Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Versailles anwesenden deutschen Fürsten nach eingeholtem Einverständnis des
Bundeskanzlers mit folgendem, am 4. Dezember an den König gerichteten Tele¬
gramm:

Die in Versailles anwesenden unter den Verbündeten regierenden deutschen
Fürsten haben mit Genugtuung Kenntnis erhalten von der Erklärung, welche Eure
Majestät bezüglich der Herstellung des Deutschen Reichs und seiner Kaiserwürde
an Seine Majestät den König von Preußen gerichtet haben. Sie entspricht ihren
eignen Wünschen und politischen Überzeugungen, deren Ausdruck sie zurückgehalten
haben, um der Initiative Eurer Majestät nicht vorzugreifen.

Ich bin in der Lage, im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheit
des Großherzogs von Sachsen-Weimar, Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs
von Oldenburg, Seiner Hoheit des Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha wie in
meinem eignen Namen das herzliche Einverständnis und den vollen Anschluß an
den von Eurer Majestät getaumelt Schritt auszusprechen, und ich wähle hierzu
unter Zustimmung unsrer genannten Bundesgenossen den telegraphischen Weg, weil
die Kürze der Zeit bis zum 1. Januar, an welchem die mit Süddeutschland ab¬
geschlossenen Verträge ins Leben treten sollen, die Beschleunigung notwendig macht.


Friedrich
Großherzog von Baden.

Ein neuer wichtiger Abschnitt in der Geschichte der deutschen Entwicklung
war erreicht, die Siegesfrucht, die Deutschland aus dem opferreichen Kriege
heimbringen würde, in ihren Umrissen deutlich erkennbar: Kaiser und Reich,
Elsaß und Lothringen als Reichslande. Großherzog Friedrich hatte auch an
den Großherzog von Mecklenburg telegraphiert, der als Heerführer mit dem
Prinzen Friedrich Karl an der Loire stand, ebenso an den sich dort bei seinem
32. Regiment befindenden Herzog von Meiningen. Sie antworteten umgehend
mit freudiger Zustimmung. Die Könige von Sachsen und Württemberg meldeten,
daß sie ihr Einverständnis nach München ausgesprochen hätten; innerhalb einer
Woche waren alle Beitrittserklärungen eingelaufen.

Die Annahme wäre nun wohl berechtigt gewesen, daß es jetzt nur noch
einer letzten Formalität bedurft hätte, die Kaiserfrage zum Abschluß zu bringen:
der feierlichen Überreichung der Zustimmung aller deutschen Fürsten von feiten
des Königs von Bayern und der Annahmeerklärung seitens des Königs Wilhelm
durch einen feierlichen Akt. Aber sogar bei verhältnismäßig einfachen Dingen
liebt es die Weltgeschichte, ihre eignen Wege zu gehn. Noch dauerte es sechs
meist recht sorgenvolle Wochen, bevor sich das große Ereignis vollziehen, die
Kaiserverkündigung stattfinden konnte.




Grenzboten IV 1906II
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Versailles anwesenden deutschen Fürsten nach eingeholtem Einverständnis des
Bundeskanzlers mit folgendem, am 4. Dezember an den König gerichteten Tele¬
gramm:

Die in Versailles anwesenden unter den Verbündeten regierenden deutschen
Fürsten haben mit Genugtuung Kenntnis erhalten von der Erklärung, welche Eure
Majestät bezüglich der Herstellung des Deutschen Reichs und seiner Kaiserwürde
an Seine Majestät den König von Preußen gerichtet haben. Sie entspricht ihren
eignen Wünschen und politischen Überzeugungen, deren Ausdruck sie zurückgehalten
haben, um der Initiative Eurer Majestät nicht vorzugreifen.

Ich bin in der Lage, im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheit
des Großherzogs von Sachsen-Weimar, Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs
von Oldenburg, Seiner Hoheit des Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha wie in
meinem eignen Namen das herzliche Einverständnis und den vollen Anschluß an
den von Eurer Majestät getaumelt Schritt auszusprechen, und ich wähle hierzu
unter Zustimmung unsrer genannten Bundesgenossen den telegraphischen Weg, weil
die Kürze der Zeit bis zum 1. Januar, an welchem die mit Süddeutschland ab¬
geschlossenen Verträge ins Leben treten sollen, die Beschleunigung notwendig macht.


