Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
westfälische Geschichten

gewesen war. Wenn sie auch nur ganz bescheiden es einmal wagte, ein Wörtchen
darein zu reden, dann begehrte die Ursel auf: Eure Zeit ist um, Moder. Es ist
jetzt meine Wirtschaft, und niemand hat sich darum zu kümmern.

Der Hof ist frei von Schulden, und daß alles in Ordnung ist, dafür habe
ich gesorgt, sagte die alte Frau zu ihrem Sohn; aber wenn ihr so fortmacht, du
nud die Ursel, dann kommt ihr auf den Hund. Sonst hast du doch gewußt, was
du gewollt hast, aber jetzt gehst du der Frau um die Augen, und wenn sie auf¬
muckt, verkriechst du dich. Und auf den Tisch zu schlagen, das hast du ganz ver¬
lernt. -- Ihr sorgt, daß ichs wieder lerne, hatte der Jörgen geantwortet, indem
er die Hand drohend gegen die Mutter erhoben hatte.

Der Präsident sah manches rin eignen Augen, und was er nicht sah, erfuhr
er von dem alten treuen Stoffer, der es nicht mehr mit ansehen konnte. Da wußte
der Präsident, was er zu tun hatte: er ließ die Hinterzimmer seines Hauses, die
leer standen, einrichten, ganz so wie die Stuben gewesen waren, die seine Mutter
bewohnt hatte, als sie noch Herrin auf dem Piepershof war. Als alles fertig
war, fuhr er auf den Piepershof hinaus. An der Leibzucht fuhr er vor: Heute
nehm ich Euch mit mir in die Stadt, Mutter. Packt ein, auf den Hof kommt
Ihr nicht wieder zurück.

Junge, Junge! hatte die alte Frau gesagt. In die Stadt willst du mich
mitnehmen, in das feine Leben, die alte Frau, die nur eine Bäuerin ist?

Sie sprach seinen eignen Gedanken aus. Es hatte ihm schwer auf der Seele
gelegen trotz aller Liebe zu der Mutter. Hatten sie auf dem Lande schon über
die alte Frau gelacht, die so am Hergebrachten festhielt und noch in der Landes¬
tracht ging, was würde die Gesellschaft sagen, in der er sich bewegte! Was würde
vor allem sie für Augen machen, an die er sein Herz verloren hatte, die stolze
Lota von Rosen?

Es hatte ja den Anschein gehabt, als könnte das Wort der Mutter: Heiraten
mußt du, Junge! noch zur Wahrheit werden. An allen Mädchen und Frauen war
er bisher achtlos vorübergegangen, bis er fast zu alt zum Heiraten geworden war.
Da war er dem vornehmen jungen Mädchen begegnet, und ihre Schönheit hatte
ihn gefangen genommen. Es war auf seiner Orientreise gewesen, sie hatte mit
ihren Eltern die Fahrt auf demselben Schiffe mitgemacht. Obgleich sie in derselben
Stadt lebte, wie er, waren sie vorher noch nie miteinander in Berührung ge¬
kommen -- jetzt hatte sie ihn vom ersten Augenblick an gefesselt, und er hatte sich
nicht wieder aus dem Zauber lösen können, den sie auf ihn ausübte. Der Ver¬
kehr war nach der Heimkehr fortgesetzt worden, und er glaubte sicher zu sein, daß
seine Werbung angenommen werden würde. Aber so leidenschaftlich seine Liebe
war, er hatte das entscheidende Wort doch immer wieder zurückgedrängt. Und
zwar im Gedanken an seine Mutter. Er konnte sich nicht verhehlen, daß seine
Auserwählte stolz und hochfahrend war, und daß sie Wert ans äußern Glanz legte.
Was würde sie zu einer Schwiegermutter sagen, die in der Landestracht der
Bäuerin daherkäme und sich nicht in der Sprache der Gesellschaft auszudrücken
verstünde? Und was würde seine Mutter zu einem Wesen sagen, wie Lota
von Rosen es war?

