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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Geschichte dieser traurigen Entwicklung ist kurz berichtet. Die Deszen¬
denztheorie, deren Begründer die neue Bahn durch erkenntniskritische Erwägungen
nicht zu begrenzen verstanden haben, mußte der Ursprung des abenteuerlichsten
Materialismus werden. Leute wie Fritz Müller, Karl Vogt, Büchner, Weismann
und Häckel wetteiferten miteinander in dem Bestreben, der Naturwissenschaft eine
glaubensfeindliche Richtung aufzudrängen. Vergebens warnte Rudolf Virchow vor
dieser "Aufklärungsarbeit. Umsonst zeigten kühler denkende Menschen, daß ge¬
wagte Hypothesen nicht imstande sind, dem Volke einen moralischen Halt zu bieten.
Und obgleich der Materialismus wissenschaftlich nicht mehr ernst zu nehmen ist:
als agitatorisches Prinzip hat er längst gesiegt.

Seine Früchte beginnen zu reifen. Vor wenig Monaten berichtete man der
aufmerksamen Welt von einem sonderbaren Beschluß der Bremer Volksschullehrer.
Sie verlangten, daß der Religionsunterricht durch eine allgemeine Morallehre er¬
setzt werde. Viel wurde über diesen Beschluß debattiert. Die liberalen Zeitungen,
die immer das Tiefsinnigste loben, freuten sich auch diesmal über den gelungner
Scherz. Und manche waren gar entrüstet ob der "reaktionären" Bosheit, die die
Bremer Leute verlachte. Während des ganzen Streites aber hat man immer auf
eine Frage gewartet, die nicht ausgesprochen worden ist, obschon sie sich allen Ein¬
sichtigen hätte aufdrängen müssen. Eine Frage, die so recht dazu geeignet schien,
den reformeifrigen Volksschullehrern die Lust am "Reformieren" zu verbittern:
Ihr wollt die Jugend nicht in Religion, sondern in Moral unterweisen. Vor¬
trefflich; aber welche Moral meint ihr denn? Spinozas oder Leibnizens Grund¬
sätze? Gefällt euch die Ethik Humes, oder huldigt ihr den Kantischen Imperativen?
Predigt ihr die pessimistische Sittlichkeitsauffassung Schopenhauers, oder preist ihr
Nietzsches "Willen zur Macht"? Wollt ihr der Jugend Hegels Staatsideale ein¬
prägen oder Stirners "Einzigen" den Triumph der höchsten Weisheit gewähren?
Wie versöhnt man, ihr klugen Männer, bei euch in Bremen diese abgrundtiefen
Gegensätze? Wie wählt man aus dem Unendlich-Verschiednem eine einheitliche
Moral? Und glaubt ihr, daß den Bremer Volksschullehrern gelingen werde, was
den größten Denkern unausführbar dünkte: eine allgemein giltige Sittlichkeit ohne
religiöse oder metaphysische Voraussetzungen aus bloßer Vernunft zu begründen?
Wenn man diesen Stein der Weisen unter der Assistenz siebenjähriger Kinder auf¬
finden will -- dann ist es freilich gut, ihn frühzeitig zu suchen. Wer Blei in
Gold verwandeln und kreisrunde Dreiecke formen soll, möge in der Jugend be¬
ginnen, damit er es im Alter wenigstens zu einer schonen Hoffnung bringe.

Wir zweifeln nicht daran, daß die Bremer Volksschullehrer nicht so arges im
Schilde geführt haben. Probleme zu lösen, lag ihnen fern. Die Lehrer haben
nur gedankenlos wiederholt, was ihnen "freireligiöse" und "sozial-ethische" Ge¬
meinden beständig einreden: daß die Moral unabhängig von allen Dogmen be¬
steh" könne.

So oft hat man diese Behauptung schon gehört, daß man sich wohl all¬
mählich das Recht erworben hat, sie bewiesen zu sehen. Bis jetzt ist nichts dergleichen
geschehn. Es war zu viel zu tun. Man mußte die "Finsterlinge" bekämpfen und
über die Kirche spotten. Wäre man denn sonst nicht am Ende doch auf den Ge¬
danken geraten, daß "Spießbürger," die aus religiöser Überzeugung sittlich leben,
mehr Menschenwürde haben als "Vernünftige," die sich ohne jedes Vernunftargu¬
ment an die herrschende Ethik halten? Die Gott abschaffen und sich trotzdem nach
seinen Geboten richten, die die Offenbarung leugnen und sie doch befolgen? Der
Darwinist und "Sozialethiker" Carreri sagt einmal: "Nichts liegt uns ferner, als
die Sittlichkeit aus den Gesetzen des Kampfes ums Dasein ableiten zu wollen."


