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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

knapp, und das kriegte der Arzt zu fühlen. -- Oder lag es daran, daß man die
überraschende Erfahrung gemacht hatte, daß der Mensch auch ohne Arzt wieder
gesund werde, und daß es eigentlich nicht nötig sei, Doktor Duttmüller zu rufen,
damit er aus einer kleinen Sache eine große Geschichte mache, mit gelehrten Namen
um sich werfe, die Krankheit zum Besten des Apothekers mit teuern Mediziner be¬
kämpfe und dann zum Quartal mit einer gesalznen Rechnung ankomme? Es war
wirklich vorgekommen, daß man sich die häufigen Besuche des Doktors verbat.
Darauf hatte Duttmüller zürnend den Rücken gekehrt, und die Welt war nicht
untergegangen. Solche Fälle hatten tiefen Eindruck auf die leidende Menschheit
der Holzweißiger Gegend gemacht und das Einkommen Duttmüllers geschädigt.

Aber auch Duttmüller selbst war nicht mehr derselbe, der er früher gewesen
War. Er hatte an Erfahrung gewonnen, aber an Glück eingebüßt. Es war ganz
merkwürdig, die interessanten Fälle, die ihm einst auf Schritt und Tritt begegneten,
und die er mit spielender Leichtigkeit, nicht selten bloß mit salicylsauerm Natron
bekämpft hatte, kamen jetzt nicht mehr vor. Sie waren wie von der Erde ver¬
schwunden. Auch fehlte ihm die Unbefangenheit, die er früher gehabt hatte. Er
machte sich Sorgen, weniger um die Patienten, als um ihre Honorare, und mußte
sich eingestehn, daß er in wichtigen Fällen völligen Mißerfolg gehabt hatte, daß
Menschen, denen er das Leben abgesprochen hatte, so rücksichtslos gewesen waren,
munter weiter zu lebe", und daß andre, die er nach allen Regeln der Kunst be¬
handelte, die Undankbarkeit bewiesen, zu sterben. So war er unsicher geworden. Er
wechselte mit seinen Methoden, versuchte dies und das und verschrieb mehr Tropfen
und Pillen und größere Flaschen deun je. Er war sogar nervös geworden, er war
habgierig geworden. Im Mangel erwachsen, aufs Sparen und Schinder von seiner
Mutter von Jugend auf angelernt, war er unvermittelt ein Mann von großem
Einkommen geworden. Darin liegt eine Gefahr. Ein solcher Wechsel kann zur
Verschwendung oder zum Geize führen. Duttmüller war geizig geworden. Er konnte
es nicht schnell genug erreichen, die Hypothek von seinem Hause abzustoßen und ein
reicher Mann zu werden. Als nun magrere Zeiten kamen, als sich neue Konkurrenz
fühlbar machte, verdoppelte er seinen Erwerbseifer.

So wie er dachten aber noch andre seiner Kollegen. Da man sich nun sagen
konnte und auch wirklich sagte, daß mau mit Organisation und Abgrenzung der In-
teressenkreise weiter komme als bei einem Kampfe aller gegen alle, so teilte man sich
unter Vorgang der Braunfelser Spezialisten in die kranke Welt. Somit sandte Dntt-
müller seine Kranken, die zu operieren waren, laut geheimem Vertrage um Professor
Emden. Kam uun ein gewinnbringender Fall vor, so suchte Duttmüller zunächst aus
ihm zu machen, was zu machen war, und darauf sandte er seinen Patienten zu Professor
Emden. Es mußte durchaus Professor Emden sein, ja nicht Dielenschneider oder
Carus, obgleich das ebenfalls tüchtige Chirurgen waren. Denn diese bezogen ihre
auswärtigen Patienten aus andern Orten und von andern Ärzten. Wer sich da¬
gegen auflehnte, wurde hart angelassen und bedroht, er werde keinen andern Arzt
finden, der ihn behandle.

Duttmüller hatte keine Ruhe. Es war, als scheue er den Aufenthalt in seinem
Hause. Er rannte von früh bis zum Abend umher, fuhr von Dorf zu Dorf und
überanstrengte seine Kräfte. War es Nervosität, oder was war es, was ihm einen
so unruhigen, flackernden Blick und ein nun aufgeregtes und nun niedergeschlagnes
Wesen gab?

Kollege, sagte der alte Blume, als er mit Duttmüller in Braunfels im
Ärzteverein zusammentraf, Sie sehen nicht gut aus. Übernehmen Sie sich nicht.
In solchen Zuständen macht man Dummheiten. Nehmen Sie sich vor der Flasche
und andern Reizmitteln in acht. Daran ist schon mancher zu Grunde gegangen.

Duttmüller versicherte, daß er weder Wein noch Vier noch sonst etwas Spiri-
tuoses trinke, aber der alte Blume schüttelte den Kopf und sagte: Kollege, ich habe
Sie gewarnt! Denken Sie an Ihre Gesundheit, und denken Sie an Ihre Zukunft.


