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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus ihr Herr Dr. Knemmel keinen prinzipiellen Vorwurf herleitet, so kann sie un-
erörtert bleiben, ich meine mit ihm, tsmpi xa>öff.t,i sollten wir ruhen lassen.

Wenn als zweiter Grund des Mißtrauens der Gegensatz gegen den germa¬
nischen Geist angeführt wird, den dem Jesuitenorden der Spanier Jgnattus durch
seinen Geist des Fanatismus, sowie durch den Ersatz der Gewissensüberzeugung
durch die Weisungen des Beichtvaters und den der Sittlichkeit durch die Zweckmäßigkeit
eingepflanzt habe, so geben die Schriften des Ordensstifters, sein Buch der geist¬
lichen Übungen und seine Ordenssatzungen, für diesen Grund keinen Anhalt. Beweis¬
kräftig spricht gegen ihn, daß die katholische Kirche bei keinem Orden eine andre
Moral als die Moral Jesu Christi duldet. Gegen die Grundbegriffe dieser katho¬
lischen Moral verstößt aber, daß jemand gegen sein Gewissen handelt, oder
daß er an die Stelle von Christi Sittenvorschriften Zweckmäßigkeitsansichten setzt.
Die Anschauung, daß der spanische Geist des Ordens, nicht das Papsttum, die
römische Kirche reformiert und aus ihr etwas ganz andres gemacht habe, als die
mittelalterliche Kirche gewesen war, sollte von einem modern geschulten Historiker nicht
mehr ausgesprochen werden; denn das umgekehrte ist richtig, der Jesuitenorden war
ein Kind religiöser Anschauungen seiner Zeit. Wäre mir Johannes Huber ein voll¬
wichtiger Historiker, so würde ich mich dafür auf ihn berufen (Jesuitenorden S. IX).
Vom Fanatismus der Jesuiten endlich hat wohl dasselbe zu gelten, was v. Toqne-
ville über die Fehler sagt, "die allen Korporationen, politischen wie kirchlichen, an¬
kleben, sobald sie fest verbunden und kräftig konstituiert sind, der Hang sich aus¬
zubreiten, ein etwas weniger duldsames Temperament und die Anhänglichkeit an
die Sonderrechte der Korporation." Die Überwindung dieser Schwächen gelingt
leider selbst dem Höchstmaße sittlicher Selbstzucht nicht in allen Fällen.

Der Jesuitenorden soll drittens der schärfste und konsequenteste Träger der
hierarchischen Machtansprüche sein. Aber gerade die Jesuiten haben, von einzelnen
Ausnahmen abgesehen, welche die Regel bestätigen, den in Spanien zur Ausbildung
gekommnen hierarchischen Ideen gegenüber die Souveränität des Staates auf
staatlichem Gebiete vertreten und die Zulässigkeit des Eingreifens der hierar¬
chischen Gewalten in das staatliche Gebiet, insbesondre die von vielen Theologen
vertretene direkte Gewalt des Papstes über die zeitlichen Dinge bekämpft. Wie Bellarmin
und die folgenden Jesuiten die zu ihrer Zeit herrschende Doktrin über die Gewalt
der Kirche zu beschränken suchten, bitte ich bei Hergenröther, Katholische Kirche
und christlicher Staat (2. Aufl. 1876, S. 883) nachzulesen. Dessen auf genauer
Kenntnis gerade dieser theologischen Richtungen beruhendes Urteil kann ich für die
Lehren der deutschen Jesuiten der Gegenwart auf Grund eigner Beschäftigung mit
dieser Frage bestätigen.

Herr Dr. Kaemmel giebt als möglich zu, daß die jetzigen Jesuiten das Mi߬
trauen nicht mehr verdienen; aber er meint, Riccis: sint ut sunt g,ut non sink spräche
nicht dafür, daß der Geist seines Begründers dem Orden entschwunden sei. Allein
dieses Wort rührt nicht von Ricci, sondern, wie bereits vor fünfzig Jahren Ravignan
und jüngst Duhr bewiesen haben, von Papst Clemens XIII. her. Seiner un¬
geachtet hat der Vorfahr unsers Kaisers, der Hohenzollernkönig Friedrich H., in
seinem Lande die Jesuiten als solche in seinen Schutz genommen.

