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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

den großen Schnitter in unsre Mitte gestellt hatte. Und als der von den deutschen
Fürsten und den freien Städten gekorene deutsche Kaiser in seine Hauptstadt ein-
ritt, sprach er, der auf drei Menschenalter und ihre treibenden Kräfte mit dein
Blick und der Weltkenntnis eines Patriarchen zurücksah, zu den Berliner Behörden
das ernste Begrüßungswort: "Lange lag dieser Ausgang in den Herzen, jetzt ist es
an das Licht gebracht, sorgen wir, daß es Tag bleibe!" In diesen wenigen
Worten war der Rückblick auf deu langen Weg von Tilsit bis Versailles beschlossen.
Der deutsche Idealismus ist den deutscheu Waffen bahnbrechend porangegangen, er
umrciuschte ihre Fahnen, er führte sie als Träger des nationalen Gedankens an
das ersehnte Ziel. Und als Bismarck den Bayern in Versailles so manches zu¬
gestanden hatte, wofür er damals und später heftig getadelt worden ist -- hätte
er es anders getan als im Glauben an eben jenen deutschen Idealismus, an die
werbende Kraft des Gedankens von Kaiser und Reich? "Setzen wir Dentschland
in den Sattel, reiten wird es schon können!" Und es reitet. Und wiederum
sehen wir den deutschen Idealismus bor diesem stolzen Rosse einher den Gedanken¬
flug nehmen in weite Fernen, die Nebenläuder, die einst "vom Kaiser und vom
Reich geraubt" waren, sollen wieder unter Schutz und Schirm Germaniens gereiht
werden, nicht durch Gewalt, sondern durch "ewigen" Vertrag, zunächst auf dem Gebiete
der Vereinigung der wirtschaftlichen Interessen. Hamburg und Bremen, Amsterdam
und Trieft in einer großen Wirtschaftsgemeinschaft! So leicht wird dieses Ziel
nicht erreichbar sein, der Weg wird lang, voller Schwierigkeiten und voller Ver¬
dächtigungen sein. Aber unser Volk bedarf der Ideale, und ein Gedanke wie dieser
tritt der Selbständigkeit keines andern Staatswesens zu nahe. Es ist kein Gedanke
kriegerischer Eroberung, sondern friedlicher Interessengemeinschaft, die sich dann
freilich auch zur gemeinsamen Abwehr feindlicher Bedrohung zusammenschließen
wird. Für die Ältern unter der heutigen Generation, die noch den Bundestag
gesehen haben, und auf deren Knaben- und Jünglingsjahre die Bewegung von Z 848
ihren flammenden Schein geworfen hat, hat ein solcher Ausblick, so phantastisch er
heute noch in mancher Hinsicht erscheinen mag, etwas ungemein Tröstliches und
Erhebendes.

Was Blücher in dem Armeebefehl von Belle-Alliance aussprach: "Nie wird
Preußen untergehn, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen" -- das dürfen
wir Alten uns getrost als Grabschrift denken: "Nie wird Deutschland untergehn,
solange der Idealismus, der ihm von Tilsit bis Versailles jugendkräftig, sieges-
mutig und tatenbegeistert vorangeschritten ist, vorangeschritten in Waffen und Wissen¬
schaft, in Schule und in friedlicher Arbeit, ihm weiter bahnbrechend voranleuchtet!"
Mit diesem Glauben im Herzen werden wir die Schwierigkeiten einer hochentwickelten
Wissenschaft, einer wesentlich veränderten Produktionsweise überwinden, zur rechten
Zeit wird sich immer wieder der rechte Mann einstellen, der diese scheinbar dtssen-
tierenden und einander verzehrenden Kräfte einheitlich zusammenbindet für den
Dienst des Vaterlands. Keine wie immer geartete Bewegung kann Selbstzweck
sein. Sie hat ihre Aufgabe und ihre Daseinsberechtigung nur darin, dem großen
Ganzen zu dienen!

Um aus Zukunftsträumen ans die realen Verhältnisse der Gegenwart zurück¬
zukommen, noch ein Wort über Frankreich. Die französische Politik arbeitet unauf¬
hörlich daran, die beherrschende Stellung, die sie in Europa bis Königgrtttz behauptet
hatte, und die sie dann mit Straßburg und Metz endgiltig verloren hat, wenigstens
annähernd wieder zu gewinnen. Das Bündnis mit Rußland, die Versuche, Italien
zu Frankreich hinüber zu ziehn, die Verständigung mit England -- alle diese Züge
gehören in dieselbe Reihe. Delcasse glaubte sich offenbar stark genug, in der
marokkanischen Angelegenheit Deutschland, zum erstenmal seit 1870 wieder, die
Spitze zu bieten. Er stellte uns vor die Wahl, dnrch seine Ignorierung unsrer
vertragsmäßigen Stellung in Marokko entweder eine diplomatische Niederlage und
einen starken Abbruch unsers Ansehens einzuheimsen oder mit dem Kopfe gegen


