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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

einen Korvettenkapitän der Marine. Ebenso war unsre militärische Vertretung in
Petersburg sehr gut besetzt, ganz abgesehen von der bekannten Tatsache, daß die
Vorgänge auf militärischem Gebiet in Rußland seit Jahren Gegenstand einer genauern
Beobachtung sind, wozu die großen Truppenhäufungen, die bis zum Jahre 1904 an
unsrer Ostgrenze bestanden, hinreichend Anlaß boten.

Schon im Oktober 1901 wurde in Berlin von Petersburg ans durch beachtens¬
werte Mitteilungen, die auch auf der Botschaft in Petersburg vorlagen, bekannt,
daß in hohen russischen Kreisen das Jahr 1904 als Jahr eines Krieges gegen
Japan angesehen werde. Ebenso war Japan selbst seit dem Jahre 1901 über¬
zeugt, daß die Situation auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Rußland hin¬
dränge. Die russischen Rüstungen und Truppenbewegungen, die Geheimverhand¬
lungen und China, endlich seit dem Herbst 1901 die ziemlich bestimmt in Petersburg
selbst umlaufende" Gerüchte ließen dein wachsamen Japan daran gar keinen Zweifel.
Die nächste Folge waren die Verhandlungen mit England, die zum Abschluß eines
Bündnisses auf fünf Jahre führten, sowie die in aller Stille, aber mit großer
Umsicht getroffneu Kriegsvorbereitungen Japans. Andrerseits schritten die Rüstungen
Rußlands, sei es infolge der Eisenbahnschwierigkeiteu, sei es infolge des japanisch¬
englischen Bündnisses und der daraus sich ergebenden Erwägungen, nicht in dem
Umfange vor, wie es im Jahre 1901 an hohen militärischen Stellen in Peters¬
burg vorausgesetzt worden sein mag. Im Juli 1903 hatte die Nowoje Wremja
Japan vor dem "Selbstmord" eines Krieges mit Rußland gewarnt. Rußland
hätte vielleicht noch sechs Monate sehr gewissenhafter Vorbereitungen gebraucht, um
eine annähernd ausreichende Kriegsbereitschaft zur See und zu Lande zu erreichen.
Japan dagegen war bei Beginn des Jahres 1904 kriegsfertig und wartete auf
deu geeigneten Augenblick um so mehr, als die Spannung zwischen der beendeten
Kriegsvorbereitung und dem Ausbruch des Krieges finanziell, politisch und militärisch
eine schwere Belastung ist. Als die japanischen Admiräle den Augenblick ge¬
kommen glaubten, bei überraschendem Handeln die russische Flotte in Port Arthur
mit Erfolg angreife" zu können, und die Frage dem Rat der Alten unterbreiteten,
beschloß dieser den Krieg, und zwar mit solcher Beschleunigung, daß dem japanischen
Gesandten in Petersburg nur noch die Weisung zugehn konnte, der russischen Re¬
gierung den Abbruch der Beziehungen zu modifizieren und seine Pässe zu ver¬
langen. Der Gesandte war von dieser Weisung vollständig überrascht, eilte, bevor
er ihr nachkam, zu dem englischen Botschafter und befragte diesen, was eigentlich
geschehen sei. Der wußte es ebensowenig, telegraphierte nach London, wo eben¬
falls nichts vorlag, und erst auf die direkte Anfrage von London in Tokio erfuhr
man im britischen Kabinett, daß die japanische Regierung sofort zum Kriege zu
schreite" entschlossen sei. Auch der japanische Gesandte in London war nicht besser
informiert gewesen. Dank der Aufmerksamkeit unsrer in China stehenden Truppen
sowie unsrer dortigen Kriegsschiffe und der militärischen Attaches in Tokio und in
Petersburg war Deutschland vielleicht die europäische Macht, die von dem Aus¬
bruch des Krieges am wenigsten überrascht wurde. Wenn sich trotzdem die deutsche
Politik in jener Zeit auch publizistisch außerordentlich zurückgehalten hat, so lag dem
nichts weiter als die Notwendigkeit zugrunde, alles zu vermeiden, was den Gegnern
Deutschlands irgendeinen Schein von Berechtigung zu der Behauptung geben konnte,
daß Deutschland das Kriegsfeuer angeblasen habe, um in Asien oder in Europa
seine Interessen zu befriedigen.

Es ist wohl als selbstverständlich anzunehmen, daß die Eindrücke, die Graf
Waldersee aus Ostasien mitgebracht hatte, auch bei den wiederholten Begegnungen,
die gerade in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts zwischen unserm und dem
russischen Kaiser stattfanden, zwischen den beiden Monarchen zur Sprache gekommen
sind. Sodann mußte sich doch die Aufmerksamkeit nicht nur der russischen und
der deutschen, sondern der gesamten Diplomatie aller Länder den asiatischen Dingen
Anwenden, als die Tatsache des um 30. Januar 1902 erfolgten Abschlusses des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

einen Korvettenkapitän der Marine. Ebenso war unsre militärische Vertretung in
Petersburg sehr gut besetzt, ganz abgesehen von der bekannten Tatsache, daß die
Vorgänge auf militärischem Gebiet in Rußland seit Jahren Gegenstand einer genauern
Beobachtung sind, wozu die großen Truppenhäufungen, die bis zum Jahre 1904 an
unsrer Ostgrenze bestanden, hinreichend Anlaß boten.

