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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kirche zurückforderte, durch ein Netz vou Niederlassungen diese ganz protestan¬
tischen Gebiete ihrer Kirche zurückgewinnen; sie beherrschten als Beichtväter die ka¬
tholischen Fürsten Deutschlands und damit ihre Kirchenpolitik, die schließlich die be¬
drängten evangelischen Fürsten, die wahrlich den Frieden wollten, dem Fremden,
dem Schwedenkönig in die Arme trieb und den greuelvolleu Krieg erst zu einem
dreißigjährigen machte; sie haben auch später noch allerorten daran gearbeitet, pro¬
testantische Fürsten in den Schoß ihrer Kirche zurückzuführen, und wir haben es
in Sachsen noch hente nicht vergessen, daß sie es waren, die nach der äußerlichen,
von äußerlichen Gründen herbeigeführten Konversion Friedrich Augusts des Starke"
den Kurprinzen auf jahrelange" Reisen in katholischen Ländern von seiner prote¬
stantischen Umgebung trennten und ihn so lange umgarnten, bis der verlassene
und ratlose junge Fürst ihnen den Willen that und durch seinen Übertritt die Kon¬
version der Dynastie entschied. Es hat der ganzen hingebenden Treue des prote¬
stantischen sächsischen Volkes zu seinem Herrscherhause bedurft, auch diesen Schlag
ohne dauernden Schaden für beide zu überwinden. Gewiß, das sind tsmxi xW-M,
aber ihre Folgen greifen wir noch heute mit Händen, und deshalb können wir sie
auch noch nicht vergessen.

Herr I)r. spähn bestreitet weiter, daß die Sittlichkeit der Jesuiten in schroffem
Gegensatze zum protestantisch-germanischen Geiste stehe, denn die katholische Kirche
dulde bet keinem Orden "eine andre Moral als die Moral Jesu Christi." Theo¬
retisch mag der Satz richtig sein, praktisch haben Amphibolie, Prvbabilität, rssör-
vatio MöntÄlls und andre Grundsätze der spitzfindigen jesuitischen Kasuistik mit der
erhabnen Sittenlehre des Erlösers nicht nur nichts zu thun, sondern sie stehn
mit ihr in unversöhnlichem Widerspruch. Sogar der gelehrte französische Benedik¬
tiner Mabillon hat bitter geklagt, daß die heidnische Ethik solche angeblich christliche
Theologen beschaue. Und nicht nur gegen sie, sondern anch gegen den "Kadaver¬
gehorsam," diesen Kernsatz jesuitischer Disziplin und Erziehung, bäumt sich alles
auf, was im protestantischen und germanischen Menschen lebt. Dieser Orden aber
hat auf die entscheidende Schlußsessiou des Tridentiner Konzils 1562/63 einen
bestimmenden Einfluß ausgeübt und jede damals vielleicht noch mögliche Ver¬
ständigung mit dem Protestantismus verhindert. Seitdem ist die römische Kirche
immer mehr zentralisiert und immer mehr romanisiert, ist das germanische Element
in ihrer Leitung immer mehr zurückgedrängt worden, und damit ist sie eben etwas
wesentlich andres geworden, als sie im Mittelalter gewesen ist, vollends seitdem
die pis, ssntontia. der Jesuiten von der Unfehlbarkeit des Papstes 1870 Dogma
geworden ist; sie ist nicht mehr der kirchliche Ausdruck des romanisch-germanischen
Völkerkreises, sondern im wesentlichen nur noch seiner romanischen Hälfte, und sie
wird das bleiben, bis die deutschen Elemente wieder mehr Einfluß auf ihre Leitung
gewinnen, als sie offenbar jetzt haben.

Daß die Jesuiten in katholischen Ländern zuweilen einzelnen hierarchischen An¬
sprüchen der Staatsgewalt entgegengetreten sind, wie Herr Dr. Spahn weiterhin
ausführt, mag sein; in solchen Ländern waren sie der Herrscher doch durch andre
Mittel hinlänglich sicher, und nicht darauf kommt es an, sondern ans das Prinzip.
Da hat nun schon Jakob Lainez, der zweite Ordensgeneral, 1562 die päpstliche
Macht unmittelbar aus göttlicher Einsetzung abgeleitet, die Staatsgewalt als eine
vom souveränen Volk eingesetzte, also rein menschlich der kirchlichen Autorität unter¬
geordnete Institution bezeichnet und damit die Anschauung eines Gregors VII. und
Innocenz III. wieder aufgenommen. Es kann doch gar nicht daran gezweifelt
werden, daß diese Lehren auch in den Jesuitenschulen gelehrt wurden, daß sie also
auch ihre" Einfluß ausübten, soweit der dieser Schulen reichte, wenngleich sie
natürlich nicht immer nrbi et ordi verkündet wurden aus -- Vorsicht. Und wenn uicht
Ricci, sondern Papst Clemens XIII. (1753--1769) den Satz Ant ut sunt, aut,
non sink ausgesprochen hat, so ist das sachlich doch ganz gleichgiltig.

