Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.von der Technik werden, also mindestens zwanzig. Daß das heut noch lange nicht der Fall ist, Im letzten Abschnitt kommt der Verfasser noch einmal auf die Unterschiede von der Technik werden, also mindestens zwanzig. Daß das heut noch lange nicht der Fall ist, Im letzten Abschnitt kommt der Verfasser noch einmal auf die Unterschiede <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/292961"/> <fw type="header" place="top"> von der Technik</fw><lb/> <p xml:id="ID_703" prev="#ID_702"> werden, also mindestens zwanzig. Daß das heut noch lange nicht der Fall ist,<lb/> liegt nach Kraft an der historischen Entwicklung der technischen Wissenschaft. Es<lb/> sind zuerst die Disziplinen ausgebildet worden, die am unentbehrlichsten schienen,<lb/> und bei den Ingenieuren stellt sich leicht das Vorurteil ein, daß nur die auf<lb/> den technischen Schulen vertretenen Industriezweige der wissenschaftlichen Be¬<lb/> handlung und Durchdringung fähig und würdig seien. Besonders auffallend sei,<lb/> „daß die Textilindustrie, die an Zahl der Werkstätten und der in ihnen ver¬<lb/> wendeten Arbeiter sowie an Steuerkraft den bedeutendsten Industrien mindestens<lb/> gleichsteht, wenn sie sie nicht alle überragt, heute noch der allseitigen und inten¬<lb/> siven wissenschaftlichen Durchleuchtung ihrer zahlreichen Wechselwirkungsketten<lb/> entbehrt. Hier kann der Grund uicht darin liegen, daß der geringe Umfang der<lb/> Industrie die Verwendung höchster geistiger Energie darauf unwirtschaftlich er¬<lb/> scheinen ließe; der Grund dürfte darin liegen, daß diese Industrie von den ein¬<lb/> seitig praktischen Engländern entwickelt worden ist und durch ihren empirischen<lb/> Werdegang in den Unternehmern das Vorurteil erzeugt hat, wissenschaftliche<lb/> Behandlung sei nicht nur nicht nötig, sondern geradezu vom Übel, sodaß die<lb/> von diesem Gebiete ferngehaltnen Ingenieure gar keine Gelegenheit hatten, sich<lb/> damit zu beschäftigen." Vielleicht haben die Baumwollenspinner und Kattun-<lb/> weber mit ihrer Ansicht nicht so sehr Unrecht. Tatsache ist doch, daß Indien<lb/> ohne eine Ahnung von Naturwissenschaft seit Jahrtausenden das Vollkommenste<lb/> in der Weberei geleistet hat, was sich denken läßt, und daß die moderne<lb/> Maschinenspinnerei und Weberei, bei der es auf rasche Massenproduktion abge¬<lb/> sehen ist, auch kaum übertroffen werden kann. Die Industrien sind eben in dieser<lb/> Hinsicht verschieden. Die Elektrotechnik ist ohne Physik nicht denkbar; der mo¬<lb/> dernen Weberei hat es bis jetzt genügt, daß ihr die Ingenieure Maschinen bauen,<lb/> und sie wird wahrscheinlich auch in Zukunft ohne eine besondre Webereiwissen¬<lb/> schaft blühen.</p><lb/> <p xml:id="ID_704" next="#ID_705"> Im letzten Abschnitt kommt der Verfasser noch einmal auf die Unterschiede<lb/> zwischen dem Naturforscher und dem Techniker zurück und findet auch einen<lb/> ethischen heraus. Der Forscher betreibe die Wissenschaft als Selbstzweck, das<lb/> bedeute: zur Befriedigung seines Erkenntnistriebes, also ans Egoismus. Der<lb/> Techniker arbeite für das Wohl der Menschheit, also aus altruistischen, ethisch<lb/> höher stehenden Beweggründen. Freilich könne auch bei ihm das Geldinteresse<lb/> eine Rolle spielen, aber wenn auch mancher Techniker die Wissenschaft nur als<lb/> Melkkuh schützen sollte, so sei das doch sicherlich bei den Juristen und Medizinern<lb/> mindestens in demselben Umfange und Grade der Fall. Und da nun die<lb/> Ergebnisse der Technik nicht bloß ein persönliches Bedürfnis des Technikers,<lb/> auch nicht das einer kleinen Minderheit: das der wissenschaftlich Gebildeten be¬<lb/> friedigten, sondern dem Wohle der ganzen Menschheit dienten, und den edlern<lb/> unter den Technikern, namentlich ihrer höchsten Klasse, den Ingenieuren, das<lb/> hohe Ziel zur Triebfeder werde, so seien sie um dieses edeln Beweggrundes<lb/> willen ethisch höher zu schützen als die theoretischen Naturforscher, einige be¬<lb/> sonders hervorragende ausgenommen. Es soll uns lieb sein, wenn diese Charak¬<lb/> teristik zutrifft. Denn da der Einfluß der Techniker täglich wächst, und sie in der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