Da wurde er also durch die Erkenntnis, daß es seine Pflicht sei, die Mutter
zu sich zu nehmen, damit sie nicht elend zugrunde ginge, zur Entscheidung gedrängt.
Er mußte die Probe machen.

Die Mutter hatte sich wohl eine Weile gesträubt, dann war sie aber mit ihm
in die Stadt gezogen. Einen Augenblick hatte er daran gedacht, ob er sie nicht
veranlassen sollte, städtische Tracht anzulegen; sie selbst hatte geäußert, er müsse
sich ihrer schämen vor all den vornehmen Leuten, die seine Bekanntschaft seien.
Aber er hatte den Gedanken von sich gewiesen. Er ließ der alten Frau Zeit, sich
einzugewöhnen, dann sagte er ihr eines Tags: So, Mutter, und jetzt gehn wir
miteinander spazieren, daß die Leute sehen, was für eine feine Mutter ich habe.


westfälische Geschichten

gewesen war. Wenn sie auch nur ganz bescheiden es einmal wagte, ein Wörtchen
darein zu reden, dann begehrte die Ursel auf: Eure Zeit ist um, Moder. Es ist
jetzt meine Wirtschaft, und niemand hat sich darum zu kümmern.

Der Hof ist frei von Schulden, und daß alles in Ordnung ist, dafür habe
ich gesorgt, sagte die alte Frau zu ihrem Sohn; aber wenn ihr so fortmacht, du
nud die Ursel, dann kommt ihr auf den Hund. Sonst hast du doch gewußt, was
du gewollt hast, aber jetzt gehst du der Frau um die Augen, und wenn sie auf¬
muckt, verkriechst du dich. Und auf den Tisch zu schlagen, das hast du ganz ver¬
lernt. — Ihr sorgt, daß ichs wieder lerne, hatte der Jörgen geantwortet, indem
er die Hand drohend gegen die Mutter erhoben hatte.

Der Präsident sah manches rin eignen Augen, und was er nicht sah, erfuhr
er von dem alten treuen Stoffer, der es nicht mehr mit ansehen konnte. Da wußte
der Präsident, was er zu tun hatte: er ließ die Hinterzimmer seines Hauses, die
leer standen, einrichten, ganz so wie die Stuben gewesen waren, die seine Mutter
bewohnt hatte, als sie noch Herrin auf dem Piepershof war. Als alles fertig
war, fuhr er auf den Piepershof hinaus. An der Leibzucht fuhr er vor: Heute
nehm ich Euch mit mir in die Stadt, Mutter. Packt ein, auf den Hof kommt
Ihr nicht wieder zurück.

Junge, Junge! hatte die alte Frau gesagt. In die Stadt willst du mich
mitnehmen, in das feine Leben, die alte Frau, die nur eine Bäuerin ist?

Sie sprach seinen eignen Gedanken aus. Es hatte ihm schwer auf der Seele
gelegen trotz aller Liebe zu der Mutter. Hatten sie auf dem Lande schon über
die alte Frau gelacht, die so am Hergebrachten festhielt und noch in der Landes¬
tracht ging, was würde die Gesellschaft sagen, in der er sich bewegte! Was würde
vor allem sie für Augen machen, an die er sein Herz verloren hatte, die stolze
Lota von Rosen?

Es hatte ja den Anschein gehabt, als könnte das Wort der Mutter: Heiraten
mußt du, Junge! noch zur Wahrheit werden. An allen Mädchen und Frauen war
er bisher achtlos vorübergegangen, bis er fast zu alt zum Heiraten geworden war.
Da war er dem vornehmen jungen Mädchen begegnet, und ihre Schönheit hatte
ihn gefangen genommen. Es war auf seiner Orientreise gewesen, sie hatte mit
ihren Eltern die Fahrt auf demselben Schiffe mitgemacht. Obgleich sie in derselben
Stadt lebte, wie er, waren sie vorher noch nie miteinander in Berührung ge¬
kommen — jetzt hatte sie ihn vom ersten Augenblick an gefesselt, und er hatte sich
nicht wieder aus dem Zauber lösen können, den sie auf ihn ausübte. Der Ver¬
kehr war nach der Heimkehr fortgesetzt worden, und er glaubte sicher zu sein, daß
seine Werbung angenommen werden würde. Aber so leidenschaftlich seine Liebe
war, er hatte das entscheidende Wort doch immer wieder zurückgedrängt. Und
zwar im Gedanken an seine Mutter. Er konnte sich nicht verhehlen, daß seine
Auserwählte stolz und hochfahrend war, und daß sie Wert ans äußern Glanz legte.
Was würde sie zu einer Schwiegermutter sagen, die in der Landestracht der
Bäuerin daherkäme und sich nicht in der Sprache der Gesellschaft auszudrücken
verstünde? Und was würde seine Mutter zu einem Wesen sagen, wie Lota
von Rosen es war?

