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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ein diplomatischer Scherz Bismcircks?

In dem von König Wilhelm
dem Ersten am 28. Februar 1866 nbgehaltnen Ministerrat, wobei außer dem
Kronprinzen und den Ministern auch Moltke und Manteuffel sowie der Vertreter
Preußens in Paris, Graf Goltz, zugegen waren, erklärte Bismarck voran und
ebenso Moltke und Manteuffel mit deu sonst Anwesenden, außer Finanzminister
Bodelschwingh, der sich für einen Ausgleich mit Österreich in der schleswig-
holsteiuischen Frage äußerte, es sei unvermeidlich, salls Österreich nicht freiwillig
aus den Herzogtümern weiche, zum Schwerte zu greifen. Aber der Kronprinz
widersprach, weil der Krieg mit Österreich ein Bruderkrieg sei, und sich das Aus¬
land gewiß hineinmischen werde. Der König selbst war mit Bismarcks Plan ein¬
verstanden, einen engern Bund unter Führung Preußens zu schaffen, worüber er
übrigens schon vor der Berufung Bismarcks einen Plan durch den Grafen Berns-
dorff den deutschen Höfen hatte mitteilen lasten; nur scheute er vor einem Kriege
mit Österreich zurück. Aber in diesem Ministerrat überraschte er mit der Be¬
merkung, der Besitz der Herzogtümer sei eines Krieges schon wert, doch sei eine
friedliche Erlangung immerhin wünschenswerter; wenn es aber sein müsse, sei er
auch zum Krieg entschlossen, den er, nachdem er Gott gebeten habe, ihm den
richtigen Weg zu zeigen, für einen gewagten halte. Den Widerspruch in diesen
Worten rügt Heinrich Friedjung in seinem Geschichtswerk: "Der Kampf um die
Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis 1866" (Aufl. 5 von 1901/2, Bd. 1, S. 156),
dem dieser Auszug entnommen ist, mit der Bemerkung: "Nur zu gut stimmte das
Wort Gottes mit den Wünschen überein, die er sich selbst nicht eingestand." Das
Ergebnis des Ministerrath war wichtig genug, es geheim zu halten. Unterhand¬
lungen Bismarcks mit Napoleon und Moltkes mit Italien, die ja nur auf einen
Krieg mit Österreich gerichtet sein konnten, konnten nicht verborgen bleiben. Aber
Graf Bismarck machte aus seinen großen Plänen ebensowenig ein Geheimnis wie
aus dem Widerstreben des Königs. Ein von Moltke ausgearbeiteter Entwurf zu
einem Angriffskriege gegen Österreich, der mit einem überraschenden Überfall
Sachsens und einer Überrumpelung der Bundesfestung Mainz beginnen sollte, wurde
als ein gegen alles Völkerrecht verstoßender Friedensbruch vom König Wilhelm
abgelehnt; aber Bismarck kannte den Stolz der Habsburgischen Monarchie, die eher
einen Krieg wagen, als sich zu einem freiwilligen Zurückweichen in der schleswig¬
holsteinischen Frage herbeilassen werde, besser als sein König. Die Stimmung am
Berliner Hofe und im Kabinett zu Berlin kannte man am österreichischen Hofe
aus den Berührungen mit den höchsten Kreisen der Berliner Gesellschaft, bis in
die königliche Familie, sehr wohl. Biegeleben und Belcredi warnten vor einem
plötzlichen Überfall Sachsens und Böhmens durch Preußen. Aus Berlin waren
Berichte an das Auswärtige Amt in Wien gelangt, daß gewichtige Vertreter einer
solchen Ansicht unter den preußischen Militärs seien. Gerüchte von preußischen
Rüstungen, wenn sie auch noch grundlos waren, liefen schon um.

Eine wegen ihres Urhebers Beachtung verdienende Warnung des Bankiers
Bleichröder in Berlin, der in finanziellen Dingen Berater Bismarcks wie auch des
Grafen Hohenthal, damals sächsischen Gesandten in Berlin, war, und dessen Inter¬
esse darin bestand, sich im Falle eines Krieges beiden Parteien zu empfehlen, be¬
unruhigte damals den sächsischen Hof. Bleichröder wollte erfahren haben, daß im
Ministerrate vom 28. Februar die Frage eines Überfalls auf Sachsen ernstlich er¬
wogen worden sei; dabei sei beschlossen worden, Sachsen erst zu besetzen, wenn der
Krieg mit Österreich unabwendbar geworden sei, und dann mit der Kriegserklärung
sogleich in Sachsen einzurücken. Es mochte das aus dem Moltkischeu Entwurf be¬
kannt geworden sein, der sich ja ernstlich mit dem Plan eines preußischen Einfalls
in Sachsen beschäftigt hatte. Graf Hohenthal war von dieser Mitteilung auss
äußerste betroffen und gab seiner Regierung sofort Nachricht. Er konnte jedoch Bis¬
marck nicht gut selbst über das ihm von Bleichröder anvertraute Staatsgeheimnis be¬
fragen und versuchte es, ihn in andrer Weise zur Aussprache zu veranlassen. Er lud


Grenzboien I 1904 gg
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ein diplomatischer Scherz Bismcircks?

