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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Volk, um denselben Betrag geschädigt, und das kann empfindlich werden, wenn
jemand solche zu hoch berechneten Fahrkarten in größerer Anzahl zu kaufen ge¬
nötigt ist, entweder bei öfterer Wiederholung derselben Reise, oder wenn mehrere
seiner Angehörigen ihn begleiten. Betrachtet man ferner die Fahrtverteuerung im
Verhältnis zum Fahrpreis, so wird allerdings bei großen Strecken der eine Groschen
wenig ins Gewicht fallen, wie zum Beispiel wenn statt 12,60 Mark ein Betrag
von 12,70 Mark gezahlt werden muß. Anders bei kleinen Strecken. Wird zum
Beispiel ein berechneter Fahrpreis von 62 Pfennigen auf 70 anstatt auf 60 ab¬
gerundet, so zahlt der Erwerber der Fahrkarte 8 Pfennige über den wahren nach
dem Durchschnittssatz berechneten Preis von 62 Pfennigen, und das ist eine Er¬
höhung seiner Ausgabe um "/^ oder um 13 Prozent, eine Erhöhung, die man
sich im Geschäfts- und Handelsverkehr nicht ohne weiteres gefallen läßt; geht man
aber von 60 Pfennigen als dem nach ordnungsmäßiger Abrundung zu erhebenden
Fahrpreise aus, so bedeutet die Erhöhung von 60 auf 70 sogar eine Verteuerung
um ^/gg oder um 17 Prozent.

Also man halte die alte Regel über die Abrundung von Bruchteilen in Ehren!
Eine Nichtbefolgung dieser Regel führt zu einer Verschiebung des Vorteils auf die
eine Seite der an einem Geschäft beteiligten. Es unterliegt wohl keinem Zweifel,
daß man an maßgebender Stelle dieser Erwägung einer gleichmäßigen Verteilung
der bei der Abrundung unvermeidlich entstehenden Vorteile auf beide Beteiligten
zugänglich sein wird.

Zum Schluß noch eine Schulgeschichte! Bei der Prüfung fragt der Schulrat
den kleinen Meyer: Was habe ich zu zahlen, wenn ich mir zu einem Anzug
3^ Meter Stoff kaufe, von dem das Meter 9^ Mark kostet? Darauf der kleine
Meyer: Der Herr Schulrat sind ein stattlicher' Mann und werden brauchen zu
einem Anzug uicht 3'^ Meter sondern 4 Meter, und der Herr Schulrat sind ein
feiner Mann und werden nicht kaufen das Meter zu 9^ Mark sondern zu
10 Mark; 4 mal 10 macht 40, also haben der Herr Schulrat zu bezahlen
40 Mark. -- Für schwache Rechner sei hinzugefügt, daß die Antwort hätte lauten
R. F. müssen: 35 Mark.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig





Maßgebliches und Unmaßgebliches

Volk, um denselben Betrag geschädigt, und das kann empfindlich werden, wenn
jemand solche zu hoch berechneten Fahrkarten in größerer Anzahl zu kaufen ge¬
nötigt ist, entweder bei öfterer Wiederholung derselben Reise, oder wenn mehrere
seiner Angehörigen ihn begleiten. Betrachtet man ferner die Fahrtverteuerung im
Verhältnis zum Fahrpreis, so wird allerdings bei großen Strecken der eine Groschen
wenig ins Gewicht fallen, wie zum Beispiel wenn statt 12,60 Mark ein Betrag
von 12,70 Mark gezahlt werden muß. Anders bei kleinen Strecken. Wird zum
Beispiel ein berechneter Fahrpreis von 62 Pfennigen auf 70 anstatt auf 60 ab¬
gerundet, so zahlt der Erwerber der Fahrkarte 8 Pfennige über den wahren nach
dem Durchschnittssatz berechneten Preis von 62 Pfennigen, und das ist eine Er¬
höhung seiner Ausgabe um "/^ oder um 13 Prozent, eine Erhöhung, die man
sich im Geschäfts- und Handelsverkehr nicht ohne weiteres gefallen läßt; geht man
aber von 60 Pfennigen als dem nach ordnungsmäßiger Abrundung zu erhebenden
Fahrpreise aus, so bedeutet die Erhöhung von 60 auf 70 sogar eine Verteuerung
um ^/gg oder um 17 Prozent.

