Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Schlachtendarstellungen in der Musik Kampf die Rede ist. so enthält der jüngere, "Die Perser" betitelte Nomos des In der Musik des christlichen Mittelalters sind, soviel bis jetzt bekannt ist, Schlachtendarstellungen treffen wir wieder an in der Zeit, wo sich die Grenzboten III 1304 gg
Schlachtendarstellungen in der Musik Kampf die Rede ist. so enthält der jüngere, „Die Perser" betitelte Nomos des In der Musik des christlichen Mittelalters sind, soviel bis jetzt bekannt ist, Schlachtendarstellungen treffen wir wieder an in der Zeit, wo sich die Grenzboten III 1304 gg
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294706"/> <fw type="header" place="top"> Schlachtendarstellungen in der Musik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1207" prev="#ID_1206"> Kampf die Rede ist. so enthält der jüngere, „Die Perser" betitelte Nomos des<lb/> als Jnstrumentalvirtuosen berühmten Timotheos von Milet (447 bis 357<lb/> v. Chr.) die Schilderung einer wirklichen Schlacht, keiner geringern als der bei<lb/> Salamis. Hier handelt es sich aber nicht um bloßes Flötenspiel, sondern um<lb/> Gesang mit Text und Kitharabegleitung- Desgleichen des Timotheos „Nautilos"<lb/> soll, wie beiläufig erwähnt sei, einen Seesturm in Tönen gemalt haben. (Vgl.:<lb/> Timotheos. Die Perser, hrsg. von U. v. Wilamowitz-Möllendorf. Leipzig 1903.)<lb/> Dazu ist zu bemerken, daß die Instrumentalmusik der Griechen aller Wahrschein¬<lb/> lichkeit nach ausschließlich Programmmusik war. Ihrem auf die äußere Dar¬<lb/> stellung gerichteten Sinn fehlte noch die innerliche Vertiefung, die die reine<lb/> Instrumentalmusik fordert. Die Griechen blieben deshalb in der Instrumental¬<lb/> musik bei der Darstellung äußerlicher Vorgänge stehn. Die Mittel, die ihnen<lb/> dazu zur Verfügung standen, waren natürlich sehr beschränkt. Harmonie war<lb/> dem Altertum noch unbekannt, und einzig durch die melodische Bewegung mußten<lb/> die Schilderungen bewerkstelligt werden. Zur Darstellung des erwähnten Zischens<lb/> des Drachens wurden, wie wir aus einem erhaltnen Apollohymnus, wo dieses<lb/> ebenfalls illustriert ist, wissen, chromatische Fortschreitungen verwandt, oder um<lb/> Überraschungen, eine plötzlich eintretende neue Wendung der Handlung anzu¬<lb/> zeigen, wurden ganz unvermittelt Tom fremder Tonarten eingeführt. Der mit<lb/> diesen dürftigen Mitteln herbeigeführte Effekt scheint freilich schon beim griechischen<lb/> Publikum nicht immer verfangen zu haben, wenigstens meinte em witziger Zu¬<lb/> hörer des erwähnten Seesturms, „er habe in siedenden Kochtopfen schon viel<lb/> heftigere Stürme erlebt," und ähnliche Spöttereien werden uns mehr über¬<lb/> liefert</p><lb/> <p xml:id="ID_1208"> In der Musik des christlichen Mittelalters sind, soviel bis jetzt bekannt ist,<lb/> keine Schlachtendarstellungen zu verzeichnen, man müßte denn gerade die<lb/> historischen Volkslieder, die sich auf Knegstatm beziehen, für solche in Anspruch<lb/> nehmen Diese reichen mit dem erhaltnen lateinischen Liede auf den Sieg Chlotars<lb/> des Zweiten über die Sachsen bis ins alte Frankenreich der Merowinger zurück;<lb/> aber Melodien zu solchen Gesängen sind erst aus viel späterer Zeit überliefert.