Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

zugegangnen Bande wohl auf eine kurze Anzeige beschränken dürfen. Es ist der
erste Teil der Abteilung VI und hat die systematische Philosophie zum Gegen¬
stande. (1907; Preis geheftet 10, gebunden 12 Mark.) Wilhelm Dilthey
unterzieht sich der schwierigen Aufgabe, "das Wesen der Philosophie" zu ermitteln.
Eins der Ergebnisse seiner Untersuchung lautet: Die Philosophie "duldet keine
strengen Abgrenzungen durch einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte
Methode". Alots Riehl legt den gegenwärtigen Zustand der Logik und der
Erkenntnistheorie dar. Wilhelm Wundt leitet seine Abhandlung über die Meta¬
physik humoristisch ein. Er erinnert an ihre Dunkelheit und an die Überzeugung
jedes MetaPhysikers, daß sein System das allein wahre und richtige sei, und bemerkt:
"Diese zwei überlieferten Eigenschaften würden vielleicht schon genügen, die Meta¬
physik in der öffentlichen Meinung der gelehrten wie der ungelehrten Welt zu
diskreditieren, auch wenn nicht als eine dritte Eigenschaft noch die hinzukäme, daß
sie anerkanntermaßen eine gänzlich nutzlose Wissenschaft ist." Nachdem sie nun
auch wirklich eine Zeit lang verachtet gewesen sei, hätten in den letzten Jahrzehnten
auf einmal statt der Philosophen die Gelehrten aller möglichen Fächer angefangen,
Metaphysik zu treiben: die Physiker, die Chemiker, die Zoologen, die Physiologen,
die Juristen, die Nationalökonomen, die Theologen und die Historiker; "nur die
Philologie hat sich, namentlich seit ihr auf dem Felde der Philosophie selbst eine
Tochter in der Kantphilologie erblüht ist, bis jetzt gegen den Sirenengesang der
Spekulation spröde erwiesen, darin unähnlich ihrer Vergangenheit in dem Zeitalter
Kants und Schellings." Diese wunderliche Erscheinung beweist die unüberwindliche
Stärke des metaphysischen Triebes. Dieser ist "der Einheitstrieb der menschlichen
Vernunft selbst, der sich nicht daran genügen lassen will, das Einzelne zu erkennen
und innerhalb der beschränkten Sphäre, der es zunächst angehört, mit anderm
Einzelnen in Beziehung zu setzen, sondern der zu einer Weltanschauung gelangen
möchte, in der die getrennten oder nur lose verbundnen Bruchstücke unsers Wissens
zu einem Ganzen geeint sind". Der MetaPhysiker unter den Zoologen ist be¬
kanntlich Haeckel. Wundt charakterisiert sein System, das er in den "Welträtseln"
dargelegt hat, ganz objektiv, ohne auf die anfechtbaren Einzelheiten einzugehn, und
verweist es in die Region der halb mythischen ionischen Naturphilosophie. "Darum
hätte Haeckel Fühlen und Streben, Anziehung und Abstoßung ebensogut mit Empe-
dokles Liebe und Haß nennen können. Schon der aufgeklärte Demokrit würde
aber wahrscheinlich dieses Weltbild abgelehnt haben, nicht weil es willkürlich ist
-- darin blieb ja auch die Atomistik in den Grenzen der dichtenden Metaphysik --,
sondern weil es die innere Einheit der Gedanken vermissen lasse; und der grimme
Heraklit würde über diese Philosophie schwerlich milder als über die seiner andern
Zeitgenossen geurteilt haben. In der Tat gehört diese Spekulation ganz und gar
dem poetischen Stadium der Metaphysik an. Sie bewegt sich in einer Reihe will¬
kürlicher Einfälle und unbestimmter Analogien, bet denen man sich trotz modernen
Anspielungen in die Zeit zurückversetzt fühlt, wo die Kunst des strengen logischen
Denkens noch nicht entdeckt war, und die Positive Wissenschaft sich noch auf ihrer
Ktndheitsstufe befand. Gerade in diesen Eigenschaften besitzen aber die "Welt¬
rätsel" doch wieder einen typischen Wert. Sie zeigen an einem mustergiltigen
Beispiel, daß, wenn jemand, ohne sich viel um das zu kümmern, was die Ge¬
schichte des Denkens bis dahin geleistet hat, frisch und fröhlich daran geht, sich
seine Weltanschauung nach eignem Bedürfnis zu modeln, er immer wieder da an¬
fängt, wo auch die Philosophie angefangen hat, mit Dichtung und Mythus. Den
meisten wird diese Form primitiver Metaphysik durch ihre Religion entgegengebracht.