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Geschichte dieser traurigen Entwicklung ist kurz berichtet. Die Deszen¬
denztheorie, deren Begründer die neue Bahn durch erkenntniskritische Erwägungen
nicht zu begrenzen verstanden haben, mußte der Ursprung des abenteuerlichsten
Materialismus werden. Leute wie Fritz Müller, Karl Vogt, Büchner, Weismann
und Häckel wetteiferten miteinander in dem Bestreben, der Naturwissenschaft eine
glaubensfeindliche Richtung aufzudrängen. Vergebens warnte Rudolf Virchow vor
dieser „Aufklärungsarbeit. Umsonst zeigten kühler denkende Menschen, daß ge¬
wagte Hypothesen nicht imstande sind, dem Volke einen moralischen Halt zu bieten.
Und obgleich der Materialismus wissenschaftlich nicht mehr ernst zu nehmen ist:
als agitatorisches Prinzip hat er längst gesiegt.

Seine Früchte beginnen zu reifen. Vor wenig Monaten berichtete man der
aufmerksamen Welt von einem sonderbaren Beschluß der Bremer Volksschullehrer.
Sie verlangten, daß der Religionsunterricht durch eine allgemeine Morallehre er¬
setzt werde. Viel wurde über diesen Beschluß debattiert. Die liberalen Zeitungen,
die immer das Tiefsinnigste loben, freuten sich auch diesmal über den gelungner
Scherz. Und manche waren gar entrüstet ob der „reaktionären" Bosheit, die die
Bremer Leute verlachte. Während des ganzen Streites aber hat man immer auf
eine Frage gewartet, die nicht ausgesprochen worden ist, obschon sie sich allen Ein¬
sichtigen hätte aufdrängen müssen. Eine Frage, die so recht dazu geeignet schien,
den reformeifrigen Volksschullehrern die Lust am „Reformieren" zu verbittern:
Ihr wollt die Jugend nicht in Religion, sondern in Moral unterweisen. Vor¬
trefflich; aber welche Moral meint ihr denn? Spinozas oder Leibnizens Grund¬
sätze? Gefällt euch die Ethik Humes, oder huldigt ihr den Kantischen Imperativen?
Predigt ihr die pessimistische Sittlichkeitsauffassung Schopenhauers, oder preist ihr
Nietzsches „Willen zur Macht"? Wollt ihr der Jugend Hegels Staatsideale ein¬
prägen oder Stirners „Einzigen" den Triumph der höchsten Weisheit gewähren?
Wie versöhnt man, ihr klugen Männer, bei euch in Bremen diese abgrundtiefen
Gegensätze? Wie wählt man aus dem Unendlich-Verschiednem eine einheitliche
Moral? Und glaubt ihr, daß den Bremer Volksschullehrern gelingen werde, was
den größten Denkern unausführbar dünkte: eine allgemein giltige Sittlichkeit ohne
religiöse oder metaphysische Voraussetzungen aus bloßer Vernunft zu begründen?
Wenn man diesen Stein der Weisen unter der Assistenz siebenjähriger Kinder auf¬
finden will — dann ist es freilich gut, ihn frühzeitig zu suchen. Wer Blei in
Gold verwandeln und kreisrunde Dreiecke formen soll, möge in der Jugend be¬
ginnen, damit er es im Alter wenigstens zu einer schonen Hoffnung bringe.

Wir zweifeln nicht daran, daß die Bremer Volksschullehrer nicht so arges im
Schilde geführt haben. Probleme zu lösen, lag ihnen fern. Die Lehrer haben
nur gedankenlos wiederholt, was ihnen „freireligiöse" und „sozial-ethische" Ge¬
meinden beständig einreden: daß die Moral unabhängig von allen Dogmen be¬
steh» könne.

So oft hat man diese Behauptung schon gehört, daß man sich wohl all¬
mählich das Recht erworben hat, sie bewiesen zu sehen. Bis jetzt ist nichts dergleichen
geschehn. Es war zu viel zu tun. Man mußte die „Finsterlinge" bekämpfen und
über die Kirche spotten. Wäre man denn sonst nicht am Ende doch auf den Ge¬
danken geraten, daß „Spießbürger," die aus religiöser Überzeugung sittlich leben,
mehr Menschenwürde haben als „Vernünftige," die sich ohne jedes Vernunftargu¬
ment an die herrschende Ethik halten? Die Gott abschaffen und sich trotzdem nach
seinen Geboten richten, die die Offenbarung leugnen und sie doch befolgen? Der
Darwinist und „Sozialethiker" Carreri sagt einmal: „Nichts liegt uns ferner, als
die Sittlichkeit aus den Gesetzen des Kampfes ums Dasein ableiten zu wollen."