<lb/> In der mittelalterlichen Kirchenmusik hören wir zwen von tonmalerischen Be¬<lb/> strebungen So soll Notker Balbulus, der bekannte Se. Galler Mönch, in einer<lb/> seiner Sequenzen (Same-ti Spiritus a<1sit motus Zr-Mes das langsame Kreisen<lb/> eines von spärlichem Wasser getriebnen Mühlenrades nachgeahmt haben. Aber<lb/> von Schlachtenbildern ist bei den frommen kirchlichen Musikern acht die Rede.<lb/> Die mittelalterliche Instrumentalmusik endlich ist noch in so tiefes Dunkel ge¬<lb/> hüllt, daß wir noch nicht feststellen können, ob acht hier ähnliche Versuche,<lb/> wie wir sie bei den Griechen gefunden haben, angestellt worden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1209" next="#ID_1210"> Schlachtendarstellungen treffen wir wieder an in der Zeit, wo sich die<lb/> Mehrstimmigkeit entwickelt hatte, und die Kunst des unbegleiteten Chorgefangs<lb/> in höchster Blüte stand, also im sechzehnten Jahrhundert. Unter diesen die be¬<lb/> rühmteste ist die LlMills (oder I.Ä (?uerre in andern Ausgaben) des Element<lb/> Janequin. Der Komponist will nichts geringeres als ein Bild von der Schlacht<lb/> bei Marigncmo (1515) geben. (Vgl. die Neuausgabe von H. Expert in<lb/> maltrss irmsioisns as ig, rsnASLÄnos kr-me^iss. Paris 1898.) Im üblichen<lb/> feierlichen Motettenstil beginnt das Stück auf die Worte: LsocmtW Ahnens<lb/> Mlle^s la. viotoi's ein noble 107 ?rs>ncM8. Dann gehts mit den Worten:<lb/> l^itrö-z sonillös, trg.pW wdours zur Vorbereitung der Schlacht über. Wenn<lb/> hier Pfeifen und Trommeln nachgeahmt werden, so geschieht es mit feinem<lb/> künstlerischem Takt, und derselbe künstlerische Feinsinn waltet in allen den nun<lb/> folgenden Tonmalereien, die im wesentlichen das Stück ausmachen. Eine ein¬<lb/> fache und doch typische Trommelfigur zum Beispiel ist geschickt, dem g. <zg,rMa-<lb/> Stil entsprechend, abwechselnd durch die verschiednen Stimmen geführt. Es<lb/> folgen kecke zweistimmige Trompetenweisen. Äußerst wirksam wird durch un-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1304 gg</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289]
Schlachtendarstellungen in der Musik
Kampf die Rede ist. so enthält der jüngere, „Die Perser" betitelte Nomos des
als Jnstrumentalvirtuosen berühmten Timotheos von Milet (447 bis 357
v. Chr.) die Schilderung einer wirklichen Schlacht, keiner geringern als der bei
Salamis. Hier handelt es sich aber nicht um bloßes Flötenspiel, sondern um
Gesang mit Text und Kitharabegleitung- Desgleichen des Timotheos „Nautilos"
soll, wie beiläufig erwähnt sei, einen Seesturm in Tönen gemalt haben. (Vgl.:
Timotheos. Die Perser, hrsg. von U. v. Wilamowitz-Möllendorf. Leipzig 1903.)
