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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gruppe, die am Südende der Piazza Agone, jetzt Navona, dem Odeum des römischen
Kaisers Domitianus, aufgefunden worden sein soll. Hier führte eine äußerst be¬
lebte Verkehrsader, die Via Papae, vorbei, schon im Mittelalter die natürliche Ver¬
bindung zwischen dem Vatikan und dem Lateran, und im dreizehnten Jahrhundert
erbaute Cencius Musca auf dem Platze, der als in xun^o oder in xuAna, näher
bezeichnet wird, einen Palast, der zwei Jahrhunderte später in Händen der
Familie Orsini durch Sangallo umgebaut und zur Zeit des Papstes Alexander
Borgia vom Kardinal von Neapel, Olivicri Carasfa, bewohnt wurde. Dieser
ließ die Marmorgruppe an der Schmalseite des Palastes, der Via Papae zu¬
gekehrt, auf einen Sockel stellen, und eine zugefügte lateinische Inschrift besagte:
"Durch das Wohlwollen des Olivieri Caraffa befinde ich mich im Jahre des Heils
1500 hier." Die Gruppe hat die verschiedensten Deutungen erfahren, eine der
ersten lautet auf Herakles und Geryones; die jetzt allgemein anerkannte hat sich,
nachdem ähnliche Darstellungen aufgefunden worden sind, und da besonders die
Darstellungen der sogenannten nischen Tafel ans den Trojanischen Krieg hin¬
weisen, für Menelaos mit dem Leichnam des Patroklos entschieden. Die günstige
Aufstellung im damaligen Mittelpunkt der Stadt führte dazu, den Sockel als eine
Art Anschlagsäule für städtische und kirchliche Mitteilungen und für Verordnungen
zu benutzen. Gleich nach seiner Aufstellung wurde dem Menelaos der Name des
Magister Pasquinus beigelegt, den der Päpstliche Zeremonienmeister Burchard in
seinem Tagebuch zuerst erwähnt. Auch die Bezeichnung Mastro Pasquille kommt vor,
wie er in einem Leonardo da Vinci gewidmeten Gedicht eines unbekannten Malers
genannt ist. Die Etymologie des Namens beruht auf Mutmaßungen; daß es der
eines spottlustigen Schneiders oder Barbiers gewesen sei, der hier gehaust und
vom Volksmunde nach seinem Tode auf die Figur übertragen worden sein soll,
ist eine Nachricht, die erst dreißig Jahre später auftauchte. Acht Jahre nach der
Aufstellung wird der Name in der Einleitung zu der ersten Sammlung von Versen
davon abgeleitet, daß ein Schullehrer (Nestor knall) Pasquinus Pasqntllove lange
Zeit in einem Hanse gegenüber gewohnt habe. Diese Verse fanden ihre Entstehung
in einer Anordnung der römischen Universität jener Zeit, wonach der Professor der
Rhetorik der studierenden Jugend ein Thema aufzugeben pflegte, das poetisch be¬
handelt werden mußte, wie neueste italienische Forschungen festgestellt haben. Am
25. April, demi Tage des heiligen Markus, wurden diese Reimereien öffentlich
ausgestellt und von Verwandten und Freunden und von dem neugierigen Publikum
gelesen. Der erste mit Namen bekannte Lehrer, der dieses Schulfest leitete und
es viele Jahre noch geleitet hat, war der kleine bucklige Professor Douatus Poli.
