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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Engländer kräftig die Hand schüttelte. Die Enthüllungen des N^tin, gleichviel wie
hoch oder wie niedrig die Grundlagen einzuschätzen sein mögen, auf denen sie be¬
ruhen, haben die Frage einer feindlichen Landung und der dagegen vorzubereitenden
Abwehrmittel doch aus der theoretischen in die praktische Erörterung gerückt. "Bereit
sein ist alles," und die oberste Leitung unsrer Streitkräfte lebt doch "och zu sehr
in der Moltktscheu Tradition, als daß sie sich irgendwo und irgendwie überraschen
lassen würde. Jeder feindlichen Macht gegenüber, die über die See an unsre Küsten
herangetragen werden muß, sind wir zunächst ans die Abwehrmittel der Flotte
angewiesen, und es tritt die seit Monaten tausendfach erörtete Frage: Sind wir
zur See stark genug, und wie stark müssen wir sein? mit Notwendigkeit in den
Vordergrund. Es kommt ja dabei nicht allein auf die Zahl der Schiffe an. Die
Verteidigung zur See kann nicht immer nur offensiv sein, namentlich Landungsver¬
suchen gegenüber wird sie auch stark mit der Defensive zu rechnen haben. Der Krieg
in Ostasien hat von neuem gelehrt, daß Minen, Hafensperren, Forts und Küsten¬
batterien dabei eine sehr Froße Rolle spielen, und die diesjährigen großen Minen¬
übungen auf der Elbe, die Küstenschießübungen bei Swinemünde lassen erkennen,
daß auch diesem Zweige unsrer Seeverteidigung die gebührende Aufmerksamkeit zuteil
wird, wenn sich auch selbstverständlich alle Vorbereitungen auf diesen Gebieten möglichst
geräuschlos der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehn oder doch entziehn sollten. Es
mag hier eingeschaltet werden, daß von Kiel, Wilhelmshaven und Cuxhaven aus
darüber immerhin manche Zeile zu viel geschrieben und gedruckt wird. Die novccrum
rsrnm euxiäi, die sich für solche Dinge interessieren, wohnen doch weit weniger in
Deutschland als im Auslande.

Bei der Flvttenvorlnge von 1900 ist mit einer Eventualität, wie sie uns
neuerdings handgreiflich vor die Angen gerückt wird, nicht gerechnet worden. Man
hatte damals wohl mehr die Bündnisfähigkeit Deutschlands zur See ins Auge ge¬
faßt, wodurch wir auch England gegenüber vielleicht stark genug gewesen wären.
Aber die russische Flotte, die dabei zunächst in Betracht kam, kann für die nächsten
zehn Jahre kaum in Rechnung gestellt werden. Da die englische Regierung jedoch
der Ansicht ist, daß sie im Falle eines deutsch-französischen Kriegs, sie möge wollen
oder nicht, durch den Druck der öffentlichen Meinung ihres Landes zum Eingreifen
an der Seite Frankreichs gezwungen sein würde, so ist es doch sehr fraglich, ob diese
Strömung der öffentlichen Meinung in England, deren Vorhandensein nun einmal
nicht in Abrede gestellt werden kann, geneigt sein wird, zehn Jahre zu warten,
bis wir endlich unsre achtunddreißig schlnchtfähigen Linienschiffe beisammen haben,
oder bis eine russische Flotte vorhanden sein wird, und vor allen Dingen auch eine
russische Negierung, die geneigt sein sollte, im Bunde mit Deutschland den Kampf
gegen England aufzunehmen. Die Motive zu einem solchen Schritte Rußlands
könnten immer nnr von England selbst geschaffen werden, und die englische Politik
wird sicherlich ihr möglichstes tun, sich zwischen Deutschland und Rußland zu
klcmlnen, uicht aber beide Mächte zusammenhämmern. Die Verhältnisse sind auch
in Nußlnud andre geworden als im Jahre 1863, wo Alexander der Zweite, der
österreichisch - westmächtlichen Harcclierungen müde, dem Könige von Preußen ein
Waffenbüudnis gegen Österreich und Frankreich anbot, das bekanntlich trotz dem
Frankfurter Fürstentage von Preußen abgelehnt wurde.

