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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Flotte." Damals scheint man dieses Verlangen in England noch für ganz natürlich
gehalten zu haben, und der Ausbruch der Wirren in China, der der Votierung des
Gesetzes auf dem Fuße folgte, mit der dadurch verursachten Konzentrierung aller
unsrer disponibel" Seestreitkräfte in den chinesischen Gewässern, gab auch in Eng¬
land ebniso den Worten des Kaisers wie auch der deutschen Flottenvorlage Recht.
War diese doch ohnehin von dem bedauerlichen Umstände begleitet, daß der Reichs¬
tag die geforderte Verstärkung der Auslandflotte vorläufig ablehnte und dadurch
vor al.er Welt zu erkennen gab, wie weit das deutsche Volk von allen überseeischen
Expansionsgelüsten entfernt sei. Erst das Erscheinen von dreiundzwanzig deutschen
Schisien im Golf von Petschili scheint den Engländern unbequem geworden zu sein. Daß
Deutschland die Mühsal der Pazifikatiou zu Lande in der Hauptsache auf sich
nahm, dagegen haben die Engländer nichts einzuwenden gehabt. Als die Sache
vorb -i war, im Spätherbst 1901, singen sie ja dann bald genug mit ihrer Pression
loci?" der Räumung von Shanghai an. Aber daß deutsche Linienschiffe den
Ja..... Hang bis Nanking hinaufgingen, war ihnen ebenso überraschend wie unbequem,
und erst seitdem man die deutsche Flotte an der Arbeit gesehen und sich überzeugt
hat, daß sie ernster genommen werden müsse, als man bis dahin in England ge¬
glaubt, hatte -- auch die Berichte der englischen Admiräle mögen sich in diesem
Sure ausgesprochen haben --, begann bei unsern Vettern der Ausbruch des
M'^saliens an der deutschen Flottenschöpfung stärker und in wahrnehmbarer Weise.
Unire^ Flotte krankt zurzeit daran, daß sie zu groß und zu tüchtig ist, als daß sie
und achtet bleiben könnte, aber zu klein, als daß sie die Bedingungen des Erfolgs
einer großen Seemacht gegenüber in sich trüge. Nun ist ja seit dem Jahre 1900
bräunt, daß die Reichsregierung damals die Ablehnung der Verstärkung der Auf-
l> ° dflotte nur als einen Aufschub angenommen hat, und vor zwei Jahren hat
dann der Vorwärts einen Hauserlaß des Staatssekretärs der Mcirtue veröffentlicht,
worin das Jahr 1905/6 ausdrücklich als der für die Wiederaufnahme dieser
Forderung geeignete Termin bezeichnet war. Mithin hätten Inland und Ausland,
HHtte der Reichstag und hätten die fremden Mariner nicht überrascht sein dürfen,
wenn jetzt diese Vorlage eingebracht worden wäre. Ob ausschließlich finanzielle
Gründe die Marineverwaltung veranlassen, in so unerwarteter Weise zu zögern, oder
ob die gesamte Situation dabei mitspricht, etwa der Wunsch, das endgiltige Fazit
des ostasiatischen Krieges ziehn zu können -- wer will es mit Bestimmtheit be¬
haupten! Heute kann es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die durch das
Gesetz von 1900 unsrer Flotte gegebne Organisation absolut richtig ist, und
daß das Gesetz, wenn es heute nicht vorhanden wäre, in organisatorischer Hinsicht
genau so gegeben werden müßte. Zur Entscheidung kann heute nur stehn, ob
man auf der Grundlage des Gesetzes weiterbauend eine neue größere Forderung
zur Erweiterung des durch das Gesetz von 1900 geschaffnen Rahmens stellen, oder
ob man in dem bisher innegehaltnen Tempo weiterbauen, d. h. jährlich drei große
und zwei kleine Schiffe auf Stapel legen soll.

Was davon zweckmäßig und ausführbar ist, mögen die berufnen Stellen ent¬
scheiden, bei der öffentlichen Meinung werden sie keinem Widerspruch, sondern vollem
Verständnis begegnen. Deutschland braucht sich nicht das prahlerische Wort an¬
zueignen: "Frankreich ist reich genug, seinen Ruhm zu bezahlen," obwohl es tat¬
sächlich eine große Wahrheit enthält, wohl aber muß sich die Nation, und muß sich
ihre Vertretung zu der Erkenntnis durchringen, daß Deutschland reich genug ist,
seine Sicherheit zu bezahlen. Hinter diese Erkenntnis müssen alle die kindischen
Vorwände zurücktreten, die einer Reform der Reichsfinanzen entgegengestellt werden,
wobei die Parteien nur um die Gunst der Massen buhlen und deshalb die Be¬
steuerung des Massenkonsums ablehnen, von der doch allein ausreichende Erträge
gewonnen werden können: des Biers und des Tabaks. Alle diese Verlegenheits-
auskunftsmittel, wie Reichserbschaftssteuer usw., locken doch keinen Hund vom Back¬
ofen und reichen bei weitem nicht aus. Was man heute dem eignen Lande ver-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Flotte." Damals scheint man dieses Verlangen in England noch für ganz natürlich
gehalten zu haben, und der Ausbruch der Wirren in China, der der Votierung des
Gesetzes auf dem Fuße folgte, mit der dadurch verursachten Konzentrierung aller
unsrer disponibel» Seestreitkräfte in den chinesischen Gewässern, gab auch in Eng¬
land ebniso den Worten des Kaisers wie auch der deutschen Flottenvorlage Recht.
