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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Braustcuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

und zwar in einer solchen Form, daß es nicht etwa in der kürzesten Frist
aus dem Unternehmen herausgezogen oder ihm entzogen werden kann.
Deshalb würde sich auch, wenn dem Gedanken überhaupt näher getreten werden
sollte, nur eine doppelte Möglichkeit dafür eröffnen: entweder, sofern tatsäch¬
lich solche Genossenschaften gegründet werden sollten, dürften nur Brauereien
gepachtet werden können, um darin einen Betrieb für genossenschaftliche
Rechnung zu eröffnen und auf diese Weise die Investierung von Kapitalien
für eigne Rechnung auf das geringste Maß zu beschränken, oder aber, falls eben
eine Assoziativ" tatsächlich für eigne Rechnung einen Brauereibetrieb einrichten
will, der den Interessenten des Gastwirtsgewerbes zur Verfügung stehn soll,
so könnte hier nur die Aktienform in Frage kommen. Denn es ist eine
wirtschaftlich zweifellose Erfahrung, daß, sobald ein wirklich größeres wirt¬
schaftliches Produktivunternehmen gewisse Grenzen überschreitet, die Form der
Genossenschaft im engern Sinne über kurz oder lang versagt, und zwar gerade
deshalb, weil die Genossenschaft mehr oder minder eben einem Taubenhause
gleicht, aus dem die Mitglieder ziemlich ungehindert entfliegen können. Die
Grenze zu finden, wo das genossenschaftliche Prinzip aufhört anwendbar zu
sein, und wo eine andre kapitalistische Wirtschaftsform notwendig erscheint, ist
Sache des nationalökonomischen Feingefühls, mit dem die Leiter des Unter¬
nehmens dessen Puls fühlen; allgemeine zahlen- und rechnungsmäßige Normen
lassen sich nach dieser Richtung hin nicht aufstellen.

Die vorstehenden Ausführungen, die auf das knappste Maß beschränkt
worden sind und nur die allerwichtigsten Punkte in gedrängtester Kürze
skizzieren wollen, sollen nach keiner Richtung hin in den wirtschaftlichen Kampf
irgendwie eingreifen, der jetzt in den weitesten Kreisen des Deutschen Reiches
zwischen den Brauereien und den Distributeuren von deren Produkten ent¬
standen ist. Es ist auf das peinlichste vermieden worden, etwa Partei zu
ergreifen. Sie sollen einzig und allein nur dazu dienen, die Leiter auf die
Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die unter Umständen entstehn müssen,
wenn sich die Kreise, denen der Vertrieb des Bieres obliegt, bei dessen Er¬
zeugung auf eigne Füße stellen wollen.

Die Warnung zur höchsten Vorsicht erscheint aber deshalb aus alle Fälle
gerechtfertigt, weil es ebenso eine nur zu vielfach gemachte Erfahrung ist, daß
bei solchen übereilt und ohne genügende juristische und volkswirtschaftliche
Kenntnis ins Leben gerufnen Unternehmen nicht nur gewaltige -- in Millionen
gehende -- Summen verloren und viele Existenzen geradezu gefährdet werden
können, sondern daß sehr häufig damit auch moralische und ethische Gefahren
verknüpft sind, die zuweilen zu noch schlimmeren führen als nur zu pekuniären
Verlusten.




Grenzboten III 1906S2
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und zwar in einer solchen Form, daß es nicht etwa in der kürzesten Frist
aus dem Unternehmen herausgezogen oder ihm entzogen werden kann.
Deshalb würde sich auch, wenn dem Gedanken überhaupt näher getreten werden
sollte, nur eine doppelte Möglichkeit dafür eröffnen: entweder, sofern tatsäch¬
lich solche Genossenschaften gegründet werden sollten, dürften nur Brauereien
gepachtet werden können, um darin einen Betrieb für genossenschaftliche
Rechnung zu eröffnen und auf diese Weise die Investierung von Kapitalien
für eigne Rechnung auf das geringste Maß zu beschränken, oder aber, falls eben
eine Assoziativ» tatsächlich für eigne Rechnung einen Brauereibetrieb einrichten
will, der den Interessenten des Gastwirtsgewerbes zur Verfügung stehn soll,
so könnte hier nur die Aktienform in Frage kommen. Denn es ist eine
wirtschaftlich zweifellose Erfahrung, daß, sobald ein wirklich größeres wirt¬
schaftliches Produktivunternehmen gewisse Grenzen überschreitet, die Form der
Genossenschaft im engern Sinne über kurz oder lang versagt, und zwar gerade
deshalb, weil die Genossenschaft mehr oder minder eben einem Taubenhause
gleicht, aus dem die Mitglieder ziemlich ungehindert entfliegen können. Die
Grenze zu finden, wo das genossenschaftliche Prinzip aufhört anwendbar zu
sein, und wo eine andre kapitalistische Wirtschaftsform notwendig erscheint, ist
Sache des nationalökonomischen Feingefühls, mit dem die Leiter des Unter¬
nehmens dessen Puls fühlen; allgemeine zahlen- und rechnungsmäßige Normen
lassen sich nach dieser Richtung hin nicht aufstellen.

