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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Argentinien

empfehlen, da die Regierungsländereien in den ganz spärlich bevölkerten, dem
Verkehr noch nicht erschlossenen Nationalterritorien gelegen sind. Der neu
Eingewanderte tut gut daran, sich in schon mehr bevölkerten Zentren anzu¬
siedeln. Die Kolonisation liegt hier so gut wie ausschließlich in den Händen
von privaten Gesellschaften, da die Kolonisationstätigkeit der Negierung durch¬
aus negative Resultate ergeben hat. Die Gesellschaften verkaufen Landlose
in größern Kolonien bei Gewährung von Zahlungserleichterungen, meist gegen
Anzahlung von einem Drittel oder Viertel des Preises und Abtragung des
Restes in drei oder vier Jahresquoten. Die Erfahrung lehrt, daß die Käufer
die Abschlagszahlungen gewöhnlich aus den Erträgen der Ernten leisten können.
Dieselben sind deshalb in drei bis fünf Jahren freie Eigentümer ihres Landes.
Zu bemerken ist, daß unser Unternehmen im Falle eingetretner Mißernten
den Kolonisten die Bezahlung ihrer Quote auf ein weiteres Jahr stündet,
wodurch sich das Risiko der Leute um ein Erhebliches vermindert. Einwandrer,
welche als Zwischendeckpassagiere in Buenos Aires ankommen, werden von
der Regierung von hier aus kostenfrei nach dem von ihnen gewählten Be¬
stimmungsort befördert und genießen auch sonstige Erleichterungen. Kajüts¬
passagiere haben die Reisekosten selbst zu tragen."

Herr Stroeder stellt darauf eine ungemein interessante Untersuchung über
die Rentabilität kleinerer Ackerwirtschaften an, wie sie für unsre Bauern haupt¬
sächlich in Betracht kommen, wobei er von der Voraussetzung ausgeht,
daß der Kolonist selbst die ganze Feldarbeit besorgt, und daß seine Familie
die Hausarbeiten macht, sodaß er keine fremde Hilfe nötig hat. "Der Kolonist
muß sich Haus und Brunnen selber bauen und kann bei nötigem Fleiß und
Umsicht im ersten Jahre 50 und in den darauffolgenden Jahren 75 Hektar
mit Weizen besäen, während er die restlichen 25 Hektar als Viehweide liegen
lassen muß. Kleinere Familien sollen nämlich ein Grundstück von nicht
weniger als 100 Hektar erwerben." Bei einem Ankaufspreise von 60 ß für
den Hektar muß der Kolonist im Anfang eine Anzahlung von 1500 K machen.
Dazu kommt: Einrichtung 550 dz, Inventar 2320 h, Lebensmittel für zwölf
Monate 600 h, Saatweizen für 50 Hektar 240 dz, Ernteunkosten und Ernte¬
löhne 250 dz, in Summa 5560 ez. Der Kolonist hat also ein Kapital von
6000 K oder rund 11000 Mark nötig, wenn er in Argentinien mit einiger
Aussicht auf Erfolg selbständig arbeiten will. Herr Stroeder nimmt sogar
7000 an und rechnet dann mit peinlicher Genauigkeit nach, daß sich dieses
kleine Kapital bei Mittelernten im Verlaufe von drei Jahren auf 11210 K
vermehren muß. Dabei rechnet er den Reinertrag des ersten Jahres mit
1980 ß. Hat der Kolonist nun ein Kapital von 7000 H ins Land gebracht,
so beträgt sein Barvermögen nach der ersten Ernte 3420 ß. Davon gehn
ab: als zweite Quote der Landbezahlung 1500 K, dazu 8 Prozent Zinsen für
4500 dz gleich 360 und für Lebensunterhalt und Erntekosten 1125 K, in
Summa 2985 ez. Es bleiben also nur 435 Z nach, zu denen dann der Rein-


Argentinien

empfehlen, da die Regierungsländereien in den ganz spärlich bevölkerten, dem
Verkehr noch nicht erschlossenen Nationalterritorien gelegen sind. Der neu
Eingewanderte tut gut daran, sich in schon mehr bevölkerten Zentren anzu¬
siedeln. Die Kolonisation liegt hier so gut wie ausschließlich in den Händen
von privaten Gesellschaften, da die Kolonisationstätigkeit der Negierung durch¬
aus negative Resultate ergeben hat. Die Gesellschaften verkaufen Landlose
in größern Kolonien bei Gewährung von Zahlungserleichterungen, meist gegen
Anzahlung von einem Drittel oder Viertel des Preises und Abtragung des
Restes in drei oder vier Jahresquoten. Die Erfahrung lehrt, daß die Käufer
die Abschlagszahlungen gewöhnlich aus den Erträgen der Ernten leisten können.
Dieselben sind deshalb in drei bis fünf Jahren freie Eigentümer ihres Landes.
Zu bemerken ist, daß unser Unternehmen im Falle eingetretner Mißernten
den Kolonisten die Bezahlung ihrer Quote auf ein weiteres Jahr stündet,
wodurch sich das Risiko der Leute um ein Erhebliches vermindert. Einwandrer,
welche als Zwischendeckpassagiere in Buenos Aires ankommen, werden von
der Regierung von hier aus kostenfrei nach dem von ihnen gewählten Be¬
stimmungsort befördert und genießen auch sonstige Erleichterungen. Kajüts¬
passagiere haben die Reisekosten selbst zu tragen."

