Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches britischen Oberherrlichkeit keine Rede mehr, und in längstens zehn Jahren wird Während Admiral Fitzgerald die deutsche Flotte als Harmidal ano xortu," In dieselbe Kategorie gehört eine Äußerung Chamberlains in der Unterhcms- Die Times hatten jüngst in einer an den Aufenthalt des Königs Eduard in Maßgebliches und Unmaßgebliches britischen Oberherrlichkeit keine Rede mehr, und in längstens zehn Jahren wird Während Admiral Fitzgerald die deutsche Flotte als Harmidal ano xortu,« In dieselbe Kategorie gehört eine Äußerung Chamberlains in der Unterhcms- Die Times hatten jüngst in einer an den Aufenthalt des Königs Eduard in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297476"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1551" prev="#ID_1550"> britischen Oberherrlichkeit keine Rede mehr, und in längstens zehn Jahren wird<lb/> es — ohne irgendwelche Beteiligung Deutschlands — auch auf andern Meeren<lb/> nicht mehr der Fall sein; den „Existenzkampf" wird England dan« schwerlich gegen<lb/> Deutschland zu führen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1552"> Während Admiral Fitzgerald die deutsche Flotte als Harmidal ano xortu,«<lb/> anschreit, kommt die ^rw> anni Mo? Ks-zette, ein Blatt, dem auf Grund seines<lb/> Titels in Deutschland die Ehre einer großen Überschätzung zuteil wird, während<lb/> es in der Hauptsache ein Organ für verabschiedete Offiziere ist, und nennt die<lb/> deutsche Flotte ein mechanisches Spielzeug und kritisiert sie so absprechend wie<lb/> möglich. Unsre Marineantoritäteu sind von jeder Überhebung weit entfernt. Sie<lb/> kennen die Mängel jeder unsrer Schiffsklassen ganz genau und sind von einer<lb/> Division zur andern bemüht, sie zu bessern. Sie haben sich über die Überschcitzuug,<lb/> mit der man in England die deutsche Flotte bisher zu beurteilen beliebte, zur<lb/> Genüge gewundert und werden uun die Kritiken, wie die der ^rin^ incl Mvy<lb/> (xÄiisttk, um so ruhiger ertragen können, sowohl was das Material als was die<lb/> Offiziere und die Mannschaften anlangt. Daß die Mannschaften, auch wenn sie ihrer<lb/> Führer beraubt sind, dem Feinde noch recht gefährlich zu werden versteh«, haben<lb/> die Schlachtfelder des französischen Krieges zur Genüge bewiesen, und als Admiral<lb/> Seymour im Augenblicke der höchsten Gefahr sein historisches Dbv Ksrniims al tuo<lb/> Iiöa,<1, „die Deutschen an die Spitze!" rief, muß er von diesen doch eine andre<lb/> Meinung gehabt haben als die Herren am Redaktionstintenfaß der ^.rin^ u,na Nao^<lb/> Kai-veto. Und sollte es so ganz ausgeschlossen sein, daß ein englischer Feldherr im<lb/> Laufe der nächsten Jahrzehnte wieder in die Lage käme, den Ruf Wellingtons<lb/> vom Mittag des 18. Juni 1815 zu wiederholen: „Ich wollte, es wäre Nacht, oder<lb/> die Preußen kämen"? Sie kamen trotz allen Schwierigkeiten, und ihnen