Die historischen Gründe für das protestantische Mißtrauen gegen die Jesuiten


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kirche zurückforderte, durch ein Netz vou Niederlassungen diese ganz protestan¬
tischen Gebiete ihrer Kirche zurückgewinnen; sie beherrschten als Beichtväter die ka¬
tholischen Fürsten Deutschlands und damit ihre Kirchenpolitik, die schließlich die be¬
drängten evangelischen Fürsten, die wahrlich den Frieden wollten, dem Fremden,
dem Schwedenkönig in die Arme trieb und den greuelvolleu Krieg erst zu einem
dreißigjährigen machte; sie haben auch später noch allerorten daran gearbeitet, pro¬
testantische Fürsten in den Schoß ihrer Kirche zurückzuführen, und wir haben es
in Sachsen noch hente nicht vergessen, daß sie es waren, die nach der äußerlichen,
von äußerlichen Gründen herbeigeführten Konversion Friedrich Augusts des Starke«
den Kurprinzen auf jahrelange» Reisen in katholischen Ländern von seiner prote¬
stantischen Umgebung trennten und ihn so lange umgarnten, bis der verlassene
und ratlose junge Fürst ihnen den Willen that und durch seinen Übertritt die Kon¬
version der Dynastie entschied. Es hat der ganzen hingebenden Treue des prote¬
stantischen sächsischen Volkes zu seinem Herrscherhause bedurft, auch diesen Schlag
ohne dauernden Schaden für beide zu überwinden. Gewiß, das sind tsmxi xW-M,
aber ihre Folgen greifen wir noch heute mit Händen, und deshalb können wir sie
auch noch nicht vergessen.

Herr I)r. spähn bestreitet weiter, daß die Sittlichkeit der Jesuiten in schroffem
Gegensatze zum protestantisch-germanischen Geiste stehe, denn die katholische Kirche
dulde bet keinem Orden „eine andre Moral als die Moral Jesu Christi." Theo¬
retisch mag der Satz richtig sein, praktisch haben Amphibolie, Prvbabilität, rssör-
vatio MöntÄlls und andre Grundsätze der spitzfindigen jesuitischen Kasuistik mit der
erhabnen Sittenlehre des Erlösers nicht nur nichts zu thun, sondern sie stehn
mit ihr in unversöhnlichem Widerspruch. Sogar der gelehrte französische Benedik¬
tiner Mabillon hat bitter geklagt, daß die heidnische Ethik solche angeblich christliche
Theologen beschaue. Und nicht nur gegen sie, sondern anch gegen den „Kadaver¬
gehorsam," diesen Kernsatz jesuitischer Disziplin und Erziehung, bäumt sich alles
auf, was im protestantischen und germanischen Menschen lebt. Dieser Orden aber
hat auf die entscheidende Schlußsessiou des Tridentiner Konzils 1562/63 einen
bestimmenden Einfluß ausgeübt und jede damals vielleicht noch mögliche Ver¬
ständigung mit dem Protestantismus verhindert. Seitdem ist die römische Kirche
immer mehr zentralisiert und immer mehr romanisiert, ist das germanische Element
in ihrer Leitung immer mehr zurückgedrängt worden, und damit ist sie eben etwas
wesentlich andres geworden, als sie im Mittelalter gewesen ist, vollends seitdem
die pis, ssntontia. der Jesuiten von der Unfehlbarkeit des Papstes 1870 Dogma
geworden ist; sie ist nicht mehr der kirchliche Ausdruck des romanisch-germanischen
Völkerkreises, sondern im wesentlichen nur noch seiner romanischen Hälfte, und sie
wird das bleiben, bis die deutschen Elemente wieder mehr Einfluß auf ihre Leitung
gewinnen, als sie offenbar jetzt haben.

Daß die Jesuiten in katholischen Ländern zuweilen einzelnen hierarchischen An¬
sprüchen der Staatsgewalt entgegengetreten sind, wie Herr Dr. Spahn weiterhin
ausführt, mag sein; in solchen Ländern waren sie der Herrscher doch durch andre
Mittel hinlänglich sicher, und nicht darauf kommt es an, sondern ans das Prinzip.
Da hat nun schon Jakob Lainez, der zweite Ordensgeneral, 1562 die päpstliche
Macht unmittelbar aus göttlicher Einsetzung abgeleitet, die Staatsgewalt als eine
vom souveränen Volk eingesetzte, also rein menschlich der kirchlichen Autorität unter¬
geordnete Institution bezeichnet und damit die Anschauung eines Gregors VII. und
Innocenz III. wieder aufgenommen. Es kann doch gar nicht daran gezweifelt
werden, daß diese Lehren auch in den Jesuitenschulen gelehrt wurden, daß sie also
auch ihre» Einfluß ausübten, soweit der dieser Schulen reichte, wenngleich sie
natürlich nicht immer nrbi et ordi verkündet wurden aus — Vorsicht. Und wenn uicht
Ricci, sondern Papst Clemens XIII. (1753—1769) den Satz Ant ut sunt, aut,
non sink ausgesprochen hat, so ist das sachlich doch ganz gleichgiltig.