Wo das nicht der Fall ist, wo der einzelne frei seinen spekulativen Neigungen


Grenzboten III 1907 49
Maßgebliches und Unmaßgebliches

zugegangnen Bande wohl auf eine kurze Anzeige beschränken dürfen. Es ist der
erste Teil der Abteilung VI und hat die systematische Philosophie zum Gegen¬
stande. (1907; Preis geheftet 10, gebunden 12 Mark.) Wilhelm Dilthey
unterzieht sich der schwierigen Aufgabe, „das Wesen der Philosophie" zu ermitteln.
Eins der Ergebnisse seiner Untersuchung lautet: Die Philosophie „duldet keine
strengen Abgrenzungen durch einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte
Methode". Alots Riehl legt den gegenwärtigen Zustand der Logik und der
Erkenntnistheorie dar. Wilhelm Wundt leitet seine Abhandlung über die Meta¬
physik humoristisch ein. Er erinnert an ihre Dunkelheit und an die Überzeugung
jedes MetaPhysikers, daß sein System das allein wahre und richtige sei, und bemerkt:
„Diese zwei überlieferten Eigenschaften würden vielleicht schon genügen, die Meta¬
physik in der öffentlichen Meinung der gelehrten wie der ungelehrten Welt zu
diskreditieren, auch wenn nicht als eine dritte Eigenschaft noch die hinzukäme, daß
sie anerkanntermaßen eine gänzlich nutzlose Wissenschaft ist." Nachdem sie nun
auch wirklich eine Zeit lang verachtet gewesen sei, hätten in den letzten Jahrzehnten
auf einmal statt der Philosophen die Gelehrten aller möglichen Fächer angefangen,
Metaphysik zu treiben: die Physiker, die Chemiker, die Zoologen, die Physiologen,
die Juristen, die Nationalökonomen, die Theologen und die Historiker; „nur die
Philologie hat sich, namentlich seit ihr auf dem Felde der Philosophie selbst eine
Tochter in der Kantphilologie erblüht ist, bis jetzt gegen den Sirenengesang der
Spekulation spröde erwiesen, darin unähnlich ihrer Vergangenheit in dem Zeitalter
Kants und Schellings." Diese wunderliche Erscheinung beweist die unüberwindliche
Stärke des metaphysischen Triebes. Dieser ist „der Einheitstrieb der menschlichen
Vernunft selbst, der sich nicht daran genügen lassen will, das Einzelne zu erkennen
und innerhalb der beschränkten Sphäre, der es zunächst angehört, mit anderm
Einzelnen in Beziehung zu setzen, sondern der zu einer Weltanschauung gelangen
möchte, in der die getrennten oder nur lose verbundnen Bruchstücke unsers Wissens
zu einem Ganzen geeint sind". Der MetaPhysiker unter den Zoologen ist be¬
kanntlich Haeckel. Wundt charakterisiert sein System, das er in den „Welträtseln"
dargelegt hat, ganz objektiv, ohne auf die anfechtbaren Einzelheiten einzugehn, und
verweist es in die Region der halb mythischen ionischen Naturphilosophie. „Darum
hätte Haeckel Fühlen und Streben, Anziehung und Abstoßung ebensogut mit Empe-
dokles Liebe und Haß nennen können. Schon der aufgeklärte Demokrit würde
aber wahrscheinlich dieses Weltbild abgelehnt haben, nicht weil es willkürlich ist
— darin blieb ja auch die Atomistik in den Grenzen der dichtenden Metaphysik —,
sondern weil es die innere Einheit der Gedanken vermissen lasse; und der grimme
Heraklit würde über diese Philosophie schwerlich milder als über die seiner andern
Zeitgenossen geurteilt haben. In der Tat gehört diese Spekulation ganz und gar
dem poetischen Stadium der Metaphysik an. Sie bewegt sich in einer Reihe will¬
kürlicher Einfälle und unbestimmter Analogien, bet denen man sich trotz modernen
Anspielungen in die Zeit zurückversetzt fühlt, wo die Kunst des strengen logischen
Denkens noch nicht entdeckt war, und die Positive Wissenschaft sich noch auf ihrer
Ktndheitsstufe befand. Gerade in diesen Eigenschaften besitzen aber die »Welt¬
rätsel« doch wieder einen typischen Wert. Sie zeigen an einem mustergiltigen
Beispiel, daß, wenn jemand, ohne sich viel um das zu kümmern, was die Ge¬
schichte des Denkens bis dahin geleistet hat, frisch und fröhlich daran geht, sich
seine Weltanschauung nach eignem Bedürfnis zu modeln, er immer wieder da an¬
fängt, wo auch die Philosophie angefangen hat, mit Dichtung und Mythus. Den
meisten wird diese Form primitiver Metaphysik durch ihre Religion entgegengebracht.