Grenzboten II 190S 29
Maßgebliches und Unmaßgebliches

den großen Schnitter in unsre Mitte gestellt hatte. Und als der von den deutschen
Fürsten und den freien Städten gekorene deutsche Kaiser in seine Hauptstadt ein-
ritt, sprach er, der auf drei Menschenalter und ihre treibenden Kräfte mit dein
Blick und der Weltkenntnis eines Patriarchen zurücksah, zu den Berliner Behörden
das ernste Begrüßungswort: „Lange lag dieser Ausgang in den Herzen, jetzt ist es
an das Licht gebracht, sorgen wir, daß es Tag bleibe!" In diesen wenigen
Worten war der Rückblick auf deu langen Weg von Tilsit bis Versailles beschlossen.
Der deutsche Idealismus ist den deutscheu Waffen bahnbrechend porangegangen, er
umrciuschte ihre Fahnen, er führte sie als Träger des nationalen Gedankens an
das ersehnte Ziel. Und als Bismarck den Bayern in Versailles so manches zu¬
gestanden hatte, wofür er damals und später heftig getadelt worden ist — hätte
er es anders getan als im Glauben an eben jenen deutschen Idealismus, an die
werbende Kraft des Gedankens von Kaiser und Reich? „Setzen wir Dentschland
in den Sattel, reiten wird es schon können!" Und es reitet. Und wiederum
sehen wir den deutschen Idealismus bor diesem stolzen Rosse einher den Gedanken¬
flug nehmen in weite Fernen, die Nebenläuder, die einst „vom Kaiser und vom
Reich geraubt" waren, sollen wieder unter Schutz und Schirm Germaniens gereiht
werden, nicht durch Gewalt, sondern durch „ewigen" Vertrag, zunächst auf dem Gebiete
der Vereinigung der wirtschaftlichen Interessen. Hamburg und Bremen, Amsterdam
und Trieft in einer großen Wirtschaftsgemeinschaft! So leicht wird dieses Ziel
nicht erreichbar sein, der Weg wird lang, voller Schwierigkeiten und voller Ver¬
dächtigungen sein. Aber unser Volk bedarf der Ideale, und ein Gedanke wie dieser
tritt der Selbständigkeit keines andern Staatswesens zu nahe. Es ist kein Gedanke
kriegerischer Eroberung, sondern friedlicher Interessengemeinschaft, die sich dann
freilich auch zur gemeinsamen Abwehr feindlicher Bedrohung zusammenschließen
wird. Für die Ältern unter der heutigen Generation, die noch den Bundestag
gesehen haben, und auf deren Knaben- und Jünglingsjahre die Bewegung von Z 848
ihren flammenden Schein geworfen hat, hat ein solcher Ausblick, so phantastisch er
heute noch in mancher Hinsicht erscheinen mag, etwas ungemein Tröstliches und
Erhebendes.

Was Blücher in dem Armeebefehl von Belle-Alliance aussprach: „Nie wird
Preußen untergehn, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen" — das dürfen
wir Alten uns getrost als Grabschrift denken: „Nie wird Deutschland untergehn,
solange der Idealismus, der ihm von Tilsit bis Versailles jugendkräftig, sieges-
mutig und tatenbegeistert vorangeschritten ist, vorangeschritten in Waffen und Wissen¬
schaft, in Schule und in friedlicher Arbeit, ihm weiter bahnbrechend voranleuchtet!"
Mit diesem Glauben im Herzen werden wir die Schwierigkeiten einer hochentwickelten
Wissenschaft, einer wesentlich veränderten Produktionsweise überwinden, zur rechten
Zeit wird sich immer wieder der rechte Mann einstellen, der diese scheinbar dtssen-
tierenden und einander verzehrenden Kräfte einheitlich zusammenbindet für den
Dienst des Vaterlands. Keine wie immer geartete Bewegung kann Selbstzweck
sein. Sie hat ihre Aufgabe und ihre Daseinsberechtigung nur darin, dem großen
Ganzen zu dienen!

Um aus Zukunftsträumen ans die realen Verhältnisse der Gegenwart zurück¬
zukommen, noch ein Wort über Frankreich. Die französische Politik arbeitet unauf¬
hörlich daran, die beherrschende Stellung, die sie in Europa bis Königgrtttz behauptet
hatte, und die sie dann mit Straßburg und Metz endgiltig verloren hat, wenigstens
annähernd wieder zu gewinnen. Das Bündnis mit Rußland, die Versuche, Italien
zu Frankreich hinüber zu ziehn, die Verständigung mit England — alle diese Züge
gehören in dieselbe Reihe. Delcasse glaubte sich offenbar stark genug, in der
marokkanischen Angelegenheit Deutschland, zum erstenmal seit 1870 wieder, die
Spitze zu bieten. Er stellte uns vor die Wahl, dnrch seine Ignorierung unsrer
vertragsmäßigen Stellung in Marokko entweder eine diplomatische Niederlage und
einen starken Abbruch unsers Ansehens einzuheimsen oder mit dem Kopfe gegen


