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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

geordnet zu sein, wäre tatsächlich der Leiter unsrer Politik, nicht etwa der innern,
sondern auch der auswärtigen. Denn wenn er über die Höhe der Ausgaben für
Armee und Marine selbständig zu befinden hat, so schreibt er damit dem Reichs¬
kanzler die Summe von Machtmitteln vor, die diesem für die Durchführung seiner
Politik zur Verfügung stehn oder notwendig erscheinen.

Ein Schatzsekretär, der soundsoviel Regimenter oder Schiffe aus eigner Macht¬
vollkommenheit streichen konnte, würde damit zum eigentlichen Lenker der deutschen
Geschicke, weil er ganz allein das Maß unsrer Wehrhnftigkeit beherrschen würde. Das
gäbe sehr bald eine" unmögliche" Zustand. Das Maß unsrer Wehrhnftigkeit muß
im engsten Zusammenhang mit den Anforderungen der internationalen Lage stehn.
Es wäre sicherlich sehr leicht, durch einen Abstrich von fünfzig Millionen bei Heer
und Flotte die Reichsfinanzen in Ordnung zu bringe". Vielleicht ist man sogar
im Reichsschatzamt dieser Meinung gewesen, an Anläufen in dieser Richtung soll
es wenigstens nicht gefehlt habe". Es kann nun aber ganz und gar nicht in der
Absicht liegen, die Schwierigkeiten, die die bayrische Zentrnmsdemokratie durch den
von ihr geübten Fraktionsterrorismus dem Reiche bereitet, uoch dadurch zu steigern,
daß sich diese reichsverderberischeu Tendenzen in ihrem Kaiupfc gegen die Wehr-
haftigkeit des Reichs ans eine Behörde stützen könnten, die selbst nach dieser Richtung
im Konflikt läge. Soll es überhaupt neben dem Reichskanzler einen Reichs-
ftnanzministcr geben, so müssen die andern Ressortchefs des Reichs gerade
ebenso selbständig hingestellt werden, und es muß der Ausgleich innerhalb der
Reichsinteressen, der jetzt durch die Entscheidung des Reichskanzlers geschieht, xe-r
MAMÄ innerhalb des Reichsministeriums geschehen. Daß daneben ein Bundesrat
und die Mitwirkung der Bundesregierungen kaum uoch möglich wäre, dürfte als
selbstverständlich anzusehen sein: ein selbständiger Schatzsekretär wäre sonnt ein
Schritt in uuitarischer Richtung, wie er seit 1867 nicht getan worden ist, und
der dem Grundgedanken der Reichsverfassung direkt zuwiderliefe.

Um einen: so gestellten Schatzsekretär die Unterlagen für seine Entschließungen
zu geben, müßte nicht nur das Auswärtige Amt ihn über alle Wendungen und
Wandlungen der auswärtige" Politik, auch für die nächste Zukunft, auf dem
laufenden erhalten, sondern auch die Militärverwaltung und die Mariueverwaltung
müßten ihn mit ihren geheimsten Absichten vertraut macheu, kurzum er würde der
Reichskanzler unter einem andern Titel, und der eigentliche Träger des Titels
müßte sich eigentlich auf den Vorsitz ini Bundesrat beschränken. An eine solche
Zerstörung des Reichsorganismus ist selbstverständlich nicht zu deute". Daß es
Bundesregierungen gäbe, die aus Fiuauzkalnmität oder Zentrumsfurcht eiuer solchen
Einrichtung zustimmen würden, ist verständigerweise wohl nicht anzunehmen; aus¬
geschlossen ist jedenfalls, daß sich die Krone Preußen in solcher Weise ihrer Hoheits-
und Machtbefugnisse entkleidete. Es unterliegt doch keinem Zweifel, daß ein solcher
Reichsschatzsekretär eine viel bedeutendere Stellung hätte, als sie der Finanzminister
in Preußen hat, denn er wäre nicht nur Finanzminister des Reichs in eigner Un¬
verantwortliche, sondern zugleich der eigentliche Finauzchef aller Einzelstaaten, es
wäre die Finanzdiktatur in ganz Deutschland. Zeutrumsblätter habe" aber außer¬
dem noch verlangt, daß der Schcchsckrctär Mitglied des preußische" Staats¬
ministeriums sein müsse. Diesem Gedanken liegt nur der Wunsch zugrunde, auf
dem Umwege über den Schntzsekretär dem Zentrumseinfluß in Preußen zu größerer
Macht zu verhelfen und den preußischen Finanzminister, der nicht nach dem Ge¬
schmack des Zentrunis sein mag, matt zu setzen. Auch dazu dürfte die Krone
Preußen die Hand nicht bieten, ebensowenig denkt Graf Bülow daran.