Friedrich
Großherzog von Baden.

Ein neuer wichtiger Abschnitt in der Geschichte der deutschen Entwicklung
war erreicht, die Siegesfrucht, die Deutschland aus dem opferreichen Kriege
heimbringen würde, in ihren Umrissen deutlich erkennbar: Kaiser und Reich,
Elsaß und Lothringen als Reichslande. Großherzog Friedrich hatte auch an
den Großherzog von Mecklenburg telegraphiert, der als Heerführer mit dem
Prinzen Friedrich Karl an der Loire stand, ebenso an den sich dort bei seinem
32. Regiment befindenden Herzog von Meiningen. Sie antworteten umgehend
mit freudiger Zustimmung. Die Könige von Sachsen und Württemberg meldeten,
daß sie ihr Einverständnis nach München ausgesprochen hätten; innerhalb einer
Woche waren alle Beitrittserklärungen eingelaufen.

Die Annahme wäre nun wohl berechtigt gewesen, daß es jetzt nur noch
einer letzten Formalität bedurft hätte, die Kaiserfrage zum Abschluß zu bringen:
der feierlichen Überreichung der Zustimmung aller deutschen Fürsten von feiten
des Königs von Bayern und der Annahmeerklärung seitens des Königs Wilhelm
durch einen feierlichen Akt. Aber sogar bei verhältnismäßig einfachen Dingen
liebt es die Weltgeschichte, ihre eignen Wege zu gehn. Noch dauerte es sechs
meist recht sorgenvolle Wochen, bevor sich das große Ereignis vollziehen, die
Kaiserverkündigung stattfinden konnte.




