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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Luftreisen

hat die t'käkrg.ton luterustiovAlg für Wettfahrten folgende Berechnung fest¬
gesetzt: bei Ballons bis 1600 Kubikmeter Größe werden 100, von 1600 bis
3000 Kubikmeter 200, über 3000 Kubikmeter 300 Kubikmeter abgezogen in der
freilich nur selten genau zutreffenden Annahme, daß ein Ballon der ersten Größe
einen, der zweiten Größe zwei, der dritten drei Mann Besatzung an Bord
hat. Mit dem Nest wird in die Zahl der zurückgelegten Kilometer dividiert.
Die Quotienten ergeben dann die schließliche Reihenfolge. Wenn also ein
Ballon von 2400 Kubikmetern 800 Kilometer zurücklegt, ist sein Ergebnis
800:2200^0,36; er wird von einem Ballon von 1500 Kubikmetern, der es
nur auf 520 Kilometer bringt, geschlagen, denn es ist 520 :1400 ^ 0.37. Das
ist wenigstens ein wohlgemeinter Versuch zu gerechtem Ausgleich. Indessen sind
die Vorteile der größern Ballons keineswegs so ausgemacht. So fordert
zum Beispiel die Regelung der vertikalen Schwankungen bei umfangreichern
Ballons viel größere Opfer an Ballast. Sollte sich aber wirklich der größte
Ballon am längsten in der Luft halten, so ist damit noch lange nicht gesagt,
daß er auch am weitesten fliegt. Kurz, es spielen bei den Ballonwettfahrten
wie bei jedem Sport Zufall und Glück eine große Rolle. Jedenfalls waren
für unsre beiden Kleinen, "Ernst" und "Radium" (850 Kubikmeter), übrigens
außer dem weit größern Wiener "Helios" (1230 Kubikmeter) die einzigen, die
nur je einen Mann an Bord hatten, von vornherein die Aussichten nicht un¬
günstig. Der Führer des Ballons "Radium" aber, Adhemar de la Häute, ver¬
zichtete von vornherein auf die Durchführung der Fahrt und landete freiwillig
noch an demselben Abend um sieben Uhr in der Gegend von Lübben in der Mark,
um tags darauf als Vertreter Belgiens an den Beratungen der I^am-ation
teilzunehmen.

Siebzehmnal im Zeitraum einer Stunde ertönten nun die wohlbekannten
letzten Kommandos: "Achtung! Anlüften!" "Festhalten!" "Aufziehen!", worauf
das Öffnen des solange wie möglich geschlossen gehaltnen Füllansatzes erfolgt,
und "Laßt los!" Beim ersten dieser vier Kommandos wurde siebzehnmal die¬
selbe schmerzliche Enttäuschung erlebt: das Gas war viel schwerer als das
sonst vom Berliner Verein benutzte Leuchtgas, vielleicht weil gar zu hohe An¬
forderungen an die Gasanstalt gestellt werden mußten, wurden doch im ganzen
etwa 26 000 Kubikmeter auf einmal gebraucht, So bekam der "Helmholtz",
der unter den gleichen Gewichtsverhältnissen noch mit 22 bis 23 Sack Ballast
den nötigen Auftrieb erhält, nur 13 Sack mit. Da jeder Führer bestrebt war,
seinen Ballon so schwer als möglich abwiegen zu lassen, trennte sich mancher
nur langsam und unter Auswerfen der unbedingt nötigen Sandmenge vom
Boden und berührte ihn wohl auch noch einmal nach dem ersten leichten Er¬
heben, was den zuschauenden Massen gar nicht gefiel und von manchen als
Zeichen mangelhafter Führung kritisiert wurde. Gerade beim kleinen "Ernst",
der schließlich als erster Sieger aus der Wettfahrt hervorging, war dies der
Fall, hatte er doch alle Ursache, mit seinem drei und einem halben Sack Ballast


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hat die t'käkrg.ton luterustiovAlg für Wettfahrten folgende Berechnung fest¬
gesetzt: bei Ballons bis 1600 Kubikmeter Größe werden 100, von 1600 bis
3000 Kubikmeter 200, über 3000 Kubikmeter 300 Kubikmeter abgezogen in der
freilich nur selten genau zutreffenden Annahme, daß ein Ballon der ersten Größe
einen, der zweiten Größe zwei, der dritten drei Mann Besatzung an Bord
hat. Mit dem Nest wird in die Zahl der zurückgelegten Kilometer dividiert.
Die Quotienten ergeben dann die schließliche Reihenfolge. Wenn also ein
Ballon von 2400 Kubikmetern 800 Kilometer zurücklegt, ist sein Ergebnis
800:2200^0,36; er wird von einem Ballon von 1500 Kubikmetern, der es
nur auf 520 Kilometer bringt, geschlagen, denn es ist 520 :1400 ^ 0.37. Das
ist wenigstens ein wohlgemeinter Versuch zu gerechtem Ausgleich. Indessen sind
die Vorteile der größern Ballons keineswegs so ausgemacht. So fordert
zum Beispiel die Regelung der vertikalen Schwankungen bei umfangreichern
Ballons viel größere Opfer an Ballast. Sollte sich aber wirklich der größte
Ballon am längsten in der Luft halten, so ist damit noch lange nicht gesagt,
daß er auch am weitesten fliegt. Kurz, es spielen bei den Ballonwettfahrten
wie bei jedem Sport Zufall und Glück eine große Rolle. Jedenfalls waren
für unsre beiden Kleinen, „Ernst" und „Radium" (850 Kubikmeter), übrigens
außer dem weit größern Wiener „Helios" (1230 Kubikmeter) die einzigen, die
nur je einen Mann an Bord hatten, von vornherein die Aussichten nicht un¬
günstig. Der Führer des Ballons „Radium" aber, Adhemar de la Häute, ver¬
zichtete von vornherein auf die Durchführung der Fahrt und landete freiwillig
noch an demselben Abend um sieben Uhr in der Gegend von Lübben in der Mark,
um tags darauf als Vertreter Belgiens an den Beratungen der I^am-ation
teilzunehmen.