Die Stellung des Zentrums zu deu verhältnismäßig recht bescheidnen An¬
forderungen des Kriegsministers hat ziemlich nahe um einem ernsten Konflikt vorüber¬
geführt. Die bayrische Zentrumsdemokratie trug sich mit großen Streichungsabsichten,
aber es hieße das Verantwortlichkeitsgefühl des Kriegsministers sowohl als des
Reichskanzlers unterschätzen, wollte man die Annahme zulassen, daß diese die Sicher¬
heit Deutschlands von den Wahlbedürfuissen der Herren Sabatier und Heim ab-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

geordnet zu sein, wäre tatsächlich der Leiter unsrer Politik, nicht etwa der innern,
sondern auch der auswärtigen. Denn wenn er über die Höhe der Ausgaben für
Armee und Marine selbständig zu befinden hat, so schreibt er damit dem Reichs¬
kanzler die Summe von Machtmitteln vor, die diesem für die Durchführung seiner
Politik zur Verfügung stehn oder notwendig erscheinen.

Ein Schatzsekretär, der soundsoviel Regimenter oder Schiffe aus eigner Macht¬
vollkommenheit streichen konnte, würde damit zum eigentlichen Lenker der deutschen
Geschicke, weil er ganz allein das Maß unsrer Wehrhnftigkeit beherrschen würde. Das
gäbe sehr bald eine» unmögliche» Zustand. Das Maß unsrer Wehrhnftigkeit muß
im engsten Zusammenhang mit den Anforderungen der internationalen Lage stehn.
Es wäre sicherlich sehr leicht, durch einen Abstrich von fünfzig Millionen bei Heer
und Flotte die Reichsfinanzen in Ordnung zu bringe». Vielleicht ist man sogar
im Reichsschatzamt dieser Meinung gewesen, an Anläufen in dieser Richtung soll
es wenigstens nicht gefehlt habe». Es kann nun aber ganz und gar nicht in der
Absicht liegen, die Schwierigkeiten, die die bayrische Zentrnmsdemokratie durch den
von ihr geübten Fraktionsterrorismus dem Reiche bereitet, uoch dadurch zu steigern,
daß sich diese reichsverderberischeu Tendenzen in ihrem Kaiupfc gegen die Wehr-
haftigkeit des Reichs ans eine Behörde stützen könnten, die selbst nach dieser Richtung
im Konflikt läge. Soll es überhaupt neben dem Reichskanzler einen Reichs-
ftnanzministcr geben, so müssen die andern Ressortchefs des Reichs gerade
ebenso selbständig hingestellt werden, und es muß der Ausgleich innerhalb der
Reichsinteressen, der jetzt durch die Entscheidung des Reichskanzlers geschieht, xe-r
MAMÄ innerhalb des Reichsministeriums geschehen. Daß daneben ein Bundesrat
und die Mitwirkung der Bundesregierungen kaum uoch möglich wäre, dürfte als
selbstverständlich anzusehen sein: ein selbständiger Schatzsekretär wäre sonnt ein
Schritt in uuitarischer Richtung, wie er seit 1867 nicht getan worden ist, und
der dem Grundgedanken der Reichsverfassung direkt zuwiderliefe.

