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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die moderne chinesische Armee

Eingekeilt werden die Bannertruppen in acht Korps, von denen die drei
ersten (gelbes, rotgelbes und weißes Banner) ausschließlich aus Mongolen und
Tataren gebildet werden und unter andern die Kaiserliche Garde formieren;
sie stehn auch theoretisch unter dem direkten Befehl des Kaisers im Gegensatz
zu den fünf andern Bannerkorps (weiß-rot, rot, rot-weiß, blau und blau-rot),
die zum Patronat der Prinzen des Kaiserlichen Hauses gehören.

Die acht Banner gliedern sich in 25 Divisionen von ganz ungleicher Stärke.
Die 1. Division, die Kaiserliche Garde, ist 3000 Mann (Infanterie und Kavallerie)
stark und wird von 25 Mandarinen erster und zweiter Stufe sowie von drei
Prinzen befehligt, die zu ihrer Unterstützung und Ausführung ihrer Befehle
1000 Subalternoffiziere zur Seite haben. Der Vorzug der Gardedivision vor
den andern Divisionen besteht unter anderm darin, daß sie ihr eignes Straf¬
gesetzbuch hat. Die geringste Strafe besteht in hundert Stockschlägen, die schwerste
in "langsamem Tode" wegen Landesverrat oder Achtungsvcrletzung gegen den
Kaiser.

Die 2. bis 10. Division der Bannertruppen gehören zur Besatzung der
Provinz Petschili. Ihre genaue Stärke läßt sich kaum feststellen. In den
Frontrapporten, die gelegentlich der aller drei Jahre abzuhaltenden Paraden
vorgelegt werden, sind 150000 Mann ausgeführt. In Wirklichkeit kann man
jedoch höchstens 80000 Mann zählen, da einzelne Divisionen durch Deserteure,
Kraute usw. große Abgänge haben.

Auch die Stärke der Divisionen 11 bis 25 ist ganz verschieden. Die 12. Di¬
vision in Schankung zum Beispiel ist insgesamt 3000 Köpfe stark, während
die 24. Division, die vor der Ankunft der Russen in der Mandschurei stand,
mit 30000 Mann die Höchstzahl erreicht. Der 25. Division ist die Bewachung
der Kaiserlichen Gräber in den Provinzen anvertraut. Zusammen sollen die
fünfzehn Divisionen etwa 100000 Mann aufbringen.

Ebenso ungleich wie die Stärke der einzelnen Divisionen der Bannertruppen
ist auch ihre Zusammensetzung nach Waffengattungen. So besteht z. B. die
zweite Division nur aus Infanterie, die dritte zur Hälfte aus Infanterie und
Kavallerie, die vierte ebenfalls aus Infanterie und Kavallerie und dazu noch
ans einigen zwanzig Batterien, die sechste bildet nur Fußartilleristen aus, und
der siebenten ist die Exekutivstrafgewalt übertragen.

Obgleich ohne feste militärische Organisation, verfügen die Bannertruppen
doch über Reserven, die zu Kriegsdiensten herangezogen werden. Eine Kontrolle
über sie wird seitens der Ortsbehörden geführt, indem sie von sämtlichen
Familienangehörigen von Geschlecht zu Geschlecht genaue Listen anlegen und
für die Ausbildung der in diese Listen eingetragnen Leute Sorge tragen, je
nachdem Zeit und Mittel dazu vorhanden sind.

Weit schlechter als mit diesen Bannertruppen des alten Heeres ist es mit
den Provinzialtruppen bestellt, die als Neste einer um die Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts geschaffnen stehenden Armee anzusehen sind. Sie sind über


Die moderne chinesische Armee

Eingekeilt werden die Bannertruppen in acht Korps, von denen die drei
ersten (gelbes, rotgelbes und weißes Banner) ausschließlich aus Mongolen und
Tataren gebildet werden und unter andern die Kaiserliche Garde formieren;
sie stehn auch theoretisch unter dem direkten Befehl des Kaisers im Gegensatz
zu den fünf andern Bannerkorps (weiß-rot, rot, rot-weiß, blau und blau-rot),
die zum Patronat der Prinzen des Kaiserlichen Hauses gehören.

Die acht Banner gliedern sich in 25 Divisionen von ganz ungleicher Stärke.
Die 1. Division, die Kaiserliche Garde, ist 3000 Mann (Infanterie und Kavallerie)
stark und wird von 25 Mandarinen erster und zweiter Stufe sowie von drei
Prinzen befehligt, die zu ihrer Unterstützung und Ausführung ihrer Befehle
1000 Subalternoffiziere zur Seite haben. Der Vorzug der Gardedivision vor
den andern Divisionen besteht unter anderm darin, daß sie ihr eignes Straf¬
gesetzbuch hat. Die geringste Strafe besteht in hundert Stockschlägen, die schwerste
in „langsamem Tode" wegen Landesverrat oder Achtungsvcrletzung gegen den
Kaiser.

Die 2. bis 10. Division der Bannertruppen gehören zur Besatzung der
Provinz Petschili. Ihre genaue Stärke läßt sich kaum feststellen. In den
Frontrapporten, die gelegentlich der aller drei Jahre abzuhaltenden Paraden
vorgelegt werden, sind 150000 Mann ausgeführt. In Wirklichkeit kann man
jedoch höchstens 80000 Mann zählen, da einzelne Divisionen durch Deserteure,
Kraute usw. große Abgänge haben.

