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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Luftreisen

tiefen Eindruck auf uns machen, und Goethes Werke zur Naturkunde stehen noch
immer bei uns unter den streng wissenschaftlichen Büchern, die Farbenlehre
zum Beispiel unter den Classikern über Optik. -- Nirgends findet man vielleicht
das Princip klarer, bestimmter, mit wahrer Naturnothwendigkeit, und zugleich im
schönsten Bewußtsein des Ganzen, allgegenwärtiger an den Tag gelegt, einfacher
umschrieben, methodischer vorangestellt, als eben in Goethes wissenschaftlichen Arbeiten.
Sie sind also streng systematisch, und wenn sie sich zu frei zu bewegen scheinen, so
thun sie es nur in dem Maße, in welchem der Verfasser durch seine Dichtergabe
die wahre Einheit des Princips, als Natur, in stetiger Causalität zu erhalten weiß,
während der Gelehrte, dem die Musen abhold sind, auch das Princip seines Werks
außer sich, und selbst außerhalb des Buchs (mit Ausnahme derjenigen Seite, auf
welcher es gedruckt ist) bewahrt, und daher immer daran denken muß, damit es
ihm nicht, während er fortarbeitet, unter der Hand verloren gehe. Was also an
allen naturwissenschaftlichen Werken Gutes ist, muß sich nothwendig auch so dar¬
stellen lassen, wie Goethe darstellt, und was sich nicht so darstellen läßt, oder dar¬
stellen lassen will, ist höchstwahrscheinlich ein bloßes Hirngespinnst.

"Möcht' ich mich fromm und kurz fassen, so müßt' ich sagen: es kam
augenblicklich der Friede Gottes über mich" -- schöner als durch dieses Wort
des Dankes konnte der Verfasser nicht belohnt werden. Es ist ein Vorklang
jener tiefen vollen Töne, in denen der Dichter bald darauf das hohe Preislied
anstimmte von jenem mehr als Vernunft beseligenden Frieden Gottes, von der
beglückenden Nähe des "allgeliebten Wesens", dessen liebliche Lippen ihm die
holde Lehre verkünden:




Luftreisen
Johannes pooschel von
5. Die internationale Wettfahrt

> le Berliner Luftschiffertage neigten sich ihrem Ende zu. Mittwoch
den 10. Oktober hatten sie begonnen mit der Verfolgung vier
kleiner Wasserstoffballons des Luftschifferbataillons durch je vier
Automobile, wobei es nur einem Automobil gelang, in der vor-
geschriebnen Zeit seinen Ballon zu erreichen. Eine Fülle von
Anregungen hatten diese Tage gebracht durch hervorragende wissenschaftliche
Vortrüge und Vorführungen, besonders aber durch den persönlichen Verkehr
mit Luftschiffern aus allen Teilen Deutschlands und dem Auslande. Denn
zugleich mit dem Berliner Verein für Luftschiffahrt, der sein fünfundzwanzig¬
jähriges Bestehen feierte, tagte auch der aus neun Vereinen gebildete Deutsche


Luftreisen

tiefen Eindruck auf uns machen, und Goethes Werke zur Naturkunde stehen noch
immer bei uns unter den streng wissenschaftlichen Büchern, die Farbenlehre
zum Beispiel unter den Classikern über Optik. — Nirgends findet man vielleicht
das Princip klarer, bestimmter, mit wahrer Naturnothwendigkeit, und zugleich im
schönsten Bewußtsein des Ganzen, allgegenwärtiger an den Tag gelegt, einfacher
umschrieben, methodischer vorangestellt, als eben in Goethes wissenschaftlichen Arbeiten.
Sie sind also streng systematisch, und wenn sie sich zu frei zu bewegen scheinen, so
thun sie es nur in dem Maße, in welchem der Verfasser durch seine Dichtergabe
die wahre Einheit des Princips, als Natur, in stetiger Causalität zu erhalten weiß,
während der Gelehrte, dem die Musen abhold sind, auch das Princip seines Werks
außer sich, und selbst außerhalb des Buchs (mit Ausnahme derjenigen Seite, auf
welcher es gedruckt ist) bewahrt, und daher immer daran denken muß, damit es
ihm nicht, während er fortarbeitet, unter der Hand verloren gehe. Was also an
allen naturwissenschaftlichen Werken Gutes ist, muß sich nothwendig auch so dar¬
stellen lassen, wie Goethe darstellt, und was sich nicht so darstellen läßt, oder dar¬
stellen lassen will, ist höchstwahrscheinlich ein bloßes Hirngespinnst.

