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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Großbritannien der Nutzen der Lage, den seine Staatsmänner rin der Entente
angestrebt und erreicht haben. Sie enthebt England des weitern jeder Notwendig¬
keit, für Japan aktiv Partei ergreifen zu müssen, und sichert, was nicht minder
wichtig ist, das Zusammengehn beider Mächte in den Balkanfragen. Wenigstens
ist für die Dauer dieser neuen westmächtlichen Annäherung ausgeschlossen, das;
Frankreich der russischen Balkanpolitik Vorspann leistet.

England hat somit -- es kommt noch der gänzliche Rückzug der Franzosen
ans Ägypten hinzu --, ohne sich irgendwie in Unkosten zu stürzen, eine große
Summe von Vorteilen für seine Politik erreicht. Sein ganzer Einsatz bei diesem
Spiel war das Zugeständnis in dem englisch-französischen Abkommen, Frankreich in
Marokko freie Hand zu lassen, ein Zugeständnis, das obendrein an jedem Tage durch
das große Übergewicht der britischen Kapitalkraft illusorisch gemacht werden kann.
Verbeißt sich Frankreich in eine "Entwicklung" Marokkos, indem es dort als
"Kulturträger" eindringt, so kommt es damit auf Jahrzehnte hinaus in eine Lage,
die ihm ein friedliches Zusammengehn mit England dringend wünschenswert machen
muß. England bleibt somit Beherrscherin des Mittelmeers auch ohne den bis¬
herigen großen Aufwand an Seestreitkräften, von denen es einen wesentlichen Teil
für den Atlantischen Ozean verfügbar machen konnte. Dieses französisch-englische
Einvernehmen bedeutet noch nicht ein Bündnis, würde aber deu Abschluß eines
solchen im gegebnen Falle um so mehr erleichtern, als beide Mächte an der Fort¬
dauer ihres Einvernehmens einstweilen ein großes Interesse haben.

Frankreich hat sich durch seine Abmachungen mit England anscheinend in die
Lage gebracht, gegebnenfalls zwischen England und Rußland optieren zu müssen.
Sowohl die Riesensumme der in Frankreich untergebrachten russischen Werte als
das allgemeine politische Interesse machen es für Frankreich notwendig, die freund¬
schaftlichen Beziehungen zu Rußland fortzusetzen, seine außereuropäischen Häfen haben
auch, soviel als möglich war, den ausfahrenden russischen Geschwadern Gastlichkeit
gewährt -- und England hat dazu beide Augen zugedrückt. Frankreich hat wirt¬
schaftlich wie politisch großen Wert darauf zu legen, daß Rußland ohne tiefere und
dauernde Erschütterung ans dem Kriege herauskomme, Frankreichs Annäherung an
England, an der ja auch dieses sehr interessiert ist, kommt somit auch Rußland in¬
sofern zugute, als England offenbar keinen Konflikt mit Rußland haben will,
wenigstens jetzt noch nicht will, und deshalb um so mehr bereit sein wird, beim
Friedensschluß die Ansprüche Japans nicht über die Linie des unmittelbaren eng¬
lischen Interesses hinaus zu unterstützen. Kriegsverhältnisse sind unberechenbar.
Aber nach der ganzen bisherigen Entwicklung des ostasiatischen Krieges darf man
annehmen, daß Rußland alles vermeiden wird, was England zu einem aktiven Ein¬
greifen veranlassen könnte, das ja auch völlig außerhalb der englischen wie der
japanischen Wünsche liegt. Denn der Ehrgeiz der Japaner ist unverkennbar darauf
gerichtet, aus eignen Machtmitteln mit Rußland fertig zu werden.

Während wir Marokkos wegen mit Frankreich in einem Streit begriffen sind,
dem nach der neusten Lesart in Pariser Blättern mehr ein Formfehler als ein
sachlicher Inhalt zugrunde liegt (!), haben sich die französischen Behörden in Djibuti
der deutschen Mission nach Abessinien gegenüber durchaus freundlich und zuvor¬
kommend erwiesen. Auch dort, wie in Marokko, vertritt Dentschland das Prinzip
der "offnen Tür." Unsre Finanzlage, unsre Parteiverhältnisse im Reichstage und
manche andre Umstände hindern uns, für jetzt neue Plätze "an der Sonne" zu
suchen. Um so mehr Wert haben wir darauf zu legen, daß die Verhältnisse in
den andern Weltteilen nicht zu unsern Ungunsten verschoben werden, und daß uns
weite Ausfuhrgebiete nicht durch fremde Protektoratserklärung verloren gehn. Die
" offne Tür" sichert uns den ehrlichen Wettbewerb, unsrer Exportindustrie die un¬
behinderte Betätigung ihrer Kraft. Mehr kann das heutige Deutschland nicht er¬
gangen, deshalb anch nicht verlangen. Vermögen spätere Generationen erweiterte
Ansprüche und Bedürfnisse zu befriedigen, so wird das ihre Aufgabe sein, der wir


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Großbritannien der Nutzen der Lage, den seine Staatsmänner rin der Entente
angestrebt und erreicht haben. Sie enthebt England des weitern jeder Notwendig¬
keit, für Japan aktiv Partei ergreifen zu müssen, und sichert, was nicht minder
wichtig ist, das Zusammengehn beider Mächte in den Balkanfragen. Wenigstens
ist für die Dauer dieser neuen westmächtlichen Annäherung ausgeschlossen, das;
Frankreich der russischen Balkanpolitik Vorspann leistet.