Doktor Duttmüller und sein Freund

knapp, und das kriegte der Arzt zu fühlen. — Oder lag es daran, daß man die
überraschende Erfahrung gemacht hatte, daß der Mensch auch ohne Arzt wieder
gesund werde, und daß es eigentlich nicht nötig sei, Doktor Duttmüller zu rufen,
damit er aus einer kleinen Sache eine große Geschichte mache, mit gelehrten Namen
um sich werfe, die Krankheit zum Besten des Apothekers mit teuern Mediziner be¬
kämpfe und dann zum Quartal mit einer gesalznen Rechnung ankomme? Es war
wirklich vorgekommen, daß man sich die häufigen Besuche des Doktors verbat.
Darauf hatte Duttmüller zürnend den Rücken gekehrt, und die Welt war nicht
untergegangen. Solche Fälle hatten tiefen Eindruck auf die leidende Menschheit
der Holzweißiger Gegend gemacht und das Einkommen Duttmüllers geschädigt.

Aber auch Duttmüller selbst war nicht mehr derselbe, der er früher gewesen
War. Er hatte an Erfahrung gewonnen, aber an Glück eingebüßt. Es war ganz
merkwürdig, die interessanten Fälle, die ihm einst auf Schritt und Tritt begegneten,
und die er mit spielender Leichtigkeit, nicht selten bloß mit salicylsauerm Natron
bekämpft hatte, kamen jetzt nicht mehr vor. Sie waren wie von der Erde ver¬
schwunden. Auch fehlte ihm die Unbefangenheit, die er früher gehabt hatte. Er
machte sich Sorgen, weniger um die Patienten, als um ihre Honorare, und mußte
sich eingestehn, daß er in wichtigen Fällen völligen Mißerfolg gehabt hatte, daß
Menschen, denen er das Leben abgesprochen hatte, so rücksichtslos gewesen waren,
munter weiter zu lebe», und daß andre, die er nach allen Regeln der Kunst be¬
handelte, die Undankbarkeit bewiesen, zu sterben. So war er unsicher geworden. Er
wechselte mit seinen Methoden, versuchte dies und das und verschrieb mehr Tropfen
und Pillen und größere Flaschen deun je. Er war sogar nervös geworden, er war
habgierig geworden. Im Mangel erwachsen, aufs Sparen und Schinder von seiner
Mutter von Jugend auf angelernt, war er unvermittelt ein Mann von großem
Einkommen geworden. Darin liegt eine Gefahr. Ein solcher Wechsel kann zur
Verschwendung oder zum Geize führen. Duttmüller war geizig geworden. Er konnte
es nicht schnell genug erreichen, die Hypothek von seinem Hause abzustoßen und ein
reicher Mann zu werden. Als nun magrere Zeiten kamen, als sich neue Konkurrenz
fühlbar machte, verdoppelte er seinen Erwerbseifer.

So wie er dachten aber noch andre seiner Kollegen. Da man sich nun sagen
konnte und auch wirklich sagte, daß mau mit Organisation und Abgrenzung der In-
teressenkreise weiter komme als bei einem Kampfe aller gegen alle, so teilte man sich
unter Vorgang der Braunfelser Spezialisten in die kranke Welt. Somit sandte Dntt-
müller seine Kranken, die zu operieren waren, laut geheimem Vertrage um Professor
Emden. Kam uun ein gewinnbringender Fall vor, so suchte Duttmüller zunächst aus
ihm zu machen, was zu machen war, und darauf sandte er seinen Patienten zu Professor
Emden. Es mußte durchaus Professor Emden sein, ja nicht Dielenschneider oder
Carus, obgleich das ebenfalls tüchtige Chirurgen waren. Denn diese bezogen ihre
auswärtigen Patienten aus andern Orten und von andern Ärzten. Wer sich da¬
gegen auflehnte, wurde hart angelassen und bedroht, er werde keinen andern Arzt
finden, der ihn behandle.

Duttmüller hatte keine Ruhe. Es war, als scheue er den Aufenthalt in seinem
Hause. Er rannte von früh bis zum Abend umher, fuhr von Dorf zu Dorf und
überanstrengte seine Kräfte. War es Nervosität, oder was war es, was ihm einen
so unruhigen, flackernden Blick und ein nun aufgeregtes und nun niedergeschlagnes
Wesen gab?

Kollege, sagte der alte Blume, als er mit Duttmüller in Braunfels im
Ärzteverein zusammentraf, Sie sehen nicht gut aus. Übernehmen Sie sich nicht.
In solchen Zuständen macht man Dummheiten. Nehmen Sie sich vor der Flasche
und andern Reizmitteln in acht. Daran ist schon mancher zu Grunde gegangen.

Duttmüller versicherte, daß er weder Wein noch Vier noch sonst etwas Spiri-
tuoses trinke, aber der alte Blume schüttelte den Kopf und sagte: Kollege, ich habe
Sie gewarnt! Denken Sie an Ihre Gesundheit, und denken Sie an Ihre Zukunft.