Da wurde er also durch die Erkenntnis, daß es seine Pflicht sei, die Mutter
zu sich zu nehmen, damit sie nicht elend zugrunde ginge, zur Entscheidung gedrängt.
Er mußte die Probe machen.

Die Mutter hatte sich wohl eine Weile gesträubt, dann war sie aber mit ihm
in die Stadt gezogen. Einen Augenblick hatte er daran gedacht, ob er sie nicht
veranlassen sollte, städtische Tracht anzulegen; sie selbst hatte geäußert, er müsse
sich ihrer schämen vor all den vornehmen Leuten, die seine Bekanntschaft seien.
Aber er hatte den Gedanken von sich gewiesen. Er ließ der alten Frau Zeit, sich
einzugewöhnen, dann sagte er ihr eines Tags: So, Mutter, und jetzt gehn wir
miteinander spazieren, daß die Leute sehen, was für eine feine Mutter ich habe.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0786" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294405"/>
          <fw type="header" place="top"> westfälische Geschichten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3539" prev="#ID_3538"> gewesen war. Wenn sie auch nur ganz bescheiden es einmal wagte, ein Wörtchen<lb/>
darein zu reden, dann begehrte die Ursel auf: Eure Zeit ist um, Moder. Es ist<lb/>
jetzt meine Wirtschaft, und niemand hat sich darum zu kümmern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3540"> Der Hof ist frei von Schulden, und daß alles in Ordnung ist, dafür habe<lb/>
ich gesorgt, sagte die alte Frau zu ihrem Sohn; aber wenn ihr so fortmacht, du<lb/>
nud die Ursel, dann kommt ihr auf den Hund. Sonst hast du doch gewußt, was<lb/>
du gewollt hast, aber jetzt gehst du der Frau um die Augen, und wenn sie auf¬<lb/>
muckt, verkriechst du dich. Und auf den Tisch zu schlagen, das hast du ganz ver¬<lb/>
lernt. &#x2014; Ihr sorgt, daß ichs wieder lerne, hatte der Jörgen geantwortet, indem<lb/>
er die Hand drohend gegen die Mutter erhoben hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3541"> Der Präsident sah manches rin eignen Augen, und was er nicht sah, erfuhr<lb/>
er von dem alten treuen Stoffer, der es nicht mehr mit ansehen konnte. Da wußte<lb/>
der Präsident, was er zu tun hatte: er ließ die Hinterzimmer seines Hauses, die<lb/>
leer standen, einrichten, ganz so wie die Stuben gewesen waren, die seine Mutter<lb/>
bewohnt hatte, als sie noch Herrin auf dem Piepershof war. Als alles fertig<lb/>
war, fuhr er auf den Piepershof hinaus. An der Leibzucht fuhr er vor: Heute<lb/>
nehm ich Euch mit mir in die Stadt, Mutter. Packt ein, auf den Hof kommt<lb/>
Ihr nicht wieder zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3542"> Junge, Junge! hatte die alte Frau gesagt. In die Stadt willst du mich<lb/>
mitnehmen, in das feine Leben, die alte Frau, die nur eine Bäuerin ist?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3543"> Sie sprach seinen eignen Gedanken aus. Es hatte ihm schwer auf der Seele<lb/>
gelegen trotz aller Liebe zu der Mutter. Hatten sie auf dem Lande schon über<lb/>
die alte Frau gelacht, die so am Hergebrachten festhielt und noch in der Landes¬<lb/>
tracht ging, was würde die Gesellschaft sagen, in der er sich bewegte! Was würde<lb/>
vor allem sie für Augen machen, an die er sein Herz verloren hatte, die stolze<lb/>