In dem von König Wilhelm
dem Ersten am 28. Februar 1866 nbgehaltnen Ministerrat, wobei außer dem
Kronprinzen und den Ministern auch Moltke und Manteuffel sowie der Vertreter
Preußens in Paris, Graf Goltz, zugegen waren, erklärte Bismarck voran und
ebenso Moltke und Manteuffel mit deu sonst Anwesenden, außer Finanzminister
Bodelschwingh, der sich für einen Ausgleich mit Österreich in der schleswig-
holsteiuischen Frage äußerte, es sei unvermeidlich, salls Österreich nicht freiwillig
aus den Herzogtümern weiche, zum Schwerte zu greifen. Aber der Kronprinz
widersprach, weil der Krieg mit Österreich ein Bruderkrieg sei, und sich das Aus¬
land gewiß hineinmischen werde. Der König selbst war mit Bismarcks Plan ein¬
verstanden, einen engern Bund unter Führung Preußens zu schaffen, worüber er
übrigens schon vor der Berufung Bismarcks einen Plan durch den Grafen Berns-
dorff den deutschen Höfen hatte mitteilen lasten; nur scheute er vor einem Kriege
mit Österreich zurück. Aber in diesem Ministerrat überraschte er mit der Be¬
merkung, der Besitz der Herzogtümer sei eines Krieges schon wert, doch sei eine
friedliche Erlangung immerhin wünschenswerter; wenn es aber sein müsse, sei er
auch zum Krieg entschlossen, den er, nachdem er Gott gebeten habe, ihm den
richtigen Weg zu zeigen, für einen gewagten halte. Den Widerspruch in diesen
Worten rügt Heinrich Friedjung in seinem Geschichtswerk: „Der Kampf um die
Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis 1866" (Aufl. 5 von 1901/2, Bd. 1, S. 156),
dem dieser Auszug entnommen ist, mit der Bemerkung: „Nur zu gut stimmte das
Wort Gottes mit den Wünschen überein, die er sich selbst nicht eingestand." Das
Ergebnis des Ministerrath war wichtig genug, es geheim zu halten. Unterhand¬
lungen Bismarcks mit Napoleon und Moltkes mit Italien, die ja nur auf einen
Krieg mit Österreich gerichtet sein konnten, konnten nicht verborgen bleiben. Aber
Graf Bismarck machte aus seinen großen Plänen ebensowenig ein Geheimnis wie
aus dem Widerstreben des Königs. Ein von Moltke ausgearbeiteter Entwurf zu
einem Angriffskriege gegen Österreich, der mit einem überraschenden Überfall
Sachsens und einer Überrumpelung der Bundesfestung Mainz beginnen sollte, wurde
als ein gegen alles Völkerrecht verstoßender Friedensbruch vom König Wilhelm
abgelehnt; aber Bismarck kannte den Stolz der Habsburgischen Monarchie, die eher
einen Krieg wagen, als sich zu einem freiwilligen Zurückweichen in der schleswig¬
holsteinischen Frage herbeilassen werde, besser als sein König. Die Stimmung am
Berliner Hofe und im Kabinett zu Berlin kannte man am österreichischen Hofe
aus den Berührungen mit den höchsten Kreisen der Berliner Gesellschaft, bis in
die königliche Familie, sehr wohl. Biegeleben und Belcredi warnten vor einem
plötzlichen Überfall Sachsens und Böhmens durch Preußen. Aus Berlin waren
Berichte an das Auswärtige Amt in Wien gelangt, daß gewichtige Vertreter einer
solchen Ansicht unter den preußischen Militärs seien. Gerüchte von preußischen
Rüstungen, wenn sie auch noch grundlos waren, liefen schon um.

Eine wegen ihres Urhebers Beachtung verdienende Warnung des Bankiers
Bleichröder in Berlin, der in finanziellen Dingen Berater Bismarcks wie auch des
Grafen Hohenthal, damals sächsischen Gesandten in Berlin, war, und dessen Inter¬
esse darin bestand, sich im Falle eines Krieges beiden Parteien zu empfehlen, be¬
unruhigte damals den sächsischen Hof. Bleichröder wollte erfahren haben, daß im
Ministerrate vom 28. Februar die Frage eines Überfalls auf Sachsen ernstlich er¬
wogen worden sei; dabei sei beschlossen worden, Sachsen erst zu besetzen, wenn der
Krieg mit Österreich unabwendbar geworden sei, und dann mit der Kriegserklärung
sogleich in Sachsen einzurücken. Es mochte das aus dem Moltkischeu Entwurf be¬
kannt geworden sein, der sich ja ernstlich mit dem Plan eines preußischen Einfalls
in Sachsen beschäftigt hatte. Graf Hohenthal war von dieser Mitteilung auss
äußerste betroffen und gab seiner Regierung sofort Nachricht. Er konnte jedoch Bis¬
marck nicht gut selbst über das ihm von Bleichröder anvertraute Staatsgeheimnis be¬
fragen und versuchte es, ihn in andrer Weise zur Aussprache zu veranlassen. Er lud


