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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

verholzen, verkalken und vermorschen; sie sind die bewegende, die lösende Kraft im
Gegensatz zur bindenden, organisierenden; nur im Spiel beider Kräfte bauen sich
die sozialen Organismen auf, bleiben sie lebendig und gesund. Geht das Gleich¬
gewicht einmal nach links hin verloren, und gewinnt die kritisierende Partei die
Oberhand, so löst sie entweder den Organismus in seine Elemente, in ein anarchisches
Chaos ans, oder sie wird selbst konservativ und nun ihrerseits Gegenstand der An¬
griffe der Oppositionsparteien. Gewöhnlich besorgt sie dann die öffentlichen An¬
gelegenheiten noch ein wenig schlechter als ihre Vorgängerin. Wie sich die Sozial¬
demokraten, die zurzeit allein noch in Betracht kommende Oppositionspartei im
Deutschen Reiche, als Herrscher und Regierer aufführen würden, davon haben sie
ja auf dem Dresdner Parteitag eine ergötzliche Probe abgelegt.

Das eigentlich Bedeutende an Schmidts Buche ist übrigens nicht die ab-
gcdroschne Polemik gegen Kirche und Staat, sondern seine Opposition gegen die
mechanistische und die materialistische Welterklärung; darauf gedenken wir bei einer
andern Gelegenheit zurückzukommen. In den nichtchristlichen Kreisen hat die Gegen¬
strömung gegen eine Philosophie der Geistlosigkeit vorwiegend die Form des
Okkultismus und heidnisch-philosophischen Mystizismus angenommen und sich in
viele Schulen und Sekten verzweigt. Alle diese modernen Mystiker operieren mit den
Waffen und den Werkzeugen der modernen Naturwissenschaften. Ähnlich wie Schmitt
will der Engländer Edward Carpenter (in seinem Buche: Die Zivilisation, ihre
Ursachen und ihre Heilung; in Übersetzung Leipzig, Hermann Seemann, 1903)
uicht den Geist aus der Körperwelt, sondern die Natur aus dem Selbstbewußtsein,
das All von innen heraus verstehn und erklären; und in Deutschland hat sich den
mancherlei Organen dieser nun schon recht breiten Strömung ein neues zugesellt:
die Halbmonatschrift "Die Gnosis." Sie erscheint in der Manzischen Hof-,
Verlags- "ut Universitätsbuchhandlung zu Wien und bemüht sich, streng wissen¬
schaftlich zu sein. Die ersten uns vorliegenden Hefte enthalten u. a. naturphilo-
sophische Spekulationen über Gegenstände der Physik und Chemie, mathematische
Abhandlungen, Untersuchungen über die Atlantis und eine sehr interessante Artikel-
reihc über die Eleusinischen Mysterien. In der Polemik gegen den Materialismus
stützen sich die Mitarbeiter auf den kantischen Apriorismus.




Herausgegeben von Johannes Grnnow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


Odol ist "ach den übereinstimmenden Angaben hervorragender Forscher das M
zur Zeit den AnfordcrmMil der -Zahn Hygiene am vollkommensten entspricht.Du ißt, Du sprichst, Du atmest mit dem Mund,
Wenn dieser gut gepflegt und kerngesund,
Dann geht Dir Speis' und Trank gedeihlich ein,
Dann wird, mit Zähnen blank und perlenfein,
Voll Klarheit, Anmut Deine Sprache sein,
Dein Atem duftig, frisch und rein! -
So viel hängt ab von Deines Mundes Wohl!
Bedenk es, Mensch, und brauch "Gdol"!


Maßgebliches und Unmaßgebliches

verholzen, verkalken und vermorschen; sie sind die bewegende, die lösende Kraft im
Gegensatz zur bindenden, organisierenden; nur im Spiel beider Kräfte bauen sich
die sozialen Organismen auf, bleiben sie lebendig und gesund. Geht das Gleich¬
gewicht einmal nach links hin verloren, und gewinnt die kritisierende Partei die
Oberhand, so löst sie entweder den Organismus in seine Elemente, in ein anarchisches
Chaos ans, oder sie wird selbst konservativ und nun ihrerseits Gegenstand der An¬
griffe der Oppositionsparteien. Gewöhnlich besorgt sie dann die öffentlichen An¬
gelegenheiten noch ein wenig schlechter als ihre Vorgängerin. Wie sich die Sozial¬
demokraten, die zurzeit allein noch in Betracht kommende Oppositionspartei im
Deutschen Reiche, als Herrscher und Regierer aufführen würden, davon haben sie
ja auf dem Dresdner Parteitag eine ergötzliche Probe abgelegt.

