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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Zum Andenke"

stumm gebliebne, aber dem verschwiegnen Papier gegenüber um so beredtere
und aufrichtigere Zeuge" der wahre Charakter eines im Leben Verleumdeten
zutage.

Und nun kam, als wenn es auch im häuslichen Kreise, wo der König
bisher für Enttäuschungen und Kummer Trost gesucht hatte, nicht an schwerem
Herzeleid fehlen sollte, das schlimmste, das man wie einen bösen Geist in die
Nacht ewiger Vergessenheit bannen möchte. Gewiß wäre die von dem König
über die Abreise der Gemahlin seines Sohnes von Dresden und die damit im
Zusammenhang stehenden schmerzliche" Tatsachen veröffentlichte Erklärung, eine
Erklärung, die er nur abgab, um die Verantwortung für das, was zur Ver¬
meidung weiterer Übelstände hatte geschehen müssen, vor allem Volk voll auf
sich zu nehmen, gewiß wäre diese Erklärung besser unterblieben, und wenn sich
das Volk bei dem, was in den: offiziellen Regierungsorgan über die gefaßte
Entschließung in schonendster Weise hätte veröffentlicht werden können, nicht
hätte beruhigen können oder wollen, so wäre ihm nicht zu helfen gewesen, und
man hätte abwarten müssen, "ins die Zeit zur Beruhigung und Aufklärung der
Gemüter würde tun können. Aber die Erklärung des Königs für einen Akt
der Lieb- und Rücksichtslosigkeit anzusehen war etwas, was nur dem fanatischen
Vorurteil oder denen beikommen konnte, die den Charakter des Königs wirklich
uicht kannten. So unbestreitbar es wohl ist, daß diese Erklärung ein Mißgriff
war, vor dem nicht genug hätte gewarnt werden können, und dessen Tragweite
dem König wohl ganz besonders bei seinem Besuche in Wien klar geworden
sein "eng, so deutlich kennzeichnet sie sich andrerseits als ein rührender Beweis
seines innigen Wunsches, zwischen sich und seinem Volke nichts zu dulden, was
ihm dessen Liebe und Vertrauen rauben konnte. Für diesen Zweck war ihm
kein Opfer zu groß, kein Akt der Selbstüberwindung zu schmerzlich. Und wie
er jedem, der ihm das von ihm Geschriebne in ähnlicher Lage versichert hätte,
unweigerlich Glauben geschenkt haben würde, so war er auch der Überzeugung,
daß vor seinen Worten, weil sie auf Wahrheit beruhten, und man ihn als
einen Ehrenmann kennen müsse, Zweifel und Lüge überall zerstäuben würden.
Darin hatte sich der Fürst, der die Zähigkeit der Parteileidenschaft unterschützte,
leider getäuscht. Während für den Teil des Volks, der wußte, in wie reinen
Händen der Fall bei den: Könige gelegen hatte, ein so feierliches Zeugnis nicht
vonnöten war, hatten sich die den Aufreizungen und Einflüsterungen der
Umsturzpartei Gehörgebenden in eine gehässige Zweifelsucht und in den abenteuer¬
lichsten Argwohn so verrannt, daß sie die Absicht, durch die königliche Präro¬
gative die Wahrheit zu unterdrücken, da sahen, wo ihr an höchster Stelle zu
ihrem Rechte verholfen werden sollte. Es hat leider inzwischen den Anschein
gewonnen, als sollten sich die Dinge so gestalten, daß auch dem Verblendetstcn
über die Unmöglichkeit, anders zu handeln, als gehandelt worden war, die
Augen geöffnet werden müssen.

Wie dem auch sei, in dem einen Wunsche vereinigen sich alle, die es mit
dem Lande und seinem angestammten Herrscherhause wohl meinen, daß die
Negierung des Sohnes des verewigten Fürsten eine lange, glückliche und segens¬
reiche sein möge, damit sich im Laufe der Jahre der schreckliche Eindruck dieser


Zum Andenke»

stumm gebliebne, aber dem verschwiegnen Papier gegenüber um so beredtere
und aufrichtigere Zeuge» der wahre Charakter eines im Leben Verleumdeten
zutage.

