Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Erinnerungen aus der Bretagne

In eine ähnliche Landschaft führte uns unsre Reise, als wir die stillen
Heidestädtchen Ploermel und Josselin aufsuchten, die beide herrliche Kathedralen
haben. Wir waren über Questembert nach Ploermel gefahren und hatten die
Kirche Saint-Ärmel besucht, die neben romanischen Elementen früh- und spät¬
gotische aufweist. Besonders reich sind die Seitenschiffe mit schöngeschnitzten
Türen und kunstvollem Maß- und Stabwerk in den Fenstern, durch deren reiche
Glasmalerei das Licht wunderbar warm in den weiten Raum fällt. Dann
wanderten wir in westlicher Richtung nach Josselin. Gerade auf der Mitte des
Weges, sechs Kilometer von Ploermel und sechs Kilometer von Josselin entfernt,
liegt die Heide von Mi-voie. Dort erhebt sich ein gewaltiger Obelisk, von allen
1a p^i-ÄvMö genannt, zur Erinnerung an den vombat des trsnts. Es war
M Zeit des Hundertjährigen Krieges, als die Engländer teilweise Besitz von
der Bretagne ergriffen hatten. Da ritt im Jahre 1351 eines Morgens aus
den Toren von Josselin der Schloßhauptmann Beaumcmoir mit vierzehn
französischen Edelleuten. Zu derselben Zeit machten sich in Ploermel fünfzehn
englische Ritter auf den Weg. Sie trafen auf der Heide von Mi-voie zusammen,
und es erhob sich ein so blutiger Kampf, daß keiner der Dreißig lebend den
Platz verließ. Der Obelisk ist neu, aber ein bescheidnes Steinkreuz dahinter
hat gewiß schon lange den verhängnisvollen Kampfplatz bezeichnet.

In Notre-Dame-du-roncier, der Kathedrale von Josselin, liegt Olivier de
Clisson, der Freund und Nachfolger des Du Guesclin, Connctable von Frank¬
reich begraben. Wir haben uns das Grabmal angesehen, das, wie die meisten jener
Zeit, ihn und seine Gemahlin Margarete von Rohan liegend darstellt.

Ein Herzog von Rohan bewohnt auch jetzt das prachtvolle, wohlerhaltene
Schloß, das sich im Oust spiegelt. Seit dem Mittelalter ist es durch seine
Schönheit und Stärke weithin berühmt, und auch wir waren von dem ritter¬
lichen Bau ganz begeistert.

Zum Schluß noch ein kleines Seebild. Man denke sich eine alte kleine
Festung, vollständig von Wasser umgeben, die nur durch eine massive Brücke
mit dem Lande in Verbindung steht, wo sich ein neuer Stadtteil entwickelt hat.
Hüben und drüben, am Strand und auf den Wällen Frauen und Kinder, die auf¬
merksam die kleinen schwarzen Punkte verfolgen, die sich am Horizont bewegen und
sich vergrößern. Wir sind in Concarneau. Die Punkte sind achthundert Fischer¬
boote, eine kleine Flotte, die ausgezogen ist. Thunfische, Sardinen und Makrelen
An fangen. Die Flut bringt sie herein. Bei Seewind ist es reizend, wenn sie
""geschossen kommen, geschickt kavieren und mit schneller Wendung in den Hafen
einlaufen. Die braunroten Segel sausen herab, und blaue Netze flattern zum
Trocknen von den Masten. Überall sieht man Körbe mit silberglänzenden Fischen,
und mit den sonnverbrannter blauen Gesellen ist Lärm und Bewegung in das
Strandidhll gekommen.




Erinnerungen aus der Bretagne

In eine ähnliche Landschaft führte uns unsre Reise, als wir die stillen
Heidestädtchen Ploermel und Josselin aufsuchten, die beide herrliche Kathedralen
haben. Wir waren über Questembert nach Ploermel gefahren und hatten die
Kirche Saint-Ärmel besucht, die neben romanischen Elementen früh- und spät¬
gotische aufweist. Besonders reich sind die Seitenschiffe mit schöngeschnitzten
Türen und kunstvollem Maß- und Stabwerk in den Fenstern, durch deren reiche
Glasmalerei das Licht wunderbar warm in den weiten Raum fällt. Dann
wanderten wir in westlicher Richtung nach Josselin. Gerade auf der Mitte des
Weges, sechs Kilometer von Ploermel und sechs Kilometer von Josselin entfernt,
liegt die Heide von Mi-voie. Dort erhebt sich ein gewaltiger Obelisk, von allen
1a p^i-ÄvMö genannt, zur Erinnerung an den vombat des trsnts. Es war
M Zeit des Hundertjährigen Krieges, als die Engländer teilweise Besitz von
der Bretagne ergriffen hatten. Da ritt im Jahre 1351 eines Morgens aus
den Toren von Josselin der Schloßhauptmann Beaumcmoir mit vierzehn
französischen Edelleuten. Zu derselben Zeit machten sich in Ploermel fünfzehn
englische Ritter auf den Weg. Sie trafen auf der Heide von Mi-voie zusammen,
und es erhob sich ein so blutiger Kampf, daß keiner der Dreißig lebend den
Platz verließ. Der Obelisk ist neu, aber ein bescheidnes Steinkreuz dahinter
hat gewiß schon lange den verhängnisvollen Kampfplatz bezeichnet.