Lota von Rosen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3544"> Es hatte ja den Anschein gehabt, als könnte das Wort der Mutter: Heiraten<lb/>
mußt du, Junge! noch zur Wahrheit werden. An allen Mädchen und Frauen war<lb/>
er bisher achtlos vorübergegangen, bis er fast zu alt zum Heiraten geworden war.<lb/>
Da war er dem vornehmen jungen Mädchen begegnet, und ihre Schönheit hatte<lb/>
ihn gefangen genommen. Es war auf seiner Orientreise gewesen, sie hatte mit<lb/>
ihren Eltern die Fahrt auf demselben Schiffe mitgemacht. Obgleich sie in derselben<lb/>
Stadt lebte, wie er, waren sie vorher noch nie miteinander in Berührung ge¬<lb/>
kommen &#x2014; jetzt hatte sie ihn vom ersten Augenblick an gefesselt, und er hatte sich<lb/>
nicht wieder aus dem Zauber lösen können, den sie auf ihn ausübte. Der Ver¬<lb/>
kehr war nach der Heimkehr fortgesetzt worden, und er glaubte sicher zu sein, daß<lb/>
seine Werbung angenommen werden würde. Aber so leidenschaftlich seine Liebe<lb/>
war, er hatte das entscheidende Wort doch immer wieder zurückgedrängt. Und<lb/>
zwar im Gedanken an seine Mutter. Er konnte sich nicht verhehlen, daß seine<lb/>
Auserwählte stolz und hochfahrend war, und daß sie Wert ans äußern Glanz legte.<lb/>
Was würde sie zu einer Schwiegermutter sagen, die in der Landestracht der<lb/>
Bäuerin daherkäme und sich nicht in der Sprache der Gesellschaft auszudrücken<lb/>
verstünde? Und was würde seine Mutter zu einem Wesen sagen, wie Lota<lb/>
von Rosen es war?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3545"> Da wurde er also durch die Erkenntnis, daß es seine Pflicht sei, die Mutter<lb/>
zu sich zu nehmen, damit sie nicht elend zugrunde ginge, zur Entscheidung gedrängt.<lb/>
Er mußte die Probe machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3546"> Die Mutter hatte sich wohl eine Weile gesträubt, dann war sie aber mit ihm<lb/>
in die Stadt gezogen. Einen Augenblick hatte er daran gedacht, ob er sie nicht<lb/>
veranlassen sollte, städtische Tracht anzulegen; sie selbst hatte geäußert, er müsse<lb/>
sich ihrer schämen vor all den vornehmen Leuten, die seine Bekanntschaft seien.<lb/>
Aber er hatte den Gedanken von sich gewiesen. Er ließ der alten Frau Zeit, sich<lb/>
einzugewöhnen, dann sagte er ihr eines Tags: So, Mutter, und jetzt gehn wir<lb/>
miteinander spazieren, daß die Leute sehen, was für eine feine Mutter ich habe.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0786] westfälische Geschichten gewesen war. Wenn sie auch nur ganz bescheiden es einmal wagte, ein Wörtchen darein zu reden, dann begehrte die Ursel auf: Eure Zeit ist um, Moder. Es ist jetzt meine Wirtschaft, und niemand hat sich darum zu kümmern. Der Hof ist frei von Schulden, und daß alles in Ordnung ist, dafür habe ich gesorgt, sagte die alte Frau zu ihrem Sohn; aber wenn ihr so fortmacht, du nud die Ursel, dann kommt ihr auf den Hund. Sonst hast du doch gewußt, was du gewollt hast, aber jetzt gehst du der Frau um die Augen, und wenn sie auf¬ muckt, verkriechst du dich. Und auf den Tisch zu schlagen, das hast du ganz ver¬ lernt. — Ihr sorgt, daß ichs wieder lerne, hatte der Jörgen geantwortet, indem er die Hand drohend gegen die Mutter erhoben hatte. Der Präsident sah manches rin eignen Augen, und was er nicht sah, erfuhr er von dem alten