Die diesjährige Ostseefahrt der englischen Flotte hat für unsre Marinekreise
die englische Überlegenheit zur See in eine neue Beleuchtung gerückt. Die englische
Übermacht ist groß genug, im Bunde mit Frankreich erst recht, unsre Schlachtflotte
in der Nordsee festzuhalten, und doch noch starke Geschwader durch die dänischen
Gewässer in die Ostsee zu entsenden, wo sie recht viel Schaden anrichten könnten,
ohne auf namhaften Widerstand zu stoßen. Bei einem französisch-englischen Kriege
gegen uns ist es ferner für Dänemark ganz ausgeschlossen, neutral zu bleiben. Es
würde vielleicht mit Deutschland gehn, wenn wir ihm die Deckung von Kopenhagen
garantieren könnten. Da wir aber die Elbe, den Nordostseekanal und Kopenhagen
nicht auf einmal verteidigen können, so wird sich Dänemark Wohl oder übel gezwungen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Engländer kräftig die Hand schüttelte. Die Enthüllungen des N^tin, gleichviel wie
hoch oder wie niedrig die Grundlagen einzuschätzen sein mögen, auf denen sie be¬
ruhen, haben die Frage einer feindlichen Landung und der dagegen vorzubereitenden
Abwehrmittel doch aus der theoretischen in die praktische Erörterung gerückt. „Bereit
sein ist alles," und die oberste Leitung unsrer Streitkräfte lebt doch «och zu sehr
in der Moltktscheu Tradition, als daß sie sich irgendwo und irgendwie überraschen
lassen würde. Jeder feindlichen Macht gegenüber, die über die See an unsre Küsten
herangetragen werden muß, sind wir zunächst ans die Abwehrmittel der Flotte
angewiesen, und es tritt die seit Monaten tausendfach erörtete Frage: Sind wir
zur See stark genug, und wie stark müssen wir sein? mit Notwendigkeit in den
Vordergrund. Es kommt ja dabei nicht allein auf die Zahl der Schiffe an. Die
Verteidigung zur See kann nicht immer nur offensiv sein, namentlich Landungsver¬
suchen gegenüber wird sie auch stark mit der Defensive zu rechnen haben. Der Krieg
in Ostasien hat von neuem gelehrt, daß Minen, Hafensperren, Forts und Küsten¬
batterien dabei eine sehr Froße Rolle spielen, und die diesjährigen großen Minen¬
übungen auf der Elbe, die Küstenschießübungen bei Swinemünde lassen erkennen,
daß auch diesem Zweige unsrer Seeverteidigung die gebührende Aufmerksamkeit zuteil
wird, wenn sich auch selbstverständlich alle Vorbereitungen auf diesen Gebieten möglichst
geräuschlos der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehn oder doch entziehn sollten. Es
mag hier eingeschaltet werden, daß von Kiel, Wilhelmshaven und Cuxhaven aus
darüber immerhin manche Zeile zu viel geschrieben und gedruckt wird. Die novccrum
rsrnm euxiäi, die sich für solche Dinge interessieren, wohnen doch weit weniger in
Deutschland als im Auslande.

Bei der Flvttenvorlnge von 1900 ist mit einer Eventualität, wie sie uns
neuerdings handgreiflich vor die Angen gerückt wird, nicht gerechnet worden. Man
hatte damals wohl mehr die Bündnisfähigkeit Deutschlands zur See ins Auge ge¬
faßt, wodurch wir auch England gegenüber vielleicht stark genug gewesen wären.
Aber die russische Flotte, die dabei zunächst in Betracht kam, kann für die nächsten
zehn Jahre kaum in Rechnung gestellt werden. Da die englische Regierung jedoch
der Ansicht ist, daß sie im Falle eines deutsch-französischen Kriegs, sie möge wollen
oder nicht, durch den Druck der öffentlichen Meinung ihres Landes zum Eingreifen
an der Seite Frankreichs gezwungen sein würde, so ist es doch sehr fraglich, ob diese
Strömung der öffentlichen Meinung in England, deren Vorhandensein nun einmal
nicht in Abrede gestellt werden kann, geneigt sein wird, zehn Jahre zu warten,
bis wir endlich unsre achtunddreißig schlnchtfähigen Linienschiffe beisammen haben,
oder bis eine russische Flotte vorhanden sein wird, und vor allen Dingen auch eine
russische Negierung, die geneigt sein sollte, im Bunde mit Deutschland den Kampf
gegen England aufzunehmen. Die Motive zu einem solchen Schritte Rußlands
könnten immer nnr von England selbst geschaffen werden, und die englische Politik
wird sicherlich ihr möglichstes tun, sich zwischen Deutschland und Rußland zu
klcmlnen, uicht aber beide Mächte zusammenhämmern. Die Verhältnisse sind auch
in Nußlnud andre geworden als im Jahre 1863, wo Alexander der Zweite, der
österreichisch - westmächtlichen Harcclierungen müde, dem Könige von Preußen ein
Waffenbüudnis gegen Österreich und Frankreich anbot, das bekanntlich trotz dem
Frankfurter Fürstentage von Preußen abgelehnt wurde.

Die diesjährige Ostseefahrt der englischen Flotte hat für unsre Marinekreise
die englische Überlegenheit zur See in eine neue Beleuchtung gerückt. Die englische
Übermacht ist groß genug, im Bunde mit Frankreich erst recht, unsre Schlachtflotte
in der Nordsee festzuhalten, und doch noch starke Geschwader durch die dänischen
Gewässer in die Ostsee zu entsenden, wo sie recht viel Schaden anrichten könnten,
ohne auf namhaften Widerstand zu stoßen. Bei einem französisch-englischen Kriege
gegen uns ist es ferner für Dänemark ganz ausgeschlossen, neutral zu bleiben. Es
würde vielleicht mit Deutschland gehn, wenn wir ihm die Deckung von Kopenhagen
garantieren könnten. Da wir aber die Elbe, den Nordostseekanal und Kopenhagen
nicht auf einmal verteidigen können, so wird sich Dänemark Wohl oder übel gezwungen


