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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Der kleine Livio

Livio sah sich um. Der Bruder kam noch nicht, aber hinten vom Anfang der
Mauer her, der Piazza und San Terenzos Brunnen gegenüber kam der alte Sor
Severino schlürfend und scheltend gegangen. Livio wußte nicht, wie er hieß, wenn
er ihn auch schon oft gesehen hatte, heute kam er ihm aber neu und furchtbar vor.
Das Weiß von Haar und Bart leuchtete in der Sonne, und die Pockennarben, die
sich bis über die hellen zornigen Augen empor zogen, sahen in dem scharfen Licht
tief und schrecklich aus. Livio fühlte sein Herz schlagen. Das mußte San Terenzo
sein, weiß, wie er in der Mauer stand. Das Meer hatte ihn zerfressen, und er
war böse auf die Leute, man hörte sein Schelten weithin, wenn das Meer Atem
holte, und in seinem Brausen ein Augenblick des Schweigens eintrat.

Er muß das Fischchen bekommen, dachte Livio, aber die Angst machte ihn
selber fast zu Stein. Nun war der Alte ganz nahe. Livio hob mühsam den Arm
und streckte das Fischchen empor. Der Alte hob gewohnheitsmäßig den Stock, wie
er es zu tun pflegte, wenn die Kinder ihn überfielen und peinigten. Aber der
Kleine lief nicht lachend davon, wie es sonst geschah. Er stand unbeweglich da.
Die Angst weidete seine Augen und füllte sie mit Tränen, aber er wich nicht und
hielt sein Fischchen standhaft empor. Da griff der Alte brummend zu, nahm das
kleine Ding aus des Kindes Hand und schlürfte langsam weiter.

Livio atmete tief auf, und jetzt fielen ihm ein paar große Tränen aus deu
Augen und liefen ihm übers Gesicht. Er machte ein paar Schritte dem Bruder
entgegen, der im vollsten Lauf zurückkam.

Hat er dich geschlagen? schrie Celestino. Er wollte hinter dem Alten her,
wie er es von den andern Jungen kannte. Aber Livio hängte sich mit ganzer
Kraft an ihn.

Laß ihn, laß ihn, Celestino, es ist San Terenzo, ich habe ihm das Fischchen
geschenkt. Laß mich lieber auf der Mauer gehen, Celestino! Livio drängte den
Bruder der Mauer zu.

Ja, komm, sagte Celestino. Hier gehts die Stufen hinauf. -- Es waren
einige gemauerte Tritte da. Zu denen half er dem Kleinen empor, und dann
stand Livio frei und stolz oben auf den sonnenwarmen Steinen. Er sah die schmale
rote Linie der Mauer unter seinen Füßen hervorwachsen und sich hinziehen zwischen
dem Weiß der Uferstraße und dem unendlichen Blau des Meeres tief unten. Sie
gingen dicht hintereinander. Livio mit seinen vollen braunen Gliedern nnter dem
Leinenwams, hinter ihm Celestino, bronzefarben wie Livio, aber schon gestreckt und
mager, biegsam wie eine Gerte, die spärlichen buntfarbigen Kleidungsstücke, von den
Brüdern geerbt, kurz -und eng am Leibe wie eine knappe Haut -- so sah man
sie wie zwei farbige Silhouetten auf dem blauen Email des Meereshintergrundes
vorüberziehn.

Livio ging ohne Schwindel aufrecht und stolz, aber plötzlich stockten die nackten
Füße: da war die Mauerspalte! Er hätte sie fast nicht wiedererkannt, wie er jetzt
tief in sie hinabsah, wo er so oft den kleinen Leib hinausgelehnt und versucht hatte,
das weite Meer mit den Augen zu messen.

Vorwärts! sagte Celestino hinter ihm.

Ich kam: nicht.

Celestino faßte den Kleinen an den Schultern, und mit einer flinken Bewegung
war er an ihm vorüber über die Mauerspalte geschritten. Nun komm, sagte er
und streckte ihm die Hände entgegen.

Aber Livio stand und zögerte. Er schüttelte die kleinen Hände ablehnend
gegen die ausgestreckten seines Bruders. Sie verhandelten lange. Aber dann ließ
Livio sich nieder und rutschte an der Mauer herab, bis seine tastenden Füße den
weichen Staub der Uferstraße unter sich fühlten, und er die Hände von den Steinen
löste. Er stand auf der Straße, der Bruder reichte ihm die Hände herab, und
Livio erschien kletternd und laut atmend oben jenseits der Lücke. Alle Angst war
vergessen; sie gingen an dem schwarzen Eichenwäldchen vorbei bis an die Landungs-
brücke. Dort über die Marmorbank in der Mauer konnten sie leicht hinuntersteigen.