Siebzehmnal im Zeitraum einer Stunde ertönten nun die wohlbekannten
letzten Kommandos: „Achtung! Anlüften!" „Festhalten!" „Aufziehen!", worauf
das Öffnen des solange wie möglich geschlossen gehaltnen Füllansatzes erfolgt,
und „Laßt los!" Beim ersten dieser vier Kommandos wurde siebzehnmal die¬
selbe schmerzliche Enttäuschung erlebt: das Gas war viel schwerer als das
sonst vom Berliner Verein benutzte Leuchtgas, vielleicht weil gar zu hohe An¬
forderungen an die Gasanstalt gestellt werden mußten, wurden doch im ganzen
etwa 26 000 Kubikmeter auf einmal gebraucht, So bekam der „Helmholtz",
der unter den gleichen Gewichtsverhältnissen noch mit 22 bis 23 Sack Ballast
den nötigen Auftrieb erhält, nur 13 Sack mit. Da jeder Führer bestrebt war,
seinen Ballon so schwer als möglich abwiegen zu lassen, trennte sich mancher
nur langsam und unter Auswerfen der unbedingt nötigen Sandmenge vom
Boden und berührte ihn wohl auch noch einmal nach dem ersten leichten Er¬
heben, was den zuschauenden Massen gar nicht gefiel und von manchen als
Zeichen mangelhafter Führung kritisiert wurde. Gerade beim kleinen „Ernst",
der schließlich als erster Sieger aus der Wettfahrt hervorging, war dies der
Fall, hatte er doch alle Ursache, mit seinem drei und einem halben Sack Ballast


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[0039] Luftreisen hat die t'käkrg.ton luterustiovAlg für Wettfahrten folgende Berechnung fest¬ gesetzt: bei Ballons bis 1600 Kubikmeter Größe werden 100, von 1600 bis 3000 Kubikmeter 200, über 3000 Kubikmeter 300 Kubikmeter abgezogen in der freilich nur selten genau zutreffenden Annahme, daß ein Ballon der ersten Größe einen, der zweiten Größe zwei, der dritten drei Mann Besatzung an Bord hat. Mit dem Nest wird in die Zahl der zurückgelegten Kilometer dividiert. Die Quotienten ergeben dann die schließliche Reihenfolge. Wenn also ein Ballon von 2400 Kubikmetern 800 Kilometer zurücklegt, ist sein Ergebnis 800:2200^0,36; er wird von einem Ballon von 1500 Kubikmetern, der es nur auf 520 Kilometer bringt, geschlagen, denn es ist 520 :1400 ^ 0.37. Das ist wenigstens ein wohlgemeinter Versuch zu gerechtem Ausgleich. Indessen sind die Vorteile der größern Ballons keineswegs so ausgemacht. So fordert zum Beispiel die Regelung der vertikalen Schwankungen bei umfangreichern Ballons viel größere Opfer an Ballast. Sollte sich aber wirklich der größte Ballon am längsten in der Luft halten, so ist damit noch lange nicht gesagt, daß er auch am weitesten fliegt. Kurz, es spielen bei den Ballonwettfahrten wie bei jedem Sport Zufall und Glück eine große Rolle. Jedenfalls waren für unsre beiden Kleinen, „Ernst" und „Radium" (850 Kubikmeter), übrigens außer dem weit größern Wiener „Helios" (1230 Kubikmeter) die einzigen, die nur je einen Mann an Bord hatten, von vornherein die Aussichten nicht un¬ günstig. Der Führer des Ballons „Radium" aber, Adhemar de la Häute, ver¬ zichtete von vornherein auf die Durchführung der Fahrt und landete freiwillig noch an demselben Abend um sieben Uhr in der Gegend von Lübben in der Mark, um tags darauf als Vertreter Belgiens an den Beratungen der I^am-ation teilzunehmen. Siebzehmnal im Zeitraum einer Stunde ertönten nun die wohlbekannten letzten Kommandos: „Achtung! Anlüften!" „Festhalten!" „Aufziehen!", worauf das Öffnen des solange wie möglich geschlossen gehaltnen Füllansatzes erfolgt, und „Laßt los!" Beim ersten dieser vier Kommandos wurde siebzehnmal die¬ selbe schmerzliche Enttäuschung erlebt: das Gas war viel schwerer als das sonst vom Berliner Verein benutzte Leuchtgas, vielleicht weil gar zu hohe An¬ forderungen an die Gasanstalt gestellt werden mußten, wurden doch im ganzen etwa 26 000 Kubikmeter auf einmal gebraucht, So bekam der „Helmholtz", der unter den gleichen Gewichtsverhältnissen noch mit 22 bis 23 Sack Ballast den nötigen Auftrieb erhält, nur 13 Sack mit. Da jeder Führer bestrebt war, seinen Ballon so schwer als möglich abwiegen zu lassen, trennte sich mancher nur langsam und unter Auswerfen der unbedingt nötigen Sandmenge vom Boden und berührte ihn wohl auch noch einmal nach dem ersten leichten Er¬ heben, was den zuschauenden Massen gar nicht gefiel und von manchen als Zeichen mangelhafter Führung kritisiert wurde. Gerade beim kleinen „Ernst", der schließlich als erster Sieger aus der Wettfahrt hervorging, war dies der Fall, hatte er doch alle Ursache, mit seinem drei und einem halben Sack Ballast

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/39>, abgerufen am 19.05.2024.