Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Goethe als Erneuerer So nähern wir uns immer mehr der Tatsache, daß Goethe auch be¬ Selbsterneuerung, wie sie unbewußt die gütige Natur fortwährend besorgt, So auch an den Staatsminister von Voigt: Oder in dem Gedicht "Bildung": Darum endlich: "Ich habe geliebet, nun lieb ich erst recht!" mit dem gesunden Dann wird Neujahr zu einem Festtag, um dem sich uicht nur die Zeit erneuert, Aber uns leuchtet Freundliche Treue; Sehet das Neue Findet uns neu. Andere schauen Denkende Falten Über dem Alten Traurig und scheu: O des Geschickes Seltsamer Windung! Alte Verbindung Neues Geschenk! Superlativisch sagt Jacobi von diesem Neusein, indem er sich achtunddreißig Goethe als Erneuerer So nähern wir uns immer mehr der Tatsache, daß Goethe auch be¬ Selbsterneuerung, wie sie unbewußt die gütige Natur fortwährend besorgt, So auch an den Staatsminister von Voigt: Oder in dem Gedicht „Bildung": Darum endlich: „Ich habe geliebet, nun lieb ich erst recht!" mit dem gesunden Dann wird Neujahr zu einem Festtag, um dem sich uicht nur die Zeit erneuert, Aber uns leuchtet Freundliche Treue; Sehet das Neue Findet uns neu. Andere schauen Denkende Falten Über dem Alten Traurig und scheu: O des Geschickes Seltsamer Windung! Alte Verbindung Neues Geschenk! Superlativisch sagt Jacobi von diesem Neusein, indem er sich achtunddreißig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294579"/> <fw type="header" place="top"> Goethe als Erneuerer</fw><lb/> <p xml:id="ID_622"> So nähern wir uns immer mehr der Tatsache, daß Goethe auch be¬<lb/> wußt an seiner eignen Erneuerung gearbeitet hat. Wir brauchen nur noch<lb/> an sein Nachdenken des Naturlebens zu rühren, und sofort stellt sich der<lb/> Doppelgedanke ein, wie Goethes Freude an der sich immer erneuernden Natur<lb/> auch seinem eignen Wesen galt und dieses unmittelbar erquickend, erneuernd<lb/> beeinflußte. Bald lernt er ihr in ruhiger Betrachtung Gebote für sich ab,<lb/> zum Beispiel von den Steinen das des Schweigens, bald läßt er die sich<lb/> Erneuernde unmittelbar sein fühlendes und formendes Innere befruchten:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_623" next="#ID_624"> Selbsterneuerung, wie sie unbewußt die gütige Natur fortwährend besorgt,<lb/> wurde ihm auch für das Gemütsleben eine im Auge zu haltende Pflicht.<lb/> Verkehr mit den besten vergangnen Zeiten, mit den Gesunden seiner Zeit und<lb/> liebefrohes Leben sind es, denen er seine beinahe sprichwörtlich gewordne<lb/> greifende Jugend verdankt oder die sie ausmachen:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_624" prev="#ID_623" next="#ID_625"> So auch an den Staatsminister von Voigt:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_625" prev="#ID_624" next="#ID_626"> Oder in dem Gedicht „Bildung":</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_626" prev="#ID_625" next="#ID_627"> Darum endlich: „Ich habe geliebet, nun lieb ich erst recht!" mit dem gesunden</p><lb/> <p xml:id="ID_627" prev="#ID_626"/><lb/> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_628" next="#ID_629"> Dann wird Neujahr zu einem Festtag, um dem sich uicht nur die Zeit erneuert,<lb/> sondern auch die Herzen, indem sie alle Gaben des Lebens, voran die Freund¬<lb/> schaft, als neu geschenkt empfinden:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_18" type="poem"> <l> Aber uns leuchtet<lb/> Freundliche Treue;<lb/> Sehet das Neue<lb/> Findet uns neu.</l> <l> Andere schauen<lb/> Denkende Falten<lb/> Über dem Alten<lb/> Traurig und scheu:</l> <l> O des Geschickes<lb/> Seltsamer Windung!<lb/> Alte Verbindung<lb/> Neues Geschenk!</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_629" prev="#ID_628" next="#ID_630"> Superlativisch sagt Jacobi von diesem Neusein, indem er sich achtunddreißig<lb/> Jahre später seines beglückenden Zusammenseins mit Goethe im Jahre 1774</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
Goethe als Erneuerer
So nähern wir uns immer mehr der Tatsache, daß Goethe auch be¬
wußt an seiner eignen Erneuerung gearbeitet hat. Wir brauchen nur noch
an sein Nachdenken des Naturlebens zu rühren, und sofort stellt sich der
Doppelgedanke ein, wie Goethes Freude an der sich immer erneuernden Natur
auch seinem eignen Wesen galt und dieses unmittelbar erquickend, erneuernd
beeinflußte. Bald lernt er ihr in ruhiger Betrachtung Gebote für sich ab,
zum Beispiel von den Steinen das des Schweigens, bald läßt er die sich
Erneuernde unmittelbar sein fühlendes und formendes Innere befruchten:
Selbsterneuerung, wie sie unbewußt die gütige Natur fortwährend besorgt,
wurde ihm auch für das Gemütsleben eine im Auge zu haltende Pflicht.
Verkehr mit den besten vergangnen Zeiten, mit den Gesunden seiner Zeit und
liebefrohes Leben sind es, denen er seine beinahe sprichwörtlich gewordne
greifende Jugend verdankt oder die sie ausmachen:
So auch an den Staatsminister von Voigt:
Oder in dem Gedicht „Bildung":
Darum endlich: „Ich habe geliebet, nun lieb ich erst recht!" mit dem gesunden
Dann wird Neujahr zu einem Festtag, um dem sich uicht nur die Zeit erneuert,
sondern auch die Herzen, indem sie alle Gaben des Lebens, voran die Freund¬
schaft, als neu geschenkt empfinden:
Aber uns leuchtet
Freundliche Treue;
Sehet das Neue
Findet uns neu. Andere schauen
Denkende Falten
Über dem Alten
Traurig und scheu: O des Geschickes
Seltsamer Windung!
Alte Verbindung
Neues Geschenk!
Superlativisch sagt Jacobi von diesem Neusein, indem er sich achtunddreißig
Jahre später seines beglückenden Zusammenseins mit Goethe im Jahre 1774
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