Und nun kam, als wenn es auch im häuslichen Kreise, wo der König
bisher für Enttäuschungen und Kummer Trost gesucht hatte, nicht an schwerem
Herzeleid fehlen sollte, das schlimmste, das man wie einen bösen Geist in die
Nacht ewiger Vergessenheit bannen möchte. Gewiß wäre die von dem König
über die Abreise der Gemahlin seines Sohnes von Dresden und die damit im
Zusammenhang stehenden schmerzliche» Tatsachen veröffentlichte Erklärung, eine
Erklärung, die er nur abgab, um die Verantwortung für das, was zur Ver¬
meidung weiterer Übelstände hatte geschehen müssen, vor allem Volk voll auf
sich zu nehmen, gewiß wäre diese Erklärung besser unterblieben, und wenn sich
das Volk bei dem, was in den: offiziellen Regierungsorgan über die gefaßte
Entschließung in schonendster Weise hätte veröffentlicht werden können, nicht
hätte beruhigen können oder wollen, so wäre ihm nicht zu helfen gewesen, und
man hätte abwarten müssen, »ins die Zeit zur Beruhigung und Aufklärung der
Gemüter würde tun können. Aber die Erklärung des Königs für einen Akt
der Lieb- und Rücksichtslosigkeit anzusehen war etwas, was nur dem fanatischen
Vorurteil oder denen beikommen konnte, die den Charakter des Königs wirklich
uicht kannten. So unbestreitbar es wohl ist, daß diese Erklärung ein Mißgriff
war, vor dem nicht genug hätte gewarnt werden können, und dessen Tragweite
dem König wohl ganz besonders bei seinem Besuche in Wien klar geworden
sein »eng, so deutlich kennzeichnet sie sich andrerseits als ein rührender Beweis
seines innigen Wunsches, zwischen sich und seinem Volke nichts zu dulden, was
ihm dessen Liebe und Vertrauen rauben konnte. Für diesen Zweck war ihm
kein Opfer zu groß, kein Akt der Selbstüberwindung zu schmerzlich. Und wie
er jedem, der ihm das von ihm Geschriebne in ähnlicher Lage versichert hätte,
unweigerlich Glauben geschenkt haben würde, so war er auch der Überzeugung,
daß vor seinen Worten, weil sie auf Wahrheit beruhten, und man ihn als
einen Ehrenmann kennen müsse, Zweifel und Lüge überall zerstäuben würden.
Darin hatte sich der Fürst, der die Zähigkeit der Parteileidenschaft unterschützte,
leider getäuscht. Während für den Teil des Volks, der wußte, in wie reinen
Händen der Fall bei den: Könige gelegen hatte, ein so feierliches Zeugnis nicht
vonnöten war, hatten sich die den Aufreizungen und Einflüsterungen der
Umsturzpartei Gehörgebenden in eine gehässige Zweifelsucht und in den abenteuer¬
lichsten Argwohn so verrannt, daß sie die Absicht, durch die königliche Präro¬
gative die Wahrheit zu unterdrücken, da sahen, wo ihr an höchster Stelle zu
ihrem Rechte verholfen werden sollte. Es hat leider inzwischen den Anschein
gewonnen, als sollten sich die Dinge so gestalten, daß auch dem Verblendetstcn
über die Unmöglichkeit, anders zu handeln, als gehandelt worden war, die
Augen geöffnet werden müssen.

Wie dem auch sei, in dem einen Wunsche vereinigen sich alle, die es mit
dem Lande und seinem angestammten Herrscherhause wohl meinen, daß die
Negierung des Sohnes des verewigten Fürsten eine lange, glückliche und segens¬
reiche sein möge, damit sich im Laufe der Jahre der schreckliche Eindruck dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/536>, abgerufen am 21.05.2024.