Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Herrenmenschen

waren ungewiß, wer denn nun der eigentliche Herr sei, und in der Furcht, das;
es ihnen der Inspektor entgelten lassen könnte, daß sie dem Doktor gedient hatten,
wenn er, der Inspektor, wieder ans Ruder kommen sollte. Und außerdem war
es doch auch gar zu verführerisch, wenn der Inspektor die Schnapsflasche zeigte
und mimisch zu allerlei Unfug aufforderte. Als das Rnmborn einmal sah, forderte
er Heinemann ans, sich vom Hofe zu scheren.

Ob das seine Kündigung sein sollte, fragte der Inspektor.

Um Gottes willen, rief Tauenden, sprechen Sie die Kündigung nicht aus,
sonst haben wir die Klage sogleich auf dem Halse.

Betrachten Sie sich als suspendiert! rief der Doktor.

Was das heißen solle, suspendiert? fragte Heinemann.

Aufgehängt! schrie der Doktor und kehrte dem Menschen den Rücken.

Aber die Klage kam doch. Der bewußte Rechtsanwalt in N., der Schutz¬
patron aller Lumpe des Landes, deduzierte, da der Inspektor tatsächlich an der
Ausübung seines Amtes gehindert werde, und da es das Ehrgefühl seines Klienten
nicht dulde, für ein Amt Bezahlung zu nehmen, dessen Ausübung ihm verwehrt
werde, so müsse vermutet werden, daß die Kündigung ausgesprochen und ange¬
nommen sei. Es trete somit die Stipulation aus Paragraph 5 des Vertrages in
Kraft, und es seien 10000 Mark Entschädigung zu zahlen. Wenn das nicht
binnen acht Tagen geschehen sei, so werde Klage angestrengt werden.

Nun wurde die Lage bedenklich. Mary war nicht zu bestimmen, sich mit
dem Inspektor auf irgendeine Verhandlung einzulassen. Neue Zeugen gegen den
Inspektor waren nicht aufzutreiben, obwohl man neue Nachrichten von Betrügereien
erhalten hatte. Der und der hatten die Sache gesehen und konnten sie bezeugen,
aber sobald man auf den Grund ging, bemächtigte sich der Leute eine große Ge-
dnukeuschwäche, und die bestimmte Aussage löste sich in allgemeine Meinungen auf.

Groppoff hatte dem Doktor ein ungewöhnliches Maß von Wohlwollen zuge¬
wandt. Er erlaubte ihm, wo er wollte, Rehböcke zu schießen, was die höchste
Gunst war, die er erwies, aber leider war der Doktor kein Jäger und nicht einmal
imstande, einen Hasen zur Strecke zu bringen. Groppoff verkehrte mit dem Doktor
gern am Herrentische, er brachte bisweilen seine Eva mit und hatte es nicht un¬
gern, wenn der Doktor das Wort an Eva richtete. Er sandte ihm alle Tage durch
Pnsch seine Berliner Zeitung, die einzige, die in Tapnicken gehalten wurde, nahm
gnädig die Bücher in Empfang, die ihm der Doktor lieh, und hatte eine ansehnliche
Hochachtung sür einen Mann, der "Zarathustra" und die "Umwertung der Werte"
besaß und verstand.

Groppoff studierte diese Bücher mit regem Eifer. Sie fesselten ihn, ja sie
erschienen ihm als ein Evangelium für Leute seiner Art. Freilich verstand er
nicht alles. Er hatte den Eindruck, einen Redner zu hören, der zu weit entfernt
war, als daß man jedes Wort hätte vernehmen können. Aber auch so erschien die
Rede nachdrücklich und bedeutsam. Und das verstand er, daß es möglich sei, im
Namen der Wissenschaft Religion und Sittengebot über den Haufen zu werfen, und
daß man zu allem, was man vielleicht mit bösem Gewissen getan hatte, was man
aber doch getan hatte, weil man es wollte, oder weil es das heiße Blut gebot,
sein gutes und volles Recht hatte. Nun war er ein König, der nicht allein die
Macht hatte zu herrschen, sondern dem sein Königsrecht auch mit Brief und Siegel
verbürgt war. Er las: Wer sein Gewissen dressiert, den beißt es. Groppoff lachte
über das dreiste Wort und fand, daß es sehr gut gesagt sei. Er wollte sich schon
hüten, sich beißen zu lassen.