In Notre-Dame-du-roncier, der Kathedrale von Josselin, liegt Olivier de
Clisson, der Freund und Nachfolger des Du Guesclin, Connctable von Frank¬
reich begraben. Wir haben uns das Grabmal angesehen, das, wie die meisten jener
Zeit, ihn und seine Gemahlin Margarete von Rohan liegend darstellt.

Ein Herzog von Rohan bewohnt auch jetzt das prachtvolle, wohlerhaltene
Schloß, das sich im Oust spiegelt. Seit dem Mittelalter ist es durch seine
Schönheit und Stärke weithin berühmt, und auch wir waren von dem ritter¬
lichen Bau ganz begeistert.

Zum Schluß noch ein kleines Seebild. Man denke sich eine alte kleine
Festung, vollständig von Wasser umgeben, die nur durch eine massive Brücke
mit dem Lande in Verbindung steht, wo sich ein neuer Stadtteil entwickelt hat.
Hüben und drüben, am Strand und auf den Wällen Frauen und Kinder, die auf¬
merksam die kleinen schwarzen Punkte verfolgen, die sich am Horizont bewegen und
sich vergrößern. Wir sind in Concarneau. Die Punkte sind achthundert Fischer¬
boote, eine kleine Flotte, die ausgezogen ist. Thunfische, Sardinen und Makrelen
An fangen. Die Flut bringt sie herein. Bei Seewind ist es reizend, wenn sie
""geschossen kommen, geschickt kavieren und mit schneller Wendung in den Hafen
einlaufen. Die braunroten Segel sausen herab, und blaue Netze flattern zum
Trocknen von den Masten. Überall sieht man Körbe mit silberglänzenden Fischen,
und mit den sonnverbrannter blauen Gesellen ist Lärm und Bewegung in das
Strandidhll gekommen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0723" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301222"/>
          <fw type="header" place="top"> Erinnerungen aus der Bretagne</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2913"> In eine ähnliche Landschaft führte uns unsre Reise, als wir die stillen<lb/>
Heidestädtchen Ploermel und Josselin aufsuchten, die beide herrliche Kathedralen<lb/>
haben. Wir waren über Questembert nach Ploermel gefahren und hatten die<lb/>
Kirche Saint-Ärmel besucht, die neben romanischen Elementen früh- und spät¬<lb/>
gotische aufweist. Besonders reich sind die Seitenschiffe mit schöngeschnitzten<lb/>
Türen und kunstvollem Maß- und Stabwerk in den Fenstern, durch deren reiche<lb/>
Glasmalerei das Licht wunderbar warm in den weiten Raum fällt. Dann<lb/>
wanderten wir in westlicher Richtung nach Josselin. Gerade auf der Mitte des<lb/>
Weges, sechs Kilometer von Ploermel und sechs Kilometer von Josselin entfernt,<lb/>
liegt die Heide von Mi-voie. Dort erhebt sich ein gewaltiger Obelisk, von allen<lb/>
1a p^i-ÄvMö genannt, zur Erinnerung an den vombat des trsnts. Es war<lb/>
M Zeit des Hundertjährigen Krieges, als die Engländer teilweise Besitz von<lb/>
der Bretagne ergriffen hatten. Da ritt im Jahre 1351 eines Morgens aus<lb/>
den Toren von Josselin der Schloßhauptmann Beaumcmoir mit vierzehn<lb/>
französischen Edelleuten. Zu derselben Zeit machten sich in Ploermel fünfzehn<lb/>
englische Ritter auf den Weg. Sie trafen auf der Heide von Mi-voie zusammen,<lb/>
und es erhob sich ein so blutiger Kampf, daß keiner der Dreißig lebend den<lb/>
Platz verließ. Der Obelisk ist neu, aber ein bescheidnes Steinkreuz dahinter<lb/>
hat gewiß schon lange den verhängnisvollen Kampfplatz bezeichnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2914"> In Notre-Dame-du-roncier, der Kathedrale von Josselin, liegt Olivier de<lb/>
Clisson, der Freund und Nachfolger des Du Guesclin, Connctable von Frank¬<lb/>
reich begraben. Wir haben uns das Grabmal angesehen, das, wie die meisten jener<lb/>
Zeit, ihn und seine Gemahlin Margarete von Rohan liegend darstellt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2915"> Ein Herzog von Rohan bewohnt auch jetzt das prachtvolle, wohlerhaltene<lb/>
Schloß, das sich im Oust spiegelt. Seit dem Mittelalter ist es durch seine<lb/>
Schönheit und Stärke weithin berühmt, und auch wir waren von dem ritter¬<lb/>
lichen Bau ganz begeistert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2916"> Zum Schluß noch ein kleines Seebild. Man denke sich eine alte kleine<lb/>
