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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Prediger in Nöten

Vor dem Salzwasser zu hüten; doch zu sehen, was sie leiten, war unmöglich, bis
nach ein paar Minuten wieder Tritte auf dem Kies knirschten. Die das Seil
haltende Eisenstange, ans der Stockdales Hand ruhte, fing an, sich ein wenig zu
biegen, und die Träger kamen einer nach dem andern zum Vorschein, hörbar
tropfend, als sie den Abhang hinaufkletterten und sich an dem führenden Seil fest¬
hielten. Sobald die einzelnen den Gipfel erreichten, sah man, daß jeder ein Paar
Fäßchen trug, eins auf dem Rücken und eins auf der Brust; beide waren mit
Stricken aneinandergebuuden, die dnrch die Schlußreden geleitet waren und auf
des Trägers Schultern ruhten. Einige der stärkern Männer trugen drei, indem
sie noch eins ans das Hintere gestellt hatten; aber die übliche Last waren zwei, die
schwer genug wogen, daß der Träger nach einem Marsch von vier bis fünf Meilen
das Gefühl hatte, als wären ihm Rückgrat und Brust zusammengewachsen.

Wo ist Owlett? fragte Lizzy einen von ihnen.

Der kommt nicht diesen Weg herauf, antwortete der Träger. Er muß am
Strande bleiben, bis wir sicher auf und davon sind. Darauf stiegen die vordersten
Leute, ohne auf die andern zu warten, in die Ebene hinab. Sobald der letzte
oben war, zog Lizzy das Tau nach, wand es um ihren Arm, drehte die Eisen¬
stange aus dem Boden und wandte sich um, den Trägern zu folgen.

Sie sind sehr besorgt um Owletts Sicherheit, sagte der Prediger.

Hat man je einen solchen Mann gesehen! rief Lizzy. Ja, ist er denn nicht
mein Vetter?

Ja ja. Schwere Arbeit für eine Nacht, sagte Stockdale bedrückt. Aber ich
Will Ihnen die Stange und das Tau tragen.

Gottlob, soweit sind die Fässer nun glücklich gekommen, sagte sie.

Stockdale schüttelte den Kopf, nahm die Stange und schritt an ihrer Seite
in die Ebene hinab. Das Murren der Brandung war nicht mehr hörbar.

Ist es dies, was Sie neulich meinten, als Sie mir sagten, Sie hätten Ge¬
schäftliches mit Owlett besprochen? fragte der junge Mann.

So ists, erwiderte sie. Ich sehe ihn niemals in einer andern Angelegenheit.

Ein derartiges Teilhabergeschäft mit einem jungen Mann ist sehr sonderbar.

Es wurde von meinem und seinen: Vater begonnen, die verschwägert waren.

Ihr Begleiter konnte sich gegen die Tatsache nicht blind stellen, daß, wo bei
Lizzy und Owlett Geschmack und Ziele so verwandt waren, wo bei jedem Unter¬
nehmen die Gefahr geteilt wurde, es durchaus angemessen sein würde, wenn sie
Owletts ständigen Heiratsantrag mit ja beantwortete. Dies beruhigte Stockdale
aber nicht; viel eher erregte es in ihm die Neigung, sich das Paar so ungleich
wie möglich vorzustellen und sie von dieser lichtscheuen Bande fortzulocken, zu
reputierlicher Lebensführung in ein Pfarrhaus, weit von hier in einer Jnland-
grafschaft.

(Fortsetzung folgt)




Der Prediger in Nöten

Vor dem Salzwasser zu hüten; doch zu sehen, was sie leiten, war unmöglich, bis
nach ein paar Minuten wieder Tritte auf dem Kies knirschten. Die das Seil
haltende Eisenstange, ans der Stockdales Hand ruhte, fing an, sich ein wenig zu
biegen, und die Träger kamen einer nach dem andern zum Vorschein, hörbar
tropfend, als sie den Abhang hinaufkletterten und sich an dem führenden Seil fest¬
hielten. Sobald die einzelnen den Gipfel erreichten, sah man, daß jeder ein Paar
Fäßchen trug, eins auf dem Rücken und eins auf der Brust; beide waren mit
Stricken aneinandergebuuden, die dnrch die Schlußreden geleitet waren und auf
des Trägers Schultern ruhten. Einige der stärkern Männer trugen drei, indem
sie noch eins ans das Hintere gestellt hatten; aber die übliche Last waren zwei, die
schwer genug wogen, daß der Träger nach einem Marsch von vier bis fünf Meilen
das Gefühl hatte, als wären ihm Rückgrat und Brust zusammengewachsen.

Wo ist Owlett? fragte Lizzy einen von ihnen.

Der kommt nicht diesen Weg herauf, antwortete der Träger. Er muß am
Strande bleiben, bis wir sicher auf und davon sind. Darauf stiegen die vordersten
Leute, ohne auf die andern zu warten, in die Ebene hinab. Sobald der letzte
oben war, zog Lizzy das Tau nach, wand es um ihren Arm, drehte die Eisen¬
stange aus dem Boden und wandte sich um, den Trägern zu folgen.

Sie sind sehr besorgt um Owletts Sicherheit, sagte der Prediger.

Hat man je einen solchen Mann gesehen! rief Lizzy. Ja, ist er denn nicht
mein Vetter?

Ja ja. Schwere Arbeit für eine Nacht, sagte Stockdale bedrückt. Aber ich
Will Ihnen die Stange und das Tau tragen.

Gottlob, soweit sind die Fässer nun glücklich gekommen, sagte sie.

Stockdale schüttelte den Kopf, nahm die Stange und schritt an ihrer Seite
in die Ebene hinab. Das Murren der Brandung war nicht mehr hörbar.

Ist es dies, was Sie neulich meinten, als Sie mir sagten, Sie hätten Ge¬
schäftliches mit Owlett besprochen? fragte der junge Mann.

So ists, erwiderte sie. Ich sehe ihn niemals in einer andern Angelegenheit.

Ein derartiges Teilhabergeschäft mit einem jungen Mann ist sehr sonderbar.

Es wurde von meinem und seinen: Vater begonnen, die verschwägert waren.

Ihr Begleiter konnte sich gegen die Tatsache nicht blind stellen, daß, wo bei
Lizzy und Owlett Geschmack und Ziele so verwandt waren, wo bei jedem Unter¬
nehmen die Gefahr geteilt wurde, es durchaus angemessen sein würde, wenn sie
Owletts ständigen Heiratsantrag mit ja beantwortete. Dies beruhigte Stockdale
aber nicht; viel eher erregte es in ihm die Neigung, sich das Paar so ungleich
wie möglich vorzustellen und sie von dieser lichtscheuen Bande fortzulocken, zu
reputierlicher Lebensführung in ein Pfarrhaus, weit von hier in einer Jnland-
grafschaft.

(Fortsetzung folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/160>, abgerufen am 15.05.2024.