Der Herr Amtshauptmann gab sich die Ehre, den Herrn Doktor zum Abend¬
essen einzuladen, und zwar ihn allein. Der Salon, den seine verstorbne Frau
noch eingerichtet hatte, wurde aufgetan, und es gab etwas auserlesen Feines, was
die Jagd und der Fischfang dargeboten hatten. Groppoff spielte die Rolle eines
Grandseigneurs und hohen Hofbeamten rin einer Vollendung, als wenn er es von


Herrenmenschen

waren ungewiß, wer denn nun der eigentliche Herr sei, und in der Furcht, das;
es ihnen der Inspektor entgelten lassen könnte, daß sie dem Doktor gedient hatten,
wenn er, der Inspektor, wieder ans Ruder kommen sollte. Und außerdem war
es doch auch gar zu verführerisch, wenn der Inspektor die Schnapsflasche zeigte
und mimisch zu allerlei Unfug aufforderte. Als das Rnmborn einmal sah, forderte
er Heinemann ans, sich vom Hofe zu scheren.

Ob das seine Kündigung sein sollte, fragte der Inspektor.

Um Gottes willen, rief Tauenden, sprechen Sie die Kündigung nicht aus,
sonst haben wir die Klage sogleich auf dem Halse.

Betrachten Sie sich als suspendiert! rief der Doktor.

Was das heißen solle, suspendiert? fragte Heinemann.

Aufgehängt! schrie der Doktor und kehrte dem Menschen den Rücken.

Aber die Klage kam doch. Der bewußte Rechtsanwalt in N., der Schutz¬
patron aller Lumpe des Landes, deduzierte, da der Inspektor tatsächlich an der
Ausübung seines Amtes gehindert werde, und da es das Ehrgefühl seines Klienten
nicht dulde, für ein Amt Bezahlung zu nehmen, dessen Ausübung ihm verwehrt
werde, so müsse vermutet werden, daß die Kündigung ausgesprochen und ange¬
nommen sei. Es trete somit die Stipulation aus Paragraph 5 des Vertrages in
Kraft, und es seien 10000 Mark Entschädigung zu zahlen. Wenn das nicht
binnen acht Tagen geschehen sei, so werde Klage angestrengt werden.

Nun wurde die Lage bedenklich. Mary war nicht zu bestimmen, sich mit
dem Inspektor auf irgendeine Verhandlung einzulassen. Neue Zeugen gegen den
Inspektor waren nicht aufzutreiben, obwohl man neue Nachrichten von Betrügereien
erhalten hatte. Der und der hatten die Sache gesehen und konnten sie bezeugen,
aber sobald man auf den Grund ging, bemächtigte sich der Leute eine große Ge-
dnukeuschwäche, und die bestimmte Aussage löste sich in allgemeine Meinungen auf.

Groppoff hatte dem Doktor ein ungewöhnliches Maß von Wohlwollen zuge¬
wandt. Er erlaubte ihm, wo er wollte, Rehböcke zu schießen, was die höchste
Gunst war, die er erwies, aber leider war der Doktor kein Jäger und nicht einmal
imstande, einen Hasen zur Strecke zu bringen. Groppoff verkehrte mit dem Doktor
gern am Herrentische, er brachte bisweilen seine Eva mit und hatte es nicht un¬
gern, wenn der Doktor das Wort an Eva richtete. Er sandte ihm alle Tage durch
Pnsch seine Berliner Zeitung, die einzige, die in Tapnicken gehalten wurde, nahm
gnädig die Bücher in Empfang, die ihm der Doktor lieh, und hatte eine ansehnliche
Hochachtung sür einen Mann, der „Zarathustra" und die „Umwertung der Werte"
besaß und verstand.

