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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Gckermann an Goethe

Nachmittags um 3. Uhr sahen wir das schöne L^sssl vor uns liegen, bald
nach 4. kamen wir an. Wir erfuhren, daß die Post nach DüssMork am
nächsten Tage und die Post nach Hannover am 3 gehe. Wir gingen in den
Gasthof zum Uronxrinsiöu von ?r6usson und nahmen wieder ein Zimmer ge¬
meinschaftlich. Meinem Gefährten v. I^soerA war Dassel nicht unbekannt, er
war Page am Westphälischen Hofe gewesen, und sein Vater hatte damals die
Jäger-Garde commandirt. Indem wir uns umzogen erzählte er mir viel von
dem poetischen Treiben in Lsrliu und daß die jüngeren Talente wie Uolwi
und desgl. Herrn ?ouqus den Hof machen. Er war viel in diesen Cirkeln ge¬
wesen und sprach gut über poetische Gegenstände. Einen Lsrliner Theater Zettel
schenkte er mir, den ich für Sedüt"*) beilege, weil sein Stück darauf steht.
Frau von 6ost,U6°^) kannte er sehr wohl, er erinnerte sich öfters mit ihr ge¬
tanzt zu haben. Ich sagte ihm nichts von meinen Verhältnissen zu ihnen, weil
sonst die Leute gewöhnlich nach allem fragen. Ich machte mit ihm gegen Abend
einen Spazirgang durch die schöne Stadt, und er machte die Bemerkung daß
alle am Wasser gelegenen Städte, in der Regel schöner gebaut seyen, wegen
leichterer Zufuhr des Materials. Das Theater ist seit 8. Tagen geschlossen.
Doch betrachtete ich es diesen Abend noch von Außen.

Am andern Morgen 10. Uhr ging ich LcmtKsr aufzusuchen. Ich fand ihn
im Theater, oben auf dem Boden, an einer bunten Decoration malend. Er
hatte große Freude mich zu sehen. Ich verlebte mit ihm den ganzen Tag bis
Abends 10. Uhr höchst interessante Stunden. Doch hievon in meinem nächsten
Briefe. Deun jetzt fehlt es an Zeit, mein Coffer ist schon wieder gepackt und
zur Post, in einer Stunde geht der Wagen nach Hannover ab. LsvMsi wird
gleich hier seyn um Abschied zu nehmen. Er giebt mir einen Brief an XlinZs-
marm*^) in LraunsouvkiK den ich vielleicht auf meiner Rückreise besuche. Ich
habe mit LsuMsr so vieles gesprochen, er ist ein trefflicher Mann, und so voller
Verstand. Viele tausend Empfehlungen an Eure Excellenz hat er mir auf¬
getragen. Es thut mir leid daß ich so schlecht geschrieben habe, allein Feder
und Papier und Zeit und Zustände Alles war mir hinderlich. Doch da Sie
Alles kennen entschuldigen Sie gewiß. Ich bitte um die herzlichsten Grüße an
Alle die Ihnen nahe sind. Meinen nächsten Brief will ich um mit eus8öl





") Dr. Joh. Stephan Schütze (1771 bis 1839), Schriftsteller und Dichter, der ungefähr
seit Schillers Tode in Weimar lebte und im Goethekreise verkehrte. Eckermann, der in seinen
Briefen immer "Schütz" schreibt, war ihm befreundet. Zur Aufführung ist wohl nur sein
Lustspiel "Der Dichter und sein Vaterland" gekommen, was hier gemeint sein wird.
Ottilie von Goethe ist nach Goethes Tagebüchern von Ende Dezember 1823 bis
Anfang März 1824 in Berlin gewesen.
--) Ernst August Friedrich Klingemann (1777 bis 1831), dramatischer Dichter und wieder¬
holt Bühnenleiter in Braunschweig! er war öfters in Weimar. Sein "Faust" war längere Zeit
das Konkurrenzstück des Goethischen.
Gckermann an Goethe