Dazu ist zu bemerken, daß die Instrumentalmusik der Griechen aller Wahrschein¬
lichkeit nach ausschließlich Programmmusik war. Ihrem auf die äußere Dar¬
stellung gerichteten Sinn fehlte noch die innerliche Vertiefung, die die reine
Instrumentalmusik fordert. Die Griechen blieben deshalb in der Instrumental¬
musik bei der Darstellung äußerlicher Vorgänge stehn. Die Mittel, die ihnen
dazu zur Verfügung standen, waren natürlich sehr beschränkt. Harmonie war
dem Altertum noch unbekannt, und einzig durch die melodische Bewegung mußten
die Schilderungen bewerkstelligt werden. Zur Darstellung des erwähnten Zischens
des Drachens wurden, wie wir aus einem erhaltnen Apollohymnus, wo dieses
ebenfalls illustriert ist, wissen, chromatische Fortschreitungen verwandt, oder um
Überraschungen, eine plötzlich eintretende neue Wendung der Handlung anzu¬
zeigen, wurden ganz unvermittelt Tom fremder Tonarten eingeführt. Der mit
diesen dürftigen Mitteln herbeigeführte Effekt scheint freilich schon beim griechischen
Publikum nicht immer verfangen zu haben, wenigstens meinte em witziger Zu¬
hörer des erwähnten Seesturms, „er habe in siedenden Kochtopfen schon viel
heftigere Stürme erlebt," und ähnliche Spöttereien werden uns mehr über¬
liefert
In der Musik des christlichen Mittelalters sind, soviel bis jetzt bekannt ist,
keine Schlachtendarstellungen zu verzeichnen, man müßte denn gerade die
historischen Volkslieder, die sich auf Knegstatm beziehen, für solche in Anspruch
nehmen Diese reichen mit dem erhaltnen lateinischen Liede auf den Sieg Chlotars
des Zweiten über die Sachsen bis ins alte Frankenreich der Merowinger zurück;
aber Melodien zu solchen Gesängen sind erst aus viel späterer Zeit überliefert.
In der mittelalterlichen Kirchenmusik hören wir zwen von tonmalerischen Be¬
strebungen So soll Notker Balbulus, der bekannte Se. Galler Mönch, in einer
seiner Sequenzen (Same-ti Spiritus a<1sit motus Zr-Mes das langsame Kreisen
eines von spärlichem Wasser getriebnen Mühlenrades nachgeahmt haben. Aber
von Schlachtenbildern ist bei den frommen kirchlichen Musikern acht die Rede.
Die mittelalterliche Instrumentalmusik endlich ist noch in so tiefes Dunkel ge¬
hüllt, daß wir noch nicht feststellen können, ob acht hier ähnliche Versuche,
wie wir sie bei den Griechen gefunden haben, angestellt worden sind.
Schlachtendarstellungen treffen wir wieder an in der Zeit, wo sich die
Mehrstimmigkeit entwickelt hatte, und die Kunst des unbegleiteten Chorgefangs
in höchster Blüte stand, also im sechzehnten Jahrhundert. Unter diesen die be¬
rühmteste ist die LlMills (oder I.Ä (?uerre in andern Ausgaben) des Element
Janequin. Der Komponist will nichts geringeres als ein Bild von der Schlacht
bei Marigncmo (1515) geben. (Vgl. die Neuausgabe von H. Expert in
maltrss irmsioisns as ig, rsnASLÄnos kr-me^iss. Paris 1898.) Im üblichen
feierlichen Motettenstil beginnt das Stück auf die Worte: LsocmtW Ahnens
Mlle^s la. viotoi's ein noble 107 ?rs>ncM8. Dann gehts mit den Worten:
l^itrö-z sonillös, trg.pW wdours zur Vorbereitung der Schlacht über. Wenn
hier Pfeifen und Trommeln nachgeahmt werden, so geschieht es mit feinem
künstlerischem Takt, und derselbe künstlerische Feinsinn waltet in allen den nun
folgenden Tonmalereien, die im wesentlichen das Stück ausmachen. Eine ein¬
fache und doch typische Trommelfigur zum Beispiel ist geschickt, dem g. <zg,rMa-
Stil entsprechend, abwechselnd durch die verschiednen Stimmen geführt. Es
folgen kecke zweistimmige Trompetenweisen. Äußerst wirksam wird durch un-
Grenzboten III 1304 gg
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