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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Zur Vorgeschichte des Burenkrieges

Ansiedler mit einer Monopolwirtschaft bedrückt. Diese ergaben sich darum, und
weil England versicherte, es nehme die Kolonie nur in Verwahrung (der
Prinz von Oranien war beim Einmarsch der Franzosen nach England geflohen),
vorläufig in ihr Schicksal. Als aber die Engländer die Maske abwarfen, sich
als Besitzer einrichteten und die Ansiedler noch ärger bedrückten, als es die
Kompagnie getan hatte, als der zweite Statthalter, Lord Macartney, nach
kurzer Amtsführung mit 2000 Pfund Ruhegehalt aus den Einkünften der
Kapkolonie belohnt wurde, da kam es zu Aufständen, die mit falschen Vor¬
spiegelungen beschwichtigt und dann grausam bestraft wurden. Auf die korrupte
englische Herrschaft folgte 1803 (nach dem Frieden von Amiens) die drei¬
jährige Herrschaft der Batavischen Republik, die die Kapkolonisten sowohl
materiell, durch gute Verwaltung, als ideell befriedigte, indem die republikanisch
gesinnten Buren auf feiten der franzosenfreundlichen Demokraten Hollands
standen und Gegner des Prinzen von Oranien waren. Aber schon 1806
wurde die Kolonie aufs neue von einer englischen Übermacht besetzt, und ihre
Hoffnung auf die Neuordnung der Dinge im Jahre 1814 erfüllte sich so
wenig, daß sie auch noch das bittre Bewußtsein, vom eignen Vaterlande "ver¬
kauft" worden zu sein, hinabwürgen mußten. Dieses Bewußtsein freilich ent¬
stand nach Leyds aus einer diplomatischen Täuschung, die auch in die historischen
Werke übergegangen ist. Die Bestätigung der englischen Besitznahme war nicht
das Ergebnis von Verhandlungen, sondern die Wirkung einer diktatorischen
Erklärung des Lord Castlereagh: "Diesen Teil der holländischen Kolonie be¬
halte ich, jenen gebe ich zurück", und das ohnmächtige Holland hatte sich ein¬
fach zu fügen. Gezählt hat allerdings England sechs Millionen Pfund, aber
nur zum Schein an Holland, in Wirklichkeit an Rußland, das für die eng¬
lische Politik gewonnen werden sollte. Die Tatsachen wurden deswegen falsch
dargestellt, weil die Zahlung der bedeutenden Summe im Parlament begründet
werden mußte, der eigentliche Zweck aber, die Gewinnung Rußlands für ein
geheimes Abkommen, nicht veröffentlicht werden durfte.

Als Hauptursache des großen Trecks von 1834 wird gewöhnlich die Auf¬
hebung der Sklaverei angegeben, die den Buren die Grundlage ihrer Wirtschaft
entzogen habe. Es handelte sich aber keineswegs bloß um die "Sklaverei",
sondern um fortwährende büreaukratische und gewalttätige Eingriffe in die
Wirtschaftsangelegenheiten des freiheitgewohnten Völkchens und um eine Ein-
gebornenpolitik, die ihm geradezu die Daseinsbedingungen raubte. Englische
Philanthropen und begeisterte Missionare malten die Schwarzen als halbe
Heilige und die niederländischen Farmer als grausame Ausbeuter, Menschen¬
schinder und Mörder, und nicht allein die farbigen Knechte, die bis dahin
willige und brauchbare Arbeiter gewesen waren, wurden gegen die Buren aus¬
gesetzt, sondern auch die unter ihnen und in ihrer Nachbarschaft wohnenden
freien Stämme. Es kam zu Gerichtsverhandlungen. Hundert Mordtaten sollten
einige Farmer begangen haben; nicht eine einzige wurde ihnen nachgewiesen.


Zur Vorgeschichte des Burenkrieges

Ansiedler mit einer Monopolwirtschaft bedrückt. Diese ergaben sich darum, und
weil England versicherte, es nehme die Kolonie nur in Verwahrung (der
Prinz von Oranien war beim Einmarsch der Franzosen nach England geflohen),
vorläufig in ihr Schicksal. Als aber die Engländer die Maske abwarfen, sich
als Besitzer einrichteten und die Ansiedler noch ärger bedrückten, als es die
Kompagnie getan hatte, als der zweite Statthalter, Lord Macartney, nach
kurzer Amtsführung mit 2000 Pfund Ruhegehalt aus den Einkünften der
Kapkolonie belohnt wurde, da kam es zu Aufständen, die mit falschen Vor¬
spiegelungen beschwichtigt und dann grausam bestraft wurden. Auf die korrupte
englische Herrschaft folgte 1803 (nach dem Frieden von Amiens) die drei¬
jährige Herrschaft der Batavischen Republik, die die Kapkolonisten sowohl
materiell, durch gute Verwaltung, als ideell befriedigte, indem die republikanisch
gesinnten Buren auf feiten der franzosenfreundlichen Demokraten Hollands
standen und Gegner des Prinzen von Oranien waren. Aber schon 1806
wurde die Kolonie aufs neue von einer englischen Übermacht besetzt, und ihre
Hoffnung auf die Neuordnung der Dinge im Jahre 1814 erfüllte sich so
wenig, daß sie auch noch das bittre Bewußtsein, vom eignen Vaterlande „ver¬
kauft" worden zu sein, hinabwürgen mußten. Dieses Bewußtsein freilich ent¬
stand nach Leyds aus einer diplomatischen Täuschung, die auch in die historischen
Werke übergegangen ist. Die Bestätigung der englischen Besitznahme war nicht
das Ergebnis von Verhandlungen, sondern die Wirkung einer diktatorischen
Erklärung des Lord Castlereagh: „Diesen Teil der holländischen Kolonie be¬
halte ich, jenen gebe ich zurück", und das ohnmächtige Holland hatte sich ein¬
fach zu fügen. Gezählt hat allerdings England sechs Millionen Pfund, aber
nur zum Schein an Holland, in Wirklichkeit an Rußland, das für die eng¬
lische Politik gewonnen werden sollte. Die Tatsachen wurden deswegen falsch
dargestellt, weil die Zahlung der bedeutenden Summe im Parlament begründet
werden mußte, der eigentliche Zweck aber, die Gewinnung Rußlands für ein
geheimes Abkommen, nicht veröffentlicht werden durfte.