War diese doch ohnehin von dem bedauerlichen Umstände begleitet, daß der Reichs¬
tag die geforderte Verstärkung der Auslandflotte vorläufig ablehnte und dadurch
vor al.er Welt zu erkennen gab, wie weit das deutsche Volk von allen überseeischen
Expansionsgelüsten entfernt sei. Erst das Erscheinen von dreiundzwanzig deutschen
Schisien im Golf von Petschili scheint den Engländern unbequem geworden zu sein. Daß
Deutschland die Mühsal der Pazifikatiou zu Lande in der Hauptsache auf sich
nahm, dagegen haben die Engländer nichts einzuwenden gehabt. Als die Sache
vorb -i war, im Spätherbst 1901, singen sie ja dann bald genug mit ihrer Pression
loci?" der Räumung von Shanghai an. Aber daß deutsche Linienschiffe den
Ja..... Hang bis Nanking hinaufgingen, war ihnen ebenso überraschend wie unbequem,
und erst seitdem man die deutsche Flotte an der Arbeit gesehen und sich überzeugt
hat, daß sie ernster genommen werden müsse, als man bis dahin in England ge¬
glaubt, hatte — auch die Berichte der englischen Admiräle mögen sich in diesem
Sure ausgesprochen haben —, begann bei unsern Vettern der Ausbruch des
M'^saliens an der deutschen Flottenschöpfung stärker und in wahrnehmbarer Weise.
Unire^ Flotte krankt zurzeit daran, daß sie zu groß und zu tüchtig ist, als daß sie
und achtet bleiben könnte, aber zu klein, als daß sie die Bedingungen des Erfolgs
einer großen Seemacht gegenüber in sich trüge. Nun ist ja seit dem Jahre 1900
bräunt, daß die Reichsregierung damals die Ablehnung der Verstärkung der Auf-
l> ° dflotte nur als einen Aufschub angenommen hat, und vor zwei Jahren hat
dann der Vorwärts einen Hauserlaß des Staatssekretärs der Mcirtue veröffentlicht,
worin das Jahr 1905/6 ausdrücklich als der für die Wiederaufnahme dieser
Forderung geeignete Termin bezeichnet war. Mithin hätten Inland und Ausland,
HHtte der Reichstag und hätten die fremden Mariner nicht überrascht sein dürfen,
wenn jetzt diese Vorlage eingebracht worden wäre. Ob ausschließlich finanzielle
Gründe die Marineverwaltung veranlassen, in so unerwarteter Weise zu zögern, oder
ob die gesamte Situation dabei mitspricht, etwa der Wunsch, das endgiltige Fazit
des ostasiatischen Krieges ziehn zu können — wer will es mit Bestimmtheit be¬
haupten! Heute kann es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die durch das
Gesetz von 1900 unsrer Flotte gegebne Organisation absolut richtig ist, und
daß das Gesetz, wenn es heute nicht vorhanden wäre, in organisatorischer Hinsicht
genau so gegeben werden müßte. Zur Entscheidung kann heute nur stehn, ob
man auf der Grundlage des Gesetzes weiterbauend eine neue größere Forderung
zur Erweiterung des durch das Gesetz von 1900 geschaffnen Rahmens stellen, oder
ob man in dem bisher innegehaltnen Tempo weiterbauen, d. h. jährlich drei große
und zwei kleine Schiffe auf Stapel legen soll.

