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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Geschichte einer Sammlung

Der Sultan hätte Schadenersatz geleistet für das, was vernichtet war. Aber die
seltnen Waffen und die alten Geräte, die ganze Sammlung, die war ja nicht er¬
setzbar, sagten Sie -- dies war es, was mich wunderte. Ich war als Kind eines
Sammlers aufgewachsen, und das schien mir deswegen allgemein und wenig ver¬
wunderlich, so von Dingen umgeben zu sein, die ihre eigne Geschichte hatten.

Ich weiß aber, daß ich von Ihrer Bemerkung aus anfing, darüber nachzudenken,
und daß ich anfing, zu wünschen, mein Vater möchte ausschreiben, wie er zu den
Sachen gekommen sei, die uns umgaben. Leider hat er es nicht getan, und nun,
wo er gestorben ist, versuche ich aus demi, was ich ihn habe erzählen hören, aus
den Erinnerungen meiner Mutter und aus dem, was mir selber von der Kindheit
her im Gedächtnis geblieben ist, etwas von dem zusammenzusetzen, was nicht nur
vollständiger wäre, sondern sich auch besser anhören ließe, wenn er es selber ge¬
schrieben hätte.

Mein Vater war kein Sammler, als er nach Rom ging, und wollte auch
keiner werden. Im Gegenteil! Man hatte ihm viele gute Lehren mitgegeben, und
darunter war die am eindringlichsten gewesen, daß er sich vor dem Sammeln hüten
solle, und die wirkte noch, als mein Vater schon längst die Höhlen der Antiquare
keimen gelernt hatte.

Die Warner hatten ja Recht. Der Boden dort verleitet ungeheuer zum
Sammeln.

Wenn in eine beliebige Gartenmauer unter Blöcken und Feldsteinen ein feines
kleines Marmorkapitälchen mit eingemauert ist, dem man die frühe vorkorinthische
Herkunft an der Form ansieht, ein feines kleines Kunstwerk an einer Stelle, wo
jeder rohe Stein vom Wege denselben Dienst getan Hütte, dann braucht man wirklich
einen ganzen Hausen kalter Vernunft, sich davon abzuhalten, daß man es heraus¬
bröckelt und mitnimmt. Und mein Vater hat sich auch jahrelang mit allen bürger¬
liche" Gründen gewehrt, wenn er Bilder zum Verkauf kommen sah, deren Wert
er kannte, manchmal auch nur ahnte. Er sagte sich: das Format ist zu groß, oder:
der Gegenstand paßt nicht für ein einfaches deutsches Haus, oder: der Transport
wird seinerzeit Beschwerde machen, oder: seine Familie könnte nicht davon essen,
wenn er das Geld für Bilder ausgebe. So hielt er sich zurück.

Und die Warner hatten darin auch Recht: wenn man einmal angefangen hat,
muß es schwer sein, wieder aufzuhören. Gewohnheitssammler ist mein Vater trotz¬
dem nicht geworden. Sonst hätte er, als er nach Deutschland zurückgekommen war,
doch vielleicht Briefmarken oder Eisenbahnbillette gesammelt.

Sie lachen gewiß, aber ich glaube, die Leute, die so sammeln, wollen auch
nur einen Anknüpfungspunkt haben, um ihre Phantasie auf Reisen zu schicke". Ich
habe zum Beispiel den alten Lederkoffer, der bei Ihnen in der Barerstraße in der
finstern Kammer lag, die Sie die Schatzkammer nannten, zärtlich geliebt. Am
liebsten hätte ich ihn mir von Ihnen erbettelt. Ich wußte, daß er mit Ihnen die
Seereise gemacht hatte. Vielleicht war er schon von Wien aus mitgekommen, als
Sie mit Ihrem Manne nach Kleinasien gingen, und hatte im Gewölbe das Feuer
überdauert. Und dann, wie Sie aus Damaskus wegritten und über das Gebirge
kamen und das Meer liegen sahen -- Sie sagten, es wäre Ihnen gewesen, wie
wenn Sie aus einem Gefängnis kämen nach den Jahren in Damaskus. Da war
der Koffer dabei. Und nachher in Beirut, dessen Nennung mich berührt wie der
Name eines Freundes, weil Sie sagten, sie hätten das geistige Leben dort so stark
gefunden, nicht auf ein paar Berufsarten beschränkt, die dafür verpflichtet sind,
sondern durchgehend so stark, daß Sie später, als Sie wieder in der Heimat waren,
sich gefragt hätten, ob Sie da in eine Gesellschaft von Trotteln gekommen wären.
Der Koffer mit seiner verschabten Haut sah nach vielen Erlebnissen aus zu Wasser
und zu Lande.