Als Hauptursache des großen Trecks von 1834 wird gewöhnlich die Auf¬
hebung der Sklaverei angegeben, die den Buren die Grundlage ihrer Wirtschaft
entzogen habe. Es handelte sich aber keineswegs bloß um die „Sklaverei",
sondern um fortwährende büreaukratische und gewalttätige Eingriffe in die
Wirtschaftsangelegenheiten des freiheitgewohnten Völkchens und um eine Ein-
gebornenpolitik, die ihm geradezu die Daseinsbedingungen raubte. Englische
Philanthropen und begeisterte Missionare malten die Schwarzen als halbe
Heilige und die niederländischen Farmer als grausame Ausbeuter, Menschen¬
schinder und Mörder, und nicht allein die farbigen Knechte, die bis dahin
willige und brauchbare Arbeiter gewesen waren, wurden gegen die Buren aus¬
gesetzt, sondern auch die unter ihnen und in ihrer Nachbarschaft wohnenden
freien Stämme. Es kam zu Gerichtsverhandlungen. Hundert Mordtaten sollten
einige Farmer begangen haben; nicht eine einzige wurde ihnen nachgewiesen.


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[0246] Zur Vorgeschichte des Burenkrieges Ansiedler mit einer Monopolwirtschaft bedrückt. Diese ergaben sich darum, und weil England versicherte, es nehme die Kolonie nur in Verwahrung (der Prinz von Oranien war beim Einmarsch der Franzosen nach England geflohen), vorläufig in ihr Schicksal. Als aber die Engländer die Maske abwarfen, sich als Besitzer einrichteten und die Ansiedler noch ärger bedrückten, als es die Kompagnie getan hatte, als der zweite Statthalter, Lord Macartney, nach kurzer Amtsführung mit 2000 Pfund Ruhegehalt aus den Einkünften der Kapkolonie belohnt wurde, da kam es zu Aufständen, die mit falschen Vor¬ spiegelungen beschwichtigt und dann grausam bestraft wurden. Auf die korrupte englische Herrschaft folgte 1803 (nach dem Frieden von Amiens) die drei¬ jährige Herrschaft der Batavischen Republik, die die Kapkolonisten sowohl materiell, durch gute Verwaltung, als ideell befriedigte, indem die republikanisch gesinnten Buren auf feiten der franzosenfreundlichen Demokraten Hollands standen und Gegner des Prinzen von Oranien waren. Aber schon 1806 wurde die Kolonie aufs neue von einer englischen Übermacht besetzt, und ihre Hoffnung auf die Neuordnung der Dinge im Jahre 1814 erfüllte sich so wenig, daß sie auch noch das bittre Bewußtsein, vom eignen Vaterlande „ver¬ kauft" worden zu sein, hinabwürgen mußten. Dieses Bewußtsein freilich ent¬ stand nach Leyds aus einer diplomatischen Täuschung, die auch in die historischen Werke übergegangen ist. Die Bestätigung der englischen Besitznahme war nicht das Ergebnis von Verhandlungen, sondern die Wirkung einer diktatorischen Erklärung des Lord Castlereagh: „Diesen Teil der holländischen Kolonie be¬ halte ich, jenen gebe ich zurück", und das ohnmächtige Holland hatte sich ein¬ fach zu fügen. Gezählt hat allerdings England sechs Millionen Pfund, aber nur zum Schein an Holland, in Wirklichkeit an Rußland, das für die eng¬ lische Politik gewonnen werden sollte. Die Tatsachen wurden deswegen falsch dargestellt, weil die Zahlung der bedeutenden Summe im Parlament begründet werden mußte, der eigentliche Zweck aber, die Gewinnung Rußlands für ein geheimes Abkommen, nicht veröffentlicht werden durfte. Als Hauptursache des großen Trecks von 1834 wird gewöhnlich die Auf¬ hebung der Sklaverei angegeben, die den Buren die Grundlage ihrer Wirtschaft entzogen habe. Es handelte sich aber keineswegs bloß um die „Sklaverei", sondern um fortwährende büreaukratische und gewalttätige Eingriffe in die Wirtschaftsangelegenheiten des freiheitgewohnten Völkchens und um eine Ein- gebornenpolitik, die ihm geradezu die Daseinsbedingungen raubte. Englische Philanthropen und begeisterte Missionare malten die Schwarzen als halbe Heilige und die niederländischen Farmer als grausame Ausbeuter, Menschen¬ schinder und Mörder, und nicht allein die farbigen Knechte, die bis dahin willige und brauchbare Arbeiter gewesen waren, wurden gegen die Buren aus¬ gesetzt, sondern auch die unter ihnen und in ihrer Nachbarschaft wohnenden freien Stämme. Es kam zu Gerichtsverhandlungen. Hundert Mordtaten sollten einige Farmer begangen haben; nicht eine einzige wurde ihnen nachgewiesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/246>, abgerufen am 16.05.2024.