Wann der Sockel der Statue nun zuerst für eine solche Ausstellung benutzt wurde,
ist unsicher. Jedenfalls lieferte, als der Gebrauch aufkam, die Pasqninfigur selbst
das Thema des poetischen Wettstreits, indem ihr Protektor, Kardinal Caraffa, deren
Verkleidung anordnete. Von Wert für das Verständnis ist das Vorwort zu einem
im Jahre 1518 in Deutschland erschienenen Spottgedicht auf Papst Leo den
Zehnten. Es lautet so: An, Rom ist ain Ms IZilclouss ant? ainer soul vor ainss
Larciinals H-ass lanxe Asie xsswlläen; avr seid LarclinÄ bat alle ^ar clornsslben
blick ain xsstiüt ma>ebsn l^sssu, a,M' seinen t-^, als Nars, Venus, Saturnus nun
<ikiAltzieInzn; auel solobsn es,Sö äas bilä mubbsukell lossen, mitt Webern, as-Sö nie-
wallt dat sollen wiixell, of,s al,K M- afra bitt tur inn Gestalt, Agraaent ssv, bis"
als woux ach Volelis (nam Ava all vexen grosser /ulauk ist) clsr /n KowwM. als
"lavll 2guoKt man äas weh billvsk un siebt was as, hev, äewsölb<zu maobsn äann
?ovtM un viebter vit vors" unä ^säiebt, vio ä^um ain secier als sederptl ssvnss
Vvrvnot? ziu brÄuoboo xsssben will worävn, äas solbiZ bilä baiss^t?g,seul!In8 usw.

Das Fest scheint bis zum 2. Mai, also eine Woche, gedauert zu haben, und
die Gedichte scheinen wohl erneuert worden zu sein; jeden Abend kam ein Diener des
Kardinals und sammelte, was davon übrig geblieben war. Die Nachfrage war so
groß, daß der Verleger Mazzocchi zum erstenmal im Jahre 1509 eine Sammlung


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gruppe, die am Südende der Piazza Agone, jetzt Navona, dem Odeum des römischen
Kaisers Domitianus, aufgefunden worden sein soll. Hier führte eine äußerst be¬
lebte Verkehrsader, die Via Papae, vorbei, schon im Mittelalter die natürliche Ver¬
bindung zwischen dem Vatikan und dem Lateran, und im dreizehnten Jahrhundert
erbaute Cencius Musca auf dem Platze, der als in xun^o oder in xuAna, näher
bezeichnet wird, einen Palast, der zwei Jahrhunderte später in Händen der
Familie Orsini durch Sangallo umgebaut und zur Zeit des Papstes Alexander
Borgia vom Kardinal von Neapel, Olivicri Carasfa, bewohnt wurde. Dieser
ließ die Marmorgruppe an der Schmalseite des Palastes, der Via Papae zu¬
gekehrt, auf einen Sockel stellen, und eine zugefügte lateinische Inschrift besagte:
„Durch das Wohlwollen des Olivieri Caraffa befinde ich mich im Jahre des Heils
1500 hier." Die Gruppe hat die verschiedensten Deutungen erfahren, eine der
ersten lautet auf Herakles und Geryones; die jetzt allgemein anerkannte hat sich,
nachdem ähnliche Darstellungen aufgefunden worden sind, und da besonders die
Darstellungen der sogenannten nischen Tafel ans den Trojanischen Krieg hin¬
weisen, für Menelaos mit dem Leichnam des Patroklos entschieden. Die günstige
Aufstellung im damaligen Mittelpunkt der Stadt führte dazu, den Sockel als eine
Art Anschlagsäule für städtische und kirchliche Mitteilungen und für Verordnungen
zu benutzen. Gleich nach seiner Aufstellung wurde dem Menelaos der Name des
Magister Pasquinus beigelegt, den der Päpstliche Zeremonienmeister Burchard in
seinem Tagebuch zuerst erwähnt. Auch die Bezeichnung Mastro Pasquille kommt vor,
wie er in einem Leonardo da Vinci gewidmeten Gedicht eines unbekannten Malers
genannt ist. Die Etymologie des Namens beruht auf Mutmaßungen; daß es der
eines spottlustigen Schneiders oder Barbiers gewesen sei, der hier gehaust und
vom Volksmunde nach seinem Tode auf die Figur übertragen worden sein soll,
ist eine Nachricht, die erst dreißig Jahre später auftauchte. Acht Jahre nach der
Aufstellung wird der Name in der Einleitung zu der ersten Sammlung von Versen
davon abgeleitet, daß ein Schullehrer (Nestor knall) Pasquinus Pasqntllove lange
Zeit in einem Hanse gegenüber gewohnt habe. Diese Verse fanden ihre Entstehung
in einer Anordnung der römischen Universität jener Zeit, wonach der Professor der
Rhetorik der studierenden Jugend ein Thema aufzugeben pflegte, das poetisch be¬
handelt werden mußte, wie neueste italienische Forschungen festgestellt haben. Am
25. April, demi Tage des heiligen Markus, wurden diese Reimereien öffentlich
ausgestellt und von Verwandten und Freunden und von dem neugierigen Publikum
gelesen. Der erste mit Namen bekannte Lehrer, der dieses Schulfest leitete und
es viele Jahre noch geleitet hat, war der kleine bucklige Professor Douatus Poli.
