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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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gehandhabt werden, und das hängt wieder damit zusammen, daß entweder die Not¬
wendigkeit eines Gesetzes dem Volke nicht ins Blut übergegangen ist, daß der alte
Schlendrian des Besserwissens in ihm zu stark ist, oder daß der Gesetzgeber weiter
kein Interesse nu seinem Ktude hat.

So geht es auch mit den Forstgesetzen in Italien. Während der Norden des
Landes durch lange fremde Okkupierung mehr daran gewöhnt ist, Achtung vor wohl¬
gemeinten Vorschriften zu hegen, haben Kirchenstaat und Neapel Regierungen gehabt,
die sich wenig um die allgemeine Bvdeupflege gekümmert haben. Der im Sommer
ausgedörrte Boden, der im Winter von kleinen reißenden Strömen durchzogen ist,
weist darauf hiu, wie nötig die Bnnmknltnr wäre. Wer jetzt Italien, zumal den
südlichen Teil durchwandert, dem werden die trotzig aufragenden Bergketten auf¬
fallen, die im wechselnden Sonnenschein die herrlichsten Töne anzunehmen Pflegen
und besonders morgens und abends in einer wahren Gamme von Farben leuchten.
Das ist freilich ein prächtiger Anblick, aber für etwas andres sind sie auch uicht
mehr da; die Vegetation, die einst diese scharfen Umrisse bedeckte, ist vollständig
vernichtet. Ju den Niederungen giebt es noch kleines niedriges Unterholz, das ein
herrlicher Aufenthalt für das Gesindel ist. Wer mit dem Gesetz in Konflikt ge¬
raten ist, der flüchtet sich in die Maechin, so heißen diese Überbleibsel von einstigen
Wäldern. An den Bergnbhängen finden sich allerdings oft noch herrliche Wald¬
partien; aber in alle dem, was Privatbesitz ist, hat der Staat kein Recht, ein
Wort mitzusprechen, und gerade das ist in Süditalien sehr ausgedehnt der Fall.
Vor Jahren habe ich den herrlichen Wald im Volskergebirge zwischen Norma und
segni durchstreift; uralte Bnumrieseu unter fröhlich nachwachsenden jungem Nach¬
wuchs, eine wahre Pracht. Das ist alles anders geworden; man hat überall stark
gelichtet, ohne nachzupflanzen, oft die Bäume geschlagen, ohne die Mittel zu haben,
sie wegzuschaffen. Wer kennt nicht das Albnnergebirge mit seinem Monte Capi,
den noch vor wenig Jahren ein Kranz der herrlichsten Edelkastanien vom Fuß bis
zum Gipfel bedeckte. Jetzt zeigt er weite, öde Flächen darunter. Italiens Boden
entbehrt eben der Steinkohle; da muß der Baum die Holzkohle liefern.

Dazu kommt ein wunderlicher Umstand, daß der Italiener eine Art Wider¬
willen gegen Bäume hat. Sie sind für ihn der Aufenthalt der Malaria. Ich
kenne Familien, die noch heutigentags uicht dazu bewogen werden können, unter
Bäumen zu ruhen, und die es besonders des Abends, sogar im Hochsommer, um
alles in der Welt nicht thun würden, nicht einmal unter ihnen zu gehn wagen.
Ist da etwas wahres daran, oder ist es nur alter Aberglaube? Thatsache ist, daß
sogar unter der italienischen Regierung vor einigen Jahren noch mit wahrer Grau-
samkeit schöne alte Banmanlagen in der Hauptstadt zerstört wurden, ohne daß eine
Klage in der sonst so wachsamen Presse erhoben wurde -- doch wohl, weil ihnen
die Sache nicht der Mühe wert erschien. Auch jetzt noch, wo es schon besser
geworden ist, sieht man, wie in öffentlichen Anlagen Bänme mit kräftigen Ästen
und entwickelter Krone ohne weiteres wieder ans den kahlen Stamm reduziert
werden.

Nun hatte schon in den achtziger Jahren Guido Baceelli, der letzte civis
i'omimuK, wie ihn seine Mitbürger scherzend nennen, auf den Schaden hingewiesen,
der durch ein solches unsinniges Niederlegen und Zerstören der Wälder entstehe,
der unberechenbar sei, nicht nur für die Agrikultur und die Industrie, sondern für
den Staat selbst durch die dadurch hervorgerusuen Überschwemmungen und durch
die fortschreitende Zerstörung der Humusschicht; auch auf den Schaden für die Ge¬
sundheit wies er hin. Im Jahre 1899 hat er dann als Unterrichtsminister ver¬
sucht, einen Damm gegen diesen Unfug aufzurichten, indem er das "Fest der Bäume"
einführte. Da er sein Publikum keimt, hat er sich ganz richtig gesagt, wenn etwas
dauerhaftes geleistet werden solle, so könne das mir dadurch geschehn, daß man die
zukünftige Generation dafür begeistere. Eines Tages, am 19. November, zogen
die Schüler aller Gemeinden Italiens nach dem dafür bestimmten Orte, in Rom
nach dem vierten Meilenstein an der Via Latina, mit Spaten bewaffnet, an der


gehandhabt werden, und das hängt wieder damit zusammen, daß entweder die Not¬
wendigkeit eines Gesetzes dem Volke nicht ins Blut übergegangen ist, daß der alte
Schlendrian des Besserwissens in ihm zu stark ist, oder daß der Gesetzgeber weiter
kein Interesse nu seinem Ktude hat.