Also man halte die alte Regel über die Abrundung von Bruchteilen in Ehren!
Eine Nichtbefolgung dieser Regel führt zu einer Verschiebung des Vorteils auf die
eine Seite der an einem Geschäft beteiligten. Es unterliegt wohl keinem Zweifel,
daß man an maßgebender Stelle dieser Erwägung einer gleichmäßigen Verteilung
der bei der Abrundung unvermeidlich entstehenden Vorteile auf beide Beteiligten
zugänglich sein wird.

Zum Schluß noch eine Schulgeschichte! Bei der Prüfung fragt der Schulrat
den kleinen Meyer: Was habe ich zu zahlen, wenn ich mir zu einem Anzug
3^ Meter Stoff kaufe, von dem das Meter 9^ Mark kostet? Darauf der kleine
Meyer: Der Herr Schulrat sind ein stattlicher' Mann und werden brauchen zu
einem Anzug uicht 3'^ Meter sondern 4 Meter, und der Herr Schulrat sind ein
feiner Mann und werden nicht kaufen das Meter zu 9^ Mark sondern zu
10 Mark; 4 mal 10 macht 40, also haben der Herr Schulrat zu bezahlen
40 Mark. — Für schwache Rechner sei hinzugefügt, daß die Antwort hätte lauten
R. F. müssen: 35 Mark.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig





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[0288] Maßgebliches und Unmaßgebliches Volk, um denselben Betrag geschädigt, und das kann empfindlich werden, wenn jemand solche zu hoch berechneten Fahrkarten in größerer Anzahl zu kaufen ge¬ nötigt ist, entweder bei öfterer Wiederholung derselben Reise, oder wenn mehrere seiner Angehörigen ihn begleiten. Betrachtet man ferner die Fahrtverteuerung im Verhältnis zum Fahrpreis, so wird allerdings bei großen Strecken der eine Groschen wenig ins Gewicht fallen, wie zum Beispiel wenn statt 12,60 Mark ein Betrag von 12,70 Mark gezahlt werden muß. Anders bei kleinen Strecken. Wird zum Beispiel ein berechneter Fahrpreis von 62 Pfennigen auf 70 anstatt auf 60 ab¬ gerundet, so zahlt der Erwerber der Fahrkarte 8 Pfennige über den wahren nach dem Durchschnittssatz berechneten Preis von 62 Pfennigen, und das ist eine Er¬ höhung seiner Ausgabe um "/^ oder um 13 Prozent, eine Erhöhung, die man sich im Geschäfts- und Handelsverkehr nicht ohne weiteres gefallen läßt; geht man aber von 60 Pfennigen als dem nach ordnungsmäßiger Abrundung zu erhebenden Fahrpreise aus, so bedeutet die Erhöhung von 60 auf 70 sogar eine Verteuerung um ^/gg oder um 17 Prozent. Also man halte die alte Regel über die Abrundung von Bruchteilen in Ehren! Eine Nichtbefolgung dieser Regel führt zu einer Verschiebung des Vorteils auf die eine Seite der an einem Geschäft beteiligten. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß man an maßgebender Stelle dieser Erwägung einer gleichmäßigen Verteilung der bei der Abrundung unvermeidlich entstehenden Vorteile auf beide Beteiligten zugänglich sein wird. Zum Schluß noch eine Schulgeschichte! Bei der Prüfung fragt der Schulrat den kleinen Meyer: Was habe ich zu zahlen, wenn ich mir zu einem Anzug 3^ Meter Stoff kaufe, von dem das Meter 9^ Mark kostet? Darauf der kleine Meyer: Der Herr Schulrat sind ein stattlicher' Mann und werden brauchen zu einem Anzug uicht 3'^ Meter sondern 4 Meter, und der Herr Schulrat sind ein feiner Mann und werden nicht kaufen das Meter zu 9^ Mark sondern zu 10 Mark; 4 mal 10 macht 40, also haben der Herr Schulrat zu bezahlen 40 Mark. — Für schwache Rechner sei hinzugefügt, daß die Antwort hätte lauten R. F. müssen: 35 Mark. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig [Abbildung]

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/288>, abgerufen am 19.05.2024.