Der kleine Livio

Livio sah sich um. Der Bruder kam noch nicht, aber hinten vom Anfang der
Mauer her, der Piazza und San Terenzos Brunnen gegenüber kam der alte Sor
Severino schlürfend und scheltend gegangen. Livio wußte nicht, wie er hieß, wenn
er ihn auch schon oft gesehen hatte, heute kam er ihm aber neu und furchtbar vor.
Das Weiß von Haar und Bart leuchtete in der Sonne, und die Pockennarben, die
sich bis über die hellen zornigen Augen empor zogen, sahen in dem scharfen Licht
tief und schrecklich aus. Livio fühlte sein Herz schlagen. Das mußte San Terenzo
sein, weiß, wie er in der Mauer stand. Das Meer hatte ihn zerfressen, und er
war böse auf die Leute, man hörte sein Schelten weithin, wenn das Meer Atem
holte, und in seinem Brausen ein Augenblick des Schweigens eintrat.

Er muß das Fischchen bekommen, dachte Livio, aber die Angst machte ihn
selber fast zu Stein. Nun war der Alte ganz nahe. Livio hob mühsam den Arm
und streckte das Fischchen empor. Der Alte hob gewohnheitsmäßig den Stock, wie
er es zu tun pflegte, wenn die Kinder ihn überfielen und peinigten. Aber der
Kleine lief nicht lachend davon, wie es sonst geschah. Er stand unbeweglich da.
Die Angst weidete seine Augen und füllte sie mit Tränen, aber er wich nicht und
hielt sein Fischchen standhaft empor. Da griff der Alte brummend zu, nahm das
kleine Ding aus des Kindes Hand und schlürfte langsam weiter.

Livio atmete tief auf, und jetzt fielen ihm ein paar große Tränen aus deu
Augen und liefen ihm übers Gesicht. Er machte ein paar Schritte dem Bruder
entgegen, der im vollsten Lauf zurückkam.

Hat er dich geschlagen? schrie Celestino. Er wollte hinter dem Alten her,
wie er es von den andern Jungen kannte. Aber Livio hängte sich mit ganzer
Kraft an ihn.

Laß ihn, laß ihn, Celestino, es ist San Terenzo, ich habe ihm das Fischchen
geschenkt. Laß mich lieber auf der Mauer gehen, Celestino! Livio drängte den
Bruder der Mauer zu.

Ja, komm, sagte Celestino. Hier gehts die Stufen hinauf. — Es waren
einige gemauerte Tritte da. Zu denen half er dem Kleinen empor, und dann
stand Livio frei und stolz oben auf den sonnenwarmen Steinen. Er sah die schmale
rote Linie der Mauer unter seinen Füßen hervorwachsen und sich hinziehen zwischen
dem Weiß der Uferstraße und dem unendlichen Blau des Meeres tief unten. Sie
gingen dicht hintereinander. Livio mit seinen vollen braunen Gliedern nnter dem
Leinenwams, hinter ihm Celestino, bronzefarben wie Livio, aber schon gestreckt und
mager, biegsam wie eine Gerte, die spärlichen buntfarbigen Kleidungsstücke, von den
Brüdern geerbt, kurz -und eng am Leibe wie eine knappe Haut — so sah man
sie wie zwei farbige Silhouetten auf dem blauen Email des Meereshintergrundes
vorüberziehn.

Livio ging ohne Schwindel aufrecht und stolz, aber plötzlich stockten die nackten
Füße: da war die Mauerspalte! Er hätte sie fast nicht wiedererkannt, wie er jetzt
tief in sie hinabsah, wo er so oft den kleinen Leib hinausgelehnt und versucht hatte,
das weite Meer mit den Augen zu messen.

Vorwärts! sagte Celestino hinter ihm.

Ich kam: nicht.

Celestino faßte den Kleinen an den Schultern, und mit einer flinken Bewegung
war er an ihm vorüber über die Mauerspalte geschritten. Nun komm, sagte er
und streckte ihm die Hände entgegen.

Aber Livio stand und zögerte. Er schüttelte die kleinen Hände ablehnend
gegen die ausgestreckten seines Bruders. Sie verhandelten lange. Aber dann ließ
Livio sich nieder und rutschte an der Mauer herab, bis seine tastenden Füße den
weichen Staub der Uferstraße unter sich fühlten, und er die Hände von den Steinen
löste. Er stand auf der Straße, der Bruder reichte ihm die Hände herab, und
Livio erschien kletternd und laut atmend oben jenseits der Lücke. Alle Angst war
vergessen; sie gingen an dem schwarzen Eichenwäldchen vorbei bis an die Landungs-
brücke. Dort über die Marmorbank in der Mauer konnten sie leicht hinuntersteigen.


