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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

fassend beschäftigt, sowie auch Vandyck, und sein kunstsinniger Enkel, der Pfalzgraf
Johann Wilhelm (seit 1690), der in Düsseldorf Hof hielt, setzte diese Geschmacks¬
richtung fort. So ist München, seit es 1806 die Düsseldorfer Galerie aufnahm, für
Rubens und für Vandyck als Porträtmaler Wohl die wichtigste Sammlung geworden.
Diesem zusammenhängenden großen Besitzstande gehören noch Adriaen Brouwer mit 18
und der jüngere Teniers mit 28 Bildern an, ein Ensemble, wie es sich nirgends
wieder bietet. Außerdem sind noch die beiden Holbein, Rembrandt, Jakob van Ruisdael
sowie einzelne holländische Genremaler mit guten Bildern vertreten, von Italienern
aber Raffael mit zwei Madonnen und einer Heiligen Familie, Palma Vecchio und
Tizian mit einigen erlesnen Werken. In der Einleitung setzt Voll, dessen scharfem
Blick wir schon manche neue Erkenntnis auf dem Gebiete des Münchner Bildcrvorrats
verdanken, seine kritischen Bemühungen weiter fort. Wir heben daraus die auf der
Rückseite des Paumgartnerschen Altars von Dürer entdeckte Madonna der Ver¬
kündigung hervor, sowie die spätern Übermalungen des Porträts von Bryan Tute,
das überhaupt kaum noch Holbein zu lassen sein dürfte. Auch findet sich übrigens,
was Zuschreibungen und Werturteile anlangt, manche Abweichung von dem 1904
bei Bruckmann erschienenen amtlichen Kataloge mit zweihundert Abbildungen. Die
Vergleichung beider Werke wird jedem ernsten Kunstfreunde viel genußreiche Be¬
lehrung bringen. Es wäre nur zu wünschen, daß die Kataloge unsrer andern großen
Sammlungen so wie dieser ordnungsmäßig durch den Buchhandel Vertrieben würden,
während sie jetzt bloß in den Museen zu kaufen sind, und die Sortimenter es beinahe
übelnehmen, wenn man ihnen die Besorgung eines solchen Dinges zumutet. Ich
besitze eine größere Sammlung und könnte davon erzählen, denn fast jedes Stück
hat seine eigue kleine Geschichte. Einmal fand ich allerdings den Katalog von
Dresden zu meiner Überraschung in einer Buchhandlung dort auf dem Auslegetisch,
aber er kostete auch 1,50 Mark mehr. Etwas müssen wir doch dabei verdienen,
meinte resigniert der Geschäftsherr. Wahrscheinlich wird aber der Kcinfcr finden,
daß er dies Etwas passender selbst verdient, indem er ein paar Schritte weiter geht,
in die Galerie.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Nerlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig




Maßgebliches und Unmaßgebliches

fassend beschäftigt, sowie auch Vandyck, und sein kunstsinniger Enkel, der Pfalzgraf
Johann Wilhelm (seit 1690), der in Düsseldorf Hof hielt, setzte diese Geschmacks¬
richtung fort. So ist München, seit es 1806 die Düsseldorfer Galerie aufnahm, für
Rubens und für Vandyck als Porträtmaler Wohl die wichtigste Sammlung geworden.
Diesem zusammenhängenden großen Besitzstande gehören noch Adriaen Brouwer mit 18
und der jüngere Teniers mit 28 Bildern an, ein Ensemble, wie es sich nirgends
wieder bietet. Außerdem sind noch die beiden Holbein, Rembrandt, Jakob van Ruisdael
sowie einzelne holländische Genremaler mit guten Bildern vertreten, von Italienern
aber Raffael mit zwei Madonnen und einer Heiligen Familie, Palma Vecchio und
Tizian mit einigen erlesnen Werken. In der Einleitung setzt Voll, dessen scharfem
Blick wir schon manche neue Erkenntnis auf dem Gebiete des Münchner Bildcrvorrats
verdanken, seine kritischen Bemühungen weiter fort. Wir heben daraus die auf der
Rückseite des Paumgartnerschen Altars von Dürer entdeckte Madonna der Ver¬
kündigung hervor, sowie die spätern Übermalungen des Porträts von Bryan Tute,
das überhaupt kaum noch Holbein zu lassen sein dürfte. Auch findet sich übrigens,
was Zuschreibungen und Werturteile anlangt, manche Abweichung von dem 1904
bei Bruckmann erschienenen amtlichen Kataloge mit zweihundert Abbildungen. Die
Vergleichung beider Werke wird jedem ernsten Kunstfreunde viel genußreiche Be¬
lehrung bringen. Es wäre nur zu wünschen, daß die Kataloge unsrer andern großen
Sammlungen so wie dieser ordnungsmäßig durch den Buchhandel Vertrieben würden,
während sie jetzt bloß in den Museen zu kaufen sind, und die Sortimenter es beinahe
übelnehmen, wenn man ihnen die Besorgung eines solchen Dinges zumutet. Ich
besitze eine größere Sammlung und könnte davon erzählen, denn fast jedes Stück
hat seine eigue kleine Geschichte. Einmal fand ich allerdings den Katalog von
Dresden zu meiner Überraschung in einer Buchhandlung dort auf dem Auslegetisch,
aber er kostete auch 1,50 Mark mehr. Etwas müssen wir doch dabei verdienen,
meinte resigniert der Geschäftsherr. Wahrscheinlich wird aber der Kcinfcr finden,
daß er dies Etwas passender selbst verdient, indem er ein paar Schritte weiter geht,
in die Galerie.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Nerlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig




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[0516] Maßgebliches und Unmaßgebliches fassend beschäftigt, sowie auch Vandyck, und sein kunstsinniger Enkel, der Pfalzgraf Johann Wilhelm (seit 1690), der in Düsseldorf Hof hielt, setzte diese Geschmacks¬ richtung fort. So ist München, seit es 1806 die Düsseldorfer Galerie aufnahm, für Rubens und für Vandyck als Porträtmaler Wohl die wichtigste Sammlung geworden. Diesem zusammenhängenden großen Besitzstande gehören noch Adriaen Brouwer mit 18 und der jüngere Teniers mit 28 Bildern an, ein Ensemble, wie es sich nirgends wieder bietet. Außerdem sind noch die beiden Holbein, Rembrandt, Jakob van Ruisdael sowie einzelne holländische Genremaler mit guten Bildern vertreten, von Italienern aber Raffael mit zwei Madonnen und einer Heiligen Familie, Palma Vecchio und Tizian mit einigen erlesnen Werken. In der Einleitung setzt Voll, dessen scharfem Blick wir schon manche neue Erkenntnis auf dem Gebiete des Münchner Bildcrvorrats verdanken, seine kritischen Bemühungen weiter fort. Wir heben daraus die auf der Rückseite des Paumgartnerschen Altars von Dürer entdeckte Madonna der Ver¬ kündigung hervor, sowie die spätern Übermalungen des Porträts von Bryan Tute, das überhaupt kaum noch Holbein zu lassen sein dürfte. Auch findet sich übrigens, was Zuschreibungen und Werturteile anlangt, manche Abweichung von dem 1904 bei Bruckmann erschienenen amtlichen Kataloge mit zweihundert Abbildungen. Die Vergleichung beider Werke wird jedem ernsten Kunstfreunde viel genußreiche Be¬ lehrung bringen. Es wäre nur zu wünschen, daß die Kataloge unsrer andern großen Sammlungen so wie dieser ordnungsmäßig durch den Buchhandel Vertrieben würden, während sie jetzt bloß in den Museen zu kaufen sind, und die Sortimenter es beinahe übelnehmen, wenn man ihnen die Besorgung eines solchen Dinges zumutet. Ich besitze eine größere Sammlung und könnte davon erzählen, denn fast jedes Stück hat seine eigue kleine Geschichte. Einmal fand ich allerdings den Katalog von Dresden zu meiner Überraschung in einer Buchhandlung dort auf dem Auslegetisch, aber er kostete auch 1,50 Mark mehr. Etwas müssen wir doch dabei verdienen, meinte resigniert der Geschäftsherr. Wahrscheinlich wird aber der Kcinfcr finden, daß er dies Etwas passender selbst verdient, indem er ein paar Schritte weiter geht, in die Galerie. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Nerlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/516>, abgerufen am 28.05.2024.