treuen Stoffer, der es nicht mehr mit ansehen konnte. Da wußte der Präsident, was er zu tun hatte: er ließ die Hinterzimmer seines Hauses, die leer standen, einrichten, ganz so wie die Stuben gewesen waren, die seine Mutter bewohnt hatte, als sie noch Herrin auf dem Piepershof war. Als alles fertig war, fuhr er auf den Piepershof hinaus. An der Leibzucht fuhr er vor: Heute nehm ich Euch mit mir in die Stadt, Mutter. Packt ein, auf den Hof kommt Ihr nicht wieder zurück. Junge, Junge! hatte die alte Frau gesagt. In die Stadt willst du mich mitnehmen, in das feine Leben, die alte Frau, die nur eine Bäuerin ist? Sie sprach seinen eignen Gedanken aus. Es hatte ihm schwer auf der Seele gelegen trotz aller Liebe zu der Mutter. Hatten sie auf dem Lande schon über die alte Frau gelacht, die so am Hergebrachten festhielt und noch in der Landes¬ tracht ging, was würde die Gesellschaft sagen, in der er sich bewegte! Was würde vor allem sie für Augen machen, an die er sein Herz verloren hatte, die stolze Lota von Rosen? Es hatte ja den Anschein gehabt, als könnte das Wort der Mutter: Heiraten mußt du, Junge! noch zur Wahrheit werden. An allen Mädchen und Frauen war er bisher achtlos vorübergegangen, bis er fast zu alt zum Heiraten geworden war. Da war er dem vornehmen jungen Mädchen begegnet, und ihre Schönheit hatte ihn gefangen genommen. Es war auf seiner Orientreise gewesen, sie hatte mit ihren Eltern die Fahrt auf demselben Schiffe mitgemacht. Obgleich sie in derselben Stadt lebte, wie er, waren sie vorher noch nie miteinander in Berührung ge¬ kommen — jetzt hatte sie ihn vom ersten Augenblick an gefesselt, und er hatte sich nicht wieder aus dem Zauber lösen können, den sie auf ihn ausübte. Der Ver¬ kehr war nach der Heimkehr fortgesetzt worden, und er glaubte sicher zu sein, daß seine Werbung angenommen werden würde. Aber so leidenschaftlich seine Liebe war, er hatte das entscheidende Wort doch immer wieder zurückgedrängt. Und zwar im Gedanken an seine Mutter. Er konnte sich nicht verhehlen, daß seine Auserwählte stolz und hochfahrend war, und daß sie Wert ans äußern Glanz legte. Was würde sie zu einer Schwiegermutter sagen, die in der Landestracht der Bäuerin daherkäme und sich nicht in der Sprache der Gesellschaft auszudrücken verstünde? Und was würde seine Mutter zu einem Wesen sagen, wie Lota von Rosen es war? Da wurde er also durch die Erkenntnis, daß es seine Pflicht sei, die Mutter zu sich zu nehmen, damit sie nicht elend zugrunde ginge, zur Entscheidung gedrängt. Er mußte die Probe machen. Die Mutter hatte sich wohl eine Weile gesträubt, dann war sie aber mit ihm in die Stadt gezogen. Einen Augenblick hatte er daran gedacht, ob er sie nicht veranlassen sollte, städtische Tracht anzulegen; sie selbst hatte geäußert, er müsse sich ihrer schämen vor all den vornehmen Leuten, die seine Bekanntschaft seien. Aber er hatte den Gedanken von sich gewiesen. Er ließ der alten Frau Zeit, sich einzugewöhnen, dann sagte er ihr eines Tags: So, Mutter, und jetzt gehn wir miteinander spazieren, daß die Leute sehen, was für eine feine Mutter ich habe.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/786
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/786>, abgerufen am 20.05.2024.