dankte<lb/> das englische Heer seine Rettung. Das heißt, gedankt hat es ihnen nicht, es War<lb/> mich weiter nicht nötig. Aber wo es solche Erinnerungen gibt, steht es englischen<lb/> Seeoffizieren, und steht es der englischen Presse schlecht an, Deutschland bald von<lb/> ehrgeiziger Bedrohung Großbritanniens erfüllt, bald als einen unbedeutenden Macht¬<lb/> konkurrenten hinzustellen. Wir halten König Eduard aber für Weiser als die Staats¬<lb/> kunst seiner Minister, die, wie die Franzosen ans die 'Iiouöö ass Vosxos, auf die<lb/> Nordsee starren und Pläne gegen Deutschland schmieden aus keinem andern Grunde,<lb/> als daß sie sich vor einer deutsche« Znkunftsflotte fürchten, die doch nie die Stärke<lb/> der englischen erreichen kann!</p><lb/> <p xml:id="ID_1553"> In dieselbe Kategorie gehört eine Äußerung Chamberlains in der Unterhcms-<lb/> sitzung vom 3. dieses Monats, als er bei Beratung der Fremdenbill erklärte, von<lb/> dieser Bill, die den Zuzug der niedern ausländische» Arbeiterklasse fernhalte, sei<lb/> nur ein kleiner Schritt zu einer andern Bill, die er in nicht allzu langer Zeit ein¬<lb/> geführt zu sehen hoffe, „um die Einfuhr der von diesen Leuten angefertigten Waren<lb/> zu verhindern." Das richtet sich also nicht gegen die polnischen Juden, sondern<lb/> gegen deutsche Arbeiter und deutsche Arbeit. In andrer Hinsicht charakteristisch ist<lb/> auch die Äußerung des Premierministers Balfour: „Wir haben uneingeschränkt die<lb/> Berechtigung, darüber zu entscheiden, uuter welchen Bedingungen wir Bürger andrer<lb/> Nationen zur Teilnahme an den Fortschritten unsrer Zivilisation zulassen wollen<lb/> oder nicht." In diesen Worten liegt wohl die stärkste Rechtfertigung der preußischen<lb/> Frcmdenpolizei bei Ausweisung der Herren Mandelstamm und Silberfarb. Vielleicht<lb/> kommt da auch der Vorwärts von seiner unerschütterlichen Bewunderung der<lb/> englischen Politik und des „freien" Englands zurück. Mehr als Balfour hat auch<lb/> der preußische Minister des Innern nicht beansprucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1554" next="#ID_1555"> Die Times hatten jüngst in einer an den Aufenthalt des Königs Eduard in<lb/> Paris anknüpfenden Betrachtung ausgesprochen, daß das englisch-französische Ein¬<lb/> vernehmen ohne Hintergedanken oder Argwohn gegen irgendeine Macht abgeschlossen<lb/> worden sei, und daß jeder Macht der Veitritt zu der Erhaltung des allgemeinen<lb/> Friedens offen stehe, „aber sie muß aufrichtig dieses gemeinsame Ziel verfolgen<lb/> und durch ihre Haltung ein Vertrauen gewinnen, das wächst, das aber nicht auf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
britischen Oberherrlichkeit keine Rede mehr, und in längstens zehn Jahren wird
es — ohne irgendwelche Beteiligung Deutschlands — auch auf andern Meeren
nicht mehr der Fall sein; den „Existenzkampf" wird England dan« schwerlich gegen
Deutschland zu führen haben.