Das eigentlich Bedeutende an Schmidts Buche ist übrigens nicht die ab-
gcdroschne Polemik gegen Kirche und Staat, sondern seine Opposition gegen die
mechanistische und die materialistische Welterklärung; darauf gedenken wir bei einer
andern Gelegenheit zurückzukommen. In den nichtchristlichen Kreisen hat die Gegen¬
strömung gegen eine Philosophie der Geistlosigkeit vorwiegend die Form des
Okkultismus und heidnisch-philosophischen Mystizismus angenommen und sich in
viele Schulen und Sekten verzweigt. Alle diese modernen Mystiker operieren mit den
Waffen und den Werkzeugen der modernen Naturwissenschaften. Ähnlich wie Schmitt
will der Engländer Edward Carpenter (in seinem Buche: Die Zivilisation, ihre
Ursachen und ihre Heilung; in Übersetzung Leipzig, Hermann Seemann, 1903)
uicht den Geist aus der Körperwelt, sondern die Natur aus dem Selbstbewußtsein,
das All von innen heraus verstehn und erklären; und in Deutschland hat sich den
mancherlei Organen dieser nun schon recht breiten Strömung ein neues zugesellt:
die Halbmonatschrift „Die Gnosis." Sie erscheint in der Manzischen Hof-,
Verlags- »ut Universitätsbuchhandlung zu Wien und bemüht sich, streng wissen¬
schaftlich zu sein. Die ersten uns vorliegenden Hefte enthalten u. a. naturphilo-
sophische Spekulationen über Gegenstände der Physik und Chemie, mathematische
Abhandlungen, Untersuchungen über die Atlantis und eine sehr interessante Artikel-
reihc über die Eleusinischen Mysterien. In der Polemik gegen den Materialismus
stützen sich die Mitarbeiter auf den kantischen Apriorismus.




Herausgegeben von Johannes Grnnow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


Odol ist »ach den übereinstimmenden Angaben hervorragender Forscher das M
zur Zeit den AnfordcrmMil der -Zahn Hygiene am vollkommensten entspricht.Du ißt, Du sprichst, Du atmest mit dem Mund,
Wenn dieser gut gepflegt und kerngesund,
Dann geht Dir Speis' und Trank gedeihlich ein,
Dann wird, mit Zähnen blank und perlenfein,
Voll Klarheit, Anmut Deine Sprache sein,
Dein Atem duftig, frisch und rein! -
So viel hängt ab von Deines Mundes Wohl!
Bedenk es, Mensch, und brauch „Gdol"!


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[0260] Maßgebliches und Unmaßgebliches verholzen, verkalken und vermorschen; sie sind die bewegende, die lösende Kraft im Gegensatz zur bindenden, organisierenden; nur im Spiel beider Kräfte bauen sich die sozialen Organismen auf, bleiben sie lebendig und gesund. Geht das Gleich¬ gewicht einmal nach links hin verloren, und gewinnt die kritisierende Partei die Oberhand, so löst sie entweder den Organismus in seine Elemente, in ein anarchisches Chaos ans, oder sie wird selbst konservativ und nun ihrerseits Gegenstand der An¬ griffe der Oppositionsparteien. Gewöhnlich besorgt sie dann die öffentlichen An¬ gelegenheiten noch ein wenig schlechter als ihre Vorgängerin. Wie sich die Sozial¬ demokraten, die zurzeit allein noch in Betracht kommende Oppositionspartei im Deutschen Reiche, als Herrscher und Regierer aufführen würden, davon haben sie ja auf dem Dresdner Parteitag eine ergötzliche Probe abgelegt. Das eigentlich Bedeutende an Schmidts Buche ist übrigens nicht die ab- gcdroschne Polemik gegen Kirche und Staat, sondern seine Opposition gegen die mechanistische und die materialistische Welterklärung; darauf gedenken wir bei einer andern Gelegenheit zurückzukommen. In den nichtchristlichen Kreisen hat die Gegen¬ strömung gegen eine Philosophie der Geistlosigkeit vorwiegend die Form des Okkultismus und heidnisch-philosophischen Mystizismus angenommen und sich in viele Schulen und Sekten verzweigt. Alle diese modernen Mystiker operieren mit den Waffen und den Werkzeugen der modernen Naturwissenschaften. Ähnlich wie Schmitt will der Engländer Edward Carpenter (in seinem Buche: Die Zivilisation, ihre Ursachen und ihre Heilung; in Übersetzung Leipzig, Hermann Seemann, 1903) uicht den Geist aus der Körperwelt, sondern die Natur aus dem Selbstbewußtsein, das All von innen heraus verstehn und erklären; und in Deutschland hat sich den mancherlei Organen dieser nun schon recht breiten Strömung ein neues zugesellt: die Halbmonatschrift „Die Gnosis." Sie erscheint in der Manzischen Hof-, Verlags- »ut Universitätsbuchhandlung zu Wien und bemüht sich, streng wissen¬ schaftlich zu sein. Die ersten uns vorliegenden Hefte enthalten u. a. naturphilo- sophische Spekulationen über Gegenstände der Physik und Chemie, mathematische Abhandlungen, Untersuchungen über die Atlantis und eine sehr interessante Artikel- reihc über die Eleusinischen Mysterien. In der Polemik gegen den Materialismus stützen sich die Mitarbeiter auf den kantischen Apriorismus. Herausgegeben von Johannes Grnnow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig Odol ist »ach den übereinstimmenden Angaben hervorragender Forscher das M zur Zeit den AnfordcrmMil der -Zahn Hygiene am vollkommensten entspricht.Du ißt, Du sprichst, Du atmest mit dem Mund, Wenn dieser gut gepflegt und kerngesund, Dann geht Dir Speis' und Trank gedeihlich ein, Dann wird, mit Zähnen blank und perlenfein, Voll Klarheit, Anmut Deine Sprache sein, Dein Atem duftig, frisch und rein! - So viel hängt ab von Deines Mundes Wohl! Bedenk es, Mensch, und brauch „Gdol"!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/260>, abgerufen am 19.05.2024.