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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Entwicklung der optischen Telegraphie

Noch bis tief in das neunzehnte Jahrhundert hinein beruhte die Über¬
mittlung von Nachrichten so gut wie ausschließlich auf menschlichen Boten, die
die Mitteilungen mündlich aufrichteten oder in Gestalt von Briefen überbrachten.
Die Schnelligkeit solcher Botenposten war oft genug erstaunlich; von klugen und
energischen Herrschern wurden alle Mittel menschlicher und tierischer Leistungs¬
fähigkeit bis zum äußersten ausgenutzt, um sich die Segnungen eines für ihre Zeit
unerhört schnellen Nachrichtendienstes zu verschaffen. Es sei nur erinnert an das
alte Perserreich und an sein Netz wundervoller Verkehrsstraßen und Wegstationen,
die man zunächst geschaffen hatte, um den reitenden Boten des Großkönigs und
seiner Satrapen das denkbar schnellste Vorwärtskommen zu ermöglichen.

Und doch sehen wir bis in die ältesten Zeiten hinein gelegentlich ein Be¬
streben, sich im Nachrichtenverkehr von der natürlichen Langsamkeit der Bewegung
von Menschen und Tieren und der menschengeschaffnen Fahrzeuge freizumachen.
Optische und gelegentlich auch akustische Zeichen aller Art haben von den frühesten
Zeiten bis auf unsre Tage wenigstens zur raschen Verständigung mit Nachbar¬
orten immer eine große Rolle gespielt. Es ist bekannt, daß die Kenntnis des
optischen Telegraphen zur schnellen Überwindung großer Entfernungen schon
bis in die Zeit des Trojanischen Krieges zurückdatiert wird; Agamemnon soll
der Sage nach den Fall Jlions nach Mykenü durch Feuerzeichen haben melden
lassen, die von Berg zu Berg quer über die Inselwelt des Ägäischen Meeres
über siebzig Meilen hinweg aufflammten. Die berühmte Literaturstelle, die uns
diese kulturhistorisch so interessante Nachricht übermittelt, findet sich in Äschylus
"Agamemnon"; in Vers 8 bis 11 spricht hier der Wächter auf dem Dache des
Schlosses in Mykenü:

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Und immer harr' ich noch des einen Lichts,
Des Flammenscheines, der von Trojas Trümmern
Den frohen Siegesruf herüberschielt.
Mit dieser Kunde dacht ich noch einmal
Der Fürstin stolzes Männerherz zu rühren.

H. von WolzogcnS Übersetzung

Wir kennen auch die Route, auf der diese berühmte Nachricht einst über¬
mittelt worden sein soll. Es war die folgende:

Jda --Hermesfels auf Lemnos....... ISO Kilometer
Lemnos-Athos........... 70
Athos-Makistos-Gebirge........ 180
Makistos-Berg Messapion........ 30 "
Messapion--Kythiiron.......... 2S "
Kythäron-Ägiplanktos......... 30 "
Ägiplanktos --Arechniion-Fels...... . S0 "
Arechnäon--Argos.......... 20 "
Summa SSS Kilometer

Die Entwicklung der optischen Telegraphie

Noch bis tief in das neunzehnte Jahrhundert hinein beruhte die Über¬
mittlung von Nachrichten so gut wie ausschließlich auf menschlichen Boten, die
die Mitteilungen mündlich aufrichteten oder in Gestalt von Briefen überbrachten.
Die Schnelligkeit solcher Botenposten war oft genug erstaunlich; von klugen und
energischen Herrschern wurden alle Mittel menschlicher und tierischer Leistungs¬
fähigkeit bis zum äußersten ausgenutzt, um sich die Segnungen eines für ihre Zeit
unerhört schnellen Nachrichtendienstes zu verschaffen. Es sei nur erinnert an das
alte Perserreich und an sein Netz wundervoller Verkehrsstraßen und Wegstationen,
die man zunächst geschaffen hatte, um den reitenden Boten des Großkönigs und
seiner Satrapen das denkbar schnellste Vorwärtskommen zu ermöglichen.

