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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Millionen entgegen zu bringen gezwungen ist, wird er gerade in seinen ersten Se¬
mestern in eine innere Auflehnung gegen die herrschende Regierungsform, gegen seine
Lehrer und Vorgesetzten hinein getrieben. "Weh das Herz voll ist, des geht der
Mund über." Aus den Gedanken werden Worte, die sich bei Gelegenheit in Thaten
umsetzen, in öffentliche Demonstrationen und tumultuarische Protestkundgebungen.

Ein Beweis für die Richtigkeit der hier angeführten Ursachen der Studenten¬
bewegung liegt schon darin, daß bei allen Unruhen, neben einer geringen Anzahl
von Hetzern, die bei Tumulten ja nie zu fehlen Pflegen, fast nur Studenten der
ersten Semester vertreten sind; die ältern Studenten, die kurz vor dem Examen
stehn, die ihre Sturm- und Drangperiode schon hinter sich haben, halten sich fast
immer fern, ja sie mißbilligen oft das Vorgehn ihrer jüngern Kommilitonen. Als
weiterer Beweis können die beiden alten baltischen Hochschulen in Dorpat und in
Riga angeführt werden. Sowohl in Dorpat als auch in Riga bestehn seit etwa
siebzig Jahre" Korporationen mit laudsmannschaftlichen Grundsätzen. Nie sind
während der langen Dauer des Bestehns dieser Korporationen Unruhen der
Studenten in diesen beiden Städten vorgekommen; erst in den letzten Jahren, mit
der Einführung der russischen Univerfitätsordnuug, der Uniformierung der Studenten¬
schaft, des Verbotes von Verbindungen aller Art und der Überschwemmung der
erwähnten Hochschulen durch russische Akademiker machen sich auch hier Anzeichen
einer steigenden Unzufriedenheit bemerkbar.

In Dorpat ist das Farbentrngen auf der Straße verboten, aber die Korporationen
bestehn noch fort und werden von der Universitätsbehörde geduldet, da sich diese
des Wertes der Verbindungen wohl bewußt zu sein scheint. In Riga dürfen
die Couleurstudenten ihre Farben öffentlich tragen und sind dadurch von dem
Uniformzwnng befreit, während jeder nicht kvrporierte Student diesem Zwange
unterworfen ist. Sogar Petersburg, das Zentrum der Studeutenunruhen, hat eine
farbentragende Korporation, deren Mitgliedern erst im vorigen Jahr das Recht
verliehen wurde, ihre Abzeichen öffentlich zu tragen als Belohnung dafür, daß sie
sich nie an den studentischen Kundgebungen beteiligt haben.

Während früher die Unruhen an den Hochschulen und Universitäten nur von
den Studenten ausgingen, sind sie jetzt häufig mit Arbeiterrevolten verbunden.
Der Akademiker hat mit der Zeit eingesehen, daß er allein gegen die Staats¬
gewaltnichts auszurichten vermag, und sucht nun den leicht entzündbaren, unzufriednen
russischen Fabrikarbeiter zu seinem Bundesgenossen zu machen; und dies ist der
einzige Puukt in der ganzen Bewegung, der sür den Staat eine Gefahr mit sich
zu bringen vermag, den man deshalb ernst nehmen muß, denn es könnte einmal
der Fall eintreten, daß der Akademiker mit dem Goethischen Zauberlehrling ausrufen
müßte: Die ich rief die Geister werd ich nun nicht los! Sollte man sich in
Rußland endlich entschließen können, den Akademiker nicht als gemeingefährliches
Subjekt, sondern als Menschen anzusehen und ihm dasselbe Recht der freien Selbst¬
bestimmung zu gewähren, wie es jedem andern Staatsbürger ohne weiteres zusteht,
und wie es der Student, sobald er die Hochschule verläßt, ebenfalls genießt, so
würde die ganze von der Studentenschaft ausgehende Gefahr in ein Nichts zerfallen,
weil der russische Student sich, wie seine Kommilitonen im übrigen Europa, selbst
ein seinen Neigungen entsprechendes, weniger gefahrvolles Feld wählen würde.

So wie die Dinge jetzt liegen, kommt er gar nicht dazu, sich der Freiheit des
Studentenlebens zu erfreuen; vou dem ersten Tage an muß er um sie kämpfen,
und dieser Kampf bietet zugleich der jungen, impulsiver Natur soviel Reiz, vielleicht
gerade wegen der damit verbundnen Gefahr, daß er sich ihm völlig hingiebt.
Die Zeiten haben sich geändert; was zu Nikolaus des Ersten Zeit, wo ja bekanntlich
das russische Hochschulwesen militärisch organisiert war, gepaßt hat, paßt für die
Z (i), B, eit Nikolaus des Zweiten nicht mehr, es hat sich überlebt.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marauart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Millionen entgegen zu bringen gezwungen ist, wird er gerade in seinen ersten Se¬
mestern in eine innere Auflehnung gegen die herrschende Regierungsform, gegen seine
Lehrer und Vorgesetzten hinein getrieben. „Weh das Herz voll ist, des geht der
Mund über." Aus den Gedanken werden Worte, die sich bei Gelegenheit in Thaten
umsetzen, in öffentliche Demonstrationen und tumultuarische Protestkundgebungen.

