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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

siegreiche Rußland wurde durchwühlt von Pcmslawismus und Nihilismus; diesem
fiel am 13. März 1881 der Zar Alexander der Zweite zum Opfer. Frankreich
Wllr rasch wieder erstarkt, hatte 1373 eine glänzende Weltausstellung veranstaltet
und schickte sich an. in Tunis und später in Tonking in die Welthändel wieder
Hinzugreifen, während England 1882 seine Hand auf Ägypten legte. Im Innern
des Reichs waren durch das Anwachsen des Sozialismus, die Einführung des
Schutzzollsystems und die ersten Ansätze einer deutschen Kolonialpolitik Mai 1880
Ablehnung der Samoavorlage) unruhige Zeiten für das deutsche Bürgertum ge¬
kommen, und mancher begabte junge Mann, der sich sonst einem wissenschaftlichen
Berufe gewidmet haben würde, ließ sich damals in die hin und her wogenden
Strömungen des politischen und des sozialen Lebens hineinziehn. Aber auch alle,
Zweige der Wissenschaft wurden sorgfältig gepflegt und gefördert, und in der
Germanistik insbesondre gab es Gelehrte genug, die, wie früher Rob. Prutz und
Ad. Diesterweg, über die Bedeutung des Wcmderschen Werkes ein sachgemäßes
Urteil abzugeben vermocht hätten. Diese schreckte jedoch jedenfalls der große Um¬
fang des Sprichwörterlexikons ab. Ein solches Buch liest man nicht wie ?inen
Roman. Sogar Freunde und Kenner der Sprichwortkunde waren nicht geneigt,
zugunsten eines fremden Buchs Opfer an Zeit zu bringen, um so weniger, als sie
vielleicht durch einige frühere ungünstige Urteile von Fachgelehrten gegen das ganze
Werk eingenommen sein mochten. Die Angriffe von Fr. Sandvoß zwar hatte
Wärter im Deutschen Museum von 1867 mit Erfolg zurückgewiesen. Die ab¬
sprechende Kritik der als Schriftstellerin bekannten Gräfin Jda von Düringsfeld
mochte dagegen schwerer und länger ins Gewicht fallen. Einige wenige endlich
übertrugen das noch nicht überwundne Mißtrauen gegen die Persönlichkeit des,
"roten Wärters" der Jahre 1848/49 auf seine wissenschaftliche Arbeit und wollten
aus diesem Grunde nichts davon wissen. Nachdem eine unparteiische Geschicht¬
schreibung einem Rich. Wagner, Gottfr. Kinkel, Ferd. Freiligrath, Gottfr. Semper,
Ad^ Diesterweg, Karl Schurz und andern "Achtundvierzigern" gerecht geworden ist,
haben sich auch die meisten Vorurteile gegen Wärters Charakter und Gesinnung
als haltlos herausgestellt. Die deutsche Lehrerwelt sieht heute in ihm nicht mehr
den wegen "demagogischer Umtriebe" abgesetzten Schulmeister, sondern den voraus¬
schauenden charakterfester Vorkämpfer ihrer idealen Bestrebungen, und hat das bei
Gelegenheit, der Feier von Wärters hundertsten Geburtstag am 27. Dezember 1903
in Hirschberg (vgl. Karl Frei, K. F. W. Wärter. ein deutscher Schul- und Volks-
mann des neunzehnten Jahrhunderts, Quirl, Verlag von Hugo Wärter, 1903)
laut und öffentlich ausgesprochen. Somit wird jene auffällige Teilnahmlosigkeit aller
zur Kritik berufnen Kreise gegenüber dem vollendeten Deutschen Sprichwörterlexikon
am wahrscheinlichsten auf den Einfluß der Gräfin von Düringsfeld zurückzuführen
sein.i Und', in,,der" Tatv.schM.Hr, wegwerfendes Urteil nicht ganz ohne Begrün¬
dung. Bei genauerer Prüfung entdeckt man im Wärter eine recht bedeutende