Während Admiral Fitzgerald die deutsche Flotte als Harmidal ano xortu,«
anschreit, kommt die ^rw> anni Mo? Ks-zette, ein Blatt, dem auf Grund seines
Titels in Deutschland die Ehre einer großen Überschätzung zuteil wird, während
es in der Hauptsache ein Organ für verabschiedete Offiziere ist, und nennt die
deutsche Flotte ein mechanisches Spielzeug und kritisiert sie so absprechend wie
möglich. Unsre Marineantoritäteu sind von jeder Überhebung weit entfernt. Sie
kennen die Mängel jeder unsrer Schiffsklassen ganz genau und sind von einer
Division zur andern bemüht, sie zu bessern. Sie haben sich über die Überschcitzuug,
mit der man in England die deutsche Flotte bisher zu beurteilen beliebte, zur
Genüge gewundert und werden uun die Kritiken, wie die der ^rin^ incl Mvy
(xÄiisttk, um so ruhiger ertragen können, sowohl was das Material als was die
Offiziere und die Mannschaften anlangt. Daß die Mannschaften, auch wenn sie ihrer
Führer beraubt sind, dem Feinde noch recht gefährlich zu werden versteh«, haben
die Schlachtfelder des französischen Krieges zur Genüge bewiesen, und als Admiral
Seymour im Augenblicke der höchsten Gefahr sein historisches Dbv Ksrniims al tuo
Iiöa,<1, „die Deutschen an die Spitze!" rief, muß er von diesen doch eine andre
Meinung gehabt haben als die Herren am Redaktionstintenfaß der ^.rin^ u,na Nao^
Kai-veto. Und sollte es so ganz ausgeschlossen sein, daß ein englischer Feldherr im
Laufe der nächsten Jahrzehnte wieder in die Lage käme, den Ruf Wellingtons
vom Mittag des 18. Juni 1815 zu wiederholen: „Ich wollte, es wäre Nacht, oder
die Preußen kämen"? Sie kamen trotz allen Schwierigkeiten, und ihnen dankte
das englische Heer seine Rettung. Das heißt, gedankt hat es ihnen nicht, es War
mich weiter nicht nötig. Aber wo es solche Erinnerungen gibt, steht es englischen
Seeoffizieren, und steht es der englischen Presse schlecht an, Deutschland bald von
ehrgeiziger Bedrohung Großbritanniens erfüllt, bald als einen unbedeutenden Macht¬
konkurrenten hinzustellen. Wir halten König Eduard aber für Weiser als die Staats¬
kunst seiner Minister, die, wie die Franzosen ans die 'Iiouöö ass Vosxos, auf die
Nordsee starren und Pläne gegen Deutschland schmieden aus keinem andern Grunde,
als daß sie sich vor einer deutsche« Znkunftsflotte fürchten, die doch nie die Stärke
der englischen erreichen kann!
In dieselbe Kategorie gehört eine Äußerung Chamberlains in der Unterhcms-
sitzung vom 3. dieses Monats, als er bei Beratung der Fremdenbill erklärte, von
dieser Bill, die den Zuzug der niedern ausländische» Arbeiterklasse fernhalte, sei
nur ein kleiner Schritt zu einer andern Bill, die er in nicht allzu langer Zeit ein¬
geführt zu sehen hoffe, „um die Einfuhr der von diesen Leuten angefertigten Waren
zu verhindern." Das richtet sich also nicht gegen die polnischen Juden, sondern
gegen deutsche Arbeiter und deutsche Arbeit. In andrer Hinsicht charakteristisch ist
auch die Äußerung des Premierministers Balfour: „Wir haben uneingeschränkt die
Berechtigung, darüber zu entscheiden, uuter welchen Bedingungen wir Bürger andrer
Nationen zur Teilnahme an den Fortschritten unsrer Zivilisation zulassen wollen
oder nicht." In diesen Worten liegt wohl die stärkste Rechtfertigung der preußischen
Frcmdenpolizei bei Ausweisung der Herren Mandelstamm und Silberfarb. Vielleicht
kommt da auch der Vorwärts von seiner unerschütterlichen Bewunderung der
englischen Politik und des „freien" Englands zurück. Mehr als Balfour hat auch
der preußische Minister des Innern nicht beansprucht.
Die Times hatten jüngst in einer an den Aufenthalt des Königs Eduard in
Paris anknüpfenden Betrachtung ausgesprochen, daß das englisch-französische Ein¬
vernehmen ohne Hintergedanken oder Argwohn gegen irgendeine Macht abgeschlossen
worden sei, und daß jeder Macht der Veitritt zu der Erhaltung des allgemeinen
Friedens offen stehe, „aber sie muß aufrichtig dieses gemeinsame Ziel verfolgen
und durch ihre Haltung ein Vertrauen gewinnen, das wächst, das aber nicht auf
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