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[0544] Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Geschichte dieser traurigen Entwicklung ist kurz berichtet. Die Deszen¬ denztheorie, deren Begründer die neue Bahn durch erkenntniskritische Erwägungen nicht zu begrenzen verstanden haben, mußte der Ursprung des abenteuerlichsten Materialismus werden. Leute wie Fritz Müller, Karl Vogt, Büchner, Weismann und Häckel wetteiferten miteinander in dem Bestreben, der Naturwissenschaft eine glaubensfeindliche Richtung aufzudrängen. Vergebens warnte Rudolf Virchow vor dieser „Aufklärungsarbeit. Umsonst zeigten kühler denkende Menschen, daß ge¬ wagte Hypothesen nicht imstande sind, dem Volke einen moralischen Halt zu bieten. Und obgleich der Materialismus wissenschaftlich nicht mehr ernst zu nehmen ist: als agitatorisches Prinzip hat er längst gesiegt. Seine Früchte beginnen zu reifen. Vor wenig Monaten berichtete man der aufmerksamen Welt von einem sonderbaren Beschluß der Bremer Volksschullehrer. Sie verlangten, daß der Religionsunterricht durch eine allgemeine Morallehre er¬ setzt werde. Viel wurde über diesen Beschluß debattiert. Die liberalen Zeitungen, die immer das Tiefsinnigste loben, freuten sich auch diesmal über den gelungner Scherz. Und manche waren gar entrüstet ob der „reaktionären" Bosheit, die die Bremer Leute verlachte. Während des ganzen Streites aber hat man immer auf eine Frage gewartet, die nicht ausgesprochen worden ist, obschon sie sich allen Ein¬ sichtigen hätte aufdrängen müssen. Eine Frage, die so recht dazu geeignet schien, den reformeifrigen Volksschullehrern die Lust am „Reformieren" zu verbittern: Ihr wollt die Jugend nicht in Religion, sondern in Moral unterweisen. Vor¬ trefflich; aber welche Moral meint ihr denn? Spinozas oder Leibnizens Grund¬ sätze? Gefällt euch die Ethik Humes, oder huldigt ihr den Kantischen Imperativen? Predigt ihr die pessimistische Sittlichkeitsauffassung Schopenhauers, oder preist ihr Nietzsches „Willen zur Macht"? Wollt ihr der Jugend Hegels Staatsideale ein¬ prägen oder Stirners „Einzigen" den Triumph der höchsten Weisheit gewähren? Wie versöhnt man, ihr klugen Männer, bei euch in Bremen diese abgrundtiefen Gegensätze? Wie wählt man aus dem Unendlich-Verschiednem eine einheitliche Moral? Und glaubt ihr, daß den Bremer Volksschullehrern gelingen werde, was den größten Denkern unausführbar dünkte: eine allgemein giltige Sittlichkeit ohne religiöse oder metaphysische Voraussetzungen aus bloßer Vernunft zu begründen? Wenn man diesen Stein der Weisen unter der Assistenz siebenjähriger Kinder auf¬ finden will — dann ist es freilich gut, ihn frühzeitig zu suchen. Wer Blei in Gold verwandeln und kreisrunde Dreiecke formen soll, möge in der Jugend be¬ ginnen, damit er es im Alter wenigstens zu einer schonen Hoffnung bringe. Wir zweifeln nicht daran, daß die Bremer Volksschullehrer nicht so arges im Schilde geführt haben. Probleme zu lösen, lag ihnen fern. Die Lehrer haben nur gedankenlos wiederholt, was ihnen „freireligiöse" und „sozial-ethische" Ge¬ meinden beständig einreden: daß die Moral unabhängig von allen Dogmen be¬ steh» könne. So oft hat man diese Behauptung schon gehört, daß man sich wohl all¬ mählich das Recht erworben hat, sie bewiesen zu sehen. Bis jetzt ist nichts dergleichen geschehn. Es war zu viel zu tun. Man mußte die „Finsterlinge" bekämpfen und über die Kirche spotten. Wäre man denn sonst nicht am Ende doch auf den Ge¬ danken geraten, daß „Spießbürger," die aus religiöser Überzeugung sittlich leben, mehr Menschenwürde haben als „Vernünftige," die sich ohne jedes Vernunftargu¬ ment an die herrschende Ethik halten? Die Gott abschaffen und sich trotzdem nach seinen Geboten richten, die die Offenbarung leugnen und sie doch befolgen? Der Darwinist und „Sozialethiker" Carreri sagt einmal: „Nichts liegt uns ferner, als die Sittlichkeit aus den Gesetzen des Kampfes ums Dasein ableiten zu wollen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/544>, abgerufen am 17.05.2024.