Nachmittags um 3. Uhr sahen wir das schöne L^sssl vor uns liegen, bald
nach 4. kamen wir an. Wir erfuhren, daß die Post nach DüssMork am
nächsten Tage und die Post nach Hannover am 3 gehe. Wir gingen in den
Gasthof zum Uronxrinsiöu von ?r6usson und nahmen wieder ein Zimmer ge¬
meinschaftlich. Meinem Gefährten v. I^soerA war Dassel nicht unbekannt, er
war Page am Westphälischen Hofe gewesen, und sein Vater hatte damals die
Jäger-Garde commandirt. Indem wir uns umzogen erzählte er mir viel von
dem poetischen Treiben in Lsrliu und daß die jüngeren Talente wie Uolwi
und desgl. Herrn ?ouqus den Hof machen. Er war viel in diesen Cirkeln ge¬
wesen und sprach gut über poetische Gegenstände. Einen Lsrliner Theater Zettel
schenkte er mir, den ich für Sedüt«*) beilege, weil sein Stück darauf steht.
Frau von 6ost,U6°^) kannte er sehr wohl, er erinnerte sich öfters mit ihr ge¬
tanzt zu haben. Ich sagte ihm nichts von meinen Verhältnissen zu ihnen, weil
sonst die Leute gewöhnlich nach allem fragen. Ich machte mit ihm gegen Abend
einen Spazirgang durch die schöne Stadt, und er machte die Bemerkung daß
alle am Wasser gelegenen Städte, in der Regel schöner gebaut seyen, wegen
leichterer Zufuhr des Materials. Das Theater ist seit 8. Tagen geschlossen.
Doch betrachtete ich es diesen Abend noch von Außen.

Am andern Morgen 10. Uhr ging ich LcmtKsr aufzusuchen. Ich fand ihn
im Theater, oben auf dem Boden, an einer bunten Decoration malend. Er
hatte große Freude mich zu sehen. Ich verlebte mit ihm den ganzen Tag bis
Abends 10. Uhr höchst interessante Stunden. Doch hievon in meinem nächsten
Briefe. Deun jetzt fehlt es an Zeit, mein Coffer ist schon wieder gepackt und
zur Post, in einer Stunde geht der Wagen nach Hannover ab. LsvMsi wird
gleich hier seyn um Abschied zu nehmen. Er giebt mir einen Brief an XlinZs-
marm*^) in LraunsouvkiK den ich vielleicht auf meiner Rückreise besuche. Ich
habe mit LsuMsr so vieles gesprochen, er ist ein trefflicher Mann, und so voller
Verstand. Viele tausend Empfehlungen an Eure Excellenz hat er mir auf¬
getragen. Es thut mir leid daß ich so schlecht geschrieben habe, allein Feder
und Papier und Zeit und Zustände Alles war mir hinderlich. Doch da Sie
Alles kennen entschuldigen Sie gewiß. Ich bitte um die herzlichsten Grüße an
Alle die Ihnen nahe sind. Meinen nächsten Brief will ich um mit eus8öl





») Dr. Joh. Stephan Schütze (1771 bis 1839), Schriftsteller und Dichter, der ungefähr
seit Schillers Tode in Weimar lebte und im Goethekreise verkehrte. Eckermann, der in seinen
Briefen immer „Schütz" schreibt, war ihm befreundet. Zur Aufführung ist wohl nur sein
Lustspiel „Der Dichter und sein Vaterland" gekommen, was hier gemeint sein wird.
Ottilie von Goethe ist nach Goethes Tagebüchern von Ende Dezember 1823 bis
Anfang März 1824 in Berlin gewesen.
—) Ernst August Friedrich Klingemann (1777 bis 1831), dramatischer Dichter und wieder¬
holt Bühnenleiter in Braunschweig! er war öfters in Weimar. Sein „Faust" war längere Zeit
das Konkurrenzstück des Goethischen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/39>, abgerufen am 21.05.2024.