So etwas, denke ich, wollen die haben, die Fahrkarten sammeln. Ich denke
mir, sie wollen Luft von den Bergen und Luft von dem Meer, die Laute aus un-


Geschichte einer Sammlung

Der Sultan hätte Schadenersatz geleistet für das, was vernichtet war. Aber die
seltnen Waffen und die alten Geräte, die ganze Sammlung, die war ja nicht er¬
setzbar, sagten Sie — dies war es, was mich wunderte. Ich war als Kind eines
Sammlers aufgewachsen, und das schien mir deswegen allgemein und wenig ver¬
wunderlich, so von Dingen umgeben zu sein, die ihre eigne Geschichte hatten.

Ich weiß aber, daß ich von Ihrer Bemerkung aus anfing, darüber nachzudenken,
und daß ich anfing, zu wünschen, mein Vater möchte ausschreiben, wie er zu den
Sachen gekommen sei, die uns umgaben. Leider hat er es nicht getan, und nun,
wo er gestorben ist, versuche ich aus demi, was ich ihn habe erzählen hören, aus
den Erinnerungen meiner Mutter und aus dem, was mir selber von der Kindheit
her im Gedächtnis geblieben ist, etwas von dem zusammenzusetzen, was nicht nur
vollständiger wäre, sondern sich auch besser anhören ließe, wenn er es selber ge¬
schrieben hätte.

Mein Vater war kein Sammler, als er nach Rom ging, und wollte auch
keiner werden. Im Gegenteil! Man hatte ihm viele gute Lehren mitgegeben, und
darunter war die am eindringlichsten gewesen, daß er sich vor dem Sammeln hüten
solle, und die wirkte noch, als mein Vater schon längst die Höhlen der Antiquare
keimen gelernt hatte.

Die Warner hatten ja Recht. Der Boden dort verleitet ungeheuer zum
Sammeln.

Wenn in eine beliebige Gartenmauer unter Blöcken und Feldsteinen ein feines
kleines Marmorkapitälchen mit eingemauert ist, dem man die frühe vorkorinthische
Herkunft an der Form ansieht, ein feines kleines Kunstwerk an einer Stelle, wo
jeder rohe Stein vom Wege denselben Dienst getan Hütte, dann braucht man wirklich
einen ganzen Hausen kalter Vernunft, sich davon abzuhalten, daß man es heraus¬
bröckelt und mitnimmt. Und mein Vater hat sich auch jahrelang mit allen bürger¬
liche» Gründen gewehrt, wenn er Bilder zum Verkauf kommen sah, deren Wert
er kannte, manchmal auch nur ahnte. Er sagte sich: das Format ist zu groß, oder:
der Gegenstand paßt nicht für ein einfaches deutsches Haus, oder: der Transport
wird seinerzeit Beschwerde machen, oder: seine Familie könnte nicht davon essen,
wenn er das Geld für Bilder ausgebe. So hielt er sich zurück.

Und die Warner hatten darin auch Recht: wenn man einmal angefangen hat,
muß es schwer sein, wieder aufzuhören. Gewohnheitssammler ist mein Vater trotz¬
dem nicht geworden. Sonst hätte er, als er nach Deutschland zurückgekommen war,
doch vielleicht Briefmarken oder Eisenbahnbillette gesammelt.

Sie lachen gewiß, aber ich glaube, die Leute, die so sammeln, wollen auch
nur einen Anknüpfungspunkt haben, um ihre Phantasie auf Reisen zu schicke». Ich
habe zum Beispiel den alten Lederkoffer, der bei Ihnen in der Barerstraße in der
finstern Kammer lag, die Sie die Schatzkammer nannten, zärtlich geliebt. Am
liebsten hätte ich ihn mir von Ihnen erbettelt. Ich wußte, daß er mit Ihnen die
Seereise gemacht hatte. Vielleicht war er schon von Wien aus mitgekommen, als
Sie mit Ihrem Manne nach Kleinasien gingen, und hatte im Gewölbe das Feuer
überdauert. Und dann, wie Sie aus Damaskus wegritten und über das Gebirge
kamen und das Meer liegen sahen — Sie sagten, es wäre Ihnen gewesen, wie
wenn Sie aus einem Gefängnis kämen nach den Jahren in Damaskus. Da war
der Koffer dabei. Und nachher in Beirut, dessen Nennung mich berührt wie der
Name eines Freundes, weil Sie sagten, sie hätten das geistige Leben dort so stark
gefunden, nicht auf ein paar Berufsarten beschränkt, die dafür verpflichtet sind,
sondern durchgehend so stark, daß Sie später, als Sie wieder in der Heimat waren,
sich gefragt hätten, ob Sie da in eine Gesellschaft von Trotteln gekommen wären.
Der Koffer mit seiner verschabten Haut sah nach vielen Erlebnissen aus zu Wasser
und zu Lande.

