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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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I"i alten Brüssel

habe doch die Kinder groß gebracht, ich, ein schwacher Mensch, ein zwölfjähriges
Mädchen, und du, wenn du nur wolltest mit all deiner Kraft und Macht! Warum
willst du nur nicht? Herrgott, ich frage dich, ich verhöre dich, du bist mir Ant¬
wort schuldig! Warum das alles? Du, du, warum hast du uns geschaffen, warum
müssen wir uns quälen in dieser Welt? Herrgott --

Sie brach in einem heiser" Schluchzen ab und verstummte.

Die Kinder am Tisch getrauten sich nicht mehr nach ihr hinzusehen. Tief
hielten sie die Köpfe gesenkt und bastelten an ihrem bunten Flitter mit zitternden
Fingern.

Wie böse die Hexe war! Nun drohte sie gar dem lieben Gott. Sie wäre
imstande und klopfte den lieben Gott mit ihrer Gerte auf den Kopf, wenn der
einmal vom Himmel herunterkäme, philosophierte Fintje. Aber jetzt? Das klang
wie Schluchzen! Die arme Großmutter, sie weinte wohl, weil sie nur so traurige
Geschichten wußte. Nun liefen ihr sicher die Tränen aus den roten Augen über
all die Runzeln hin über die Backen, aber Hinsehen mochte sie doch nicht, das
war vorhin ein gar zu grausiger Anblick gewesen. Und so lange bliebs still!

Großmutter -- du -- warum hast du selbst doch einen Mann genommen,
wo es deiner Mutter und deinen kleinen Schwestern so schlecht gegangen ist?

Der meine hat nicht getrunken. Er saß gern daheim des Abends. Er brachte
mir alles Geld, das er in der Fabrik ausbezahlt bekam, und ich verdiente auch
dazu. So konnten wir endlich das kleine Hans kaufen, das, was sie mir ein¬
gerissen haben! Aber er war schwach auf der Brust, mein fleißiger, stiller Mann,
die Luft in der Fabrik vergiftete ihm langsam die Lungen. Als er starb, war
mein Truitje erst sieben Jahre alt. Lange Zeit habe ich mich gebangt, das Kind
hätte die böse Krankheit auch im Blute. Aber es war ein fröhliches, leichtfüßiges
Ding, das Truitje. Kaum hatte es die Kinderschuhe ausgetreten, da sprach es
auch schon vom Heiraten.

Laß den leichtsinnigen Jungen laufen, Hab ich ihr geraten, sie aber wollte
auf nichts hören. Sterben wollte sie, wenn der junge d'el Trap nicht ihr Mann
würde. Da Hab ich ihnen die Hochzeit gegeben.

Ging da ein Wirtschaften an! Den Alten, den Jakke, nahmen sie gleich zu
sich, der war auch nicht besser, kindisch waren sie alle drei. Er, der Junge, war
Zimmermaler. Auf Wände und Decken malte er krause Schnörkel. Er und das
Truitje hatten ihre Freude an dem bunten Zeug. Und wo es lustig herging, wo
Musik spielte, wo es etwas zu sehen gab, da traf mau sie gewiß, die beiden
Jungen mit dem Alten, und konnte sie lachen hören und tanzen sehen. Sie waren
wie die Kinder. Alles Elend um sie her focht sie nichts an, sie sahen und hörten
es nicht. Sie lachten und gaben Geld aus, solange sie welches hatten, und hatten
sie keins mehr, lachten sie mich. Dabei steckte ihnen der Kopf voll dünkelhafter
Zukunftsplttne. Wenn ich einmal meine großen Kirchenbilder malen werde! sagte
der junge d'el Trap gern, und das Truitje glaubte es ihm und war stolz auf
ihren Maler. Aber eines Tags brachten sie ihn meinem lustigen Kind tot ins
Haus, in der Kirche war er vom Gerüst gestürzt. Wie sie ihn hereintrugen in
seinem buntfleckigen Malerhemd, schlug das Truitje der Länge nach zu Boden.
In der Nacht wurdest du geboren, Fintje, und das Truitje starb. Der Alte ging
hin und ließ sich ins Greisenhospiz aufnehmen, und das Kind überließ er mir, es
sei bei mir besser aufgehoben, meinte er. Jawohl, ich hatte ja Übung darin!
Warten, sorgen und hüten, und dann zusehen, wie das Kind, das einem lieb ge¬
worden ist, zugrunde geht, das war ja von jung auf mein Lebensberuf. Aber
nun war ich alt. Sollte ich im Alter auch noch nicht zur Ruhe kommen? Was
blieb mir anders übrig? Da lagen die jungen kindischen Eltern tot nebeneinander,
und du schriest nach Nahrung und Pflege --

Und da hast du mich zu dir genommen, Großmutter!

Fintje hatte nun alles Grauen vor der Hexe verloren. Sie kam vom Tische
herübergehuscht und streichelte ihr schüchtern die runzligen Hände.