England hat somit — es kommt noch der gänzliche Rückzug der Franzosen
ans Ägypten hinzu —, ohne sich irgendwie in Unkosten zu stürzen, eine große
Summe von Vorteilen für seine Politik erreicht. Sein ganzer Einsatz bei diesem
Spiel war das Zugeständnis in dem englisch-französischen Abkommen, Frankreich in
Marokko freie Hand zu lassen, ein Zugeständnis, das obendrein an jedem Tage durch
das große Übergewicht der britischen Kapitalkraft illusorisch gemacht werden kann.
Verbeißt sich Frankreich in eine „Entwicklung" Marokkos, indem es dort als
»Kulturträger" eindringt, so kommt es damit auf Jahrzehnte hinaus in eine Lage,
die ihm ein friedliches Zusammengehn mit England dringend wünschenswert machen
muß. England bleibt somit Beherrscherin des Mittelmeers auch ohne den bis¬
herigen großen Aufwand an Seestreitkräften, von denen es einen wesentlichen Teil
für den Atlantischen Ozean verfügbar machen konnte. Dieses französisch-englische
Einvernehmen bedeutet noch nicht ein Bündnis, würde aber deu Abschluß eines
solchen im gegebnen Falle um so mehr erleichtern, als beide Mächte an der Fort¬
dauer ihres Einvernehmens einstweilen ein großes Interesse haben.

Frankreich hat sich durch seine Abmachungen mit England anscheinend in die
Lage gebracht, gegebnenfalls zwischen England und Rußland optieren zu müssen.
Sowohl die Riesensumme der in Frankreich untergebrachten russischen Werte als
das allgemeine politische Interesse machen es für Frankreich notwendig, die freund¬
schaftlichen Beziehungen zu Rußland fortzusetzen, seine außereuropäischen Häfen haben
auch, soviel als möglich war, den ausfahrenden russischen Geschwadern Gastlichkeit
gewährt — und England hat dazu beide Augen zugedrückt. Frankreich hat wirt¬
schaftlich wie politisch großen Wert darauf zu legen, daß Rußland ohne tiefere und
dauernde Erschütterung ans dem Kriege herauskomme, Frankreichs Annäherung an
England, an der ja auch dieses sehr interessiert ist, kommt somit auch Rußland in¬
sofern zugute, als England offenbar keinen Konflikt mit Rußland haben will,
wenigstens jetzt noch nicht will, und deshalb um so mehr bereit sein wird, beim
Friedensschluß die Ansprüche Japans nicht über die Linie des unmittelbaren eng¬
lischen Interesses hinaus zu unterstützen. Kriegsverhältnisse sind unberechenbar.
Aber nach der ganzen bisherigen Entwicklung des ostasiatischen Krieges darf man
annehmen, daß Rußland alles vermeiden wird, was England zu einem aktiven Ein¬
greifen veranlassen könnte, das ja auch völlig außerhalb der englischen wie der
japanischen Wünsche liegt. Denn der Ehrgeiz der Japaner ist unverkennbar darauf
gerichtet, aus eignen Machtmitteln mit Rußland fertig zu werden.

Während wir Marokkos wegen mit Frankreich in einem Streit begriffen sind,
dem nach der neusten Lesart in Pariser Blättern mehr ein Formfehler als ein
sachlicher Inhalt zugrunde liegt (!), haben sich die französischen Behörden in Djibuti
der deutschen Mission nach Abessinien gegenüber durchaus freundlich und zuvor¬
kommend erwiesen. Auch dort, wie in Marokko, vertritt Dentschland das Prinzip
der „offnen Tür." Unsre Finanzlage, unsre Parteiverhältnisse im Reichstage und
manche andre Umstände hindern uns, für jetzt neue Plätze „an der Sonne" zu
suchen. Um so mehr Wert haben wir darauf zu legen, daß die Verhältnisse in
den andern Weltteilen nicht zu unsern Ungunsten verschoben werden, und daß uns
weite Ausfuhrgebiete nicht durch fremde Protektoratserklärung verloren gehn. Die
" offne Tür" sichert uns den ehrlichen Wettbewerb, unsrer Exportindustrie die un¬
behinderte Betätigung ihrer Kraft. Mehr kann das heutige Deutschland nicht er¬
gangen, deshalb anch nicht verlangen. Vermögen spätere Generationen erweiterte
Ansprüche und Bedürfnisse zu befriedigen, so wird das ihre Aufgabe sein, der wir