Ein Beweis für die Richtigkeit der hier angeführten Ursachen der Studenten¬
bewegung liegt schon darin, daß bei allen Unruhen, neben einer geringen Anzahl
von Hetzern, die bei Tumulten ja nie zu fehlen Pflegen, fast nur Studenten der
ersten Semester vertreten sind; die ältern Studenten, die kurz vor dem Examen
stehn, die ihre Sturm- und Drangperiode schon hinter sich haben, halten sich fast
immer fern, ja sie mißbilligen oft das Vorgehn ihrer jüngern Kommilitonen. Als
weiterer Beweis können die beiden alten baltischen Hochschulen in Dorpat und in
Riga angeführt werden. Sowohl in Dorpat als auch in Riga bestehn seit etwa
siebzig Jahre» Korporationen mit laudsmannschaftlichen Grundsätzen. Nie sind
während der langen Dauer des Bestehns dieser Korporationen Unruhen der
Studenten in diesen beiden Städten vorgekommen; erst in den letzten Jahren, mit
der Einführung der russischen Univerfitätsordnuug, der Uniformierung der Studenten¬
schaft, des Verbotes von Verbindungen aller Art und der Überschwemmung der
erwähnten Hochschulen durch russische Akademiker machen sich auch hier Anzeichen
einer steigenden Unzufriedenheit bemerkbar.

In Dorpat ist das Farbentrngen auf der Straße verboten, aber die Korporationen
bestehn noch fort und werden von der Universitätsbehörde geduldet, da sich diese
des Wertes der Verbindungen wohl bewußt zu sein scheint. In Riga dürfen
die Couleurstudenten ihre Farben öffentlich tragen und sind dadurch von dem
Uniformzwnng befreit, während jeder nicht kvrporierte Student diesem Zwange
unterworfen ist. Sogar Petersburg, das Zentrum der Studeutenunruhen, hat eine
farbentragende Korporation, deren Mitgliedern erst im vorigen Jahr das Recht
verliehen wurde, ihre Abzeichen öffentlich zu tragen als Belohnung dafür, daß sie
sich nie an den studentischen Kundgebungen beteiligt haben.

Während früher die Unruhen an den Hochschulen und Universitäten nur von
den Studenten ausgingen, sind sie jetzt häufig mit Arbeiterrevolten verbunden.
Der Akademiker hat mit der Zeit eingesehen, daß er allein gegen die Staats¬
gewaltnichts auszurichten vermag, und sucht nun den leicht entzündbaren, unzufriednen
russischen Fabrikarbeiter zu seinem Bundesgenossen zu machen; und dies ist der
einzige Puukt in der ganzen Bewegung, der sür den Staat eine Gefahr mit sich
zu bringen vermag, den man deshalb ernst nehmen muß, denn es könnte einmal
der Fall eintreten, daß der Akademiker mit dem Goethischen Zauberlehrling ausrufen
müßte: Die ich rief die Geister werd ich nun nicht los! Sollte man sich in
Rußland endlich entschließen können, den Akademiker nicht als gemeingefährliches
Subjekt, sondern als Menschen anzusehen und ihm dasselbe Recht der freien Selbst¬
bestimmung zu gewähren, wie es jedem andern Staatsbürger ohne weiteres zusteht,
und wie es der Student, sobald er die Hochschule verläßt, ebenfalls genießt, so
würde die ganze von der Studentenschaft ausgehende Gefahr in ein Nichts zerfallen,
weil der russische Student sich, wie seine Kommilitonen im übrigen Europa, selbst
ein seinen Neigungen entsprechendes, weniger gefahrvolles Feld wählen würde.