Groppoff studierte diese Bücher mit regem Eifer. Sie fesselten ihn, ja sie
erschienen ihm als ein Evangelium für Leute seiner Art. Freilich verstand er
nicht alles. Er hatte den Eindruck, einen Redner zu hören, der zu weit entfernt
war, als daß man jedes Wort hätte vernehmen können. Aber auch so erschien die
Rede nachdrücklich und bedeutsam. Und das verstand er, daß es möglich sei, im
Namen der Wissenschaft Religion und Sittengebot über den Haufen zu werfen, und
daß man zu allem, was man vielleicht mit bösem Gewissen getan hatte, was man
aber doch getan hatte, weil man es wollte, oder weil es das heiße Blut gebot,
sein gutes und volles Recht hatte. Nun war er ein König, der nicht allein die
Macht hatte zu herrschen, sondern dem sein Königsrecht auch mit Brief und Siegel
verbürgt war. Er las: Wer sein Gewissen dressiert, den beißt es. Groppoff lachte
über das dreiste Wort und fand, daß es sehr gut gesagt sei. Er wollte sich schon
hüten, sich beißen zu lassen.

Der Herr Amtshauptmann gab sich die Ehre, den Herrn Doktor zum Abend¬
essen einzuladen, und zwar ihn allein. Der Salon, den seine verstorbne Frau
noch eingerichtet hatte, wurde aufgetan, und es gab etwas auserlesen Feines, was
die Jagd und der Fischfang dargeboten hatten. Groppoff spielte die Rolle eines
Grandseigneurs und hohen Hofbeamten rin einer Vollendung, als wenn er es von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297244"/>
            <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_391" prev="#ID_390"> waren ungewiß, wer denn nun der eigentliche Herr sei, und in der Furcht, das;<lb/>
es ihnen der Inspektor entgelten lassen könnte, daß sie dem Doktor gedient hatten,<lb/>
wenn er, der Inspektor, wieder ans Ruder kommen sollte. Und außerdem war<lb/>
es doch auch gar zu verführerisch, wenn der Inspektor die Schnapsflasche zeigte<lb/>
und mimisch zu allerlei Unfug aufforderte. Als das Rnmborn einmal sah, forderte<lb/>
er Heinemann ans, sich vom Hofe zu scheren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_392"> Ob das seine Kündigung sein sollte, fragte der Inspektor.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_393"> Um Gottes willen, rief Tauenden, sprechen Sie die Kündigung nicht aus,<lb/>
sonst haben wir die Klage sogleich auf dem Halse.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_394"> Betrachten Sie sich als suspendiert! rief der Doktor.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_395"> Was das heißen solle, suspendiert? fragte Heinemann.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_396"> Aufgehängt! schrie der Doktor und kehrte dem Menschen den Rücken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_397"> Aber die Klage kam doch. Der bewußte Rechtsanwalt in N., der Schutz¬<lb/>
patron aller Lumpe des Landes, deduzierte, da der Inspektor tatsächlich an der<lb/>
Ausübung seines Amtes gehindert werde, und da es das Ehrgefühl seines Klienten<lb/>
nicht dulde, für ein Amt Bezahlung zu nehmen, dessen Ausübung ihm verwehrt<lb/>
werde, so müsse vermutet werden, daß die Kündigung ausgesprochen und ange¬<lb/>
nommen sei. Es trete somit die Stipulation aus Paragraph 5 des Vertrages in<lb/>
Kraft, und es seien 10000 Mark Entschädigung zu zahlen. Wenn das nicht<lb/>
binnen acht Tagen geschehen sei, so werde Klage angestrengt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_398"> Nun wurde die Lage bedenklich. Mary war nicht zu bestimmen, sich mit<lb/>
