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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die evangelischen Deutschen im Auslande

und andre gemeinnützige Institute, die für Diasporaverhältnisse besonders wert¬
voll sind.

Die stark aufsteigende Entwicklung, die die Beziehungen der preußischen
Landeskirche zur evangelischen Diaspora außerhalb Deutschlands genommen
haben, stellt fortdauernd neue Aufgaben in bezug auf Schaffung weiterer Kirchen¬
gemeinden, Pfarrämter und Reisepredigteinrichtungen. Besonders dringend ist
dies in den Schutzgebieten, in Kleinasien, in Brasilien und in den La Plata-
staaten hervorgetreten.

Die Aufgaben sind aber nicht nur dem Umfange nach, sondern auch in
bezug auf die Art der Fürsorge gewachsen. Die neuere Entwicklung weist darauf
hin, organische Einrichtungen ins Auge zu fassen, um einmal eine geeignete
Vorbereitung der Geistlichen auf die besondern Aufgaben ihres Amtes zu ge¬
währleisten, und ferner, um ihnen durch Fürsorge für eine angemessene Er¬
ziehung ihrer Kinder ein längeres Verbleiben im Auslande zu ermöglichen.

Die unmittelbare Pflege der gesamten Diaspora ist bisher vom Evange¬
lischen Oberkirchcnrat in Berlin aus besorgt worden, der nur in Ausnahmefällen
durch entsandte Kommissare einen Einblick in die persönlichen Verhältnisse er¬
hielt. Mit der Zahl der angeschlossenen Gemeinden ist aber auch die Schwierigkeit
gewachsen, alles von einer Zentralstelle aus zu erledigen, und es liegt darum
nahe, für einzelne Diasporagebiete, wie zum Beispiel für Südbrasilien, ständige,
in ihrem Bezirk wohnende Vertrauensmänner des Kirchenregiments zu bestellen.

Neue Pflichten haben sich für die preußische Landeskirche auch aus dem
Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen zum Deutschen
Evangelischen Kirchenausschuß ergeben, der sich unter anderm zum Ziele ge¬
steckt hat: die kirchliche Versorgung der Evangelischen in den deutschen Schutz¬
gebieten und die Förderung kirchlicher Einrichtungen für die evangelischen
Deutschen im Auslande sowie die Seelsorge unter deutschen Auswandrern und
Seeleuten. Der Kirchenausschuß kann dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn
er auf die finanzielle Hilfe der in ihm verkrallten Landeskirchen, in erster Linie
natürlich der preußischen als der größten Landeskirche, zurückgreift.

Vor allem erfüllt aber die preußische Landeskirche eine nationale Aufgabe
in der von ihr übernommnen kirchlichen Fürsorge für die evangelischen Deutschen
im Auslande, denn die dortigen Gemeinden sind die Pflegestätten deutscher Art,
deutscher Sitte, deutsch-evangelischen Glaubenslebens und deutscher Sprache. Es
rst deshalb zu hoffen, daß auch die Landeskirchen der andern deutschen Bundes¬
staaten dem preußischen Beispiele folgen und für die Diasporapflege endlich
größere Beiträge aufbringen werden.




Die evangelischen Deutschen im Auslande

und andre gemeinnützige Institute, die für Diasporaverhältnisse besonders wert¬
voll sind.

Die stark aufsteigende Entwicklung, die die Beziehungen der preußischen
Landeskirche zur evangelischen Diaspora außerhalb Deutschlands genommen
haben, stellt fortdauernd neue Aufgaben in bezug auf Schaffung weiterer Kirchen¬
gemeinden, Pfarrämter und Reisepredigteinrichtungen. Besonders dringend ist
dies in den Schutzgebieten, in Kleinasien, in Brasilien und in den La Plata-
staaten hervorgetreten.

Die Aufgaben sind aber nicht nur dem Umfange nach, sondern auch in
bezug auf die Art der Fürsorge gewachsen. Die neuere Entwicklung weist darauf
hin, organische Einrichtungen ins Auge zu fassen, um einmal eine geeignete
Vorbereitung der Geistlichen auf die besondern Aufgaben ihres Amtes zu ge¬
währleisten, und ferner, um ihnen durch Fürsorge für eine angemessene Er¬
ziehung ihrer Kinder ein längeres Verbleiben im Auslande zu ermöglichen.

Die unmittelbare Pflege der gesamten Diaspora ist bisher vom Evange¬
lischen Oberkirchcnrat in Berlin aus besorgt worden, der nur in Ausnahmefällen
durch entsandte Kommissare einen Einblick in die persönlichen Verhältnisse er¬
hielt. Mit der Zahl der angeschlossenen Gemeinden ist aber auch die Schwierigkeit
gewachsen, alles von einer Zentralstelle aus zu erledigen, und es liegt darum
nahe, für einzelne Diasporagebiete, wie zum Beispiel für Südbrasilien, ständige,
in ihrem Bezirk wohnende Vertrauensmänner des Kirchenregiments zu bestellen.