Um einen: so gestellten Schatzsekretär die Unterlagen für seine Entschließungen
zu geben, müßte nicht nur das Auswärtige Amt ihn über alle Wendungen und
Wandlungen der auswärtige» Politik, auch für die nächste Zukunft, auf dem
laufenden erhalten, sondern auch die Militärverwaltung und die Mariueverwaltung
müßten ihn mit ihren geheimsten Absichten vertraut macheu, kurzum er würde der
Reichskanzler unter einem andern Titel, und der eigentliche Träger des Titels
müßte sich eigentlich auf den Vorsitz ini Bundesrat beschränken. An eine solche
Zerstörung des Reichsorganismus ist selbstverständlich nicht zu deute». Daß es
Bundesregierungen gäbe, die aus Fiuauzkalnmität oder Zentrumsfurcht eiuer solchen
Einrichtung zustimmen würden, ist verständigerweise wohl nicht anzunehmen; aus¬
geschlossen ist jedenfalls, daß sich die Krone Preußen in solcher Weise ihrer Hoheits-
und Machtbefugnisse entkleidete. Es unterliegt doch keinem Zweifel, daß ein solcher
Reichsschatzsekretär eine viel bedeutendere Stellung hätte, als sie der Finanzminister
in Preußen hat, denn er wäre nicht nur Finanzminister des Reichs in eigner Un¬
verantwortliche, sondern zugleich der eigentliche Finauzchef aller Einzelstaaten, es
wäre die Finanzdiktatur in ganz Deutschland. Zeutrumsblätter habe» aber außer¬
dem noch verlangt, daß der Schcchsckrctär Mitglied des preußische« Staats¬
ministeriums sein müsse. Diesem Gedanken liegt nur der Wunsch zugrunde, auf
dem Umwege über den Schntzsekretär dem Zentrumseinfluß in Preußen zu größerer
Macht zu verhelfen und den preußischen Finanzminister, der nicht nach dem Ge¬
schmack des Zentrunis sein mag, matt zu setzen. Auch dazu dürfte die Krone
Preußen die Hand nicht bieten, ebensowenig denkt Graf Bülow daran.

Die Stellung des Zentrums zu deu verhältnismäßig recht bescheidnen An¬
forderungen des Kriegsministers hat ziemlich nahe um einem ernsten Konflikt vorüber¬
geführt. Die bayrische Zentrumsdemokratie trug sich mit großen Streichungsabsichten,
aber es hieße das Verantwortlichkeitsgefühl des Kriegsministers sowohl als des
Reichskanzlers unterschätzen, wollte man die Annahme zulassen, daß diese die Sicher¬
heit Deutschlands von den Wahlbedürfuissen der Herren Sabatier und Heim ab-