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[0174] Maßgebliches und Unmaßgebliches Engländer kräftig die Hand schüttelte. Die Enthüllungen des N^tin, gleichviel wie hoch oder wie niedrig die Grundlagen einzuschätzen sein mögen, auf denen sie be¬ ruhen, haben die Frage einer feindlichen Landung und der dagegen vorzubereitenden Abwehrmittel doch aus der theoretischen in die praktische Erörterung gerückt. „Bereit sein ist alles," und die oberste Leitung unsrer Streitkräfte lebt doch «och zu sehr in der Moltktscheu Tradition, als daß sie sich irgendwo und irgendwie überraschen lassen würde. Jeder feindlichen Macht gegenüber, die über die See an unsre Küsten herangetragen werden muß, sind wir zunächst ans die Abwehrmittel der Flotte angewiesen, und es tritt die seit Monaten tausendfach erörtete Frage: Sind wir zur See stark genug, und wie stark müssen wir sein? mit Notwendigkeit in den Vordergrund. Es kommt ja dabei nicht allein auf die Zahl der Schiffe an. Die Verteidigung zur See kann nicht immer nur offensiv sein, namentlich Landungsver¬ suchen gegenüber wird sie auch stark mit der Defensive zu rechnen haben. Der Krieg in Ostasien hat von neuem gelehrt, daß Minen, Hafensperren, Forts und Küsten¬ batterien dabei eine sehr Froße Rolle spielen, und die diesjährigen großen Minen¬ übungen auf der Elbe, die Küstenschießübungen bei Swinemünde lassen erkennen, daß auch diesem Zweige unsrer Seeverteidigung die gebührende Aufmerksamkeit zuteil wird, wenn sich auch selbstverständlich alle Vorbereitungen auf diesen Gebieten möglichst geräuschlos der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehn oder doch entziehn sollten. Es mag hier eingeschaltet werden, daß von Kiel, Wilhelmshaven und Cuxhaven aus darüber immerhin manche Zeile zu viel geschrieben und gedruckt wird. Die novccrum rsrnm euxiäi, die sich für solche Dinge interessieren, wohnen doch weit weniger in Deutschland als im Auslande. Bei der Flvttenvorlnge von 1900 ist mit einer Eventualität, wie sie uns neuerdings handgreiflich vor die Angen gerückt wird, nicht gerechnet worden. Man hatte damals wohl mehr die Bündnisfähigkeit Deutschlands zur See ins Auge ge¬ faßt, wodurch wir auch England gegenüber vielleicht stark genug gewesen wären. Aber die russische Flotte, die dabei zunächst in Betracht kam, kann für die nächsten zehn Jahre kaum in Rechnung gestellt werden. Da die englische Regierung jedoch der Ansicht ist, daß sie im Falle eines deutsch-französischen Kriegs, sie möge wollen oder nicht, durch den Druck der öffentlichen Meinung ihres Landes zum Eingreifen an der Seite Frankreichs gezwungen sein würde, so ist es doch sehr fraglich, ob diese Strömung der öffentlichen Meinung in England, deren Vorhandensein nun einmal nicht in Abrede gestellt werden kann, geneigt sein wird, zehn Jahre zu warten, bis wir endlich unsre achtunddreißig schlnchtfähigen Linienschiffe beisammen haben, oder bis eine russische Flotte vorhanden sein wird, und vor allen Dingen auch eine russische Negierung, die geneigt sein sollte, im Bunde mit Deutschland den Kampf gegen England aufzunehmen. Die Motive zu einem solchen Schritte Rußlands könnten immer nnr von England selbst geschaffen werden, und die englische Politik wird sicherlich ihr möglichstes tun, sich zwischen Deutschland und Rußland zu klcmlnen, uicht aber beide Mächte zusammenhämmern. Die Verhältnisse sind auch in Nußlnud andre geworden als im Jahre 1863, wo Alexander der Zweite, der österreichisch - westmächtlichen Harcclierungen müde, dem Könige von Preußen ein Waffenbüudnis gegen Österreich und Frankreich anbot, das bekanntlich trotz dem Frankfurter Fürstentage von Preußen abgelehnt wurde. Die diesjährige Ostseefahrt der englischen Flotte hat für unsre Marinekreise die englische Überlegenheit zur See in eine neue Beleuchtung gerückt. Die englische Übermacht ist groß genug, im Bunde mit Frankreich erst recht, unsre Schlachtflotte in der Nordsee festzuhalten, und doch noch starke Geschwader durch die dänischen Gewässer in die Ostsee zu entsenden, wo sie recht viel Schaden anrichten könnten, ohne auf namhaften Widerstand zu stoßen. Bei einem französisch-englischen Kriege gegen uns ist es ferner für Dänemark ganz ausgeschlossen, neutral zu bleiben. Es würde vielleicht mit Deutschland gehn, wenn wir ihm die Deckung von Kopenhagen garantieren könnten. Da wir aber die Elbe, den Nordostseekanal und Kopenhagen nicht auf einmal verteidigen können, so wird sich Dänemark Wohl oder übel gezwungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/174>, abgerufen am 19.05.2024.