Wann der Sockel der Statue nun zuerst für eine solche Ausstellung benutzt wurde,
ist unsicher. Jedenfalls lieferte, als der Gebrauch aufkam, die Pasqninfigur selbst
das Thema des poetischen Wettstreits, indem ihr Protektor, Kardinal Caraffa, deren
Verkleidung anordnete. Von Wert für das Verständnis ist das Vorwort zu einem
im Jahre 1518 in Deutschland erschienenen Spottgedicht auf Papst Leo den
Zehnten. Es lautet so: An, Rom ist ain Ms IZilclouss ant? ainer soul vor ainss
Larciinals H-ass lanxe Asie xsswlläen; avr seid LarclinÄ bat alle ^ar clornsslben
blick ain xsstiüt ma>ebsn l^sssu, a,M' seinen t-^, als Nars, Venus, Saturnus nun
<ikiAltzieInzn; auel solobsn es,Sö äas bilä mubbsukell lossen, mitt Webern, as-Sö nie-
wallt dat sollen wiixell, of,s al,K M- afra bitt tur inn Gestalt, Agraaent ssv, bis«
als woux ach Volelis (nam Ava all vexen grosser /ulauk ist) clsr /n KowwM. als
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Vvrvnot? ziu brÄuoboo xsssben will worävn, äas solbiZ bilä baiss^t?g,seul!In8 usw.

Das Fest scheint bis zum 2. Mai, also eine Woche, gedauert zu haben, und
die Gedichte scheinen wohl erneuert worden zu sein; jeden Abend kam ein Diener des
Kardinals und sammelte, was davon übrig geblieben war. Die Nachfrage war so
groß, daß der Verleger Mazzocchi zum erstenmal im Jahre 1509 eine Sammlung


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[0511] Maßgebliches und Unmaßgebliches gruppe, die am Südende der Piazza Agone, jetzt Navona, dem Odeum des römischen Kaisers Domitianus, aufgefunden worden sein soll. Hier führte eine äußerst be¬ lebte Verkehrsader, die Via Papae, vorbei, schon im Mittelalter die natürliche Ver¬ bindung zwischen dem Vatikan und dem Lateran, und im dreizehnten Jahrhundert erbaute Cencius Musca auf dem Platze, der als in xun^o oder in xuAna, näher bezeichnet wird, einen Palast, der zwei Jahrhunderte später in Händen der Familie Orsini durch Sangallo umgebaut und zur Zeit des Papstes Alexander Borgia vom Kardinal von Neapel, Olivicri Carasfa, bewohnt wurde. Dieser ließ die Marmorgruppe an der Schmalseite des Palastes, der Via Papae zu¬ gekehrt, auf einen Sockel stellen, und eine zugefügte lateinische Inschrift besagte: „Durch das Wohlwollen des Olivieri Caraffa befinde ich mich im Jahre des Heils 1500 hier." Die Gruppe hat die verschiedensten Deutungen erfahren, eine der ersten lautet auf Herakles und Geryones; die jetzt allgemein anerkannte hat sich, nachdem ähnliche Darstellungen aufgefunden worden sind, und da besonders die Darstellungen der sogenannten nischen Tafel ans den Trojanischen Krieg hin¬ weisen, für Menelaos mit dem Leichnam des Patroklos entschieden. Die günstige Aufstellung im damaligen Mittelpunkt der Stadt führte dazu, den Sockel als eine Art Anschlagsäule für städtische und kirchliche Mitteilungen und für Verordnungen zu benutzen. Gleich nach seiner Aufstellung wurde dem