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[0175] Maßgebliches und Unmaßgebliches Großbritannien der Nutzen der Lage, den seine Staatsmänner rin der Entente angestrebt und erreicht haben. Sie enthebt England des weitern jeder Notwendig¬ keit, für Japan aktiv Partei ergreifen zu müssen, und sichert, was nicht minder wichtig ist, das Zusammengehn beider Mächte in den Balkanfragen. Wenigstens ist für die Dauer dieser neuen westmächtlichen Annäherung ausgeschlossen, das; Frankreich der russischen Balkanpolitik Vorspann leistet. England hat somit — es kommt noch der gänzliche Rückzug der Franzosen ans Ägypten hinzu —, ohne sich irgendwie in Unkosten zu stürzen, eine große Summe von Vorteilen für seine Politik erreicht. Sein ganzer Einsatz bei diesem Spiel war das Zugeständnis in dem englisch-französischen Abkommen, Frankreich in Marokko freie Hand zu lassen, ein Zugeständnis, das obendrein an jedem Tage durch das große Übergewicht der britischen Kapitalkraft illusorisch gemacht werden kann. Verbeißt sich Frankreich in eine „Entwicklung" Marokkos, indem es dort als »Kulturträger" eindringt, so kommt es damit auf Jahrzehnte hinaus in eine Lage, die ihm ein friedliches Zusammengehn mit England dringend wünschenswert machen muß. England bleibt somit Beherrscherin des Mittelmeers auch ohne den bis¬ herigen großen Aufwand an Seestreitkräften, von denen es einen wesentlichen Teil für den Atlantischen Ozean verfügbar machen konnte. Dieses französisch-englische Einvernehmen bedeutet noch nicht ein Bündnis, würde aber deu Abschluß eines solchen im gegebnen Falle um so mehr erleichtern, als beide Mächte an der Fort¬ dauer ihres Einvernehmens einstweilen ein großes Interesse haben. Frankreich hat sich durch seine Abmachungen mit England anscheinend in die Lage gebracht, gegebnenfalls zwischen England und Rußland optieren zu müssen. Sowohl die Riesensumme der in Frankreich untergebrachten russischen Werte als das allgemeine politische Interesse machen es für Frankreich notwendig, die freund¬ schaftlichen Beziehungen zu Rußland fortzusetzen, seine außereuropäischen Häfen haben auch, soviel als möglich war, den ausfahrenden russischen Geschwadern Gastlichkeit gewährt — und England hat dazu beide Augen zugedrückt. Frankreich hat wirt¬ schaftlich wie politisch großen Wert darauf zu legen, daß Rußland ohne tiefere und dauernde Erschütterung ans dem Kriege herauskomme, Frankreichs Annäherung an England, an der ja auch dieses sehr interessiert ist, kommt somit auch Rußland in¬ sofern zugute, als England offenbar keinen Konflikt mit Rußland haben will, wenigstens jetzt noch nicht will, und deshalb um so mehr bereit sein wird, beim Friedensschluß die Ansprüche Japans nicht über die Linie des unmittelbaren eng¬ lischen Interesses hinaus zu unterstützen. Kriegsverhältnisse sind unberechenbar. Aber nach der ganzen bisherigen Entwicklung des ostasiatischen Krieges darf man annehmen, daß Rußland alles vermeiden wird, was England zu einem aktiven Ein¬ greifen veranlassen könnte, das ja auch völlig außerhalb der englischen wie der japanischen Wünsche liegt. Denn der Ehrgeiz der Japaner ist unverkennbar darauf gerichtet, aus eignen Machtmitteln mit Rußland fertig zu werden. Während wir Marokkos wegen mit Frankreich in einem Streit begriffen sind, dem nach der neusten Lesart in Pariser Blättern mehr ein Formfehler als ein sachlicher Inhalt zugrunde liegt (!), haben sich die französischen Behörden in Djibuti der deutschen Mission nach Abessinien gegenüber durchaus freundlich und zuvor¬ kommend erwiesen. Auch dort, wie in Marokko, vertritt Dentschland das Prinzip der „offnen Tür." Unsre Finanzlage, unsre Parteiverhältnisse im Reichstage und manche andre Umstände hindern uns, für jetzt neue Plätze „an der Sonne" zu suchen. Um so mehr Wert haben wir darauf zu legen, daß die Verhältnisse in den andern Weltteilen nicht zu unsern Ungunsten verschoben werden, und daß uns weite Ausfuhrgebiete nicht durch fremde Protektoratserklärung verloren gehn. Die " offne Tür" sichert uns den ehrlichen Wettbewerb, unsrer Exportindustrie die un¬ behinderte Betätigung ihrer Kraft. Mehr kann das heutige Deutschland nicht er¬ gangen, deshalb anch nicht verlangen. Vermögen spätere Generationen erweiterte Ansprüche und Bedürfnisse zu befriedigen, so wird das ihre Aufgabe sein, der wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/175>, abgerufen am 19.05.2024.