„Möcht' ich mich fromm und kurz fassen, so müßt' ich sagen: es kam
augenblicklich der Friede Gottes über mich" — schöner als durch dieses Wort
des Dankes konnte der Verfasser nicht belohnt werden. Es ist ein Vorklang
jener tiefen vollen Töne, in denen der Dichter bald darauf das hohe Preislied
anstimmte von jenem mehr als Vernunft beseligenden Frieden Gottes, von der
beglückenden Nähe des „allgeliebten Wesens", dessen liebliche Lippen ihm die
holde Lehre verkünden:




Luftreisen
Johannes pooschel von
5. Die internationale Wettfahrt

> le Berliner Luftschiffertage neigten sich ihrem Ende zu. Mittwoch
den 10. Oktober hatten sie begonnen mit der Verfolgung vier
kleiner Wasserstoffballons des Luftschifferbataillons durch je vier
Automobile, wobei es nur einem Automobil gelang, in der vor-
geschriebnen Zeit seinen Ballon zu erreichen. Eine Fülle von
Anregungen hatten diese Tage gebracht durch hervorragende wissenschaftliche
Vortrüge und Vorführungen, besonders aber durch den persönlichen Verkehr
mit Luftschiffern aus allen Teilen Deutschlands und dem Auslande. Denn
zugleich mit dem Berliner Verein für Luftschiffahrt, der sein fünfundzwanzig¬
jähriges Bestehen feierte, tagte auch der aus neun Vereinen gebildete Deutsche


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[0036] Luftreisen tiefen Eindruck auf uns machen, und Goethes Werke zur Naturkunde stehen noch immer bei uns unter den streng wissenschaftlichen Büchern, die Farbenlehre zum Beispiel unter den Classikern über Optik. — Nirgends findet man vielleicht das Princip klarer, bestimmter, mit wahrer Naturnothwendigkeit, und zugleich im schönsten Bewußtsein des Ganzen, allgegenwärtiger an den Tag gelegt, einfacher umschrieben, methodischer vorangestellt, als eben in Goethes wissenschaftlichen Arbeiten. Sie sind also streng systematisch, und wenn sie sich zu frei zu bewegen scheinen, so thun sie es nur in dem Maße, in welchem der Verfasser durch seine Dichtergabe die wahre Einheit des Princips, als Natur, in stetiger Causalität zu erhalten weiß, während der Gelehrte, dem die Musen abhold sind, auch das Princip seines Werks außer sich, und selbst außerhalb des Buchs (mit Ausnahme derjenigen Seite, auf welcher es gedruckt ist) bewahrt, und daher immer daran denken muß, damit es ihm nicht, während er fortarbeitet, unter der Hand verloren gehe. Was also an allen naturwissenschaftlichen Werken Gutes ist, muß sich nothwendig auch so dar¬ stellen lassen, wie Goethe darstellt, und was sich nicht so darstellen läßt, oder dar¬ stellen lassen will, ist höchstwahrscheinlich ein bloßes Hirngespinnst. „Möcht' ich mich fromm und kurz fassen, so müßt' ich sagen: es kam augenblicklich der Friede Gottes über mich" — schöner als durch dieses Wort des Dankes konnte der Verfasser nicht belohnt werden. Es ist ein Vorklang jener tiefen vollen Töne, in denen der Dichter bald darauf das hohe Preislied anstimmte von jenem mehr als Vernunft beseligenden Frieden Gottes, von der beglückenden Nähe des „allgeliebten Wesens", dessen liebliche Lippen ihm die holde Lehre verkünden: Luftreisen Johannes pooschel von 5. Die internationale Wettfahrt > le Berliner Luftschiffertage neigten sich ihrem Ende zu. Mittwoch den 10. Oktober hatten sie begonnen mit der Verfolgung vier kleiner Wasserstoffballons des Luftschifferbataillons durch je vier Automobile, wobei es nur einem Automobil gelang, in der vor- geschriebnen Zeit seinen Ballon zu erreichen. Eine Fülle von Anregungen hatten diese Tage gebracht durch hervorragende wissenschaftliche Vortrüge und Vorführungen, besonders aber durch den persönlichen Verkehr mit Luftschiffern aus allen Teilen Deutschlands und dem Auslande. Denn zugleich mit dem Berliner Verein für Luftschiffahrt, der sein fünfundzwanzig¬ jähriges Bestehen feierte, tagte auch der aus neun Vereinen gebildete Deutsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/36>, abgerufen am 19.05.2024.