Herr Stroeder stellt darauf eine ungemein interessante Untersuchung über
die Rentabilität kleinerer Ackerwirtschaften an, wie sie für unsre Bauern haupt¬
sächlich in Betracht kommen, wobei er von der Voraussetzung ausgeht,
daß der Kolonist selbst die ganze Feldarbeit besorgt, und daß seine Familie
die Hausarbeiten macht, sodaß er keine fremde Hilfe nötig hat. „Der Kolonist
muß sich Haus und Brunnen selber bauen und kann bei nötigem Fleiß und
Umsicht im ersten Jahre 50 und in den darauffolgenden Jahren 75 Hektar
mit Weizen besäen, während er die restlichen 25 Hektar als Viehweide liegen
lassen muß. Kleinere Familien sollen nämlich ein Grundstück von nicht
weniger als 100 Hektar erwerben." Bei einem Ankaufspreise von 60 ß für
den Hektar muß der Kolonist im Anfang eine Anzahlung von 1500 K machen.
Dazu kommt: Einrichtung 550 dz, Inventar 2320 h, Lebensmittel für zwölf
Monate 600 h, Saatweizen für 50 Hektar 240 dz, Ernteunkosten und Ernte¬
löhne 250 dz, in Summa 5560 ez. Der Kolonist hat also ein Kapital von
6000 K oder rund 11000 Mark nötig, wenn er in Argentinien mit einiger
Aussicht auf Erfolg selbständig arbeiten will. Herr Stroeder nimmt sogar
7000 an und rechnet dann mit peinlicher Genauigkeit nach, daß sich dieses
kleine Kapital bei Mittelernten im Verlaufe von drei Jahren auf 11210 K
vermehren muß. Dabei rechnet er den Reinertrag des ersten Jahres mit
1980 ß. Hat der Kolonist nun ein Kapital von 7000 H ins Land gebracht,
so beträgt sein Barvermögen nach der ersten Ernte 3420 ß. Davon gehn
ab: als zweite Quote der Landbezahlung 1500 K, dazu 8 Prozent Zinsen für
4500 dz gleich 360 und für Lebensunterhalt und Erntekosten 1125 K, in
Summa 2985 ez. Es bleiben also nur 435 Z nach, zu denen dann der Rein-


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[0184] Argentinien empfehlen, da die Regierungsländereien in den ganz spärlich bevölkerten, dem Verkehr noch nicht erschlossenen Nationalterritorien gelegen sind. Der neu Eingewanderte tut gut daran, sich in schon mehr bevölkerten Zentren anzu¬ siedeln. Die Kolonisation liegt hier so gut wie ausschließlich in den Händen von privaten Gesellschaften, da die Kolonisationstätigkeit der Negierung durch¬ aus negative Resultate ergeben hat. Die Gesellschaften verkaufen Landlose in größern Kolonien bei Gewährung von Zahlungserleichterungen, meist gegen Anzahlung von einem Drittel oder Viertel des Preises und Abtragung des Restes in drei oder vier Jahresquoten. Die Erfahrung lehrt, daß die Käufer die Abschlagszahlungen gewöhnlich aus den Erträgen der Ernten leisten können. Dieselben sind deshalb in drei bis fünf Jahren freie Eigentümer ihres Landes. Zu bemerken ist, daß unser Unternehmen im Falle eingetretner Mißernten den Kolonisten die Bezahlung ihrer Quote auf ein weiteres Jahr stündet, wodurch sich das Risiko der Leute um ein Erhebliches vermindert. Einwandrer, welche als Zwischendeckpassagiere in Buenos Aires ankommen, werden von der Regierung von hier aus kostenfrei nach dem von ihnen gewählten Be¬ stimmungsort befördert und genießen auch sonstige Erleichterungen. Kajüts¬ passagiere haben die Reisekosten selbst zu tragen." Herr Stroeder stellt darauf eine ungemein interessante Untersuchung über die Rentabilität kleinerer Ackerwirtschaften an, wie sie für unsre Bauern haupt¬ sächlich in Betracht kommen, wobei er von der Voraussetzung ausgeht, daß der Kolonist selbst die ganze Feldarbeit besorgt, und daß seine Familie die Hausarbeiten macht, sodaß er keine fremde Hilfe nötig hat. „Der Kolonist muß sich Haus und Brunnen selber bauen und kann bei nötigem Fleiß und Umsicht im ersten Jahre 50 und in den darauffolgenden Jahren 75 Hektar mit Weizen besäen, während er die restlichen 25 Hektar als Viehweide liegen lassen muß. Kleinere Familien sollen nämlich ein Grundstück von nicht weniger als 100 Hektar erwerben." Bei einem Ankaufspreise von 60 ß für den Hektar muß der Kolonist im Anfang eine Anzahlung von 1500 K machen. Dazu kommt: Einrichtung 550 dz, Inventar 2320 h, Lebensmittel für zwölf Monate 600 h, Saatweizen für 50 Hektar 240 dz, Ernteunkosten und Ernte¬ löhne 250 dz, in Summa 5560 ez. Der Kolonist hat also ein Kapital von 6000 K oder rund 11000 Mark nötig, wenn er in Argentinien mit einiger Aussicht auf Erfolg selbständig arbeiten will. Herr Stroeder nimmt sogar 7000 an und rechnet dann mit peinlicher Genauigkeit nach, daß sich dieses kleine Kapital bei Mittelernten im Verlaufe von drei Jahren auf 11210 K vermehren muß. Dabei rechnet er den Reinertrag des ersten Jahres mit 1980 ß. Hat der Kolonist nun ein Kapital von 7000 H ins Land gebracht, so beträgt sein Barvermögen nach der ersten Ernte 3420 ß. Davon gehn ab: als zweite Quote der Landbezahlung 1500 K, dazu 8 Prozent Zinsen für 4500 dz gleich 360 und für Lebensunterhalt und Erntekosten 1125 K, in Summa 2985 ez. Es bleiben also nur 435 Z nach, zu denen dann der Rein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/184>, abgerufen am 13.06.2024.