Neue Pflichten haben sich für die preußische Landeskirche auch aus dem
Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen zum Deutschen
Evangelischen Kirchenausschuß ergeben, der sich unter anderm zum Ziele ge¬
steckt hat: die kirchliche Versorgung der Evangelischen in den deutschen Schutz¬
gebieten und die Förderung kirchlicher Einrichtungen für die evangelischen
Deutschen im Auslande sowie die Seelsorge unter deutschen Auswandrern und
Seeleuten. Der Kirchenausschuß kann dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn
er auf die finanzielle Hilfe der in ihm verkrallten Landeskirchen, in erster Linie
natürlich der preußischen als der größten Landeskirche, zurückgreift.

Vor allem erfüllt aber die preußische Landeskirche eine nationale Aufgabe
in der von ihr übernommnen kirchlichen Fürsorge für die evangelischen Deutschen
im Auslande, denn die dortigen Gemeinden sind die Pflegestätten deutscher Art,
deutscher Sitte, deutsch-evangelischen Glaubenslebens und deutscher Sprache. Es
rst deshalb zu hoffen, daß auch die Landeskirchen der andern deutschen Bundes¬
staaten dem preußischen Beispiele folgen und für die Diasporapflege endlich
größere Beiträge aufbringen werden.




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[0173] Die evangelischen Deutschen im Auslande und andre gemeinnützige Institute, die für Diasporaverhältnisse besonders wert¬ voll sind. Die stark aufsteigende Entwicklung, die die Beziehungen der preußischen Landeskirche zur evangelischen Diaspora außerhalb Deutschlands genommen haben, stellt fortdauernd neue Aufgaben in bezug auf Schaffung weiterer Kirchen¬ gemeinden, Pfarrämter und Reisepredigteinrichtungen. Besonders dringend ist dies in den Schutzgebieten, in Kleinasien, in Brasilien und in den La Plata- staaten hervorgetreten. Die Aufgaben sind aber nicht nur dem Umfange nach, sondern auch in bezug auf die Art der Fürsorge gewachsen. Die neuere Entwicklung weist darauf hin, organische Einrichtungen ins Auge zu fassen, um einmal eine geeignete Vorbereitung der Geistlichen auf die besondern Aufgaben ihres Amtes zu ge¬ währleisten, und ferner, um ihnen durch Fürsorge für eine angemessene Er¬ ziehung ihrer Kinder ein längeres Verbleiben im Auslande zu ermöglichen. Die unmittelbare Pflege der gesamten Diaspora ist bisher vom Evange¬ lischen Oberkirchcnrat in Berlin aus besorgt worden, der nur in Ausnahmefällen durch entsandte Kommissare einen Einblick in die persönlichen Verhältnisse er¬ hielt. Mit der Zahl der angeschlossenen Gemeinden ist aber auch die Schwierigkeit gewachsen, alles von einer Zentralstelle aus zu erledigen, und es liegt darum nahe, für einzelne Diasporagebiete, wie zum Beispiel für Südbrasilien, ständige, in ihrem Bezirk wohnende Vertrauensmänner des Kirchenregiments zu bestellen. Neue Pflichten haben sich für die preußische Landeskirche auch aus dem Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen zum Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß ergeben, der sich unter anderm zum Ziele ge¬ steckt hat: die kirchliche Versorgung der Evangelischen in den deutschen Schutz¬ gebieten und die Förderung kirchlicher Einrichtungen für die evangelischen Deutschen im Auslande sowie die Seelsorge unter deutschen Auswandrern und Seeleuten. Der Kirchenausschuß kann dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn er auf die finanzielle Hilfe der in ihm verkrallten Landeskirchen, in erster Linie natürlich der preußischen als der größten Landeskirche, zurückgreift. Vor allem erfüllt aber die preußische Landeskirche eine nationale Aufgabe in der von ihr übernommnen kirchlichen Fürsorge für die evangelischen Deutschen im Auslande, denn die dortigen Gemeinden sind die Pflegestätten deutscher Art, deutscher Sitte, deutsch-evangelischen Glaubenslebens und deutscher Sprache. Es rst deshalb zu hoffen, daß auch die Landeskirchen der andern deutschen Bundes¬ staaten dem preußischen Beispiele folgen und für die Diasporapflege endlich größere Beiträge aufbringen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/173>, abgerufen am 14.05.2024.