Grenzboien I 1904 gg
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[0621] Maßgebliches und Unmaßgebliches Ein diplomatischer Scherz Bismcircks? In dem von König Wilhelm dem Ersten am 28. Februar 1866 nbgehaltnen Ministerrat, wobei außer dem Kronprinzen und den Ministern auch Moltke und Manteuffel sowie der Vertreter Preußens in Paris, Graf Goltz, zugegen waren, erklärte Bismarck voran und ebenso Moltke und Manteuffel mit deu sonst Anwesenden, außer Finanzminister Bodelschwingh, der sich für einen Ausgleich mit Österreich in der schleswig- holsteiuischen Frage äußerte, es sei unvermeidlich, salls Österreich nicht freiwillig aus den Herzogtümern weiche, zum Schwerte zu greifen. Aber der Kronprinz widersprach, weil der Krieg mit Österreich ein Bruderkrieg sei, und sich das Aus¬ land gewiß hineinmischen werde. Der König selbst war mit Bismarcks Plan ein¬ verstanden, einen engern Bund unter Führung Preußens zu schaffen, worüber er übrigens schon vor der Berufung Bismarcks einen Plan durch den Grafen Berns- dorff den deutschen Höfen hatte mitteilen lasten; nur scheute er vor einem Kriege mit Österreich zurück. Aber in diesem Ministerrat überraschte er mit der Be¬ merkung, der Besitz der Herzogtümer sei eines Krieges schon wert, doch sei eine friedliche Erlangung immerhin wünschenswerter; wenn es aber sein müsse, sei er auch zum Krieg entschlossen, den er, nachdem er Gott gebeten habe, ihm den richtigen Weg zu zeigen, für einen gewagten halte. Den Widerspruch in diesen Worten rügt Heinrich Friedjung in seinem Geschichtswerk: „Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis 1866" (Aufl. 5 von 1901/2, Bd. 1, S. 156), dem dieser Auszug entnommen ist, mit der Bemerkung: „Nur zu gut stimmte das Wort Gottes mit den Wünschen überein, die er sich selbst nicht eingestand." Das Ergebnis des Ministerrath war wichtig genug, es geheim zu halten. Unterhand¬ lungen Bismarcks mit Napoleon und Moltkes mit Italien, die ja nur auf einen Krieg mit Österreich gerichtet sein konnten, konnten nicht verborgen bleiben. Aber Graf Bismarck machte aus seinen großen Plänen ebensowenig ein Geheimnis wie aus dem Widerstreben des Königs. Ein von Moltke ausgearbeiteter Entwurf zu einem Angriffskriege gegen Österreich, der mit einem überraschenden Überfall Sachsens und einer Überrumpelung der Bundesfestung Mainz beginnen sollte, wurde als ein gegen alles Völkerrecht verstoßender Friedensbruch vom König Wilhelm abgelehnt; aber Bismarck kannte den Stolz der Habsburgischen Monarchie, die eher einen Krieg wagen, als sich zu einem freiwilligen Zurückweichen in der schleswig¬ holsteinischen Frage herbeilassen werde, besser als sein König. Die Stimmung am Berliner Hofe und im Kabinett zu Berlin kannte man am österreichischen Hofe aus den Berührungen mit den höchsten Kreisen der Berliner Gesellschaft, bis in die königliche Familie, sehr wohl. Biegeleben und Belcredi warnten vor einem plötzlichen Überfall Sachsens und Böhmens durch Preußen. Aus Berlin waren Berichte an das Auswärtige Amt in Wien gelangt, daß gewichtige Vertreter einer solchen Ansicht unter den preußischen Militärs seien. Gerüchte von preußischen Rüstungen, wenn sie auch noch grundlos waren, liefen schon um. Eine wegen ihres Urhebers Beachtung verdienende Warnung des Bankiers Bleichröder in Berlin, der in finanziellen Dingen Berater Bismarcks wie auch des Grafen Hohenthal, damals sächsischen Gesandten in Berlin, war, und dessen Inter¬ esse darin bestand, sich im Falle eines Krieges beiden Parteien zu empfehlen, be¬ unruhigte damals den sächsischen Hof. Bleichröder wollte erfahren haben, daß im Ministerrate vom 28. Februar die Frage eines Überfalls auf Sachsen ernstlich er¬ wogen worden sei; dabei sei beschlossen worden, Sachsen erst zu besetzen, wenn der Krieg mit Österreich unabwendbar geworden sei, und dann mit der Kriegserklärung sogleich in Sachsen einzurücken. Es mochte das aus dem Moltkischeu Entwurf be¬ kannt geworden sein, der sich ja ernstlich mit dem Plan eines preußischen Einfalls in Sachsen beschäftigt hatte. Graf Hohenthal war von dieser Mitteilung auss äußerste betroffen und gab seiner Regierung sofort Nachricht. Er konnte jedoch Bis¬ marck nicht gut selbst über das ihm von Bleichröder anvertraute Staatsgeheimnis be¬ fragen und versuchte es, ihn in andrer Weise zur Aussprache zu veranlassen. Er lud Grenzboien I 1904 gg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/621>, abgerufen am 18.05.2024.