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[0636] Maßgebliches und Unmaßgebliches geordnet zu sein, wäre tatsächlich der Leiter unsrer Politik, nicht etwa der innern, sondern auch der auswärtigen. Denn wenn er über die Höhe der Ausgaben für Armee und Marine selbständig zu befinden hat, so schreibt er damit dem Reichs¬ kanzler die Summe von Machtmitteln vor, die diesem für die Durchführung seiner Politik zur Verfügung stehn oder notwendig erscheinen. Ein Schatzsekretär, der soundsoviel Regimenter oder Schiffe aus eigner Macht¬ vollkommenheit streichen konnte, würde damit zum eigentlichen Lenker der deutschen Geschicke, weil er ganz allein das Maß unsrer Wehrhnftigkeit beherrschen würde. Das gäbe sehr bald eine» unmögliche» Zustand. Das Maß unsrer Wehrhnftigkeit muß im engsten Zusammenhang mit den Anforderungen der internationalen Lage stehn. Es wäre sicherlich sehr leicht, durch einen Abstrich von fünfzig Millionen bei Heer und Flotte die Reichsfinanzen in Ordnung zu bringe». Vielleicht ist man sogar im Reichsschatzamt dieser Meinung gewesen, an Anläufen in dieser Richtung soll es wenigstens nicht gefehlt habe». Es kann nun aber ganz und gar nicht in der Absicht liegen, die Schwierigkeiten, die die bayrische Zentrnmsdemokratie durch den von ihr geübten Fraktionsterrorismus dem Reiche bereitet, uoch dadurch zu steigern, daß sich diese reichsverderberischeu Tendenzen in ihrem Kaiupfc gegen die Wehr- haftigkeit des Reichs ans eine Behörde stützen könnten, die selbst nach dieser Richtung im Konflikt läge. Soll es überhaupt neben dem Reichskanzler einen Reichs- ftnanzministcr geben, so müssen die andern Ressortchefs des Reichs gerade ebenso selbständig hingestellt werden, und es muß der Ausgleich innerhalb der Reichsinteressen, der jetzt durch die Entscheidung des Reichskanzlers geschieht, xe-r MAMÄ innerhalb des Reichsministeriums geschehen. Daß daneben ein Bundesrat und die Mitwirkung der Bundesregierungen kaum uoch möglich wäre, dürfte als selbstverständlich anzusehen sein: ein selbständiger Schatzsekretär wäre sonnt ein Schritt in uuitarischer Richtung, wie er seit 1867 nicht getan worden ist, und der dem Grundgedanken der Reichsverfassung direkt zuwiderliefe. Um einen: so gestellten Schatzsekretär die Unterlagen für seine Entschließungen zu geben, müßte nicht nur das Auswärtige Amt ihn über alle Wendungen und Wandlungen der auswärtige» Politik, auch für die nächste Zukunft, auf dem laufenden erhalten, sondern auch die Militärverwaltung und die Mariueverwaltung müßten ihn mit ihren geheimsten Absichten vertraut macheu, kurzum er würde der Reichskanzler unter einem andern Titel, und der eigentliche Träger des Titels müßte sich eigentlich auf den Vorsitz ini Bundesrat beschränken. An eine solche Zerstörung des Reichsorganismus ist selbstverständlich nicht zu deute». Daß es Bundesregierungen gäbe, die aus Fiuauzkalnmität oder Zentrumsfurcht eiuer solchen Einrichtung zustimmen würden, ist verständigerweise wohl nicht anzunehmen; aus¬ geschlossen ist jedenfalls, daß sich die Krone Preußen in solcher Weise ihrer Hoheits- und Machtbefugnisse entkleidete. Es unterliegt doch keinem Zweifel, daß ein solcher Reichsschatzsekretär eine viel bedeutendere Stellung hätte, als sie der Finanzminister in Preußen hat, denn er wäre nicht nur Finanzminister des Reichs in eigner Un¬ verantwortliche, sondern zugleich der eigentliche Finauzchef aller Einzelstaaten, es wäre die Finanzdiktatur in ganz Deutschland. Zeutrumsblätter habe» aber außer¬ dem noch verlangt, daß der Schcchsckrctär Mitglied des preußische« Staats¬ ministeriums sein müsse. Diesem Gedanken liegt nur der Wunsch zugrunde, auf dem Umwege über den Schntzsekretär dem Zentrumseinfluß in Preußen zu größerer Macht zu verhelfen und den preußischen Finanzminister, der nicht nach dem Ge¬ schmack des Zentrunis sein mag, matt zu setzen. Auch dazu dürfte die Krone Preußen die Hand nicht bieten, ebensowenig denkt Graf Bülow daran. Die Stellung des Zentrums zu deu verhältnismäßig recht bescheidnen An¬ forderungen des Kriegsministers hat ziemlich nahe um einem ernsten Konflikt vorüber¬ geführt. Die bayrische Zentrumsdemokratie trug sich mit großen Streichungsabsichten, aber es hieße das Verantwortlichkeitsgefühl des Kriegsministers sowohl als des Reichskanzlers unterschätzen, wollte man die Annahme zulassen, daß diese die Sicher¬ heit Deutschlands von den Wahlbedürfuissen der Herren Sabatier und Heim ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/636>, abgerufen am 21.05.2024.