Wo das nicht der Fall ist, wo der einzelne frei seinen spekulativen Neigungen


Grenzboten III 1907 49
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303083"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2235" prev="#ID_2234" next="#ID_2236"> zugegangnen Bande wohl auf eine kurze Anzeige beschränken dürfen. Es ist der<lb/>
erste Teil der Abteilung VI und hat die systematische Philosophie zum Gegen¬<lb/>
stande. (1907; Preis geheftet 10, gebunden 12 Mark.) Wilhelm Dilthey<lb/>
unterzieht sich der schwierigen Aufgabe, &#x201E;das Wesen der Philosophie" zu ermitteln.<lb/>
Eins der Ergebnisse seiner Untersuchung lautet: Die Philosophie &#x201E;duldet keine<lb/>
strengen Abgrenzungen durch einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte<lb/>
Methode". Alots Riehl legt den gegenwärtigen Zustand der Logik und der<lb/>
Erkenntnistheorie dar. Wilhelm Wundt leitet seine Abhandlung über die Meta¬<lb/>
physik humoristisch ein. Er erinnert an ihre Dunkelheit und an die Überzeugung<lb/>
jedes MetaPhysikers, daß sein System das allein wahre und richtige sei, und bemerkt:<lb/>
&#x201E;Diese zwei überlieferten Eigenschaften würden vielleicht schon genügen, die Meta¬<lb/>
physik in der öffentlichen Meinung der gelehrten wie der ungelehrten Welt zu<lb/>
diskreditieren, auch wenn nicht als eine dritte Eigenschaft noch die hinzukäme, daß<lb/>
sie anerkanntermaßen eine gänzlich nutzlose Wissenschaft ist." Nachdem sie nun<lb/>
auch wirklich eine Zeit lang verachtet gewesen sei, hätten in den letzten Jahrzehnten<lb/>
auf einmal statt der Philosophen die Gelehrten aller möglichen Fächer angefangen,<lb/>
Metaphysik zu treiben: die Physiker, die Chemiker, die Zoologen, die Physiologen,<lb/>
die Juristen, die Nationalökonomen, die Theologen und die Historiker; &#x201E;nur die<lb/>
Philologie hat sich, namentlich seit ihr auf dem Felde der Philosophie selbst eine<lb/>
Tochter in der Kantphilologie erblüht ist, bis jetzt gegen den Sirenengesang der<lb/>
Spekulation spröde erwiesen, darin unähnlich ihrer Vergangenheit in dem Zeitalter<lb/>
Kants und Schellings." Diese wunderliche Erscheinung beweist die unüberwindliche<lb/>
Stärke des metaphysischen Triebes. Dieser ist &#x201E;der Einheitstrieb der menschlichen<lb/>
Vernunft selbst, der sich nicht daran genügen lassen will, das Einzelne zu erkennen<lb/>
und innerhalb der beschränkten Sphäre, der es zunächst angehört, mit anderm<lb/>
Einzelnen in Beziehung zu setzen, sondern der zu einer Weltanschauung gelangen<lb/>
möchte, in der die getrennten oder nur lose verbundnen Bruchstücke unsers Wissens<lb/>
zu einem Ganzen geeint sind". Der MetaPhysiker unter den Zoologen ist be¬<lb/>
kanntlich Haeckel. Wundt charakterisiert sein System, das er in den &#x201E;Welträtseln"<lb/>
dargelegt hat, ganz objektiv, ohne auf die anfechtbaren Einzelheiten einzugehn, und<lb/>
verweist es in die Region der halb mythischen ionischen Naturphilosophie. &#x201E;Darum<lb/>
hätte Haeckel Fühlen und Streben, Anziehung und Abstoßung ebensogut mit Empe-<lb/>
dokles Liebe und Haß nennen können. Schon der aufgeklärte Demokrit würde<lb/>
aber wahrscheinlich dieses Weltbild abgelehnt haben, nicht weil es willkürlich ist<lb/>
&#x2014; darin blieb ja auch die Atomistik in den Grenzen der dichtenden Metaphysik &#x2014;,<lb/>
sondern weil es die innere Einheit der Gedanken vermissen lasse; und der grimme<lb/>
Heraklit würde über diese Philosophie schwerlich milder als über die seiner andern<lb/>
Zeitgenossen geurteilt haben. In der Tat gehört diese Spekulation ganz und gar<lb/>
dem poetischen Stadium der Metaphysik an. Sie bewegt sich in einer Reihe will¬<lb/>
