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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

und sich unter tüchtiger Führung aus eigner Kraft zur Geltung zu bringen! Es
ist eben aus dieser Wahl recht viel zu lernen.

Der Sozialdemokratie ist, den Erwartungen der meisten Beurteiler entgegen,
eine Lehre erteilt worden, die hoffentlich von den bürgerlichen Parteien ausgenutzt
werden wird. Vor der Wahl war der Glaube sehr verbreitet, daß die sozialistische
Hochflut immer noch im Wachsen sei, entsprechend der Prophezeiung Bebels, daß
die Sozialdemokratie um etwa zwanzig Sitze verstärkt in den neuen Reichstag ein¬
ziehen werde. Nun hat es ja zwar mit der Prophetenkunst Bebels eine eigne
Bewandtnis, aber auch ein erfahrner und ruhig urteilender Politiker wie Graf
Ballestrem hatte die Äußerung getan, daß er das Präsidium des Reichstags wohl
in die Hände singers werde geben müssen, da die Sozialdemokratie sicher die
stärkste Partei im Reichstage sein werde. Obwohl wir das unsichre Geschäft des
Prophezeiens in xolitiois stets ablehnen, haben wir doch nicht verhehlt, daß wir
dieser Meinung nicht waren. Es schien uns vielmehr der Glaube an neue Er¬
folge der Sozialdemokratie unter den obwaltenden Umstände" recht wenig begründet
zu sein, aber wir müssen gesteh", daß unsre unsichern und bescheidnen Erwartungen
eines Stillstandes in der sozialistischen Bewegung durch den erfreulichen Ausfall
der Wahl bedeutend übertroffen und im Sinne einer angenehmen Überraschung
korrigiert worden sind. Die Niederlage der Sozialdemokratie rechtfertigte die Auf¬
fassung derer, die über alle häßlichen und kleinlichen Züge unsrer Parteientwicklung
hinweg noch den Glaube" an den Idealismus, der tief im deutschen Wesen wurzelt,
festgehalten haben. Allen Unkenrufen zum Trotz, daß für die Kolonien kein be¬
sondres Interesse im Volke bestehe, daß die Kolonialskandale die Stimmung ver¬
dorben hätten, daß Fleischnot und neue Steuern den Sinn des Volks mehr be¬
schäftigen als überseeische Fragen -- allen diesen und ähnlichen Vorhersagen zum
Trotz hat das Ehrgefühl und das Verständnis des Volks für seine höhern Interessen
nicht versagt. Wenig Sinn hat die breitere Masse des Volks freilich für die
kleinen Schwierigkeiten und die leidigen intimen Notwendigkeiten der Tagespolitik
und der parlamentarischen Arbeit. Sind die Aufgaben, die dieser Arbeit gestellt
werden, an sich nicht populär, so bemächtigt sich weiterer Kreise sehr leicht das
Gefühl einer politischen Blutstauung, das sich in Unbehagen und Nervosität aus¬
drückt. Die Reichstagsauflösung hat die Befreiung von dieser Stimmung gebracht;
es war eine Tat nach einer Zeit, die in ihrem Eindruck auf die Volksseele als
tatenlos erschien, und sofort hat auch der echtdeutsche Sinn den Ban" der Ver¬
ärgerung und Verdrossenheit durchbrochen.

Hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist der Erfolg der nationalen Parteien
gegenüber dem Zentrum. Das gilt auch für die, die nicht so weit gingen, eine
wesentliche Schwächung des Zentrums zu erwarten. Es ist nicht unmöglich, daß
die Partei in der gleichen Stärke im neuen Reichstag wieder erscheint. So weit
hat sich also die Wirkung der Wahlparole der Regierung nicht erstreckt, diese Stellung
zu erschüttern. Und doch hatten sich viele eine ganz besondre Wirkung von der
Parole: "Los vom Zentrum" versprochen. Man darf trotzdem nicht verkennen,
daß ein gut Teil der aufrüttelnden Wirkung, die von der Reichstagsauflösung und
den Wahlen ausging, auf diesen Ruf: "Los vom Zentrum" zurückzuführen ist. Er
hat die Wähler mobil gemacht. Im weitern Verlauf der Bewegung wurde dann erst
klar, daß bei dem praktischen Vorgehn in den Wahlkreisen, die sür eine nationale
Mehrheit zu erobern waren, die Sozialdemokratie doch der nächste Gegner war. So
suchte sich die einmal entfesselte Bewegung von selbst das richtige Ziel. Darin liegt
zugleich eine Rechtfertigung der auch von nationaler Seite oft so bitter angegriffnen
Regierungspolitik, die mit dem Zentrum so lange praktisch rechnen zu müssen glaubte, als
nicht der sozialdemokratischen Vorwärtsbewegung ein Halt geboten worden war.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

und sich unter tüchtiger Führung aus eigner Kraft zur Geltung zu bringen! Es
ist eben aus dieser Wahl recht viel zu lernen.