dem Inspektor auf irgendeine Verhandlung einzulassen. Neue Zeugen gegen den<lb/>
Inspektor waren nicht aufzutreiben, obwohl man neue Nachrichten von Betrügereien<lb/>
erhalten hatte. Der und der hatten die Sache gesehen und konnten sie bezeugen,<lb/>
aber sobald man auf den Grund ging, bemächtigte sich der Leute eine große Ge-<lb/>
dnukeuschwäche, und die bestimmte Aussage löste sich in allgemeine Meinungen auf.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_399"> Groppoff hatte dem Doktor ein ungewöhnliches Maß von Wohlwollen zuge¬<lb/>
wandt. Er erlaubte ihm, wo er wollte, Rehböcke zu schießen, was die höchste<lb/>
Gunst war, die er erwies, aber leider war der Doktor kein Jäger und nicht einmal<lb/>
imstande, einen Hasen zur Strecke zu bringen. Groppoff verkehrte mit dem Doktor<lb/>
gern am Herrentische, er brachte bisweilen seine Eva mit und hatte es nicht un¬<lb/>
gern, wenn der Doktor das Wort an Eva richtete. Er sandte ihm alle Tage durch<lb/>
Pnsch seine Berliner Zeitung, die einzige, die in Tapnicken gehalten wurde, nahm<lb/>
gnädig die Bücher in Empfang, die ihm der Doktor lieh, und hatte eine ansehnliche<lb/>
Hochachtung sür einen Mann, der &#x201E;Zarathustra" und die &#x201E;Umwertung der Werte"<lb/>
besaß und verstand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_400"> Groppoff studierte diese Bücher mit regem Eifer. Sie fesselten ihn, ja sie<lb/>
erschienen ihm als ein Evangelium für Leute seiner Art. Freilich verstand er<lb/>
nicht alles. Er hatte den Eindruck, einen Redner zu hören, der zu weit entfernt<lb/>
war, als daß man jedes Wort hätte vernehmen können. Aber auch so erschien die<lb/>
Rede nachdrücklich und bedeutsam. Und das verstand er, daß es möglich sei, im<lb/>
Namen der Wissenschaft Religion und Sittengebot über den Haufen zu werfen, und<lb/>
daß man zu allem, was man vielleicht mit bösem Gewissen getan hatte, was man<lb/>
aber doch getan hatte, weil man es wollte, oder weil es das heiße Blut gebot,<lb/>
sein gutes und volles Recht hatte. Nun war er ein König, der nicht allein die<lb/>
Macht hatte zu herrschen, sondern dem sein Königsrecht auch mit Brief und Siegel<lb/>
verbürgt war. Er las: Wer sein Gewissen dressiert, den beißt es. Groppoff lachte<lb/>
über das dreiste Wort und fand, daß es sehr gut gesagt sei. Er wollte sich schon<lb/>
hüten, sich beißen zu lassen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_401" next="#ID_402"> Der Herr Amtshauptmann gab sich die Ehre, den Herrn Doktor zum Abend¬<lb/>
essen einzuladen, und zwar ihn allein. Der Salon, den seine verstorbne Frau<lb/>
noch eingerichtet hatte, wurde aufgetan, und es gab etwas auserlesen Feines, was<lb/>
die Jagd und der Fischfang dargeboten hatten. Groppoff spielte die Rolle eines<lb/>
Grandseigneurs und hohen Hofbeamten rin einer Vollendung, als wenn er es von</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0112] Herrenmenschen waren ungewiß, wer denn nun der eigentliche Herr sei, und in der Furcht, das; es ihnen der Inspektor entgelten lassen könnte, daß sie dem Doktor gedient hatten, wenn er, der Inspektor, wieder ans Ruder kommen sollte. Und außerdem war es doch auch gar zu verführerisch, wenn der Inspektor die Schnapsflasche zeigte und mimisch zu allerlei Unfug aufforderte. Als das Rnmborn einmal sah, forderte er Heinemann ans, sich vom Hofe zu scheren. Ob das seine Kündigung sein sollte, fragte der Inspektor. Um Gottes willen, rief Tauenden, sprechen Sie die Kündigung nicht aus, sonst haben wir die Klage sogleich