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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sucht, ihm das Heiratsnetz über den Kopf zu werfen. Für England ergibt sich
daraus die Folge, das; da eine protestantische Königin von Spanien nicht gut
denkbar ist, eine britische Gemahlin des Königs Alfonso zum Katholizismus über¬
treten müßte. Es macht einen seltsamen Eindruck, in englischen Blättern die Ver¬
sicherung zu hören, daß sich die dem Könige von Hof und Publikum in London
auf dem Präsentierteller entgegengebrachte Prinzeß Viktoria, eine Tochter des
Herzogs von Conuaught, schon mit diesem Gedanken auszusöhnen beginne. Wie
weit der König selbst für den Plan reif ist, darüber scheinen bestimmte Nachrichten
noch nicht vorzuliegen. Eine Familienverbindung mit dem englischen Königshause
würde vielleicht -- vorausgesetzt, daß die Ehe gut ausschlägt -- dem Ansehen
der Dynastie und der Festigung des monarchischen Gedankens in Spanien von
großem Nutzen sein, andrerseits aber der englischen Politik in Madrid die ohnehin
schon hinreichend offne Tür noch weiter öffnen. Zu der englisch-portugiesischen
Intimität würde sich eine englisch-spanische gesellen, deren Wirkungen bei den ver¬
schiedensten Anlässen zutage treten dürfte". Soviel bisher bekannt ist, beabsichtigte
König Alfonso anfänglich nur eine Antrittsreise ohne jeden Hintergedanken in bezug
auf Politik oder Heirat, es war ausdrücklich vorgesehen, daß sich der junge König
auf dieser Reise nur persönlich orientieren solle, sowohl jetzt in Paris und
London, als im Herbst in Wien und Berlin. Nachdem jedoch die Engländer ihr
Heiratsprojekt mit in die Rechnung eingestellt haben, gewinnt die Reise dadurch
ein wesentlich andres Aussehen. In diese ganze Richtung hinein gehört es nun,
wenn jüngst ausgesprengt wurde, Kaiser Wilhelm habe dem Könige davon abge¬
raten, seine Reise in Paris zu beginnen, sondern habe verlangt (!), daß der König
zunächst nach Berlin käme. Bet der großen persönlichen Sympathie, die der König
für unsern Kaiser hat, hätte es eines "Verlangens" Kaiser Wilhelms, daß der
König zuerst nach Berlin kommen solle, gar nicht bedurft. Im Gegenteil. Es
sind eher Anzeichen dafür vorhanden, daß eine solche Absicht auf spanischer Seite
bestand, daß aber von Deutschland abgeraten worden ist, sie auszuführen. In
Paris würde es selbstverständlich sehr unangenehm empfunden worden sein, wenn
König Alfonso den Weg von Madrid nach Paris über Berlin genommen hätte.
Frankreich ist der mächtige Nachbar Spaniens und mit diesem durch viele materielle
Interessen verbunden, für deren Gedeihen Spanien Frankreichs gar nicht entrcitcn
kann, auch wenn Deutschland die Absicht und vor allen Dingen die Möglichkeit
hätte, an Frankreichs Stelle zu treten. So namentlich anch in finanzieller Be¬
ziehung. Deutschland vermag das nach der ganzen Lage der Dinge nicht, und da wir
mit Spanien befreundet sind, können wir selbstverständlich nur wünschen, daß es
ihm gut gehe, und daß es sich politisch und wirtschaftlich konsolidiere. Das vermag
aber Spanien ohne oder gar gegen Frankreich nicht, ganz abgesehen von der sehr
wirksamen Unterstützung, die der republikanischen Propaganda in Spanien in einem
solchen Falle von Frankreich aus sofort zuteil werden würde. Die französische
Republik hat damit den romanischen Monarchien gegenüber eine nach Brüssel und
Lissabon wie nach Rom und Madrid reichende starke Waffe in den Händen. Deutsch¬
land kann nur wünschen, daß Spanien in guten Beziehungen zu Frankreich bleibe;
loir haben weder ein Interesse noch einen Anlaß, für die Verschlechterung dieser
Beziehungen tätig zu sein. Es gehört das ganze Mißtrauen und Übelwollen dazu,
dessen Gegenstand Deutschland seit langer Zeit ist, der deutschen Politik oder gar
dem Kaiser persönlich solche unfruchtbaren Ideen zu impntieren. Für so schlechte
Geschäftsleute sollten die Franzosen uns doch nicht ansprechen.

Ans demselben Acker ist ein andres Unkraut gewachsen, von dem in diesen
Tagen viel die Rede war: die angeblichen deutschen Ännexionsabsichten auf Haitschou.