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[0738] Doktor Duttmüller und sein Freund knapp, und das kriegte der Arzt zu fühlen. — Oder lag es daran, daß man die überraschende Erfahrung gemacht hatte, daß der Mensch auch ohne Arzt wieder gesund werde, und daß es eigentlich nicht nötig sei, Doktor Duttmüller zu rufen, damit er aus einer kleinen Sache eine große Geschichte mache, mit gelehrten Namen um sich werfe, die Krankheit zum Besten des Apothekers mit teuern Mediziner be¬ kämpfe und dann zum Quartal mit einer gesalznen Rechnung ankomme? Es war wirklich vorgekommen, daß man sich die häufigen Besuche des Doktors verbat. Darauf hatte Duttmüller zürnend den Rücken gekehrt, und die Welt war nicht untergegangen. Solche Fälle hatten tiefen Eindruck auf die leidende Menschheit der Holzweißiger Gegend gemacht und das Einkommen Duttmüllers geschädigt. Aber auch Duttmüller selbst war nicht mehr derselbe, der er früher gewesen War. Er hatte an Erfahrung gewonnen, aber an Glück eingebüßt. Es war ganz merkwürdig, die interessanten Fälle, die ihm einst auf Schritt und Tritt begegneten, und die er mit spielender Leichtigkeit, nicht selten bloß mit salicylsauerm Natron bekämpft hatte, kamen jetzt nicht mehr vor. Sie waren wie von der Erde ver¬ schwunden. Auch fehlte ihm die Unbefangenheit, die er früher gehabt hatte. Er machte sich Sorgen, weniger um die Patienten, als um ihre Honorare, und mußte sich eingestehn, daß er in wichtigen Fällen völligen Mißerfolg gehabt hatte, daß Menschen, denen er das Leben abgesprochen hatte, so rücksichtslos gewesen waren, munter weiter zu lebe», und daß andre, die er nach allen Regeln der Kunst be¬ handelte, die Undankbarkeit bewiesen, zu sterben. So war er unsicher geworden. Er wechselte mit seinen Methoden, versuchte dies und das und verschrieb mehr Tropfen und Pillen und größere Flaschen deun je. Er war sogar nervös geworden, er war habgierig geworden. Im Mangel erwachsen, aufs Sparen und Schinder von seiner Mutter von Jugend auf angelernt, war er unvermittelt ein Mann von großem Einkommen geworden. Darin liegt eine Gefahr. Ein solcher Wechsel kann zur Verschwendung oder zum Geize führen. Duttmüller war geizig geworden. Er konnte es nicht schnell genug erreichen, die Hypothek von seinem Hause abzustoßen und ein reicher Mann zu werden. Als nun magrere Zeiten kamen, als sich neue Konkurrenz fühlbar machte, verdoppelte er seinen Erwerbseifer. So wie er dachten aber noch andre seiner Kollegen. Da man sich nun sagen konnte und auch wirklich sagte, daß mau mit Organisation und Abgrenzung der In- teressenkreise weiter komme als bei einem Kampfe aller gegen alle, so teilte man sich unter Vorgang der Braunfelser Spezialisten in die kranke Welt. Somit sandte Dntt- müller seine Kranken, die zu operieren waren, laut geheimem Vertrage um Professor Emden. Kam uun ein gewinnbringender Fall vor, so suchte Duttmüller zunächst aus ihm zu machen, was zu machen war, und darauf sandte er seinen Patienten zu Professor Emden. Es mußte durchaus Professor Emden sein, ja nicht Dielenschneider oder Carus, obgleich das ebenfalls tüchtige Chirurgen waren. Denn diese bezogen ihre auswärtigen Patienten aus andern Orten und von andern Ärzten. Wer sich da¬ gegen auflehnte, wurde hart angelassen und bedroht, er werde keinen andern Arzt finden, der ihn behandle. Duttmüller hatte keine Ruhe. Es war, als scheue er den Aufenthalt in seinem Hause. Er rannte von früh bis zum Abend umher, fuhr von Dorf zu Dorf und überanstrengte seine Kräfte. War es Nervosität, oder was war es, was ihm einen so unruhigen, flackernden Blick und ein nun aufgeregtes und nun niedergeschlagnes Wesen gab? Kollege, sagte der alte Blume, als er mit Duttmüller in Braunfels im Ärzteverein zusammentraf, Sie sehen nicht gut aus. Übernehmen Sie sich nicht. In solchen Zuständen macht man Dummheiten. Nehmen Sie sich vor der Flasche und andern Reizmitteln in acht. Daran ist schon mancher zu Grunde gegangen. Duttmüller versicherte, daß er weder Wein noch Vier noch sonst etwas Spiri- tuoses trinke, aber der alte Blume schüttelte den Kopf und sagte: Kollege, ich habe Sie gewarnt! Denken Sie an Ihre Gesundheit, und denken Sie an Ihre Zukunft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/738>, abgerufen am 16.05.2024.