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[0526] Der kleine Livio Livio sah sich um. Der Bruder kam noch nicht, aber hinten vom Anfang der Mauer her, der Piazza und San Terenzos Brunnen gegenüber kam der alte Sor Severino schlürfend und scheltend gegangen. Livio wußte nicht, wie er hieß, wenn er ihn auch schon oft gesehen hatte, heute kam er ihm aber neu und furchtbar vor. Das Weiß von Haar und Bart leuchtete in der Sonne, und die Pockennarben, die sich bis über die hellen zornigen Augen empor zogen, sahen in dem scharfen Licht tief und schrecklich aus. Livio fühlte sein Herz schlagen. Das mußte San Terenzo sein, weiß, wie er in der Mauer stand. Das Meer hatte ihn zerfressen, und er war böse auf die Leute, man hörte sein Schelten weithin, wenn das Meer Atem holte, und in seinem Brausen ein Augenblick des Schweigens eintrat. Er muß das Fischchen bekommen, dachte Livio, aber die Angst machte ihn selber fast zu Stein. Nun war der Alte ganz nahe. Livio hob mühsam den Arm und streckte das Fischchen empor. Der Alte hob gewohnheitsmäßig den Stock, wie er es zu tun pflegte, wenn die Kinder ihn überfielen und peinigten. Aber der Kleine lief nicht lachend davon, wie es sonst geschah. Er stand unbeweglich da. Die Angst weidete seine Augen und füllte sie mit Tränen, aber er wich nicht und hielt sein Fischchen standhaft empor. Da griff der Alte brummend zu, nahm das kleine Ding aus des Kindes Hand und schlürfte langsam weiter. Livio atmete tief auf, und jetzt fielen ihm ein paar große Tränen aus deu Augen und liefen ihm übers Gesicht. Er machte ein paar Schritte dem Bruder entgegen, der im vollsten Lauf zurückkam. Hat er dich geschlagen? schrie Celestino. Er wollte hinter dem Alten her, wie er es von den andern Jungen kannte. Aber Livio hängte sich mit ganzer Kraft an ihn. Laß ihn, laß ihn, Celestino, es ist San Terenzo, ich habe ihm das Fischchen geschenkt. Laß mich lieber auf der Mauer gehen, Celestino! Livio drängte den Bruder der Mauer zu. Ja, komm, sagte Celestino. Hier gehts die Stufen hinauf. — Es waren einige gemauerte Tritte da. Zu denen half er dem Kleinen empor, und dann stand Livio frei und stolz oben auf den sonnenwarmen Steinen. Er sah die schmale rote Linie der Mauer unter seinen Füßen hervorwachsen und sich hinziehen zwischen dem Weiß der Uferstraße und dem unendlichen Blau des Meeres tief unten. Sie gingen dicht hintereinander. Livio mit seinen vollen braunen Gliedern nnter dem Leinenwams, hinter ihm Celestino, bronzefarben wie Livio, aber schon gestreckt und mager, biegsam wie eine Gerte, die spärlichen buntfarbigen Kleidungsstücke, von den Brüdern geerbt, kurz -und eng am Leibe wie eine knappe Haut — so sah man sie wie zwei farbige Silhouetten auf dem blauen Email des Meereshintergrundes vorüberziehn. Livio ging ohne Schwindel aufrecht und stolz, aber plötzlich stockten die nackten Füße: da war die Mauerspalte! Er hätte sie fast nicht wiedererkannt, wie er jetzt tief in sie hinabsah, wo er so oft den kleinen Leib hinausgelehnt und versucht hatte, das weite Meer mit den Augen zu messen. Vorwärts! sagte Celestino hinter ihm. Ich kam: nicht. Celestino faßte den Kleinen an den Schultern, und mit einer flinken Bewegung war er an ihm vorüber über die Mauerspalte geschritten. Nun komm, sagte er und streckte ihm die Hände entgegen. Aber Livio stand und zögerte. Er schüttelte die kleinen Hände ablehnend gegen die ausgestreckten seines Bruders. Sie verhandelten lange. Aber dann ließ Livio sich nieder und rutschte an der Mauer herab, bis seine tastenden Füße den weichen Staub der Uferstraße unter sich fühlten, und er die Hände von den Steinen löste. Er stand auf der Straße, der Bruder reichte ihm die Hände herab, und Livio erschien kletternd und laut atmend oben jenseits der Lücke. Alle Angst war vergessen; sie gingen an dem schwarzen Eichenwäldchen vorbei bis an die Landungs- brücke. Dort über die Marmorbank in der Mauer konnten sie leicht hinuntersteigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/526>, abgerufen am 18.05.2024.