I»i alten Brüssel

habe doch die Kinder groß gebracht, ich, ein schwacher Mensch, ein zwölfjähriges
Mädchen, und du, wenn du nur wolltest mit all deiner Kraft und Macht! Warum
willst du nur nicht? Herrgott, ich frage dich, ich verhöre dich, du bist mir Ant¬
wort schuldig! Warum das alles? Du, du, warum hast du uns geschaffen, warum
müssen wir uns quälen in dieser Welt? Herrgott —

Sie brach in einem heiser» Schluchzen ab und verstummte.

Die Kinder am Tisch getrauten sich nicht mehr nach ihr hinzusehen. Tief
hielten sie die Köpfe gesenkt und bastelten an ihrem bunten Flitter mit zitternden
Fingern.

Wie böse die Hexe war! Nun drohte sie gar dem lieben Gott. Sie wäre
imstande und klopfte den lieben Gott mit ihrer Gerte auf den Kopf, wenn der
einmal vom Himmel herunterkäme, philosophierte Fintje. Aber jetzt? Das klang
wie Schluchzen! Die arme Großmutter, sie weinte wohl, weil sie nur so traurige
Geschichten wußte. Nun liefen ihr sicher die Tränen aus den roten Augen über
all die Runzeln hin über die Backen, aber Hinsehen mochte sie doch nicht, das
war vorhin ein gar zu grausiger Anblick gewesen. Und so lange bliebs still!

Großmutter — du — warum hast du selbst doch einen Mann genommen,
wo es deiner Mutter und deinen kleinen Schwestern so schlecht gegangen ist?

Der meine hat nicht getrunken. Er saß gern daheim des Abends. Er brachte
mir alles Geld, das er in der Fabrik ausbezahlt bekam, und ich verdiente auch
dazu. So konnten wir endlich das kleine Hans kaufen, das, was sie mir ein¬
gerissen haben! Aber er war schwach auf der Brust, mein fleißiger, stiller Mann,
die Luft in der Fabrik vergiftete ihm langsam die Lungen. Als er starb, war
mein Truitje erst sieben Jahre alt. Lange Zeit habe ich mich gebangt, das Kind
hätte die böse Krankheit auch im Blute. Aber es war ein fröhliches, leichtfüßiges
Ding, das Truitje. Kaum hatte es die Kinderschuhe ausgetreten, da sprach es
auch schon vom Heiraten.

Laß den leichtsinnigen Jungen laufen, Hab ich ihr geraten, sie aber wollte
auf nichts hören. Sterben wollte sie, wenn der junge d'el Trap nicht ihr Mann
würde. Da Hab ich ihnen die Hochzeit gegeben.

Ging da ein Wirtschaften an! Den Alten, den Jakke, nahmen sie gleich zu
sich, der war auch nicht besser, kindisch waren sie alle drei. Er, der Junge, war
Zimmermaler. Auf Wände und Decken malte er krause Schnörkel. Er und das
Truitje hatten ihre Freude an dem bunten Zeug. Und wo es lustig herging, wo
Musik spielte, wo es etwas zu sehen gab, da traf mau sie gewiß, die beiden
Jungen mit dem Alten, und konnte sie lachen hören und tanzen sehen. Sie waren
wie die Kinder. Alles Elend um sie her focht sie nichts an, sie sahen und hörten
es nicht. Sie lachten und gaben Geld aus, solange sie welches hatten, und hatten
sie keins mehr, lachten sie mich. Dabei steckte ihnen der Kopf voll dünkelhafter
Zukunftsplttne. Wenn ich einmal meine großen Kirchenbilder malen werde! sagte
der junge d'el Trap gern, und das Truitje glaubte es ihm und war stolz auf
ihren Maler. Aber eines Tags brachten sie ihn meinem lustigen Kind tot ins
Haus, in der Kirche war er vom Gerüst gestürzt. Wie sie ihn hereintrugen in
seinem buntfleckigen Malerhemd, schlug das Truitje der Länge nach zu Boden.
In der Nacht wurdest du geboren, Fintje, und das Truitje starb. Der Alte ging
hin und ließ sich ins Greisenhospiz aufnehmen, und das Kind überließ er mir, es
sei bei mir besser aufgehoben, meinte er. Jawohl, ich hatte ja Übung darin!
Warten, sorgen und hüten, und dann zusehen, wie das Kind, das einem lieb ge¬
worden ist, zugrunde geht, das war ja von jung auf mein Lebensberuf. Aber
nun war ich alt. Sollte ich im Alter auch noch nicht zur Ruhe kommen? Was
blieb mir anders übrig? Da lagen die jungen kindischen Eltern tot nebeneinander,
und du schriest nach Nahrung und Pflege —

Und da hast du mich zu dir genommen, Großmutter!

Fintje hatte nun alles Grauen vor der Hexe verloren. Sie kam vom Tische
herübergehuscht und streichelte ihr schüchtern die runzligen Hände.