So wie die Dinge jetzt liegen, kommt er gar nicht dazu, sich der Freiheit des
Studentenlebens zu erfreuen; vou dem ersten Tage an muß er um sie kämpfen,
und dieser Kampf bietet zugleich der jungen, impulsiver Natur soviel Reiz, vielleicht
gerade wegen der damit verbundnen Gefahr, daß er sich ihm völlig hingiebt.
Die Zeiten haben sich geändert; was zu Nikolaus des Ersten Zeit, wo ja bekanntlich
das russische Hochschulwesen militärisch organisiert war, gepaßt hat, paßt für die
Z (i), B, eit Nikolaus des Zweiten nicht mehr, es hat sich überlebt.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marauart in Leipzig
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[0352] Maßgebliches und Unmaßgebliches Millionen entgegen zu bringen gezwungen ist, wird er gerade in seinen ersten Se¬ mestern in eine innere Auflehnung gegen die herrschende Regierungsform, gegen seine Lehrer und Vorgesetzten hinein getrieben. „Weh das Herz voll ist, des geht der Mund über." Aus den Gedanken werden Worte, die sich bei Gelegenheit in Thaten umsetzen, in öffentliche Demonstrationen und tumultuarische Protestkundgebungen. Ein Beweis für die Richtigkeit der hier angeführten Ursachen der Studenten¬ bewegung liegt schon darin, daß bei allen Unruhen, neben einer geringen Anzahl von Hetzern, die bei Tumulten ja nie zu fehlen Pflegen, fast nur Studenten der ersten Semester vertreten sind; die ältern Studenten, die kurz vor dem Examen stehn, die ihre Sturm- und Drangperiode schon hinter sich haben, halten sich fast immer fern, ja sie mißbilligen oft das Vorgehn ihrer jüngern Kommilitonen. Als weiterer Beweis können die beiden alten baltischen Hochschulen in Dorpat und in Riga angeführt werden. Sowohl in Dorpat als auch in Riga bestehn seit etwa siebzig Jahre» Korporationen mit laudsmannschaftlichen Grundsätzen. Nie sind während der langen Dauer des Bestehns dieser Korporationen Unruhen der Studenten in diesen beiden Städten vorgekommen; erst in den letzten Jahren, mit der Einführung der russischen Univerfitätsordnuug, der Uniformierung der Studenten¬ schaft, des Verbotes von Verbindungen aller Art und der Überschwemmung der erwähnten Hochschulen durch russische Akademiker machen sich auch hier Anzeichen einer steigenden Unzufriedenheit bemerkbar. In Dorpat ist das Farbentrngen auf der Straße verboten, aber die Korporationen bestehn noch fort und werden von der Universitätsbehörde geduldet, da sich diese des Wertes der Verbindungen wohl bewußt zu sein scheint. In Riga dürfen die Couleurstudenten ihre Farben öffentlich tragen und sind dadurch von dem Uniformzwnng befreit, während jeder nicht kvrporierte Student diesem Zwange unterworfen ist. Sogar Petersburg, das Zentrum der Studeutenunruhen, hat eine farbentragende Korporation, deren Mitgliedern erst im vorigen Jahr das Recht verliehen wurde, ihre Abzeichen öffentlich zu tragen als Belohnung dafür, daß sie sich nie an den studentischen Kundgebungen beteiligt haben. Während früher die Unruhen an den Hochschulen und Universitäten nur von den Studenten ausgingen, sind sie jetzt häufig mit Arbeiterrevolten verbunden. Der Akademiker hat mit der Zeit eingesehen, daß er allein gegen die Staats¬ gewaltnichts auszurichten vermag, und sucht nun den leicht entzündbaren, unzufriednen russischen Fabrikarbeiter zu seinem Bundesgenossen zu machen; und dies ist der einzige Puukt in der ganzen Bewegung, der sür den Staat eine Gefahr mit sich zu bringen vermag, den man deshalb ernst nehmen muß, denn es könnte einmal der Fall eintreten, daß der Akademiker mit dem Goethischen Zauberlehrling ausrufen müßte: Die ich rief die Geister werd ich nun nicht los! Sollte man sich in Rußland endlich entschließen können, den Akademiker nicht als gemeingefährliches Subjekt, sondern als Menschen anzusehen und ihm dasselbe Recht der freien Selbst¬ bestimmung zu gewähren, wie es jedem andern Staatsbürger ohne weiteres zusteht, und wie es der Student, sobald er die Hochschule verläßt, ebenfalls genießt, so würde die ganze von der Studentenschaft ausgehende Gefahr in ein Nichts zerfallen, weil der russische Student sich, wie seine Kommilitonen im übrigen Europa, selbst ein seinen Neigungen entsprechendes, weniger gefahrvolles Feld wählen würde. So wie die Dinge jetzt liegen, kommt er gar nicht dazu, sich der Freiheit des Studentenlebens zu erfreuen; vou dem ersten Tage an muß er um sie kämpfen, und dieser Kampf bietet zugleich der jungen, impulsiver Natur soviel Reiz, vielleicht gerade wegen der damit verbundnen Gefahr, daß er sich ihm völlig hingiebt. Die Zeiten haben sich geändert; was zu Nikolaus des Ersten Zeit, wo ja bekanntlich das russische Hochschulwesen militärisch organisiert war, gepaßt hat, paßt für die Z (i), B, eit Nikolaus des Zweiten nicht mehr, es hat sich überlebt. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marauart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/352>, abgerufen am 15.05.2024.