auf dem Halse. Betrachten Sie sich als suspendiert! rief der Doktor. Was das heißen solle, suspendiert? fragte Heinemann. Aufgehängt! schrie der Doktor und kehrte dem Menschen den Rücken. Aber die Klage kam doch. Der bewußte Rechtsanwalt in N., der Schutz¬ patron aller Lumpe des Landes, deduzierte, da der Inspektor tatsächlich an der Ausübung seines Amtes gehindert werde, und da es das Ehrgefühl seines Klienten nicht dulde, für ein Amt Bezahlung zu nehmen, dessen Ausübung ihm verwehrt werde, so müsse vermutet werden, daß die Kündigung ausgesprochen und ange¬ nommen sei. Es trete somit die Stipulation aus Paragraph 5 des Vertrages in Kraft, und es seien 10000 Mark Entschädigung zu zahlen. Wenn das nicht binnen acht Tagen geschehen sei, so werde Klage angestrengt werden. Nun wurde die Lage bedenklich. Mary war nicht zu bestimmen, sich mit dem Inspektor auf irgendeine Verhandlung einzulassen. Neue Zeugen gegen den Inspektor waren nicht aufzutreiben, obwohl man neue Nachrichten von Betrügereien erhalten hatte. Der und der hatten die Sache gesehen und konnten sie bezeugen, aber sobald man auf den Grund ging, bemächtigte sich der Leute eine große Ge- dnukeuschwäche, und die bestimmte Aussage löste sich in allgemeine Meinungen auf. Groppoff hatte dem Doktor ein ungewöhnliches Maß von Wohlwollen zuge¬ wandt. Er erlaubte ihm, wo er wollte, Rehböcke zu schießen, was die höchste Gunst war, die er erwies, aber leider war der Doktor kein Jäger und nicht einmal imstande, einen Hasen zur Strecke zu bringen. Groppoff verkehrte mit dem Doktor gern am Herrentische, er brachte bisweilen seine Eva mit und hatte es nicht un¬ gern, wenn der Doktor das Wort an Eva richtete. Er sandte ihm alle Tage durch Pnsch seine Berliner Zeitung, die einzige, die in Tapnicken gehalten wurde, nahm gnädig die Bücher in Empfang, die ihm der Doktor lieh, und hatte eine ansehnliche Hochachtung sür einen Mann, der „Zarathustra" und die „Umwertung der Werte" besaß und verstand. Groppoff studierte diese Bücher mit regem Eifer. Sie fesselten ihn, ja sie erschienen ihm als ein Evangelium für Leute seiner Art. Freilich verstand er nicht alles. Er hatte den Eindruck, einen Redner zu hören, der zu weit entfernt war, als daß man jedes Wort hätte vernehmen können. Aber auch so erschien die Rede nachdrücklich und bedeutsam. Und das verstand er, daß es möglich sei, im Namen der Wissenschaft Religion und Sittengebot über den Haufen zu werfen, und daß man zu allem, was man vielleicht mit bösem Gewissen getan hatte, was man aber doch getan hatte, weil man es wollte, oder weil es das heiße Blut gebot, sein gutes und volles Recht hatte. Nun war er ein König, der nicht allein die Macht hatte zu herrschen, sondern dem sein Königsrecht auch mit Brief und Siegel verbürgt war. Er las: Wer sein Gewissen dressiert, den beißt es. Groppoff lachte über das dreiste Wort und fand, daß es sehr gut gesagt sei. Er wollte sich schon hüten, sich beißen zu lassen. Der Herr Amtshauptmann gab sich die Ehre, den Herrn Doktor zum Abend¬ essen einzuladen, und zwar ihn allein. Der Salon, den seine verstorbne Frau noch eingerichtet hatte, wurde aufgetan, und es gab etwas auserlesen Feines, was die Jagd und der Fischfang dargeboten hatten. Groppoff spielte die Rolle eines Grandseigneurs und hohen Hofbeamten rin einer Vollendung, als wenn er es von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/112
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/112>, abgerufen am 28.05.2024.