Sind die historischen Gründe des Mißtrauens nicht stichhaltig, was bleibt
dann noch an Gründen bestehn, um ein bei seiner Unbilligkeit zweckloses Ausnahme¬
gesetz aufrecht zu erhalten? Wäre selbst der spanische Geist des Ordensstifters die
Lebensluft des Ordens, was ginge der Wunsch des Einzelnen, in dieser Geistesluft
zu leben, die Reichsgesetzgebung an, da bei ihm nur das Selbstbestimmungsrecht in
Frage steht. Denn ein Einfluß des Ordens auf andre Neichsangehörige ist bei
den veränderten Verhältnissen außerhalb des Ordens und in uns selbst nur noch
insoweit möglich, als die einzelnen Neichsangehörigen dessen rein geistige Macht auf
sich einwirken lassen wollen. Eine weltliche Macht steht nirgends hinter dem Orden,
jede Einwirkung desselben oder einzelner seiner Mitglieder auf das Reich oder


Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus ihr Herr Dr. Knemmel keinen prinzipiellen Vorwurf herleitet, so kann sie un-
erörtert bleiben, ich meine mit ihm, tsmpi xa>öff.t,i sollten wir ruhen lassen.

Wenn als zweiter Grund des Mißtrauens der Gegensatz gegen den germa¬
nischen Geist angeführt wird, den dem Jesuitenorden der Spanier Jgnattus durch
seinen Geist des Fanatismus, sowie durch den Ersatz der Gewissensüberzeugung
durch die Weisungen des Beichtvaters und den der Sittlichkeit durch die Zweckmäßigkeit
eingepflanzt habe, so geben die Schriften des Ordensstifters, sein Buch der geist¬
lichen Übungen und seine Ordenssatzungen, für diesen Grund keinen Anhalt. Beweis¬
kräftig spricht gegen ihn, daß die katholische Kirche bei keinem Orden eine andre
Moral als die Moral Jesu Christi duldet. Gegen die Grundbegriffe dieser katho¬
lischen Moral verstößt aber, daß jemand gegen sein Gewissen handelt, oder
daß er an die Stelle von Christi Sittenvorschriften Zweckmäßigkeitsansichten setzt.
Die Anschauung, daß der spanische Geist des Ordens, nicht das Papsttum, die
römische Kirche reformiert und aus ihr etwas ganz andres gemacht habe, als die
mittelalterliche Kirche gewesen war, sollte von einem modern geschulten Historiker nicht
mehr ausgesprochen werden; denn das umgekehrte ist richtig, der Jesuitenorden war
ein Kind religiöser Anschauungen seiner Zeit. Wäre mir Johannes Huber ein voll¬
wichtiger Historiker, so würde ich mich dafür auf ihn berufen (Jesuitenorden S. IX).
Vom Fanatismus der Jesuiten endlich hat wohl dasselbe zu gelten, was v. Toqne-
ville über die Fehler sagt, „die allen Korporationen, politischen wie kirchlichen, an¬
kleben, sobald sie fest verbunden und kräftig konstituiert sind, der Hang sich aus¬
zubreiten, ein etwas weniger duldsames Temperament und die Anhänglichkeit an
die Sonderrechte der Korporation." Die Überwindung dieser Schwächen gelingt
leider selbst dem Höchstmaße sittlicher Selbstzucht nicht in allen Fällen.