Grenzboten II 190S 29
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[0229] Maßgebliches und Unmaßgebliches den großen Schnitter in unsre Mitte gestellt hatte. Und als der von den deutschen Fürsten und den freien Städten gekorene deutsche Kaiser in seine Hauptstadt ein- ritt, sprach er, der auf drei Menschenalter und ihre treibenden Kräfte mit dein Blick und der Weltkenntnis eines Patriarchen zurücksah, zu den Berliner Behörden das ernste Begrüßungswort: „Lange lag dieser Ausgang in den Herzen, jetzt ist es an das Licht gebracht, sorgen wir, daß es Tag bleibe!" In diesen wenigen Worten war der Rückblick auf deu langen Weg von Tilsit bis Versailles beschlossen. Der deutsche Idealismus ist den deutscheu Waffen bahnbrechend porangegangen, er umrciuschte ihre Fahnen, er führte sie als Träger des nationalen Gedankens an das ersehnte Ziel. Und als Bismarck den Bayern in Versailles so manches zu¬ gestanden hatte, wofür er damals und später heftig getadelt worden ist — hätte er es anders getan als im Glauben an eben jenen deutschen Idealismus, an die werbende Kraft des Gedankens von Kaiser und Reich? „Setzen wir Dentschland in den Sattel, reiten wird es schon können!" Und es reitet. Und wiederum sehen wir den deutschen Idealismus bor diesem stolzen Rosse einher den Gedanken¬ flug nehmen in weite Fernen, die Nebenläuder, die einst „vom Kaiser und vom Reich geraubt" waren, sollen wieder unter Schutz und Schirm Germaniens gereiht werden, nicht durch Gewalt, sondern durch „ewigen" Vertrag, zunächst auf dem Gebiete der Vereinigung der wirtschaftlichen Interessen. Hamburg und Bremen, Amsterdam und Trieft in einer großen Wirtschaftsgemeinschaft! So leicht wird dieses Ziel nicht erreichbar sein, der Weg wird lang, voller Schwierigkeiten und voller Ver¬ dächtigungen sein. Aber unser Volk bedarf der Ideale, und ein Gedanke wie dieser tritt der Selbständigkeit keines andern Staatswesens zu nahe. Es ist kein Gedanke kriegerischer Eroberung, sondern friedlicher Interessengemeinschaft, die sich dann freilich auch zur gemeinsamen Abwehr feindlicher Bedrohung zusammenschließen wird. Für die Ältern unter der heutigen Generation, die noch den Bundestag gesehen haben, und auf deren Knaben- und Jünglingsjahre die Bewegung von Z 848 ihren flammenden Schein geworfen hat, hat ein solcher Ausblick, so phantastisch er heute noch in mancher Hinsicht erscheinen mag, etwas ungemein Tröstliches und Erhebendes. Was Blücher in dem Armeebefehl von Belle-Alliance aussprach: „Nie wird Preußen untergehn, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen" — das dürfen wir Alten uns getrost als Grabschrift denken: „Nie wird Deutschland untergehn, solange der Idealismus, der ihm von Tilsit bis Versailles jugendkräftig, sieges- mutig und tatenbegeistert vorangeschritten ist, vorangeschritten in Waffen und Wissen¬ schaft, in Schule und in friedlicher Arbeit, ihm weiter bahnbrechend voranleuchtet!" Mit diesem Glauben im Herzen werden wir die Schwierigkeiten einer hochentwickelten Wissenschaft, einer wesentlich veränderten Produktionsweise überwinden, zur rechten Zeit wird sich immer wieder der rechte Mann einstellen, der diese scheinbar dtssen- tierenden und einander verzehrenden Kräfte einheitlich zusammenbindet für den Dienst des Vaterlands. Keine wie immer geartete Bewegung kann Selbstzweck sein. Sie hat ihre Aufgabe und ihre Daseinsberechtigung nur darin, dem großen Ganzen zu dienen! Um aus Zukunftsträumen ans die realen Verhältnisse der Gegenwart zurück¬ zukommen, noch ein Wort über Frankreich. Die französische Politik arbeitet unauf¬ hörlich daran, die beherrschende Stellung, die sie in Europa bis Königgrtttz behauptet hatte, und die sie dann mit Straßburg und Metz endgiltig verloren hat, wenigstens annähernd wieder zu gewinnen. Das Bündnis mit Rußland, die Versuche, Italien zu Frankreich hinüber zu ziehn, die Verständigung mit England — alle diese Züge gehören in dieselbe Reihe. Delcasse glaubte sich offenbar stark genug, in der marokkanischen Angelegenheit Deutschland, zum erstenmal seit 1870 wieder, die Spitze zu bieten. Er stellte uns vor die Wahl, dnrch seine Ignorierung unsrer vertragsmäßigen Stellung in Marokko entweder eine diplomatische Niederlage und einen starken Abbruch unsers Ansehens einzuheimsen oder mit dem Kopfe gegen Grenzboten II 190S 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/229>, abgerufen am 29.05.2024.