Anzahl Fehler, Irrtümer und Versehen, namentlich was Zitate ans fremden Sprachen
betrifft. T,rotzdem,hielt>t das Werk eine Leistung ersten Ranges. Die Anordnung,
im ganzen ist klar und übersichtlich, und die Quellen und die Fundstätten der
deutschen, .SprichwörtA, Hut, .gewissenhaft und nahezu vollständig angegeben. Die
vielen falschen Schreibungen einzelner Wörter werden in einer dringlich zu wünschenden
neuen Auflage verbessert werden können, ohne daß man den ganzen Bau einzu¬
reihen braucht. Höchstens würde die vor kurzem erfolgte Einführung der neuen
Rechtschreibung einige Anstellungen notwendig machen. Vor allem aber muß eine
gerechte Kritik die ganz außerordentlichen Schwierigkeiten und Hindernisse berück¬
sichtigen, unter denen Wärter zu arbeiten hatte. Das Grimmsche Wörterbuch, das
ungefähr zu derselben Zeit begonnen wurde, hatte gleich zu Anfang zwei und später
mehr wissenschaftlich gebildete und geschulte Bearbeiter, erhielt von mehreren Seiten
Zuschüsse, wenn auch keine bedeutenden, und ist noch nicht fertig Wärter war
mittellos, auf einem preußischen Seminar ganz ungenügend vorgebildet (vgl. das


Maßgebliches und Unmaßgebliches

siegreiche Rußland wurde durchwühlt von Pcmslawismus und Nihilismus; diesem
fiel am 13. März 1881 der Zar Alexander der Zweite zum Opfer. Frankreich
Wllr rasch wieder erstarkt, hatte 1373 eine glänzende Weltausstellung veranstaltet
und schickte sich an. in Tunis und später in Tonking in die Welthändel wieder
Hinzugreifen, während England 1882 seine Hand auf Ägypten legte. Im Innern
des Reichs waren durch das Anwachsen des Sozialismus, die Einführung des
Schutzzollsystems und die ersten Ansätze einer deutschen Kolonialpolitik Mai 1880
Ablehnung der Samoavorlage) unruhige Zeiten für das deutsche Bürgertum ge¬
kommen, und mancher begabte junge Mann, der sich sonst einem wissenschaftlichen
Berufe gewidmet haben würde, ließ sich damals in die hin und her wogenden
Strömungen des politischen und des sozialen Lebens hineinziehn. Aber auch alle,
Zweige der Wissenschaft wurden sorgfältig gepflegt und gefördert, und in der
Germanistik insbesondre gab es Gelehrte genug, die, wie früher Rob. Prutz und
Ad. Diesterweg, über die Bedeutung des Wcmderschen Werkes ein sachgemäßes
Urteil abzugeben vermocht hätten. Diese schreckte jedoch jedenfalls der große Um¬
fang des Sprichwörterlexikons ab. Ein solches Buch liest man nicht wie ?inen
Roman. Sogar Freunde und Kenner der Sprichwortkunde waren nicht geneigt,
zugunsten eines fremden Buchs Opfer an Zeit zu bringen, um so weniger, als sie
vielleicht durch einige frühere ungünstige Urteile von Fachgelehrten gegen das ganze
Werk eingenommen sein mochten. Die Angriffe von Fr. Sandvoß zwar hatte
Wärter im Deutschen Museum von 1867 mit Erfolg zurückgewiesen. Die ab¬
sprechende Kritik der als Schriftstellerin bekannten Gräfin Jda von Düringsfeld
mochte dagegen schwerer und länger ins Gewicht fallen. Einige wenige endlich
übertrugen das noch nicht überwundne Mißtrauen gegen die Persönlichkeit des,
„roten Wärters" der Jahre 1848/49 auf seine wissenschaftliche Arbeit und wollten
aus diesem Grunde nichts davon wissen. Nachdem eine unparteiische Geschicht¬
schreibung einem Rich. Wagner, Gottfr. Kinkel, Ferd. Freiligrath, Gottfr. Semper,
Ad^ Diesterweg, Karl Schurz und andern „Achtundvierzigern" gerecht geworden ist,