Der Sozialdemokratie ist, den Erwartungen der meisten Beurteiler entgegen,
eine Lehre erteilt worden, die hoffentlich von den bürgerlichen Parteien ausgenutzt
werden wird. Vor der Wahl war der Glaube sehr verbreitet, daß die sozialistische
Hochflut immer noch im Wachsen sei, entsprechend der Prophezeiung Bebels, daß
die Sozialdemokratie um etwa zwanzig Sitze verstärkt in den neuen Reichstag ein¬
ziehen werde. Nun hat es ja zwar mit der Prophetenkunst Bebels eine eigne
Bewandtnis, aber auch ein erfahrner und ruhig urteilender Politiker wie Graf
Ballestrem hatte die Äußerung getan, daß er das Präsidium des Reichstags wohl
in die Hände singers werde geben müssen, da die Sozialdemokratie sicher die
stärkste Partei im Reichstage sein werde. Obwohl wir das unsichre Geschäft des
Prophezeiens in xolitiois stets ablehnen, haben wir doch nicht verhehlt, daß wir
dieser Meinung nicht waren. Es schien uns vielmehr der Glaube an neue Er¬
folge der Sozialdemokratie unter den obwaltenden Umstände» recht wenig begründet
zu sein, aber wir müssen gesteh», daß unsre unsichern und bescheidnen Erwartungen
eines Stillstandes in der sozialistischen Bewegung durch den erfreulichen Ausfall
der Wahl bedeutend übertroffen und im Sinne einer angenehmen Überraschung
korrigiert worden sind. Die Niederlage der Sozialdemokratie rechtfertigte die Auf¬
fassung derer, die über alle häßlichen und kleinlichen Züge unsrer Parteientwicklung
hinweg noch den Glaube» an den Idealismus, der tief im deutschen Wesen wurzelt,
festgehalten haben. Allen Unkenrufen zum Trotz, daß für die Kolonien kein be¬
sondres Interesse im Volke bestehe, daß die Kolonialskandale die Stimmung ver¬
dorben hätten, daß Fleischnot und neue Steuern den Sinn des Volks mehr be¬
schäftigen als überseeische Fragen — allen diesen und ähnlichen Vorhersagen zum
Trotz hat das Ehrgefühl und das Verständnis des Volks für seine höhern Interessen
nicht versagt. Wenig Sinn hat die breitere Masse des Volks freilich für die
kleinen Schwierigkeiten und die leidigen intimen Notwendigkeiten der Tagespolitik
und der parlamentarischen Arbeit. Sind die Aufgaben, die dieser Arbeit gestellt
werden, an sich nicht populär, so bemächtigt sich weiterer Kreise sehr leicht das
Gefühl einer politischen Blutstauung, das sich in Unbehagen und Nervosität aus¬
drückt. Die Reichstagsauflösung hat die Befreiung von dieser Stimmung gebracht;
es war eine Tat nach einer Zeit, die in ihrem Eindruck auf die Volksseele als
tatenlos erschien, und sofort hat auch der echtdeutsche Sinn den Ban» der Ver¬
ärgerung und Verdrossenheit durchbrochen.

Hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist der Erfolg der nationalen Parteien
gegenüber dem Zentrum. Das gilt auch für die, die nicht so weit gingen, eine
wesentliche Schwächung des Zentrums zu erwarten. Es ist nicht unmöglich, daß
die Partei in der gleichen Stärke im neuen Reichstag wieder erscheint. So weit
hat sich also die Wirkung der Wahlparole der Regierung nicht erstreckt, diese Stellung
zu erschüttern. Und doch hatten sich viele eine ganz besondre Wirkung von der
Parole: „Los vom Zentrum" versprochen. Man darf trotzdem nicht verkennen,
daß ein gut Teil der aufrüttelnden Wirkung, die von der Reichstagsauflösung und
den Wahlen ausging, auf diesen Ruf: „Los vom Zentrum" zurückzuführen ist. Er
hat die Wähler mobil gemacht. Im weitern Verlauf der Bewegung wurde dann erst
klar, daß bei dem praktischen Vorgehn in den Wahlkreisen, die sür eine nationale
Mehrheit zu erobern waren, die Sozialdemokratie doch der nächste Gegner war. So
suchte sich die einmal entfesselte Bewegung von selbst das richtige Ziel. Darin liegt
zugleich eine Rechtfertigung der auch von nationaler Seite oft so bitter angegriffnen
Regierungspolitik, die mit dem Zentrum so lange praktisch rechnen zu müssen glaubte, als
nicht der sozialdemokratischen Vorwärtsbewegung ein Halt geboten worden war.