Festung, vollständig von Wasser umgeben, die nur durch eine massive Brücke<lb/>
mit dem Lande in Verbindung steht, wo sich ein neuer Stadtteil entwickelt hat.<lb/>
Hüben und drüben, am Strand und auf den Wällen Frauen und Kinder, die auf¬<lb/>
merksam die kleinen schwarzen Punkte verfolgen, die sich am Horizont bewegen und<lb/>
sich vergrößern. Wir sind in Concarneau. Die Punkte sind achthundert Fischer¬<lb/>
boote, eine kleine Flotte, die ausgezogen ist. Thunfische, Sardinen und Makrelen<lb/>
An fangen. Die Flut bringt sie herein. Bei Seewind ist es reizend, wenn sie<lb/>
""geschossen kommen, geschickt kavieren und mit schneller Wendung in den Hafen<lb/>
einlaufen. Die braunroten Segel sausen herab, und blaue Netze flattern zum<lb/>
Trocknen von den Masten. Überall sieht man Körbe mit silberglänzenden Fischen,<lb/>
und mit den sonnverbrannter blauen Gesellen ist Lärm und Bewegung in das<lb/>
Strandidhll gekommen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0723] Erinnerungen aus der Bretagne In eine ähnliche Landschaft führte uns unsre Reise, als wir die stillen Heidestädtchen Ploermel und Josselin aufsuchten, die beide herrliche Kathedralen haben. Wir waren über Questembert nach Ploermel gefahren und hatten die Kirche Saint-Ärmel besucht, die neben romanischen Elementen früh- und spät¬ gotische aufweist. Besonders reich sind die Seitenschiffe mit schöngeschnitzten Türen und kunstvollem Maß- und Stabwerk in den Fenstern, durch deren reiche Glasmalerei das Licht wunderbar warm in den weiten Raum fällt. Dann wanderten wir in westlicher Richtung nach Josselin. Gerade auf der Mitte des Weges, sechs Kilometer von Ploermel und sechs Kilometer von Josselin entfernt, liegt die Heide von Mi-voie. Dort erhebt sich ein gewaltiger Obelisk, von allen 1a p^i-ÄvMö genannt, zur Erinnerung an den vombat des trsnts. Es war M Zeit des Hundertjährigen Krieges, als die Engländer teilweise Besitz von der Bretagne ergriffen hatten. Da ritt im Jahre 1351 eines Morgens aus den Toren von Josselin der Schloßhauptmann Beaumcmoir mit vierzehn französischen Edelleuten. Zu derselben Zeit machten sich in Ploermel fünfzehn englische Ritter auf den Weg. Sie trafen auf der Heide von Mi-voie zusammen, und es erhob sich ein so blutiger Kampf, daß keiner der Dreißig lebend den Platz verließ. Der Obelisk ist neu, aber ein bescheidnes Steinkreuz dahinter hat gewiß schon lange den verhängnisvollen Kampfplatz bezeichnet. In Notre-Dame-du-roncier, der Kathedrale von Josselin, liegt Olivier de Clisson, der Freund und Nachfolger des Du Guesclin, Connctable von Frank¬ reich begraben. Wir haben uns das Grabmal angesehen, das, wie die meisten jener Zeit, ihn und seine Gemahlin Margarete von Rohan liegend darstellt. Ein Herzog von Rohan bewohnt auch jetzt das prachtvolle, wohlerhaltene Schloß, das sich im Oust spiegelt. Seit dem Mittelalter ist es durch seine Schönheit und Stärke weithin berühmt, und auch wir waren von dem ritter¬ lichen Bau ganz begeistert. Zum Schluß noch ein kleines Seebild. Man denke sich eine alte kleine Festung, vollständig von Wasser umgeben, die nur durch eine massive Brücke mit dem Lande in Verbindung steht, wo sich ein neuer Stadtteil entwickelt hat. Hüben und drüben, am Strand und auf den Wällen Frauen und Kinder, die auf¬ merksam die kleinen schwarzen Punkte verfolgen, die sich am Horizont bewegen und sich vergrößern. Wir sind in Concarneau. Die Punkte sind achthundert Fischer¬ boote, eine kleine Flotte, die ausgezogen ist. Thunfische, Sardinen und Makrelen An fangen. Die Flut bringt sie herein. Bei Seewind ist es reizend, wenn sie ""geschossen kommen, geschickt kavieren und mit schneller Wendung in den Hafen einlaufen. Die braunroten Segel sausen herab, und blaue Netze flattern zum Trocknen von den Masten. Überall sieht man Körbe mit silberglänzenden Fischen, und mit den sonnverbrannter blauen Gesellen ist Lärm und Bewegung in das Strandidhll gekommen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/723
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/723>, abgerufen am 15.05.2024.