Menelaos der Name des Magister Pasquinus beigelegt, den der Päpstliche Zeremonienmeister Burchard in seinem Tagebuch zuerst erwähnt. Auch die Bezeichnung Mastro Pasquille kommt vor, wie er in einem Leonardo da Vinci gewidmeten Gedicht eines unbekannten Malers genannt ist. Die Etymologie des Namens beruht auf Mutmaßungen; daß es der eines spottlustigen Schneiders oder Barbiers gewesen sei, der hier gehaust und vom Volksmunde nach seinem Tode auf die Figur übertragen worden sein soll, ist eine Nachricht, die erst dreißig Jahre später auftauchte. Acht Jahre nach der Aufstellung wird der Name in der Einleitung zu der ersten Sammlung von Versen davon abgeleitet, daß ein Schullehrer (Nestor knall) Pasquinus Pasqntllove lange Zeit in einem Hanse gegenüber gewohnt habe. Diese Verse fanden ihre Entstehung in einer Anordnung der römischen Universität jener Zeit, wonach der Professor der Rhetorik der studierenden Jugend ein Thema aufzugeben pflegte, das poetisch be¬ handelt werden mußte, wie neueste italienische Forschungen festgestellt haben. Am 25. April, demi Tage des heiligen Markus, wurden diese Reimereien öffentlich ausgestellt und von Verwandten und Freunden und von dem neugierigen Publikum gelesen. Der erste mit Namen bekannte Lehrer, der dieses Schulfest leitete und es viele Jahre noch geleitet hat, war der kleine bucklige Professor Douatus Poli. Wann der Sockel der Statue nun zuerst für eine solche Ausstellung benutzt wurde, ist unsicher. Jedenfalls lieferte, als der Gebrauch aufkam, die Pasqninfigur selbst das Thema des poetischen Wettstreits, indem ihr Protektor, Kardinal Caraffa, deren Verkleidung anordnete. Von Wert für das Verständnis ist das Vorwort zu einem im Jahre 1518 in Deutschland erschienenen Spottgedicht auf Papst Leo den Zehnten. Es lautet so: An, Rom ist ain Ms IZilclouss ant? ainer soul vor ainss Larciinals H-ass lanxe Asie xsswlläen; avr seid LarclinÄ bat alle ^ar clornsslben blick ain xsstiüt ma>ebsn l^sssu, a,M' seinen t-^, als Nars, Venus, Saturnus nun <ikiAltzieInzn; auel solobsn es,Sö äas bilä mubbsukell lossen, mitt Webern, as-Sö nie- wallt dat sollen wiixell, of,s al,K M- afra bitt tur inn Gestalt, Agraaent ssv, bis« als woux ach Volelis (nam Ava all vexen grosser /ulauk ist) clsr /n KowwM. als «lavll 2guoKt man äas weh billvsk un siebt was as, hev, äewsölb<zu maobsn äann ?ovtM un viebter vit vors« unä ^säiebt, vio ä^um ain secier als sederptl ssvnss Vvrvnot? ziu brÄuoboo xsssben will worävn, äas solbiZ bilä baiss^t?g,seul!In8 usw. Das Fest scheint bis zum 2. Mai, also eine Woche, gedauert zu haben, und die Gedichte scheinen wohl erneuert worden zu sein; jeden Abend kam ein Diener des Kardinals und sammelte, was davon übrig geblieben war. Die Nachfrage war so groß, daß der Verleger Mazzocchi zum erstenmal im Jahre 1509 eine Sammlung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/511>, abgerufen am 19.05.2024.