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[0120] I»i alten Brüssel habe doch die Kinder groß gebracht, ich, ein schwacher Mensch, ein zwölfjähriges Mädchen, und du, wenn du nur wolltest mit all deiner Kraft und Macht! Warum willst du nur nicht? Herrgott, ich frage dich, ich verhöre dich, du bist mir Ant¬ wort schuldig! Warum das alles? Du, du, warum hast du uns geschaffen, warum müssen wir uns quälen in dieser Welt? Herrgott — Sie brach in einem heiser» Schluchzen ab und verstummte. Die Kinder am Tisch getrauten sich nicht mehr nach ihr hinzusehen. Tief hielten sie die Köpfe gesenkt und bastelten an ihrem bunten Flitter mit zitternden Fingern. Wie böse die Hexe war! Nun drohte sie gar dem lieben Gott. Sie wäre imstande und klopfte den lieben Gott mit ihrer Gerte auf den Kopf, wenn der einmal vom Himmel herunterkäme, philosophierte Fintje. Aber jetzt? Das klang wie Schluchzen! Die arme Großmutter, sie weinte wohl, weil sie nur so traurige Geschichten wußte. Nun liefen ihr sicher die Tränen aus den roten Augen über all die Runzeln hin über die Backen, aber Hinsehen mochte sie doch nicht, das war vorhin ein gar zu grausiger Anblick gewesen. Und so lange bliebs still! Großmutter — du — warum hast du selbst doch einen Mann genommen, wo es deiner Mutter und deinen kleinen Schwestern so schlecht gegangen ist? Der meine hat nicht getrunken. Er saß gern daheim des Abends. Er brachte mir alles Geld, das er in der Fabrik ausbezahlt bekam, und ich verdiente auch dazu. So konnten wir endlich das kleine Hans kaufen, das, was sie mir ein¬ gerissen haben! Aber er war schwach auf der Brust, mein fleißiger, stiller Mann, die Luft in der Fabrik vergiftete ihm langsam die Lungen. Als er starb, war mein Truitje erst sieben Jahre alt. Lange Zeit habe ich mich gebangt, das Kind hätte die böse Krankheit auch im Blute. Aber es war ein fröhliches, leichtfüßiges Ding, das Truitje. Kaum hatte es die Kinderschuhe ausgetreten, da sprach es auch schon vom Heiraten. Laß den leichtsinnigen Jungen laufen, Hab ich ihr geraten, sie aber wollte auf nichts hören. Sterben wollte sie, wenn der junge d'el Trap nicht ihr Mann würde. Da Hab ich ihnen die Hochzeit gegeben. Ging da ein Wirtschaften an! Den Alten, den Jakke, nahmen sie gleich zu sich, der war auch nicht besser, kindisch waren sie alle drei. Er, der Junge, war Zimmermaler. Auf Wände und Decken malte er krause Schnörkel. Er und das Truitje hatten ihre Freude an dem bunten Zeug. Und wo es lustig herging, wo Musik spielte, wo es etwas zu sehen gab, da traf mau sie gewiß, die beiden Jungen mit dem Alten, und konnte sie lachen hören und tanzen sehen. Sie waren wie die Kinder. Alles Elend um sie her focht sie nichts an, sie sahen und hörten es nicht. Sie lachten und gaben Geld aus, solange sie welches hatten, und hatten sie keins mehr, lachten sie mich. Dabei steckte ihnen der Kopf voll dünkelhafter Zukunftsplttne. Wenn ich einmal meine großen Kirchenbilder malen werde! sagte der junge d'el Trap gern, und das Truitje glaubte es ihm und war stolz auf ihren Maler. Aber eines Tags brachten sie ihn meinem lustigen Kind tot ins Haus, in der Kirche war er vom Gerüst gestürzt. Wie sie ihn hereintrugen in seinem buntfleckigen Malerhemd, schlug das Truitje der Länge nach zu Boden. In der Nacht wurdest du geboren, Fintje, und das Truitje starb. Der Alte ging hin und ließ sich ins Greisenhospiz aufnehmen, und das Kind überließ er mir, es sei bei mir besser aufgehoben, meinte er. Jawohl, ich hatte ja Übung darin! Warten, sorgen und hüten, und dann zusehen, wie das Kind, das einem lieb ge¬ worden ist, zugrunde geht, das war ja von jung auf mein Lebensberuf. Aber nun war ich alt. Sollte ich im Alter auch noch nicht zur Ruhe kommen? Was blieb mir anders übrig? Da lagen die jungen kindischen Eltern tot nebeneinander, und du schriest nach Nahrung und Pflege — Und da hast du mich zu dir genommen, Großmutter! Fintje hatte nun alles Grauen vor der Hexe verloren. Sie kam vom Tische herübergehuscht und streichelte ihr schüchtern die runzligen Hände.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/120>, abgerufen am 14.06.2024.