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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Im Lande der tausend Seen

fahrt auf dem Wuoksen, der bei dem dreizehn Kilometer stromaufwärts
liegenden Kirchdorf Jüäskis den letzten der Reihe von kleinern Wasserfüllen
hat. die dem Jmatra folgen. Die Landungsstelle liegt unmittelbar am Fuß der
Eisenbahnbrücke: von hier aus gehn kleine Schiffe nach Jciüskis und zweimal
täglich größere Dampfer stromabwärts, von denen jedoch nur der eine, der
Morgendampfer, bis zum Ladoga, der Mündung des Flusses, hiuabfährt, der
andre auf halbem Wege, bei der Schleuse von Paatola liegen bleibt. Diese
Fahrt auf dem von hohen bewaldeten Ufern umkränzten, sich oft zu kleinen
Seen erweiternden Flusse gehört zu den anmutigsten Partien Finnlands; aller¬
dings gilt das hauptsächlich von dem obern Teil, wo besonders die fünf Kilo¬
meter von der Station entfernte, hoch liegende Kirche von Se. Andrea durch
ihre wunderbar schöne Lage den Blick der Reisenden fesselt; jenseits Paakolcr
wird die Gegend einförmiger, streckenweise ganz flach, dabei so wenig kultiviert,
daß man nur selten eine menschliche Behausung zu sehen bekommt.

In Andrea zweigt die kleine Jmatrabcchn von der zum Nordufer des
Ladogasees und von da weiter bis Jöönsu führenden Hauptlinie ab. Es ist
hier immer ein längerer Aufenthalt, und man findet jederzeit in dem hohen
freundlichen Wartesaal ein exquisites Sexa serviert, das den Ruf, den die
Restauration Andrea im ganzen Lande genießt, rechtfertigt. Die Fahrt von
hier bis zu der einen Kilometer von den Stromschnellen liegenden Station
Jmatra ist sehr eintönig. Wir begaben uns bei unsrer Ankunft gleich zu der
nicht weit von dem Bahnhof erbauten Poststation, wo wir frühstückten, bis unser
"Karren" angespannt war. Vom Jmatra selbst bekamen wir auf unsrer Tour
nichts zu sehen; nur in der Ferne hörten wir ein donnerndes Getöse, das
allmählich ganz verklang, da unser leichtes Gefährt uns schnell dem Gebiet
der Stromschnellen entführte. Es galt 115 Kilometer zurückzulegen, bis wir
das für diesen Tag als Endziel ins Auge gefaßte Touristenhotel auf Punka-
harjo erreichten. Was das heißt, kann nur der ermessen, der selbst einmal
eine mehrstündige Fahrt auf einem finnischen Karren gemacht hat. Zwar
waren wir so weit vom Glück begünstigt, daß wir auf allen Poststationen Karren
"auf Nessoren" (Federn) bekamen. In den entlegnern Gegenden muß man sich
nämlich häufig mit entsetzlichen Marterkasten begnügen, die direkt auf der Nad¬
achse angenagelt sind, mit keiner andern Sitzgelegenheit als dem mitgenommenen,
mit einer Schicht Heu bedeckten Reisegepäck. Doch fühlt man auch im besten
Karren -- wahrscheinlich wegen seiner Bauart, die ein Balancieren auf zwei
hohen Rädern mit sich bringt -- eine gleichmäßig rückende Pendelbewegung nach
vorn, die auf die Lunge fast uuertrüglich wird und eine starke Zumutung an
die Knie- nud Sitznerven der Reisenden stellt, und die noch verschärft wird
durch die Art und Weise des Fahrens hierzulande. Ein finnischer "Postjung"
ist ja nicht imstande anders als im Galopp zu fahren. Am tollsten wird
das eiugeschlcigne Tempo, sobald es bergab geht. Von Hemmvorrichtungen,
die in Westeuropa eine Wagenfahrt in bergiger Gegend zur Tortur macheu,
weiß der Nordländer nichts. Senkt sich die Straße steil bergab, im Talgrund
vielleicht noch auf schmaler Brücke ein Flußbett überschreitend, der Finne haut
auf sein kleines ruppiges Pferdchen los, und im Karriere fliegt das leichte
Gefährt dahin, beim Erklimmen der gegenüberliegenden Talböschung noch von
dem Schwunge profitierend, den es erhalten hat. Und dabei hockt der halb¬
wüchsige Nosselenker mit gleichmütigem Gesicht auf der schmalen Kante des
Karrens, rin baumelnden Beinen, ohne jeden Halt, nur höchst selten findet
man einen Kutschersitz angebracht, und sobald mehr als eine Person führt,
muß sich der "Postjung" einrichten, falls man nicht, wie es uns häufig ergangen
ist, so viel Zutrauen zu den Reisenden hat, daß man ihnen das Gefährt über¬
läßt, mit der Weisung, es selbst zu lenken und bei der nächsten Poststation,
wo Pferd und Wagen gewechselt werden, abzugeben.