Was davon zweckmäßig und ausführbar ist, mögen die berufnen Stellen ent¬
scheiden, bei der öffentlichen Meinung werden sie keinem Widerspruch, sondern vollem
Verständnis begegnen. Deutschland braucht sich nicht das prahlerische Wort an¬
zueignen: „Frankreich ist reich genug, seinen Ruhm zu bezahlen," obwohl es tat¬
sächlich eine große Wahrheit enthält, wohl aber muß sich die Nation, und muß sich
ihre Vertretung zu der Erkenntnis durchringen, daß Deutschland reich genug ist,
seine Sicherheit zu bezahlen. Hinter diese Erkenntnis müssen alle die kindischen
Vorwände zurücktreten, die einer Reform der Reichsfinanzen entgegengestellt werden,
wobei die Parteien nur um die Gunst der Massen buhlen und deshalb die Be¬
steuerung des Massenkonsums ablehnen, von der doch allein ausreichende Erträge
gewonnen werden können: des Biers und des Tabaks. Alle diese Verlegenheits-
auskunftsmittel, wie Reichserbschaftssteuer usw., locken doch keinen Hund vom Back¬
ofen und reichen bei weitem nicht aus. Was man heute dem eignen Lande ver-


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[0716] Maßgebliches und Unmaßgebliches Flotte." Damals scheint man dieses Verlangen in England noch für ganz natürlich gehalten zu haben, und der Ausbruch der Wirren in China, der der Votierung des Gesetzes auf dem Fuße folgte, mit der dadurch verursachten Konzentrierung aller unsrer disponibel» Seestreitkräfte in den chinesischen Gewässern, gab auch in Eng¬ land ebniso den Worten des Kaisers wie auch der deutschen Flottenvorlage Recht. War diese doch ohnehin von dem bedauerlichen Umstände begleitet, daß der Reichs¬ tag die geforderte Verstärkung der Auslandflotte vorläufig ablehnte und dadurch vor al.er Welt zu erkennen gab, wie weit das deutsche Volk von allen überseeischen Expansionsgelüsten entfernt sei. Erst das Erscheinen von dreiundzwanzig deutschen Schisien im Golf von Petschili scheint den Engländern unbequem geworden zu sein. Daß Deutschland die Mühsal der Pazifikatiou zu Lande in der Hauptsache auf sich nahm, dagegen haben die Engländer nichts einzuwenden gehabt. Als die Sache vorb -i war, im Spätherbst 1901, singen sie ja dann bald genug mit ihrer Pression loci?" der Räumung von Shanghai an. Aber daß deutsche Linienschiffe den Ja..... Hang bis Nanking hinaufgingen, war ihnen ebenso überraschend wie unbequem, und erst seitdem man die deutsche Flotte an der Arbeit gesehen und sich überzeugt hat, daß sie ernster genommen werden müsse, als man bis dahin in England ge¬ glaubt, hatte — auch die Berichte der englischen Admiräle mögen sich in diesem Sure ausgesprochen haben —, begann bei unsern Vettern der Ausbruch des M'^saliens an der deutschen Flottenschöpfung stärker und in wahrnehmbarer Weise. Unire^ Flotte krankt zurzeit daran, daß sie zu groß und zu tüchtig ist, als daß sie und achtet bleiben könnte, aber zu klein, als daß sie die Bedingungen des Erfolgs einer großen Seemacht gegenüber in sich trüge. Nun ist ja seit dem Jahre 1900 bräunt, daß die Reichsregierung damals die Ablehnung der Verstärkung der Auf- l> ° dflotte nur als einen Aufschub angenommen hat, und vor zwei Jahren hat dann der Vorwärts einen Hauserlaß des Staatssekretärs der Mcirtue veröffentlicht, worin das Jahr 1905/6 ausdrücklich als der für die Wiederaufnahme dieser Forderung geeignete Termin bezeichnet war. Mithin hätten Inland und Ausland, HHtte der Reichstag und hätten die fremden Mariner nicht überrascht sein dürfen, wenn jetzt diese Vorlage eingebracht worden wäre. Ob ausschließlich finanzielle Gründe die Marineverwaltung veranlassen, in so unerwarteter Weise zu zögern, oder ob die gesamte Situation dabei mitspricht, etwa der Wunsch, das endgiltige Fazit des ostasiatischen Krieges ziehn zu können — wer will es mit Bestimmtheit be¬ haupten! Heute kann es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die durch das Gesetz von 1900 unsrer Flotte gegebne Organisation absolut richtig ist, und daß das Gesetz, wenn es heute nicht vorhanden wäre, in organisatorischer Hinsicht genau so gegeben werden müßte. Zur Entscheidung kann heute nur stehn, ob man auf der Grundlage des Gesetzes weiterbauend eine neue größere Forderung zur Erweiterung des durch das Gesetz von 1900 geschaffnen Rahmens stellen, oder ob man in dem bisher innegehaltnen Tempo weiterbauen, d. h. jährlich drei große und zwei kleine Schiffe auf Stapel legen soll. Was davon zweckmäßig und ausführbar ist, mögen die berufnen Stellen ent¬ scheiden, bei der öffentlichen Meinung werden sie keinem Widerspruch, sondern vollem Verständnis begegnen. Deutschland braucht sich nicht das prahlerische Wort an¬ zueignen: „Frankreich ist reich genug, seinen Ruhm zu bezahlen," obwohl es tat¬ sächlich eine große Wahrheit enthält, wohl aber muß sich die Nation, und muß sich ihre Vertretung zu der Erkenntnis durchringen, daß Deutschland reich genug ist, seine Sicherheit zu bezahlen. Hinter diese Erkenntnis müssen alle die kindischen Vorwände zurücktreten, die einer Reform der Reichsfinanzen entgegengestellt werden, wobei die Parteien nur um die Gunst der Massen buhlen und deshalb die Be¬ steuerung des Massenkonsums ablehnen, von der doch allein ausreichende Erträge gewonnen werden können: des Biers und des Tabaks. Alle diese Verlegenheits- auskunftsmittel, wie Reichserbschaftssteuer usw., locken doch keinen Hund vom Back¬ ofen und reichen bei weitem nicht aus. Was man heute dem eignen Lande ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/716>, abgerufen am 20.05.2024.