So etwas, denke ich, wollen die haben, die Fahrkarten sammeln. Ich denke
mir, sie wollen Luft von den Bergen und Luft von dem Meer, die Laute aus un-


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[0611] Geschichte einer Sammlung Der Sultan hätte Schadenersatz geleistet für das, was vernichtet war. Aber die seltnen Waffen und die alten Geräte, die ganze Sammlung, die war ja nicht er¬ setzbar, sagten Sie — dies war es, was mich wunderte. Ich war als Kind eines Sammlers aufgewachsen, und das schien mir deswegen allgemein und wenig ver¬ wunderlich, so von Dingen umgeben zu sein, die ihre eigne Geschichte hatten. Ich weiß aber, daß ich von Ihrer Bemerkung aus anfing, darüber nachzudenken, und daß ich anfing, zu wünschen, mein Vater möchte ausschreiben, wie er zu den Sachen gekommen sei, die uns umgaben. Leider hat er es nicht getan, und nun, wo er gestorben ist, versuche ich aus demi, was ich ihn habe erzählen hören, aus den Erinnerungen meiner Mutter und aus dem, was mir selber von der Kindheit her im Gedächtnis geblieben ist, etwas von dem zusammenzusetzen, was nicht nur vollständiger wäre, sondern sich auch besser anhören ließe, wenn er es selber ge¬ schrieben hätte. Mein Vater war kein Sammler, als er nach Rom ging, und wollte auch keiner werden. Im Gegenteil! Man hatte ihm viele gute Lehren mitgegeben, und darunter war die am eindringlichsten gewesen, daß er sich vor dem Sammeln hüten solle, und die wirkte noch, als mein Vater schon längst die Höhlen der Antiquare keimen gelernt hatte. Die Warner hatten ja Recht. Der Boden dort verleitet ungeheuer zum Sammeln. Wenn in eine beliebige Gartenmauer unter Blöcken und Feldsteinen ein feines kleines Marmorkapitälchen mit eingemauert ist, dem man die frühe vorkorinthische Herkunft an der Form ansieht, ein feines kleines Kunstwerk an einer Stelle, wo jeder rohe Stein vom Wege denselben Dienst getan Hütte, dann braucht man wirklich einen ganzen Hausen kalter Vernunft, sich davon abzuhalten, daß man es heraus¬ bröckelt und mitnimmt. Und mein Vater hat sich auch jahrelang mit allen bürger¬ liche» Gründen gewehrt, wenn er Bilder zum Verkauf kommen sah, deren Wert er kannte, manchmal auch nur ahnte. Er sagte sich: das Format ist zu groß, oder: der Gegenstand paßt nicht für ein einfaches deutsches Haus, oder: der Transport wird seinerzeit Beschwerde machen, oder: seine Familie könnte nicht davon essen, wenn er das Geld für Bilder ausgebe. So hielt er sich zurück. Und die Warner hatten darin auch Recht: wenn man einmal angefangen hat, muß es schwer sein, wieder aufzuhören. Gewohnheitssammler ist mein Vater trotz¬ dem nicht geworden. Sonst hätte er, als er nach Deutschland zurückgekommen war, doch vielleicht Briefmarken oder Eisenbahnbillette gesammelt. Sie lachen gewiß, aber ich glaube, die Leute, die so sammeln, wollen auch nur einen Anknüpfungspunkt haben, um ihre Phantasie auf Reisen zu schicke». Ich habe zum Beispiel den alten Lederkoffer, der bei Ihnen in der Barerstraße in der finstern Kammer lag, die Sie die Schatzkammer nannten, zärtlich geliebt. Am liebsten hätte ich ihn mir von Ihnen erbettelt. Ich wußte, daß er mit Ihnen die Seereise gemacht hatte. Vielleicht war er schon von Wien aus mitgekommen, als Sie mit Ihrem Manne nach Kleinasien gingen, und hatte im Gewölbe das Feuer überdauert. Und dann, wie Sie aus Damaskus wegritten und über das Gebirge kamen und das Meer liegen sahen — Sie sagten, es wäre Ihnen gewesen, wie wenn Sie aus einem Gefängnis kämen nach den Jahren in Damaskus. Da war der Koffer dabei. Und nachher in Beirut, dessen Nennung mich berührt wie der Name eines Freundes, weil Sie sagten, sie hätten das geistige Leben dort so stark gefunden, nicht auf ein paar Berufsarten beschränkt, die dafür verpflichtet sind, sondern durchgehend so stark, daß Sie später, als Sie wieder in der Heimat waren, sich gefragt hätten, ob Sie da in eine Gesellschaft von Trotteln gekommen wären. Der Koffer mit seiner verschabten Haut sah nach vielen Erlebnissen aus zu Wasser und zu Lande. So etwas, denke ich, wollen die haben, die Fahrkarten sammeln. Ich denke mir, sie wollen Luft von den Bergen und Luft von dem Meer, die Laute aus un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/611>, abgerufen am 19.05.2024.