haben sich auch die meisten Vorurteile gegen Wärters Charakter und Gesinnung
als haltlos herausgestellt. Die deutsche Lehrerwelt sieht heute in ihm nicht mehr
den wegen „demagogischer Umtriebe" abgesetzten Schulmeister, sondern den voraus¬
schauenden charakterfester Vorkämpfer ihrer idealen Bestrebungen, und hat das bei
Gelegenheit, der Feier von Wärters hundertsten Geburtstag am 27. Dezember 1903
in Hirschberg (vgl. Karl Frei, K. F. W. Wärter. ein deutscher Schul- und Volks-
mann des neunzehnten Jahrhunderts, Quirl, Verlag von Hugo Wärter, 1903)
laut und öffentlich ausgesprochen. Somit wird jene auffällige Teilnahmlosigkeit aller
zur Kritik berufnen Kreise gegenüber dem vollendeten Deutschen Sprichwörterlexikon
am wahrscheinlichsten auf den Einfluß der Gräfin von Düringsfeld zurückzuführen
sein.i Und', in,,der" Tatv.schM.Hr, wegwerfendes Urteil nicht ganz ohne Begrün¬
dung. Bei genauerer Prüfung entdeckt man im Wärter eine recht bedeutende
Anzahl Fehler, Irrtümer und Versehen, namentlich was Zitate ans fremden Sprachen
betrifft. T,rotzdem,hielt>t das Werk eine Leistung ersten Ranges. Die Anordnung,
im ganzen ist klar und übersichtlich, und die Quellen und die Fundstätten der
deutschen, .SprichwörtA, Hut, .gewissenhaft und nahezu vollständig angegeben. Die
vielen falschen Schreibungen einzelner Wörter werden in einer dringlich zu wünschenden
neuen Auflage verbessert werden können, ohne daß man den ganzen Bau einzu¬
reihen braucht. Höchstens würde die vor kurzem erfolgte Einführung der neuen
Rechtschreibung einige Anstellungen notwendig machen. Vor allem aber muß eine
gerechte Kritik die ganz außerordentlichen Schwierigkeiten und Hindernisse berück¬
sichtigen, unter denen Wärter zu arbeiten hatte. Das Grimmsche Wörterbuch, das
ungefähr zu derselben Zeit begonnen wurde, hatte gleich zu Anfang zwei und später
mehr wissenschaftlich gebildete und geschulte Bearbeiter, erhielt von mehreren Seiten
Zuschüsse, wenn auch keine bedeutenden, und ist noch nicht fertig Wärter war
mittellos, auf einem preußischen Seminar ganz ungenügend vorgebildet (vgl. das


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[0358] Maßgebliches und Unmaßgebliches siegreiche Rußland wurde durchwühlt von Pcmslawismus und Nihilismus; diesem fiel am 13. März 1881 der Zar Alexander der Zweite zum Opfer. Frankreich Wllr rasch wieder erstarkt, hatte 1373 eine glänzende Weltausstellung veranstaltet und schickte sich an. in Tunis und später in Tonking in die Welthändel wieder Hinzugreifen, während England 1882 seine Hand auf Ägypten legte. Im Innern des Reichs waren durch das Anwachsen des Sozialismus, die Einführung des Schutzzollsystems und die ersten Ansätze einer deutschen Kolonialpolitik Mai 1880 Ablehnung der Samoavorlage) unruhige Zeiten für das deutsche Bürgertum ge¬ kommen, und mancher begabte junge Mann, der sich sonst einem wissenschaftlichen Berufe gewidmet haben würde, ließ sich damals in die hin und her wogenden Strömungen des politischen und des sozialen Lebens hineinziehn. Aber auch alle, Zweige der Wissenschaft wurden sorgfältig gepflegt und gefördert, und in der Germanistik insbesondre gab es Gelehrte genug, die, wie früher Rob. Prutz und Ad. Diesterweg, über die Bedeutung des Wcmderschen Werkes ein