So geht es auch mit den Forstgesetzen in Italien. Während der Norden des
Landes durch lange fremde Okkupierung mehr daran gewöhnt ist, Achtung vor wohl¬
gemeinten Vorschriften zu hegen, haben Kirchenstaat und Neapel Regierungen gehabt,
die sich wenig um die allgemeine Bvdeupflege gekümmert haben. Der im Sommer
ausgedörrte Boden, der im Winter von kleinen reißenden Strömen durchzogen ist,
weist darauf hiu, wie nötig die Bnnmknltnr wäre. Wer jetzt Italien, zumal den
südlichen Teil durchwandert, dem werden die trotzig aufragenden Bergketten auf¬
fallen, die im wechselnden Sonnenschein die herrlichsten Töne anzunehmen Pflegen
und besonders morgens und abends in einer wahren Gamme von Farben leuchten.
Das ist freilich ein prächtiger Anblick, aber für etwas andres sind sie auch uicht
mehr da; die Vegetation, die einst diese scharfen Umrisse bedeckte, ist vollständig
vernichtet. Ju den Niederungen giebt es noch kleines niedriges Unterholz, das ein
herrlicher Aufenthalt für das Gesindel ist. Wer mit dem Gesetz in Konflikt ge¬
raten ist, der flüchtet sich in die Maechin, so heißen diese Überbleibsel von einstigen
Wäldern. An den Bergnbhängen finden sich allerdings oft noch herrliche Wald¬
partien; aber in alle dem, was Privatbesitz ist, hat der Staat kein Recht, ein
Wort mitzusprechen, und gerade das ist in Süditalien sehr ausgedehnt der Fall.
Vor Jahren habe ich den herrlichen Wald im Volskergebirge zwischen Norma und
segni durchstreift; uralte Bnumrieseu unter fröhlich nachwachsenden jungem Nach¬
wuchs, eine wahre Pracht. Das ist alles anders geworden; man hat überall stark
gelichtet, ohne nachzupflanzen, oft die Bäume geschlagen, ohne die Mittel zu haben,
sie wegzuschaffen. Wer kennt nicht das Albnnergebirge mit seinem Monte Capi,
den noch vor wenig Jahren ein Kranz der herrlichsten Edelkastanien vom Fuß bis
zum Gipfel bedeckte. Jetzt zeigt er weite, öde Flächen darunter. Italiens Boden
entbehrt eben der Steinkohle; da muß der Baum die Holzkohle liefern.

Dazu kommt ein wunderlicher Umstand, daß der Italiener eine Art Wider¬
willen gegen Bäume hat. Sie sind für ihn der Aufenthalt der Malaria. Ich
kenne Familien, die noch heutigentags uicht dazu bewogen werden können, unter
Bäumen zu ruhen, und die es besonders des Abends, sogar im Hochsommer, um
alles in der Welt nicht thun würden, nicht einmal unter ihnen zu gehn wagen.
Ist da etwas wahres daran, oder ist es nur alter Aberglaube? Thatsache ist, daß
sogar unter der italienischen Regierung vor einigen Jahren noch mit wahrer Grau-
samkeit schöne alte Banmanlagen in der Hauptstadt zerstört wurden, ohne daß eine
Klage in der sonst so wachsamen Presse erhoben wurde — doch wohl, weil ihnen
die Sache nicht der Mühe wert erschien. Auch jetzt noch, wo es schon besser
geworden ist, sieht man, wie in öffentlichen Anlagen Bänme mit kräftigen Ästen
und entwickelter Krone ohne weiteres wieder ans den kahlen Stamm reduziert
werden.

Nun hatte schon in den achtziger Jahren Guido Baceelli, der letzte civis
i'omimuK, wie ihn seine Mitbürger scherzend nennen, auf den Schaden hingewiesen,
der durch ein solches unsinniges Niederlegen und Zerstören der Wälder entstehe,
der unberechenbar sei, nicht nur für die Agrikultur und die Industrie, sondern für
den Staat selbst durch die dadurch hervorgerusuen Überschwemmungen und durch
die fortschreitende Zerstörung der Humusschicht; auch auf den Schaden für die Ge¬
sundheit wies er hin. Im Jahre 1899 hat er dann als Unterrichtsminister ver¬
sucht, einen Damm gegen diesen Unfug aufzurichten, indem er das „Fest der Bäume"
einführte. Da er sein Publikum keimt, hat er sich ganz richtig gesagt, wenn etwas
dauerhaftes geleistet werden solle, so könne das mir dadurch geschehn, daß man die
zukünftige Generation dafür begeistere. Eines Tages, am 19. November, zogen
die Schüler aller Gemeinden Italiens nach dem dafür bestimmten Orte, in Rom
nach dem vierten Meilenstein an der Via Latina, mit Spaten bewaffnet, an der


