,
der große Patriot und Wohlthäter der Menschheit soll leben. — Der Herr Kantor
nahm hochachtungsvoll Platz, und der Herr Direktor erwiderte: Meine Herren, ich
nehme Sie alle zu Zeugen, daß ich keinem vou Ihnen zugeredet habe. Kuxe sind
eine gefährliche Sache. Sie stehn heute 98, können in einem Vierteljahre 150
stehn, können aber auch in den Brunnen gefallen sein. Johann, bringe noch ein
paar von den Goldköpfen her. Der Kurs soll leben: Hoch, höher und noch höher
soll er leben! Was kann das schlechte Leben helfen? Wer wird sich von früh bis
abends schinden, um ans seinem Acker vier Prozent herauszuschlagen, wenn er in
einem Vierteljahr sein Kapital um die Hälfte erhöhen kann?

Jetzt kamen auch die Auswärtigen heran, und mancher, der es frühmorgens
nicht geahnt hatte, kehrte abends als ein Besitzer mehrerer Kuxe und eines Heisler
Kopfes wieder heim, sah in eine rosenfarbige Zukunft, kam sich sehr gehoben vor
und gelobte sich, keine Jauchenpumpe je wieder anzurühren.

Als die Sonne unterging, sollte das patriotische Fest sein Ende haben, schon


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[0168] Doktor Dnttmüller und sein Freund Da nun der Herr Kantor nicht recht wußte, ob er mit Amen oder einem Vivathoch schließen sollte, so unterließ er beides und trat von seiner Kanzel nicht gerade mit großer Wirkung ab. Auch im übrigen, wir müssen es leider konstatieren, hatte die Rede keinen tiefen Eindruck gemacht. Die Holzweißiger Damen hatten während derselben fleißig gestrickt und machten hinterher dasselbe gleichgiltige Gesicht wie vorher. Das würde übrigens auch der Fall gewesen sein, wenn es ein Reisebericht oder ein Leichensermon gewesen wäre. Die Herren am Vorstandstische hatten auf¬ merksam zugehört, und der Herr Oberstleutnant klopfte unhörbar mit den Händen zusammen und sagte: Brav! brav! Aber die Stützen der Gesellschaft, die begüterten Einwohner von Holzweißig hatten sich nicht gut betragen, sondern während der Rede Wein getrunken und mit den Gläsern angestoßen. Als aber der Direktor mit einer Batterie Sektflaschen auffuhr, war alle Andacht vorbei, und man konnte es nicht erwarten, daß der erste Pfropfen knallte. Und einer von ihnen, zu seiner Schonung soll sein Name verschwiegen bleiben, soll das vermessene Wort gesagt haben, indem er auf seiue Tasche klopfte: Ach was! der wahre Patriotismus sitzt hier! An dem Ölmcmnschen Tische hatte man aufmerksam zugehört. Drillhosc mit Hochachtung, und Ölmann mit kritischem Geiste. Denn Ölmann hatte die Ver¬ besserungen des Herrn Kantor übelgenommen und hatte sich vorgenommen, es ihm heimzuzahlen. Als sich nun der Herr Kantor mit reichlichem Händeschütteln am Vorstandstische verabschiedet hatte und mit wenig verhehltem Hochgefühl seinen Platz am Ölmannschen Tische wieder eirunden, sagte Herr Ölmann mit dem Tone eines wohlwollenden Vorgesetzten: Ihre Rede, Herr Kantor, hat meine Zufriedenheit. Sie war wissenschaftlich gebildet und standesgemäß. Aber worüber ich mich ge¬ wundert habe, Sie sagen „Genealogie." Das muß doch heißen „Generalogie." Wieso? Unsre Könige sind doch Generale. Also sagt man Generalogie. Ich nehme das niemand übel, wenn er es nicht weiß, aber wenn man einundzwanzig Jahre auf dem Gymnasium jewesen ist. . . Hier erhob sich der Herr Kantor in Heller Entrüstung und sagte: Dieses, Herr Ölmann, ist unerhört, es ist, es ist wahrhaft himmelschreiend, und ich kaun nichts darauf antworten als — guten Abend! Damit ging er ab. Und Ölmann sagte verwundert: Ich hätte nicht gedacht, daß sie hier in Holzweißig auf einer so tiefen Kultursprvsse stehn. Der Herr Kantor segelte an dem Tisch, an dem man Sekt trank, vor¬ über. Man trank ihm schon von weitem zu und rief: Kommen Sie her, Herr' Kantor, wollen Sie nicht auch uuter die Gründer gehn? — Hier wird mit Kuxen gehandelt, sagte ein andrer, und ein dritter fügte hinzu: — und der Verdienst schon im voraus vertrunken. — Wollen Sie auch ein paar Kuxe haben, sie sind billig. Wenden Sie sich nnr an den Herrn Direktor. — Der Direktor soll leben, der große Patriot und Wohlthäter der Menschheit soll leben. — Der Herr Kantor nahm hochachtungsvoll Platz, und der Herr Direktor erwiderte: Meine Herren, ich nehme Sie alle zu Zeugen, daß ich keinem vou Ihnen zugeredet habe. Kuxe sind eine gefährliche Sache. Sie stehn heute 98, können in einem Vierteljahre 150 stehn, können aber auch in den Brunnen gefallen sein. Johann, bringe noch ein paar von den Goldköpfen her. Der Kurs soll leben: Hoch, höher und noch höher soll er leben! Was kann das schlechte Leben helfen? Wer wird sich von früh bis abends schinden, um ans seinem Acker vier Prozent herauszuschlagen, wenn er in einem Vierteljahr sein Kapital um die Hälfte erhöhen kann? Jetzt kamen auch die Auswärtigen heran, und mancher, der es frühmorgens nicht geahnt hatte, kehrte abends als ein Besitzer mehrerer Kuxe und eines Heisler Kopfes wieder heim, sah in eine rosenfarbige Zukunft, kam sich sehr gehoben vor und gelobte sich, keine Jauchenpumpe je wieder anzurühren. Als die Sonne unterging, sollte das patriotische Fest sein Ende haben, schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/168>, abgerufen am 15.05.2024.