Die historischen Gründe für das protestantische Mißtrauen gegen die Jesuiten


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[0348] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kirche zurückforderte, durch ein Netz vou Niederlassungen diese ganz protestan¬ tischen Gebiete ihrer Kirche zurückgewinnen; sie beherrschten als Beichtväter die ka¬ tholischen Fürsten Deutschlands und damit ihre Kirchenpolitik, die schließlich die be¬ drängten evangelischen Fürsten, die wahrlich den Frieden wollten, dem Fremden, dem Schwedenkönig in die Arme trieb und den greuelvolleu Krieg erst zu einem dreißigjährigen machte; sie haben auch später noch allerorten daran gearbeitet, pro¬ testantische Fürsten in den Schoß ihrer Kirche zurückzuführen, und wir haben es in Sachsen noch hente nicht vergessen, daß sie es waren, die nach der äußerlichen, von äußerlichen Gründen herbeigeführten Konversion Friedrich Augusts des Starke« den Kurprinzen auf jahrelange» Reisen in katholischen Ländern von seiner prote¬ stantischen Umgebung trennten und ihn so lange umgarnten, bis der verlassene und ratlose junge Fürst ihnen den Willen that und durch seinen Übertritt die Kon¬ version der Dynastie entschied. Es hat der ganzen hingebenden Treue des prote¬ stantischen sächsischen Volkes zu seinem Herrscherhause bedurft, auch diesen Schlag ohne dauernden Schaden für beide zu überwinden. Gewiß, das sind tsmxi xW-M, aber ihre Folgen greifen wir noch heute mit Händen, und deshalb können wir sie auch noch nicht vergessen. Herr I)r. spähn bestreitet weiter, daß die Sittlichkeit der Jesuiten in schroffem Gegensatze zum protestantisch-germanischen Geiste stehe, denn die katholische Kirche dulde bet keinem Orden „eine andre Moral als die Moral Jesu Christi." Theo¬ retisch mag der Satz richtig sein, praktisch haben Amphibolie, Prvbabilität, rssör- vatio MöntÄlls und andre Grundsätze der spitzfindigen jesuitischen Kasuistik mit der erhabnen Sittenlehre des Erlösers nicht nur nichts zu thun, sondern sie stehn mit ihr in unversöhnlichem Widerspruch. Sogar der gelehrte französische Benedik¬ tiner Mabillon hat bitter geklagt, daß die heidnische Ethik solche angeblich christliche Theologen beschaue. Und nicht nur gegen sie, sondern anch gegen den „Kadaver¬ gehorsam," diesen Kernsatz jesuitischer Disziplin und Erziehung, bäumt sich alles auf, was im protestantischen und germanischen Menschen lebt. Dieser Orden aber hat auf die entscheidende Schlußsessiou des Tridentiner Konzils 1562/63 einen bestimmenden Einfluß ausgeübt und jede damals vielleicht noch mögliche Ver¬ ständigung mit dem Protestantismus verhindert. Seitdem ist die römische Kirche immer mehr zentralisiert und immer mehr romanisiert, ist das germanische Element in ihrer Leitung immer mehr zurückgedrängt worden, und damit ist sie eben etwas wesentlich andres geworden, als sie im Mittelalter gewesen ist, vollends seitdem die pis, ssntontia. der Jesuiten von der Unfehlbarkeit des Papstes 1870 Dogma geworden ist; sie ist nicht mehr der kirchliche Ausdruck des romanisch-germanischen Völkerkreises, sondern im wesentlichen nur noch seiner romanischen Hälfte, und sie wird das bleiben, bis die deutschen Elemente wieder mehr Einfluß auf ihre Leitung gewinnen, als sie offenbar jetzt haben. Daß die Jesuiten in katholischen Ländern zuweilen einzelnen hierarchischen An¬ sprüchen der Staatsgewalt entgegengetreten sind, wie Herr Dr. Spahn weiterhin ausführt, mag sein; in solchen Ländern waren sie der Herrscher doch durch andre Mittel hinlänglich sicher, und nicht darauf kommt es an, sondern ans das Prinzip. Da hat nun schon Jakob Lainez, der zweite Ordensgeneral, 1562 die päpstliche Macht unmittelbar aus göttlicher Einsetzung abgeleitet, die Staatsgewalt als eine vom souveränen Volk eingesetzte, also rein menschlich der kirchlichen Autorität unter¬ geordnete Institution bezeichnet und damit die Anschauung eines Gregors VII. und Innocenz III. wieder aufgenommen. Es kann doch gar nicht daran gezweifelt werden, daß diese Lehren auch in den Jesuitenschulen gelehrt wurden, daß sie also auch ihre» Einfluß ausübten, soweit der dieser Schulen reichte, wenngleich sie natürlich nicht immer nrbi et ordi verkündet wurden aus — Vorsicht. Und wenn uicht Ricci, sondern Papst Clemens XIII. (1753—1769) den Satz Ant ut sunt, aut, non sink ausgesprochen hat, so ist das sachlich doch ganz gleichgiltig. Die historischen Gründe für das protestantische Mißtrauen gegen die Jesuiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/348>, abgerufen am 15.05.2024.