Der Jesuitenorden soll drittens der schärfste und konsequenteste Träger der
hierarchischen Machtansprüche sein. Aber gerade die Jesuiten haben, von einzelnen
Ausnahmen abgesehen, welche die Regel bestätigen, den in Spanien zur Ausbildung
gekommnen hierarchischen Ideen gegenüber die Souveränität des Staates auf
staatlichem Gebiete vertreten und die Zulässigkeit des Eingreifens der hierar¬
chischen Gewalten in das staatliche Gebiet, insbesondre die von vielen Theologen
vertretene direkte Gewalt des Papstes über die zeitlichen Dinge bekämpft. Wie Bellarmin
und die folgenden Jesuiten die zu ihrer Zeit herrschende Doktrin über die Gewalt
der Kirche zu beschränken suchten, bitte ich bei Hergenröther, Katholische Kirche
und christlicher Staat (2. Aufl. 1876, S. 883) nachzulesen. Dessen auf genauer
Kenntnis gerade dieser theologischen Richtungen beruhendes Urteil kann ich für die
Lehren der deutschen Jesuiten der Gegenwart auf Grund eigner Beschäftigung mit
dieser Frage bestätigen.

Herr Dr. Kaemmel giebt als möglich zu, daß die jetzigen Jesuiten das Mi߬
trauen nicht mehr verdienen; aber er meint, Riccis: sint ut sunt g,ut non sink spräche
nicht dafür, daß der Geist seines Begründers dem Orden entschwunden sei. Allein
dieses Wort rührt nicht von Ricci, sondern, wie bereits vor fünfzig Jahren Ravignan
und jüngst Duhr bewiesen haben, von Papst Clemens XIII. her. Seiner un¬
geachtet hat der Vorfahr unsers Kaisers, der Hohenzollernkönig Friedrich H., in
seinem Lande die Jesuiten als solche in seinen Schutz genommen.

Sind die historischen Gründe des Mißtrauens nicht stichhaltig, was bleibt
dann noch an Gründen bestehn, um ein bei seiner Unbilligkeit zweckloses Ausnahme¬
gesetz aufrecht zu erhalten? Wäre selbst der spanische Geist des Ordensstifters die
Lebensluft des Ordens, was ginge der Wunsch des Einzelnen, in dieser Geistesluft
zu leben, die Reichsgesetzgebung an, da bei ihm nur das Selbstbestimmungsrecht in
Frage steht. Denn ein Einfluß des Ordens auf andre Neichsangehörige ist bei
den veränderten Verhältnissen außerhalb des Ordens und in uns selbst nur noch
insoweit möglich, als die einzelnen Neichsangehörigen dessen rein geistige Macht auf
sich einwirken lassen wollen. Eine weltliche Macht steht nirgends hinter dem Orden,
jede Einwirkung desselben oder einzelner seiner Mitglieder auf das Reich oder