^'s sind immer dieselben trüben Quelle", aus denen die antideutsche" Sensations¬
nachrichten auftauchen, die dann im Bureau Reuter einen nur zu gefälligen Ver¬
breiter finden. Im vorliegenden Falle bewährt sich wieder das bekannte Sprich¬
wort: man sucht niemand hinter einer Tür, hinter der man nicht selbst schon gesteckt
hat. Während englische, französische und italienische Organe, sogar der im frcmzö-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

sucht, ihm das Heiratsnetz über den Kopf zu werfen. Für England ergibt sich
daraus die Folge, das; da eine protestantische Königin von Spanien nicht gut
denkbar ist, eine britische Gemahlin des Königs Alfonso zum Katholizismus über¬
treten müßte. Es macht einen seltsamen Eindruck, in englischen Blättern die Ver¬
sicherung zu hören, daß sich die dem Könige von Hof und Publikum in London
auf dem Präsentierteller entgegengebrachte Prinzeß Viktoria, eine Tochter des
Herzogs von Conuaught, schon mit diesem Gedanken auszusöhnen beginne. Wie
weit der König selbst für den Plan reif ist, darüber scheinen bestimmte Nachrichten
noch nicht vorzuliegen. Eine Familienverbindung mit dem englischen Königshause
würde vielleicht — vorausgesetzt, daß die Ehe gut ausschlägt — dem Ansehen
der Dynastie und der Festigung des monarchischen Gedankens in Spanien von
großem Nutzen sein, andrerseits aber der englischen Politik in Madrid die ohnehin
schon hinreichend offne Tür noch weiter öffnen. Zu der englisch-portugiesischen
Intimität würde sich eine englisch-spanische gesellen, deren Wirkungen bei den ver¬
schiedensten Anlässen zutage treten dürfte». Soviel bisher bekannt ist, beabsichtigte
König Alfonso anfänglich nur eine Antrittsreise ohne jeden Hintergedanken in bezug
auf Politik oder Heirat, es war ausdrücklich vorgesehen, daß sich der junge König
auf dieser Reise nur persönlich orientieren solle, sowohl jetzt in Paris und
London, als im Herbst in Wien und Berlin. Nachdem jedoch die Engländer ihr
Heiratsprojekt mit in die Rechnung eingestellt haben, gewinnt die Reise dadurch
ein wesentlich andres Aussehen. In diese ganze Richtung hinein gehört es nun,
wenn jüngst ausgesprengt wurde, Kaiser Wilhelm habe dem Könige davon abge¬
raten, seine Reise in Paris zu beginnen, sondern habe verlangt (!), daß der König
zunächst nach Berlin käme. Bet der großen persönlichen Sympathie, die der König
für unsern Kaiser hat, hätte es eines „Verlangens" Kaiser Wilhelms, daß der
König zuerst nach Berlin kommen solle, gar nicht bedurft. Im Gegenteil. Es
sind eher Anzeichen dafür vorhanden, daß eine solche Absicht auf spanischer Seite
bestand, daß aber von Deutschland abgeraten worden ist, sie auszuführen. In
Paris würde es selbstverständlich sehr unangenehm empfunden worden sein, wenn
König Alfonso den Weg von Madrid nach Paris über Berlin genommen hätte.
Frankreich ist der mächtige Nachbar Spaniens und mit diesem durch viele materielle
Interessen verbunden, für deren Gedeihen Spanien Frankreichs gar nicht entrcitcn
kann, auch wenn Deutschland die Absicht und vor allen Dingen die Möglichkeit
hätte, an Frankreichs Stelle zu treten. So namentlich anch in finanzieller Be¬
ziehung. Deutschland vermag das nach der ganzen Lage der Dinge nicht, und da wir
mit Spanien befreundet sind, können wir selbstverständlich nur wünschen, daß es
ihm gut gehe, und daß es sich politisch und wirtschaftlich konsolidiere. Das vermag
aber Spanien ohne oder gar gegen Frankreich nicht, ganz abgesehen von der sehr
wirksamen Unterstützung, die der republikanischen Propaganda in Spanien in einem
solchen Falle von Frankreich aus sofort zuteil werden würde. Die französische
Republik hat damit den romanischen Monarchien gegenüber eine nach Brüssel und
Lissabon wie nach Rom und Madrid reichende starke Waffe in den Händen. Deutsch¬
land kann nur wünschen, daß Spanien in guten Beziehungen zu Frankreich bleibe;
loir haben weder ein Interesse noch einen Anlaß, für die Verschlechterung dieser
Beziehungen tätig zu sein. Es gehört das ganze Mißtrauen und Übelwollen dazu,
dessen Gegenstand Deutschland seit langer Zeit ist, der deutschen Politik oder gar
dem Kaiser persönlich solche unfruchtbaren Ideen zu impntieren. Für so schlechte
Geschäftsleute sollten die Franzosen uns doch nicht ansprechen.

Ans demselben Acker ist ein andres Unkraut gewachsen, von dem in diesen
Tagen viel die Rede war: die angeblichen deutschen Ännexionsabsichten auf Haitschou.