Auch die Stärke der Divisionen 11 bis 25 ist ganz verschieden. Die 12. Di¬
vision in Schankung zum Beispiel ist insgesamt 3000 Köpfe stark, während
die 24. Division, die vor der Ankunft der Russen in der Mandschurei stand,
mit 30000 Mann die Höchstzahl erreicht. Der 25. Division ist die Bewachung
der Kaiserlichen Gräber in den Provinzen anvertraut. Zusammen sollen die
fünfzehn Divisionen etwa 100000 Mann aufbringen.

Ebenso ungleich wie die Stärke der einzelnen Divisionen der Bannertruppen
ist auch ihre Zusammensetzung nach Waffengattungen. So besteht z. B. die
zweite Division nur aus Infanterie, die dritte zur Hälfte aus Infanterie und
Kavallerie, die vierte ebenfalls aus Infanterie und Kavallerie und dazu noch
ans einigen zwanzig Batterien, die sechste bildet nur Fußartilleristen aus, und
der siebenten ist die Exekutivstrafgewalt übertragen.

Obgleich ohne feste militärische Organisation, verfügen die Bannertruppen
doch über Reserven, die zu Kriegsdiensten herangezogen werden. Eine Kontrolle
über sie wird seitens der Ortsbehörden geführt, indem sie von sämtlichen
Familienangehörigen von Geschlecht zu Geschlecht genaue Listen anlegen und
für die Ausbildung der in diese Listen eingetragnen Leute Sorge tragen, je
nachdem Zeit und Mittel dazu vorhanden sind.

Weit schlechter als mit diesen Bannertruppen des alten Heeres ist es mit
den Provinzialtruppen bestellt, die als Neste einer um die Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts geschaffnen stehenden Armee anzusehen sind. Sie sind über


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[0114] Die moderne chinesische Armee Eingekeilt werden die Bannertruppen in acht Korps, von denen die drei ersten (gelbes, rotgelbes und weißes Banner) ausschließlich aus Mongolen und Tataren gebildet werden und unter andern die Kaiserliche Garde formieren; sie stehn auch theoretisch unter dem direkten Befehl des Kaisers im Gegensatz zu den fünf andern Bannerkorps (weiß-rot, rot, rot-weiß, blau und blau-rot), die zum Patronat der Prinzen des Kaiserlichen Hauses gehören. Die acht Banner gliedern sich in 25 Divisionen von ganz ungleicher Stärke. Die 1. Division, die Kaiserliche Garde, ist 3000 Mann (Infanterie und Kavallerie) stark und wird von 25 Mandarinen erster und zweiter Stufe sowie von drei Prinzen befehligt, die zu ihrer Unterstützung und Ausführung ihrer Befehle 1000 Subalternoffiziere zur Seite haben. Der Vorzug der Gardedivision vor den andern Divisionen besteht unter anderm darin, daß sie ihr eignes Straf¬ gesetzbuch hat. Die geringste Strafe besteht in hundert Stockschlägen, die schwerste in „langsamem Tode" wegen Landesverrat oder Achtungsvcrletzung gegen den Kaiser. Die 2. bis 10. Division der Bannertruppen gehören zur Besatzung der Provinz Petschili. Ihre genaue Stärke läßt sich kaum feststellen. In den Frontrapporten, die gelegentlich der aller drei Jahre abzuhaltenden Paraden vorgelegt werden, sind 150000 Mann ausgeführt. In Wirklichkeit kann man jedoch höchstens 80000 Mann zählen, da einzelne Divisionen durch Deserteure, Kraute usw. große Abgänge haben. Auch die Stärke der Divisionen 11 bis 25 ist ganz verschieden. Die 12. Di¬ vision in Schankung zum Beispiel ist insgesamt 3000 Köpfe stark, während die 24. Division, die vor der Ankunft der Russen in der Mandschurei stand, mit 30000 Mann die Höchstzahl erreicht. Der 25. Division ist die Bewachung der Kaiserlichen Gräber in den Provinzen anvertraut. Zusammen sollen die fünfzehn Divisionen etwa 100000 Mann aufbringen. Ebenso ungleich wie die Stärke der einzelnen Divisionen der Bannertruppen ist auch ihre Zusammensetzung nach Waffengattungen. So besteht z. B. die zweite Division nur aus Infanterie, die dritte zur Hälfte aus Infanterie und Kavallerie, die vierte ebenfalls aus Infanterie und Kavallerie und dazu noch ans einigen zwanzig Batterien, die sechste bildet nur Fußartilleristen aus, und der siebenten ist die Exekutivstrafgewalt übertragen. Obgleich ohne feste militärische Organisation, verfügen die Bannertruppen doch über Reserven, die zu Kriegsdiensten herangezogen werden. Eine Kontrolle über sie wird seitens der Ortsbehörden geführt, indem sie von sämtlichen Familienangehörigen von Geschlecht zu Geschlecht genaue Listen anlegen und für die Ausbildung der in diese Listen eingetragnen Leute Sorge tragen, je nachdem Zeit und Mittel dazu vorhanden sind. Weit schlechter als mit diesen Bannertruppen des alten Heeres ist es mit den Provinzialtruppen bestellt, die als Neste einer um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts geschaffnen stehenden Armee anzusehen sind. Sie sind über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/114>, abgerufen am 14.05.2024.