sachgemäßes Urteil abzugeben vermocht hätten. Diese schreckte jedoch jedenfalls der große Um¬ fang des Sprichwörterlexikons ab. Ein solches Buch liest man nicht wie ?inen Roman. Sogar Freunde und Kenner der Sprichwortkunde waren nicht geneigt, zugunsten eines fremden Buchs Opfer an Zeit zu bringen, um so weniger, als sie vielleicht durch einige frühere ungünstige Urteile von Fachgelehrten gegen das ganze Werk eingenommen sein mochten. Die Angriffe von Fr. Sandvoß zwar hatte Wärter im Deutschen Museum von 1867 mit Erfolg zurückgewiesen. Die ab¬ sprechende Kritik der als Schriftstellerin bekannten Gräfin Jda von Düringsfeld mochte dagegen schwerer und länger ins Gewicht fallen. Einige wenige endlich übertrugen das noch nicht überwundne Mißtrauen gegen die Persönlichkeit des, „roten Wärters" der Jahre 1848/49 auf seine wissenschaftliche Arbeit und wollten aus diesem Grunde nichts davon wissen. Nachdem eine unparteiische Geschicht¬ schreibung einem Rich. Wagner, Gottfr. Kinkel, Ferd. Freiligrath, Gottfr. Semper, Ad^ Diesterweg, Karl Schurz und andern „Achtundvierzigern" gerecht geworden ist, haben sich auch die meisten Vorurteile gegen Wärters Charakter und Gesinnung als haltlos herausgestellt. Die deutsche Lehrerwelt sieht heute in ihm nicht mehr den wegen „demagogischer Umtriebe" abgesetzten Schulmeister, sondern den voraus¬ schauenden charakterfester Vorkämpfer ihrer idealen Bestrebungen, und hat das bei Gelegenheit, der Feier von Wärters hundertsten Geburtstag am 27. Dezember 1903 in Hirschberg (vgl. Karl Frei, K. F. W. Wärter. ein deutscher Schul- und Volks- mann des neunzehnten Jahrhunderts, Quirl, Verlag von Hugo Wärter, 1903) laut und öffentlich ausgesprochen. Somit wird jene auffällige Teilnahmlosigkeit aller zur Kritik berufnen Kreise gegenüber dem vollendeten Deutschen Sprichwörterlexikon am wahrscheinlichsten auf den Einfluß der Gräfin von Düringsfeld zurückzuführen sein.i Und', in,,der" Tatv.schM.Hr, wegwerfendes Urteil nicht ganz ohne Begrün¬ dung. Bei genauerer Prüfung entdeckt man im Wärter eine recht bedeutende Anzahl Fehler, Irrtümer und Versehen, namentlich was Zitate ans fremden Sprachen betrifft. T,rotzdem,hielt>t das Werk eine Leistung ersten Ranges. Die Anordnung, im ganzen ist klar und übersichtlich, und die Quellen und die Fundstätten der deutschen, .SprichwörtA, Hut, .gewissenhaft und nahezu vollständig angegeben. Die vielen falschen Schreibungen einzelner Wörter werden in einer dringlich zu wünschenden neuen Auflage verbessert werden können, ohne daß man den ganzen Bau einzu¬ reihen braucht. Höchstens würde die vor kurzem erfolgte Einführung der neuen Rechtschreibung einige Anstellungen notwendig machen. Vor allem aber muß eine gerechte Kritik die ganz außerordentlichen Schwierigkeiten und Hindernisse berück¬ sichtigen, unter denen Wärter zu arbeiten hatte. Das Grimmsche Wörterbuch, das ungefähr zu derselben Zeit begonnen wurde, hatte gleich zu Anfang zwei und später mehr wissenschaftlich gebildete und geschulte Bearbeiter, erhielt von mehreren Seiten Zuschüsse, wenn auch keine bedeutenden, und ist noch nicht fertig Wärter war mittellos, auf einem preußischen Seminar ganz ungenügend vorgebildet (vgl. das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/358>, abgerufen am 20.05.2024.