Grenzboten IV 1906II
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300588"/>
          <fw type="header" place="top"> Großherzog Friedrich von Baden in Versailles</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_275" prev="#ID_274"> Versailles anwesenden deutschen Fürsten nach eingeholtem Einverständnis des<lb/>
Bundeskanzlers mit folgendem, am 4. Dezember an den König gerichteten Tele¬<lb/>
gramm:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_276"> Die in Versailles anwesenden unter den Verbündeten regierenden deutschen<lb/>
Fürsten haben mit Genugtuung Kenntnis erhalten von der Erklärung, welche Eure<lb/>
Majestät bezüglich der Herstellung des Deutschen Reichs und seiner Kaiserwürde<lb/>
an Seine Majestät den König von Preußen gerichtet haben. Sie entspricht ihren<lb/>
eignen Wünschen und politischen Überzeugungen, deren Ausdruck sie zurückgehalten<lb/>
haben, um der Initiative Eurer Majestät nicht vorzugreifen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_277"> Ich bin in der Lage, im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheit<lb/>
des Großherzogs von Sachsen-Weimar, Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs<lb/>
von Oldenburg, Seiner Hoheit des Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha wie in<lb/>
meinem eignen Namen das herzliche Einverständnis und den vollen Anschluß an<lb/>
den von Eurer Majestät getaumelt Schritt auszusprechen, und ich wähle hierzu<lb/>
unter Zustimmung unsrer genannten Bundesgenossen den telegraphischen Weg, weil<lb/>
die Kürze der Zeit bis zum 1. Januar, an welchem die mit Süddeutschland ab¬<lb/>
geschlossenen Verträge ins Leben treten sollen, die Beschleunigung notwendig macht.</p><lb/>
          <note type="bibl"> Friedrich<lb/>
Großherzog von Baden.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_278"> Ein neuer wichtiger Abschnitt in der Geschichte der deutschen Entwicklung<lb/>
war erreicht, die Siegesfrucht, die Deutschland aus dem opferreichen Kriege<lb/>
heimbringen würde, in ihren Umrissen deutlich erkennbar: Kaiser und Reich,<lb/>
Elsaß und Lothringen als Reichslande. Großherzog Friedrich hatte auch an<lb/>
den Großherzog von Mecklenburg telegraphiert, der als Heerführer mit dem<lb/>
Prinzen Friedrich Karl an der Loire stand, ebenso an den sich dort bei seinem<lb/>
32. Regiment befindenden Herzog von Meiningen. Sie antworteten umgehend<lb/>
mit freudiger Zustimmung. Die Könige von Sachsen und Württemberg meldeten,<lb/>
daß sie ihr Einverständnis nach München ausgesprochen hätten; innerhalb einer<lb/>
Woche waren alle Beitrittserklärungen eingelaufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_279"> Die Annahme wäre nun wohl berechtigt gewesen, daß es jetzt nur noch<lb/>
einer letzten Formalität bedurft hätte, die Kaiserfrage zum Abschluß zu bringen:<lb/>
der feierlichen Überreichung der Zustimmung aller deutschen Fürsten von feiten<lb/>
des Königs von Bayern und der Annahmeerklärung seitens des Königs Wilhelm<lb/>
durch einen feierlichen Akt. Aber sogar bei verhältnismäßig einfachen Dingen<lb/>
liebt es die Weltgeschichte, ihre eignen Wege zu gehn. Noch dauerte es sechs<lb/>
meist recht sorgenvolle Wochen, bevor sich das große Ereignis vollziehen, die<lb/>
Kaiserverkündigung stattfinden konnte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1906II</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles Versailles anwesenden deutschen Fürsten nach eingeholtem Einverständnis des Bundeskanzlers mit folgendem, am 4. Dezember an den König gerichteten Tele¬ gramm: Die in Versailles anwesenden unter den Verbündeten regierenden deutschen Fürsten haben mit Genugtuung Kenntnis erhalten von der Erklärung, welche Eure Majestät bezüglich der Herstellung des Deutschen Reichs und seiner Kaiserwürde an Seine Majestät den König von Preußen gerichtet haben. Sie entspricht ihren eignen Wünschen und politischen Überzeugungen, deren Ausdruck sie zurückgehalten haben, um der Initiative Eurer Majestät nicht vorzugreifen. Ich bin in der Lage, im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Sachsen-Weimar, Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg, Seiner Hoheit des Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha wie in meinem eignen Namen das herzliche Einverständnis und den vollen Anschluß an den von Eurer Majestät getaumelt Schritt auszusprechen, und ich wähle hierzu unter Zustimmung unsrer genannten Bundesgenossen den telegraphischen Weg, weil die Kürze der Zeit bis zum 1. Januar, an welchem die mit Süddeutschland ab¬ geschlossenen Verträge ins Leben treten sollen, die Beschleunigung notwendig macht. Friedrich Großherzog von Baden. Ein neuer wichtiger Abschnitt in der Geschichte der deutschen Entwicklung war erreicht, die Siegesfrucht, die Deutschland aus dem opferreichen Kriege heimbringen würde, in ihren Umrissen deutlich erkennbar: Kaiser und Reich, Elsaß und Lothringen als Reichslande. Großherzog Friedrich hatte auch an den Großherzog von Mecklenburg telegraphiert, der als Heerführer mit dem Prinzen Friedrich Karl an der Loire stand, ebenso an den sich dort bei seinem 32. Regiment befindenden Herzog von Meiningen. Sie antworteten umgehend mit freudiger Zustimmung. Die Könige von Sachsen und Württemberg meldeten, daß sie ihr Einverständnis nach München ausgesprochen hätten; innerhalb einer Woche waren alle Beitrittserklärungen eingelaufen. Die Annahme wäre nun wohl berechtigt gewesen, daß es jetzt nur noch einer letzten Formalität bedurft hätte, die Kaiserfrage zum Abschluß zu bringen: der feierlichen Überreichung der Zustimmung aller deutschen Fürsten von feiten des Königs von Bayern und der Annahmeerklärung seitens des Königs Wilhelm durch einen feierlichen Akt. Aber sogar bei verhältnismäßig einfachen Dingen liebt es die Weltgeschichte, ihre eignen Wege zu gehn. Noch dauerte es sechs meist recht sorgenvolle Wochen, bevor sich das große Ereignis vollziehen, die Kaiserverkündigung stattfinden konnte. Grenzboten IV 1906II

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/89>, abgerufen am 15.05.2024.