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[0062] gehandhabt werden, und das hängt wieder damit zusammen, daß entweder die Not¬ wendigkeit eines Gesetzes dem Volke nicht ins Blut übergegangen ist, daß der alte Schlendrian des Besserwissens in ihm zu stark ist, oder daß der Gesetzgeber weiter kein Interesse nu seinem Ktude hat. So geht es auch mit den Forstgesetzen in Italien. Während der Norden des Landes durch lange fremde Okkupierung mehr daran gewöhnt ist, Achtung vor wohl¬ gemeinten Vorschriften zu hegen, haben Kirchenstaat und Neapel Regierungen gehabt, die sich wenig um die allgemeine Bvdeupflege gekümmert haben. Der im Sommer ausgedörrte Boden, der im Winter von kleinen reißenden Strömen durchzogen ist, weist darauf hiu, wie nötig die Bnnmknltnr wäre. Wer jetzt Italien, zumal den südlichen Teil durchwandert, dem werden die trotzig aufragenden Bergketten auf¬ fallen, die im wechselnden Sonnenschein die herrlichsten Töne anzunehmen Pflegen und besonders morgens und abends in einer wahren Gamme von Farben leuchten. Das ist freilich ein prächtiger Anblick, aber für etwas andres sind sie auch uicht mehr da; die Vegetation, die einst diese scharfen Umrisse bedeckte, ist vollständig vernichtet. Ju den Niederungen giebt es noch kleines niedriges Unterholz, das ein herrlicher Aufenthalt für das Gesindel ist. Wer mit dem Gesetz in Konflikt ge¬ raten ist, der flüchtet sich in die Maechin, so heißen diese Überbleibsel von einstigen Wäldern. An den Bergnbhängen finden sich allerdings oft noch herrliche Wald¬ partien; aber in alle dem, was Privatbesitz ist, hat der Staat kein Recht, ein Wort mitzusprechen, und gerade das ist in Süditalien sehr ausgedehnt der Fall. Vor Jahren habe ich den herrlichen Wald im Volskergebirge zwischen Norma und segni durchstreift; uralte Bnumrieseu unter fröhlich nachwachsenden jungem Nach¬ wuchs, eine wahre Pracht. Das ist alles anders geworden; man hat überall stark gelichtet, ohne nachzupflanzen, oft die Bäume geschlagen, ohne die Mittel zu haben, sie wegzuschaffen. Wer kennt nicht das Albnnergebirge mit seinem Monte Capi, den noch vor wenig Jahren ein Kranz der herrlichsten Edelkastanien vom Fuß bis zum Gipfel bedeckte. Jetzt zeigt er weite, öde Flächen darunter. Italiens Boden entbehrt eben der Steinkohle; da muß der Baum die Holzkohle liefern. Dazu kommt ein wunderlicher Umstand, daß der Italiener eine Art Wider¬ willen gegen Bäume hat. Sie sind für ihn der Aufenthalt der Malaria. Ich kenne Familien, die noch heutigentags uicht dazu bewogen werden können, unter Bäumen zu ruhen, und die es besonders des Abends, sogar im Hochsommer, um alles in der Welt nicht thun würden, nicht einmal unter ihnen zu gehn wagen. Ist da etwas wahres daran, oder ist es nur alter Aberglaube? Thatsache ist, daß sogar unter der italienischen Regierung vor einigen Jahren noch mit wahrer Grau- samkeit schöne alte Banmanlagen in der Hauptstadt zerstört wurden, ohne daß eine Klage in der sonst so wachsamen Presse erhoben wurde — doch wohl, weil ihnen die Sache nicht der Mühe wert erschien. Auch jetzt noch, wo es schon besser geworden ist, sieht man, wie in öffentlichen Anlagen Bänme mit kräftigen Ästen und entwickelter Krone ohne weiteres wieder ans den kahlen Stamm reduziert werden. Nun hatte schon in den achtziger Jahren Guido Baceelli, der letzte civis i'omimuK, wie ihn seine Mitbürger scherzend nennen, auf den Schaden hingewiesen, der durch ein solches unsinniges Niederlegen und Zerstören der Wälder entstehe, der unberechenbar sei, nicht nur für die Agrikultur und die Industrie, sondern für den Staat selbst durch die dadurch hervorgerusuen Überschwemmungen und durch die fortschreitende Zerstörung der Humusschicht; auch auf den Schaden für die Ge¬ sundheit wies er hin. Im Jahre 1899 hat er dann als Unterrichtsminister ver¬ sucht, einen Damm gegen diesen Unfug aufzurichten, indem er das „Fest der Bäume" einführte. Da er sein Publikum keimt, hat er sich ganz richtig gesagt, wenn etwas dauerhaftes geleistet werden solle, so könne das mir dadurch geschehn, daß man die zukünftige Generation dafür begeistere. Eines Tages, am 19. November, zogen die Schüler aller Gemeinden Italiens nach dem dafür bestimmten Orte, in Rom nach dem vierten Meilenstein an der Via Latina, mit Spaten bewaffnet, an der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/62>, abgerufen am 15.05.2024.