Die vorstehenden Ausführungen, die auf das knappste Maß beschränkt
worden sind und nur die allerwichtigsten Punkte in gedrängtester Kürze
skizzieren wollen, sollen nach keiner Richtung hin in den wirtschaftlichen Kampf
irgendwie eingreifen, der jetzt in den weitesten Kreisen des Deutschen Reiches
zwischen den Brauereien und den Distributeuren von deren Produkten ent¬
standen ist. Es ist auf das peinlichste vermieden worden, etwa Partei zu
ergreifen. Sie sollen einzig und allein nur dazu dienen, die Leiter auf die
Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die unter Umständen entstehn müssen,
wenn sich die Kreise, denen der Vertrieb des Bieres obliegt, bei dessen Er¬
zeugung auf eigne Füße stellen wollen.

Die Warnung zur höchsten Vorsicht erscheint aber deshalb aus alle Fälle
gerechtfertigt, weil es ebenso eine nur zu vielfach gemachte Erfahrung ist, daß
bei solchen übereilt und ohne genügende juristische und volkswirtschaftliche
Kenntnis ins Leben gerufnen Unternehmen nicht nur gewaltige — in Millionen
gehende — Summen verloren und viele Existenzen geradezu gefährdet werden
können, sondern daß sehr häufig damit auch moralische und ethische Gefahren
verknüpft sind, die zuweilen zu noch schlimmeren führen als nur zu pekuniären
Verlusten.




Grenzboten III 1906S2
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[0401] Braustcuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien und zwar in einer solchen Form, daß es nicht etwa in der kürzesten Frist aus dem Unternehmen herausgezogen oder ihm entzogen werden kann. Deshalb würde sich auch, wenn dem Gedanken überhaupt näher getreten werden sollte, nur eine doppelte Möglichkeit dafür eröffnen: entweder, sofern tatsäch¬ lich solche Genossenschaften gegründet werden sollten, dürften nur Brauereien gepachtet werden können, um darin einen Betrieb für genossenschaftliche Rechnung zu eröffnen und auf diese Weise die Investierung von Kapitalien für eigne Rechnung auf das geringste Maß zu beschränken, oder aber, falls eben eine Assoziativ» tatsächlich für eigne Rechnung einen Brauereibetrieb einrichten will, der den Interessenten des Gastwirtsgewerbes zur Verfügung stehn soll, so könnte hier nur die Aktienform in Frage kommen. Denn es ist eine wirtschaftlich zweifellose Erfahrung, daß, sobald ein wirklich größeres wirt¬ schaftliches Produktivunternehmen gewisse Grenzen überschreitet, die Form der Genossenschaft im engern Sinne über kurz oder lang versagt, und zwar gerade deshalb, weil die Genossenschaft mehr oder minder eben einem Taubenhause gleicht, aus dem die Mitglieder ziemlich ungehindert entfliegen können. Die Grenze zu finden, wo das genossenschaftliche Prinzip aufhört anwendbar zu sein, und wo eine andre kapitalistische Wirtschaftsform notwendig erscheint, ist Sache des nationalökonomischen Feingefühls, mit dem die Leiter des Unter¬ nehmens dessen Puls fühlen; allgemeine zahlen- und rechnungsmäßige Normen lassen sich nach dieser Richtung hin nicht aufstellen. Die vorstehenden Ausführungen, die auf das knappste Maß beschränkt worden sind und nur die allerwichtigsten Punkte in gedrängtester Kürze skizzieren wollen, sollen nach keiner Richtung hin in den wirtschaftlichen Kampf irgendwie eingreifen, der jetzt in den weitesten Kreisen des Deutschen Reiches zwischen den Brauereien und den Distributeuren von deren Produkten ent¬ standen ist. Es ist auf das peinlichste vermieden worden, etwa Partei zu ergreifen. Sie sollen einzig und allein nur dazu dienen, die Leiter auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die unter Umständen entstehn müssen, wenn sich die Kreise, denen der Vertrieb des Bieres obliegt, bei dessen Er¬ zeugung auf eigne Füße stellen wollen. Die Warnung zur höchsten Vorsicht erscheint aber deshalb aus alle Fälle gerechtfertigt, weil es ebenso eine nur zu vielfach gemachte Erfahrung ist, daß bei solchen übereilt und ohne genügende juristische und volkswirtschaftliche Kenntnis ins Leben gerufnen Unternehmen nicht nur gewaltige — in Millionen gehende — Summen verloren und viele Existenzen geradezu gefährdet werden können, sondern daß sehr häufig damit auch moralische und ethische Gefahren verknüpft sind, die zuweilen zu noch schlimmeren führen als nur zu pekuniären Verlusten. Grenzboten III 1906S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/401>, abgerufen am 18.05.2024.