Schon im Oktober 1901 wurde in Berlin von Petersburg ans durch beachtens¬
werte Mitteilungen, die auch auf der Botschaft in Petersburg vorlagen, bekannt,
daß in hohen russischen Kreisen das Jahr 1904 als Jahr eines Krieges gegen
Japan angesehen werde. Ebenso war Japan selbst seit dem Jahre 1901 über¬
zeugt, daß die Situation auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Rußland hin¬
dränge. Die russischen Rüstungen und Truppenbewegungen, die Geheimverhand¬
lungen und China, endlich seit dem Herbst 1901 die ziemlich bestimmt in Petersburg
selbst umlaufende» Gerüchte ließen dein wachsamen Japan daran gar keinen Zweifel.
Die nächste Folge waren die Verhandlungen mit England, die zum Abschluß eines
Bündnisses auf fünf Jahre führten, sowie die in aller Stille, aber mit großer
Umsicht getroffneu Kriegsvorbereitungen Japans. Andrerseits schritten die Rüstungen
Rußlands, sei es infolge der Eisenbahnschwierigkeiteu, sei es infolge des japanisch¬
englischen Bündnisses und der daraus sich ergebenden Erwägungen, nicht in dem
Umfange vor, wie es im Jahre 1901 an hohen militärischen Stellen in Peters¬
burg vorausgesetzt worden sein mag. Im Juli 1903 hatte die Nowoje Wremja
Japan vor dem „Selbstmord" eines Krieges mit Rußland gewarnt. Rußland
hätte vielleicht noch sechs Monate sehr gewissenhafter Vorbereitungen gebraucht, um
eine annähernd ausreichende Kriegsbereitschaft zur See und zu Lande zu erreichen.
Japan dagegen war bei Beginn des Jahres 1904 kriegsfertig und wartete auf
deu geeigneten Augenblick um so mehr, als die Spannung zwischen der beendeten
Kriegsvorbereitung und dem Ausbruch des Krieges finanziell, politisch und militärisch
eine schwere Belastung ist. Als die japanischen Admiräle den Augenblick ge¬
kommen glaubten, bei überraschendem Handeln die russische Flotte in Port Arthur
mit Erfolg angreife« zu können, und die Frage dem Rat der Alten unterbreiteten,
beschloß dieser den Krieg, und zwar mit solcher Beschleunigung, daß dem japanischen
Gesandten in Petersburg nur noch die Weisung zugehn konnte, der russischen Re¬
gierung den Abbruch der Beziehungen zu modifizieren und seine Pässe zu ver¬
langen. Der Gesandte war von dieser Weisung vollständig überrascht, eilte, bevor
er ihr nachkam, zu dem englischen Botschafter und befragte diesen, was eigentlich
geschehen sei. Der wußte es ebensowenig, telegraphierte nach London, wo eben¬
falls nichts vorlag, und erst auf die direkte Anfrage von London in Tokio erfuhr
man im britischen Kabinett, daß die japanische Regierung sofort zum Kriege zu
schreite» entschlossen sei. Auch der japanische Gesandte in London war nicht besser
informiert gewesen. Dank der Aufmerksamkeit unsrer in China stehenden Truppen
sowie unsrer dortigen Kriegsschiffe und der militärischen Attaches in Tokio und in
Petersburg war Deutschland vielleicht die europäische Macht, die von dem Aus¬
bruch des Krieges am wenigsten überrascht wurde. Wenn sich trotzdem die deutsche
Politik in jener Zeit auch publizistisch außerordentlich zurückgehalten hat, so lag dem
nichts weiter als die Notwendigkeit zugrunde, alles zu vermeiden, was den Gegnern
Deutschlands irgendeinen Schein von Berechtigung zu der Behauptung geben konnte,
daß Deutschland das Kriegsfeuer angeblasen habe, um in Asien oder in Europa
seine Interessen zu befriedigen.