von der Technik
werden, also mindestens zwanzig. Daß das heut noch lange nicht der Fall ist,
liegt nach Kraft an der historischen Entwicklung der technischen Wissenschaft. Es
sind zuerst die Disziplinen ausgebildet worden, die am unentbehrlichsten schienen,
und bei den Ingenieuren stellt sich leicht das Vorurteil ein, daß nur die auf
den technischen Schulen vertretenen Industriezweige der wissenschaftlichen Be¬
handlung und Durchdringung fähig und würdig seien. Besonders auffallend sei,
„daß die Textilindustrie, die an Zahl der Werkstätten und der in ihnen ver¬
wendeten Arbeiter sowie an Steuerkraft den bedeutendsten Industrien mindestens
gleichsteht, wenn sie sie nicht alle überragt, heute noch der allseitigen und inten¬
siven wissenschaftlichen Durchleuchtung ihrer zahlreichen Wechselwirkungsketten
entbehrt. Hier kann der Grund uicht darin liegen, daß der geringe Umfang der
Industrie die Verwendung höchster geistiger Energie darauf unwirtschaftlich er¬
scheinen ließe; der Grund dürfte darin liegen, daß diese Industrie von den ein¬
seitig praktischen Engländern entwickelt worden ist und durch ihren empirischen
Werdegang in den Unternehmern das Vorurteil erzeugt hat, wissenschaftliche
Behandlung sei nicht nur nicht nötig, sondern geradezu vom Übel, sodaß die
von diesem Gebiete ferngehaltnen Ingenieure gar keine Gelegenheit hatten, sich
damit zu beschäftigen." Vielleicht haben die Baumwollenspinner und Kattun-
weber mit ihrer Ansicht nicht so sehr Unrecht. Tatsache ist doch, daß Indien
ohne eine Ahnung von Naturwissenschaft seit Jahrtausenden das Vollkommenste
in der Weberei geleistet hat, was sich denken läßt, und daß die moderne
Maschinenspinnerei und Weberei, bei der es auf rasche Massenproduktion abge¬
sehen ist, auch kaum übertroffen werden kann. Die Industrien sind eben in dieser
Hinsicht verschieden. Die Elektrotechnik ist ohne Physik nicht denkbar; der mo¬
dernen Weberei hat es bis jetzt genügt, daß ihr die Ingenieure Maschinen bauen,
und sie wird wahrscheinlich auch in Zukunft ohne eine besondre Webereiwissen¬
schaft blühen.
Im letzten Abschnitt kommt der Verfasser noch einmal auf die Unterschiede
zwischen dem Naturforscher und dem Techniker zurück und findet auch einen
ethischen heraus. Der Forscher betreibe die Wissenschaft als Selbstzweck, das
bedeute: zur Befriedigung seines Erkenntnistriebes, also ans Egoismus. Der
Techniker arbeite für das Wohl der Menschheit, also aus altruistischen, ethisch
höher stehenden Beweggründen. Freilich könne auch bei ihm das Geldinteresse
eine Rolle spielen, aber wenn auch mancher Techniker die Wissenschaft nur als
Melkkuh schützen sollte, so sei das doch sicherlich bei den Juristen und Medizinern
mindestens in demselben Umfange und Grade der Fall. Und da nun die
Ergebnisse der Technik nicht bloß ein persönliches Bedürfnis des Technikers,
auch nicht das einer kleinen Minderheit: das der wissenschaftlich Gebildeten be¬
friedigten, sondern dem Wohle der ganzen Menschheit dienten, und den edlern
unter den Technikern, namentlich ihrer höchsten Klasse, den Ingenieuren, das
hohe Ziel zur Triebfeder werde, so seien sie um dieses edeln Beweggrundes
willen ethisch höher zu schützen als die theoretischen Naturforscher, einige be¬
sonders hervorragende ausgenommen. Es soll uns lieb sein, wenn diese Charak¬
teristik zutrifft. Denn da der Einfluß der Techniker täglich wächst, und sie in der
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