^'s sind immer dieselben trüben Quelle», aus denen die antideutsche» Sensations¬
nachrichten auftauchen, die dann im Bureau Reuter einen nur zu gefälligen Ver¬
breiter finden. Im vorliegenden Falle bewährt sich wieder das bekannte Sprich¬
wort: man sucht niemand hinter einer Tür, hinter der man nicht selbst schon gesteckt
hat. Während englische, französische und italienische Organe, sogar der im frcmzö-


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[0455] Maßgebliches und Unmaßgebliches sucht, ihm das Heiratsnetz über den Kopf zu werfen. Für England ergibt sich daraus die Folge, das; da eine protestantische Königin von Spanien nicht gut denkbar ist, eine britische Gemahlin des Königs Alfonso zum Katholizismus über¬ treten müßte. Es macht einen seltsamen Eindruck, in englischen Blättern die Ver¬ sicherung zu hören, daß sich die dem Könige von Hof und Publikum in London auf dem Präsentierteller entgegengebrachte Prinzeß Viktoria, eine Tochter des Herzogs von Conuaught, schon mit diesem Gedanken auszusöhnen beginne. Wie weit der König selbst für den Plan reif ist, darüber scheinen bestimmte Nachrichten noch nicht vorzuliegen. Eine Familienverbindung mit dem englischen Königshause würde vielleicht — vorausgesetzt, daß die Ehe gut ausschlägt — dem Ansehen der Dynastie und der Festigung des monarchischen Gedankens in Spanien von großem Nutzen sein, andrerseits aber der englischen Politik in Madrid die ohnehin schon hinreichend offne Tür noch weiter öffnen. Zu der englisch-portugiesischen Intimität würde sich eine englisch-spanische gesellen, deren Wirkungen bei den ver¬ schiedensten Anlässen zutage treten dürfte». Soviel bisher bekannt ist, beabsichtigte König Alfonso anfänglich nur eine Antrittsreise ohne jeden Hintergedanken in bezug auf Politik oder Heirat, es war ausdrücklich vorgesehen, daß sich der junge König auf dieser Reise nur persönlich orientieren solle, sowohl jetzt in Paris und London, als im Herbst in Wien und Berlin. Nachdem jedoch die Engländer ihr Heiratsprojekt mit in die Rechnung eingestellt haben, gewinnt die Reise dadurch ein wesentlich andres Aussehen. In diese ganze Richtung hinein gehört es nun, wenn jüngst ausgesprengt wurde, Kaiser Wilhelm habe dem Könige davon abge¬ raten, seine Reise in Paris zu beginnen, sondern habe verlangt (!), daß der König zunächst nach Berlin käme. Bet der großen persönlichen Sympathie, die der König für unsern Kaiser hat, hätte es eines „Verlangens" Kaiser Wilhelms, daß der König zuerst nach Berlin kommen solle, gar nicht bedurft. Im Gegenteil. Es sind eher Anzeichen dafür vorhanden, daß eine solche Absicht auf spanischer Seite bestand, daß aber von Deutschland abgeraten worden ist, sie auszuführen. In Paris würde es selbstverständlich sehr unangenehm empfunden worden sein, wenn König Alfonso den Weg von Madrid nach Paris über Berlin genommen hätte. Frankreich ist der mächtige Nachbar Spaniens und mit diesem durch viele materielle Interessen verbunden, für deren Gedeihen Spanien Frankreichs gar nicht entrcitcn kann, auch wenn Deutschland die Absicht und vor allen Dingen die Möglichkeit hätte, an Frankreichs Stelle zu treten. So namentlich anch in finanzieller Be¬ ziehung. Deutschland vermag das nach der ganzen Lage der Dinge nicht, und da wir mit Spanien befreundet sind, können wir selbstverständlich nur wünschen, daß es ihm gut gehe, und daß es sich politisch und wirtschaftlich konsolidiere. Das vermag aber Spanien ohne oder gar gegen Frankreich nicht, ganz abgesehen von der sehr wirksamen Unterstützung, die der republikanischen Propaganda in Spanien in einem solchen Falle von Frankreich aus sofort zuteil werden würde. Die französische Republik hat damit den romanischen Monarchien gegenüber eine nach Brüssel und Lissabon wie nach Rom und Madrid reichende starke Waffe in den Händen. Deutsch¬ land kann nur wünschen, daß Spanien in guten Beziehungen zu Frankreich bleibe; loir haben weder ein Interesse noch einen Anlaß, für die Verschlechterung dieser Beziehungen tätig zu sein. Es gehört das ganze Mißtrauen und Übelwollen dazu, dessen Gegenstand Deutschland seit langer Zeit ist, der deutschen Politik oder gar dem Kaiser persönlich solche unfruchtbaren Ideen zu impntieren. Für so schlechte Geschäftsleute sollten die Franzosen uns doch nicht ansprechen. Ans demselben Acker ist ein andres Unkraut gewachsen, von dem in diesen Tagen viel die Rede war: die angeblichen deutschen Ännexionsabsichten auf Haitschou. ^'s sind immer dieselben trüben Quelle», aus denen die antideutsche» Sensations¬ nachrichten auftauchen, die dann im Bureau Reuter einen nur zu gefälligen Ver¬ breiter finden. Im vorliegenden Falle bewährt sich wieder das bekannte Sprich¬ wort: man sucht niemand hinter einer Tür, hinter der man nicht selbst schon gesteckt hat. Während englische, französische und italienische Organe, sogar der im frcmzö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/455>, abgerufen am 19.05.2024.