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[0170] Maßgebliches und Unmaßgebliches aus ihr Herr Dr. Knemmel keinen prinzipiellen Vorwurf herleitet, so kann sie un- erörtert bleiben, ich meine mit ihm, tsmpi xa>öff.t,i sollten wir ruhen lassen. Wenn als zweiter Grund des Mißtrauens der Gegensatz gegen den germa¬ nischen Geist angeführt wird, den dem Jesuitenorden der Spanier Jgnattus durch seinen Geist des Fanatismus, sowie durch den Ersatz der Gewissensüberzeugung durch die Weisungen des Beichtvaters und den der Sittlichkeit durch die Zweckmäßigkeit eingepflanzt habe, so geben die Schriften des Ordensstifters, sein Buch der geist¬ lichen Übungen und seine Ordenssatzungen, für diesen Grund keinen Anhalt. Beweis¬ kräftig spricht gegen ihn, daß die katholische Kirche bei keinem Orden eine andre Moral als die Moral Jesu Christi duldet. Gegen die Grundbegriffe dieser katho¬ lischen Moral verstößt aber, daß jemand gegen sein Gewissen handelt, oder daß er an die Stelle von Christi Sittenvorschriften Zweckmäßigkeitsansichten setzt. Die Anschauung, daß der spanische Geist des Ordens, nicht das Papsttum, die römische Kirche reformiert und aus ihr etwas ganz andres gemacht habe, als die mittelalterliche Kirche gewesen war, sollte von einem modern geschulten Historiker nicht mehr ausgesprochen werden; denn das umgekehrte ist richtig, der Jesuitenorden war ein Kind religiöser Anschauungen seiner Zeit. Wäre mir Johannes Huber ein voll¬ wichtiger Historiker, so würde ich mich dafür auf ihn berufen (Jesuitenorden S. IX). Vom Fanatismus der Jesuiten endlich hat wohl dasselbe zu gelten, was v. Toqne- ville über die Fehler sagt, „die allen Korporationen, politischen wie kirchlichen, an¬ kleben, sobald sie fest verbunden und kräftig konstituiert sind, der Hang sich aus¬ zubreiten, ein etwas weniger duldsames Temperament und die Anhänglichkeit an die Sonderrechte der Korporation." Die Überwindung dieser Schwächen gelingt leider selbst dem Höchstmaße sittlicher Selbstzucht nicht in allen Fällen. Der Jesuitenorden soll drittens der schärfste und konsequenteste Träger der hierarchischen Machtansprüche sein. Aber gerade die Jesuiten haben, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, welche die Regel bestätigen, den in Spanien zur Ausbildung gekommnen hierarchischen Ideen gegenüber die Souveränität des Staates auf staatlichem Gebiete vertreten und die Zulässigkeit des Eingreifens der hierar¬ chischen Gewalten in das staatliche Gebiet, insbesondre die von vielen Theologen vertretene direkte Gewalt des Papstes über die zeitlichen Dinge bekämpft. Wie Bellarmin und die folgenden Jesuiten die zu ihrer Zeit herrschende Doktrin über die Gewalt der Kirche zu beschränken suchten, bitte ich bei Hergenröther, Katholische Kirche und christlicher Staat (2. Aufl. 1876, S. 883) nachzulesen. Dessen auf genauer Kenntnis gerade dieser theologischen Richtungen beruhendes Urteil kann ich für die Lehren der deutschen Jesuiten der Gegenwart auf Grund eigner Beschäftigung mit dieser Frage bestätigen. Herr Dr. Kaemmel giebt als möglich zu, daß die jetzigen Jesuiten das Mi߬ trauen nicht mehr verdienen; aber er meint, Riccis: sint ut sunt g,ut non sink spräche nicht dafür, daß der Geist seines Begründers dem Orden entschwunden sei. Allein dieses Wort rührt nicht von Ricci, sondern, wie bereits vor fünfzig Jahren Ravignan und jüngst Duhr bewiesen haben, von Papst Clemens XIII. her. Seiner un¬ geachtet hat der Vorfahr unsers Kaisers, der Hohenzollernkönig Friedrich H., in seinem Lande die Jesuiten als solche in seinen Schutz genommen. Sind die historischen Gründe des Mißtrauens nicht stichhaltig, was bleibt dann noch an Gründen bestehn, um ein bei seiner Unbilligkeit zweckloses Ausnahme¬ gesetz aufrecht zu erhalten? Wäre selbst der spanische Geist des Ordensstifters die Lebensluft des Ordens, was ginge der Wunsch des Einzelnen, in dieser Geistesluft zu leben, die Reichsgesetzgebung an, da bei ihm nur das Selbstbestimmungsrecht in Frage steht. Denn ein Einfluß des Ordens auf andre Neichsangehörige ist bei den veränderten Verhältnissen außerhalb des Ordens und in uns selbst nur noch insoweit möglich, als die einzelnen Neichsangehörigen dessen rein geistige Macht auf sich einwirken lassen wollen. Eine weltliche Macht steht nirgends hinter dem Orden, jede Einwirkung desselben oder einzelner seiner Mitglieder auf das Reich oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/170>, abgerufen am 15.05.2024.