Es ist wohl als selbstverständlich anzunehmen, daß die Eindrücke, die Graf
Waldersee aus Ostasien mitgebracht hatte, auch bei den wiederholten Begegnungen,
die gerade in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts zwischen unserm und dem
russischen Kaiser stattfanden, zwischen den beiden Monarchen zur Sprache gekommen
sind. Sodann mußte sich doch die Aufmerksamkeit nicht nur der russischen und
der deutschen, sondern der gesamten Diplomatie aller Länder den asiatischen Dingen
Anwenden, als die Tatsache des um 30. Januar 1902 erfolgten Abschlusses des


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[0343] Maßgebliches und Unmaßgebliches einen Korvettenkapitän der Marine. Ebenso war unsre militärische Vertretung in Petersburg sehr gut besetzt, ganz abgesehen von der bekannten Tatsache, daß die Vorgänge auf militärischem Gebiet in Rußland seit Jahren Gegenstand einer genauern Beobachtung sind, wozu die großen Truppenhäufungen, die bis zum Jahre 1904 an unsrer Ostgrenze bestanden, hinreichend Anlaß boten. Schon im Oktober 1901 wurde in Berlin von Petersburg ans durch beachtens¬ werte Mitteilungen, die auch auf der Botschaft in Petersburg vorlagen, bekannt, daß in hohen russischen Kreisen das Jahr 1904 als Jahr eines Krieges gegen Japan angesehen werde. Ebenso war Japan selbst seit dem Jahre 1901 über¬ zeugt, daß die Situation auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Rußland hin¬ dränge. Die russischen Rüstungen und Truppenbewegungen, die Geheimverhand¬ lungen und China, endlich seit dem Herbst 1901 die ziemlich bestimmt in Petersburg selbst umlaufende» Gerüchte ließen dein wachsamen Japan daran gar keinen Zweifel. Die nächste Folge waren die Verhandlungen mit England, die zum Abschluß eines Bündnisses auf fünf Jahre führten, sowie die in aller Stille, aber mit großer Umsicht getroffneu Kriegsvorbereitungen Japans. Andrerseits schritten die Rüstungen Rußlands, sei es infolge der Eisenbahnschwierigkeiteu, sei es infolge des japanisch¬ englischen Bündnisses und der daraus sich ergebenden Erwägungen, nicht in dem Umfange vor, wie es im Jahre 1901 an hohen militärischen Stellen in Peters¬ burg vorausgesetzt worden sein mag. Im Juli 1903 hatte die Nowoje Wremja Japan vor dem „Selbstmord" eines Krieges mit Rußland gewarnt. Rußland hätte vielleicht noch sechs Monate sehr gewissenhafter Vorbereitungen gebraucht, um eine annähernd ausreichende Kriegsbereitschaft zur See und zu Lande zu erreichen. Japan dagegen war bei Beginn des Jahres 1904 kriegsfertig und wartete auf deu geeigneten Augenblick um so mehr, als die Spannung zwischen der beendeten Kriegsvorbereitung und dem Ausbruch des Krieges finanziell, politisch und militärisch eine schwere Belastung ist. Als die japanischen Admiräle den Augenblick ge¬ kommen glaubten, bei überraschendem Handeln die russische Flotte in Port Arthur mit Erfolg angreife« zu können, und die Frage dem Rat der Alten unterbreiteten, beschloß dieser den Krieg, und zwar mit solcher Beschleunigung, daß dem japanischen Gesandten in Petersburg nur noch die Weisung zugehn konnte, der russischen Re¬ gierung den Abbruch der Beziehungen zu modifizieren und seine Pässe zu ver¬ langen. Der Gesandte war von dieser Weisung vollständig überrascht, eilte, bevor er ihr nachkam, zu dem englischen Botschafter und befragte diesen, was eigentlich geschehen sei. Der wußte es ebensowenig, telegraphierte nach London, wo eben¬ falls nichts vorlag, und erst auf die direkte Anfrage von London in Tokio erfuhr man im britischen Kabinett, daß die japanische Regierung sofort zum Kriege zu schreite» entschlossen sei. Auch der japanische Gesandte in London war nicht besser informiert gewesen. Dank der Aufmerksamkeit unsrer in China stehenden Truppen sowie unsrer dortigen Kriegsschiffe und der militärischen Attaches in Tokio und in Petersburg war Deutschland vielleicht die europäische Macht, die von dem Aus¬ bruch des Krieges am wenigsten überrascht wurde. Wenn sich trotzdem die deutsche Politik in jener Zeit auch publizistisch außerordentlich zurückgehalten hat, so lag dem nichts weiter als die Notwendigkeit zugrunde, alles zu vermeiden, was den Gegnern Deutschlands irgendeinen Schein von Berechtigung zu der Behauptung geben konnte, daß Deutschland das Kriegsfeuer angeblasen habe, um in Asien oder in Europa seine Interessen zu befriedigen. Es ist wohl als selbstverständlich anzunehmen, daß die Eindrücke, die Graf Waldersee aus Ostasien mitgebracht hatte, auch bei den wiederholten Begegnungen, die gerade in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts zwischen unserm und dem russischen Kaiser stattfanden, zwischen den beiden Monarchen zur Sprache gekommen sind. Sodann mußte sich doch die Aufmerksamkeit nicht nur der russischen und der deutschen, sondern der gesamten Diplomatie aller Länder den asiatischen Dingen Anwenden, als die Tatsache des um 30. Januar 1902 erfolgten Abschlusses des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/343>, abgerufen am 19.05.2024.