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[0283] Maßgebliches und Unmaßgebliches und sich unter tüchtiger Führung aus eigner Kraft zur Geltung zu bringen! Es ist eben aus dieser Wahl recht viel zu lernen. Der Sozialdemokratie ist, den Erwartungen der meisten Beurteiler entgegen, eine Lehre erteilt worden, die hoffentlich von den bürgerlichen Parteien ausgenutzt werden wird. Vor der Wahl war der Glaube sehr verbreitet, daß die sozialistische Hochflut immer noch im Wachsen sei, entsprechend der Prophezeiung Bebels, daß die Sozialdemokratie um etwa zwanzig Sitze verstärkt in den neuen Reichstag ein¬ ziehen werde. Nun hat es ja zwar mit der Prophetenkunst Bebels eine eigne Bewandtnis, aber auch ein erfahrner und ruhig urteilender Politiker wie Graf Ballestrem hatte die Äußerung getan, daß er das Präsidium des Reichstags wohl in die Hände singers werde geben müssen, da die Sozialdemokratie sicher die stärkste Partei im Reichstage sein werde. Obwohl wir das unsichre Geschäft des Prophezeiens in xolitiois stets ablehnen, haben wir doch nicht verhehlt, daß wir dieser Meinung nicht waren. Es schien uns vielmehr der Glaube an neue Er¬ folge der Sozialdemokratie unter den obwaltenden Umstände» recht wenig begründet zu sein, aber wir müssen gesteh», daß unsre unsichern und bescheidnen Erwartungen eines Stillstandes in der sozialistischen Bewegung durch den erfreulichen Ausfall der Wahl bedeutend übertroffen und im Sinne einer angenehmen Überraschung korrigiert worden sind. Die Niederlage der Sozialdemokratie rechtfertigte die Auf¬ fassung derer, die über alle häßlichen und kleinlichen Züge unsrer Parteientwicklung hinweg noch den Glaube» an den Idealismus, der tief im deutschen Wesen wurzelt, festgehalten haben. Allen Unkenrufen zum Trotz, daß für die Kolonien kein be¬ sondres Interesse im Volke bestehe, daß die Kolonialskandale die Stimmung ver¬ dorben hätten, daß Fleischnot und neue Steuern den Sinn des Volks mehr be¬ schäftigen als überseeische Fragen — allen diesen und ähnlichen Vorhersagen zum Trotz hat das Ehrgefühl und das Verständnis des Volks für seine höhern Interessen nicht versagt. Wenig Sinn hat die breitere Masse des Volks freilich für die kleinen Schwierigkeiten und die leidigen intimen Notwendigkeiten der Tagespolitik und der parlamentarischen Arbeit. Sind die Aufgaben, die dieser Arbeit gestellt werden, an sich nicht populär, so bemächtigt sich weiterer Kreise sehr leicht das Gefühl einer politischen Blutstauung, das sich in Unbehagen und Nervosität aus¬ drückt. Die Reichstagsauflösung hat die Befreiung von dieser Stimmung gebracht; es war eine Tat nach einer Zeit, die in ihrem Eindruck auf die Volksseele als tatenlos erschien, und sofort hat auch der echtdeutsche Sinn den Ban» der Ver¬ ärgerung und Verdrossenheit durchbrochen. Hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist der Erfolg der nationalen Parteien gegenüber dem Zentrum. Das gilt auch für die, die nicht so weit gingen, eine wesentliche Schwächung des Zentrums zu erwarten. Es ist nicht unmöglich, daß die Partei in der gleichen Stärke im neuen Reichstag wieder erscheint. So weit hat sich also die Wirkung der Wahlparole der Regierung nicht erstreckt, diese Stellung zu erschüttern. Und doch hatten sich viele eine ganz besondre Wirkung von der Parole: „Los vom Zentrum" versprochen. Man darf trotzdem nicht verkennen, daß ein gut Teil der aufrüttelnden Wirkung, die von der Reichstagsauflösung und den Wahlen ausging, auf diesen Ruf: „Los vom Zentrum" zurückzuführen ist. Er hat die Wähler mobil gemacht. Im weitern Verlauf der Bewegung wurde dann erst klar, daß bei dem praktischen Vorgehn in den Wahlkreisen, die sür eine nationale Mehrheit zu erobern waren, die Sozialdemokratie doch der nächste Gegner war. So suchte sich die einmal entfesselte Bewegung von selbst das richtige Ziel. Darin liegt zugleich eine Rechtfertigung der auch von nationaler Seite oft so bitter angegriffnen Regierungspolitik, die mit dem Zentrum so lange praktisch rechnen zu müssen glaubte, als nicht der sozialdemokratischen Vorwärtsbewegung ein Halt geboten worden war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/283>, abgerufen am 18.05.2024.