Im Lande der tausend Seen

fahrt auf dem Wuoksen, der bei dem dreizehn Kilometer stromaufwärts
liegenden Kirchdorf Jüäskis den letzten der Reihe von kleinern Wasserfüllen
hat. die dem Jmatra folgen. Die Landungsstelle liegt unmittelbar am Fuß der
Eisenbahnbrücke: von hier aus gehn kleine Schiffe nach Jciüskis und zweimal
täglich größere Dampfer stromabwärts, von denen jedoch nur der eine, der
Morgendampfer, bis zum Ladoga, der Mündung des Flusses, hiuabfährt, der
andre auf halbem Wege, bei der Schleuse von Paatola liegen bleibt. Diese
Fahrt auf dem von hohen bewaldeten Ufern umkränzten, sich oft zu kleinen
Seen erweiternden Flusse gehört zu den anmutigsten Partien Finnlands; aller¬
dings gilt das hauptsächlich von dem obern Teil, wo besonders die fünf Kilo¬
meter von der Station entfernte, hoch liegende Kirche von Se. Andrea durch
ihre wunderbar schöne Lage den Blick der Reisenden fesselt; jenseits Paakolcr
wird die Gegend einförmiger, streckenweise ganz flach, dabei so wenig kultiviert,
daß man nur selten eine menschliche Behausung zu sehen bekommt.

In Andrea zweigt die kleine Jmatrabcchn von der zum Nordufer des
Ladogasees und von da weiter bis Jöönsu führenden Hauptlinie ab. Es ist
hier immer ein längerer Aufenthalt, und man findet jederzeit in dem hohen
freundlichen Wartesaal ein exquisites Sexa serviert, das den Ruf, den die
Restauration Andrea im ganzen Lande genießt, rechtfertigt. Die Fahrt von
hier bis zu der einen Kilometer von den Stromschnellen liegenden Station
Jmatra ist sehr eintönig. Wir begaben uns bei unsrer Ankunft gleich zu der
nicht weit von dem Bahnhof erbauten Poststation, wo wir frühstückten, bis unser
„Karren" angespannt war. Vom Jmatra selbst bekamen wir auf unsrer Tour
nichts zu sehen; nur in der Ferne hörten wir ein donnerndes Getöse, das
allmählich ganz verklang, da unser leichtes Gefährt uns schnell dem Gebiet
der Stromschnellen entführte. Es galt 115 Kilometer zurückzulegen, bis wir
das für diesen Tag als Endziel ins Auge gefaßte Touristenhotel auf Punka-
harjo erreichten. Was das heißt, kann nur der ermessen, der selbst einmal
eine mehrstündige Fahrt auf einem finnischen Karren gemacht hat. Zwar
waren wir so weit vom Glück begünstigt, daß wir auf allen Poststationen Karren
„auf Nessoren" (Federn) bekamen. In den entlegnern Gegenden muß man sich
nämlich häufig mit entsetzlichen Marterkasten begnügen, die direkt auf der Nad¬
achse angenagelt sind, mit keiner andern Sitzgelegenheit als dem mitgenommenen,
mit einer Schicht Heu bedeckten Reisegepäck. Doch fühlt man auch im besten
Karren — wahrscheinlich wegen seiner Bauart, die ein Balancieren auf zwei
hohen Rädern mit sich bringt — eine gleichmäßig rückende Pendelbewegung nach
vorn, die auf die Lunge fast uuertrüglich wird und eine starke Zumutung an
die Knie- nud Sitznerven der Reisenden stellt, und die noch verschärft wird
durch die Art und Weise des Fahrens hierzulande. Ein finnischer „Postjung"
ist ja nicht imstande anders als im Galopp zu fahren. Am tollsten wird
das eiugeschlcigne Tempo, sobald es bergab geht. Von Hemmvorrichtungen,
die in Westeuropa eine Wagenfahrt in bergiger Gegend zur Tortur macheu,
weiß der Nordländer nichts. Senkt sich die Straße steil bergab, im Talgrund
vielleicht noch auf schmaler Brücke ein Flußbett überschreitend, der Finne haut
auf sein kleines ruppiges Pferdchen los, und im Karriere fliegt das leichte
Gefährt dahin, beim Erklimmen der gegenüberliegenden Talböschung noch von
dem Schwunge profitierend, den es erhalten hat. Und dabei hockt der halb¬
wüchsige Nosselenker mit gleichmütigem Gesicht auf der schmalen Kante des
Karrens, rin baumelnden Beinen, ohne jeden Halt, nur höchst selten findet
man einen Kutschersitz angebracht, und sobald mehr als eine Person führt,
muß sich der „Postjung" einrichten, falls man nicht, wie es uns häufig ergangen
ist, so viel Zutrauen zu den Reisenden hat, daß man ihnen das Gefährt über¬
läßt, mit der Weisung, es selbst zu lenken und bei der nächsten Poststation,
wo Pferd und Wagen gewechselt werden, abzugeben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/344>, abgerufen am 13.05.2024.