Und doch sehen wir bis in die ältesten Zeiten hinein gelegentlich ein Be¬
streben, sich im Nachrichtenverkehr von der natürlichen Langsamkeit der Bewegung
von Menschen und Tieren und der menschengeschaffnen Fahrzeuge freizumachen.
Optische und gelegentlich auch akustische Zeichen aller Art haben von den frühesten
Zeiten bis auf unsre Tage wenigstens zur raschen Verständigung mit Nachbar¬
orten immer eine große Rolle gespielt. Es ist bekannt, daß die Kenntnis des
optischen Telegraphen zur schnellen Überwindung großer Entfernungen schon
bis in die Zeit des Trojanischen Krieges zurückdatiert wird; Agamemnon soll
der Sage nach den Fall Jlions nach Mykenü durch Feuerzeichen haben melden
lassen, die von Berg zu Berg quer über die Inselwelt des Ägäischen Meeres
über siebzig Meilen hinweg aufflammten. Die berühmte Literaturstelle, die uns
diese kulturhistorisch so interessante Nachricht übermittelt, findet sich in Äschylus
„Agamemnon"; in Vers 8 bis 11 spricht hier der Wächter auf dem Dache des
Schlosses in Mykenü:

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Und immer harr' ich noch des einen Lichts,
Des Flammenscheines, der von Trojas Trümmern
Den frohen Siegesruf herüberschielt.
Mit dieser Kunde dacht ich noch einmal
Der Fürstin stolzes Männerherz zu rühren.

H. von WolzogcnS Übersetzung

Wir kennen auch die Route, auf der diese berühmte Nachricht einst über¬
mittelt worden sein soll. Es war die folgende:

Jda —Hermesfels auf Lemnos....... ISO Kilometer
Lemnos-Athos........... 70
Athos-Makistos-Gebirge........ 180
Makistos-Berg Messapion........ 30 „
Messapion—Kythiiron.......... 2S „
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[0584] Die Entwicklung der optischen Telegraphie Noch bis tief in das neunzehnte Jahrhundert hinein beruhte die Über¬ mittlung von Nachrichten so gut wie ausschließlich auf menschlichen Boten, die die Mitteilungen mündlich aufrichteten oder in Gestalt von Briefen überbrachten. Die Schnelligkeit solcher Botenposten war oft genug erstaunlich; von klugen und energischen Herrschern wurden alle Mittel menschlicher und tierischer Leistungs¬ fähigkeit bis zum äußersten ausgenutzt, um sich die Segnungen eines für ihre Zeit unerhört schnellen Nachrichtendienstes zu verschaffen. Es sei nur erinnert an das alte Perserreich und an sein Netz wundervoller Verkehrsstraßen und Wegstationen, die man zunächst geschaffen hatte, um den reitenden Boten des Großkönigs und seiner Satrapen das denkbar schnellste Vorwärtskommen zu ermöglichen. Und doch sehen wir bis in die ältesten Zeiten hinein gelegentlich ein Be¬ streben, sich im Nachrichtenverkehr von der natürlichen Langsamkeit der Bewegung von Menschen und Tieren und der menschengeschaffnen Fahrzeuge freizumachen. Optische und gelegentlich auch akustische Zeichen aller Art haben von den frühesten Zeiten bis auf unsre Tage wenigstens zur raschen Verständigung mit Nachbar¬ orten immer eine große Rolle gespielt. Es ist bekannt, daß die Kenntnis des optischen Telegraphen zur schnellen Überwindung großer Entfernungen schon bis in die Zeit des Trojanischen Krieges zurückdatiert wird; Agamemnon soll der Sage nach den Fall Jlions nach Mykenü durch Feuerzeichen haben melden lassen, die von Berg zu Berg quer über die Inselwelt des Ägäischen Meeres über siebzig Meilen hinweg aufflammten. Die berühmte Literaturstelle, die uns diese kulturhistorisch so interessante Nachricht übermittelt, findet sich in Äschylus „Agamemnon"; in Vers 8 bis 11 spricht hier der Wächter auf dem Dache des Schlosses in Mykenü: xoit P^«S<7«1 A>«/4?r»Aos <?v/t/?o^o»>, «lo/^v zrn^ve P^oix?«»- 6x ?yotoie ^«^«^ /v/'tttxos «»^^ö^o^vo ^zr/^<u x^«^>. Und immer harr' ich noch des einen Lichts, Des Flammenscheines, der von Trojas Trümmern Den frohen Siegesruf herüberschielt. Mit dieser Kunde dacht ich noch einmal Der Fürstin stolzes Männerherz zu rühren. H. von WolzogcnS Übersetzung Wir kennen auch die Route, auf der diese berühmte Nachricht einst über¬ mittelt worden sein soll. Es war die folgende: Jda —Hermesfels auf Lemnos....... ISO Kilometer Lemnos-Athos........... 70 Athos-Makistos-Gebirge........ 180 Makistos-Berg Messapion........ 30 „ Messapion—Kythiiron.......... 2S „ Kythäron-Ägiplanktos......... 30 „ Ägiplanktos —Arechniion-Fels...... . S0 „ Arechnäon—Argos.......... 20 „ Summa SSS Kilometer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/584>, abgerufen am 16.05.2024.