kürlicher Einfälle und unbestimmter Analogien, bet denen man sich trotz modernen<lb/>
Anspielungen in die Zeit zurückversetzt fühlt, wo die Kunst des strengen logischen<lb/>
Denkens noch nicht entdeckt war, und die Positive Wissenschaft sich noch auf ihrer<lb/>
Ktndheitsstufe befand. Gerade in diesen Eigenschaften besitzen aber die »Welt¬<lb/>
rätsel« doch wieder einen typischen Wert. Sie zeigen an einem mustergiltigen<lb/>
Beispiel, daß, wenn jemand, ohne sich viel um das zu kümmern, was die Ge¬<lb/>
schichte des Denkens bis dahin geleistet hat, frisch und fröhlich daran geht, sich<lb/>
seine Weltanschauung nach eignem Bedürfnis zu modeln, er immer wieder da an¬<lb/>
fängt, wo auch die Philosophie angefangen hat, mit Dichtung und Mythus. Den<lb/>
meisten wird diese Form primitiver Metaphysik durch ihre Religion entgegengebracht.<lb/>
Wo das nicht der Fall ist, wo der einzelne frei seinen spekulativen Neigungen</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1907 49</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0381] Maßgebliches und Unmaßgebliches zugegangnen Bande wohl auf eine kurze Anzeige beschränken dürfen. Es ist der erste Teil der Abteilung VI und hat die systematische Philosophie zum Gegen¬ stande. (1907; Preis geheftet 10, gebunden 12 Mark.) Wilhelm Dilthey unterzieht sich der schwierigen Aufgabe, „das Wesen der Philosophie" zu ermitteln. Eins der Ergebnisse seiner Untersuchung lautet: Die Philosophie „duldet keine strengen Abgrenzungen durch einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Methode". Alots Riehl legt den gegenwärtigen Zustand der Logik und der Erkenntnistheorie dar. Wilhelm Wundt leitet seine Abhandlung über die Meta¬ physik humoristisch ein. Er erinnert an ihre Dunkelheit und an die Überzeugung jedes MetaPhysikers, daß sein System das allein wahre und richtige sei, und bemerkt: „Diese zwei überlieferten Eigenschaften würden vielleicht schon genügen, die Meta¬ physik in der öffentlichen Meinung der gelehrten wie der ungelehrten Welt zu diskreditieren, auch wenn nicht als eine dritte Eigenschaft noch die hinzukäme, daß sie anerkanntermaßen eine gänzlich nutzlose Wissenschaft ist." Nachdem sie nun auch wirklich eine Zeit lang verachtet gewesen sei, hätten in den letzten Jahrzehnten auf einmal statt der Philosophen die Gelehrten aller möglichen Fächer angefangen, Metaphysik zu treiben: die Physiker, die Chemiker, die Zoologen, die Physiologen, die Juristen, die Nationalökonomen, die Theologen und die Historiker; „nur die Philologie hat sich, namentlich seit ihr auf dem Felde der Philosophie selbst eine Tochter in der Kantphilologie erblüht ist, bis jetzt gegen den Sirenengesang der Spekulation spröde erwiesen, darin unähnlich ihrer Vergangenheit in dem Zeitalter Kants und Schellings." Diese wunderliche Erscheinung beweist die unüberwindliche Stärke des metaphysischen Triebes. Dieser ist „der Einheitstrieb der menschlichen Vernunft selbst, der sich nicht daran genügen lassen will, das Einzelne zu erkennen und innerhalb der beschränkten Sphäre, der es zunächst angehört, mit anderm Einzelnen in Beziehung zu setzen, sondern der zu einer Weltanschauung gelangen möchte, in der die getrennten oder nur lose verbundnen Bruchstücke unsers Wissens zu einem Ganzen geeint sind". Der MetaPhysiker unter den Zoologen ist be¬ kanntlich Haeckel. Wundt charakterisiert sein System, das er in den „Welträtseln" dargelegt hat, ganz objektiv, ohne auf die anfechtbaren Einzelheiten einzugehn, und verweist es in die Region der halb mythischen ionischen Naturphilosophie. „Darum hätte Haeckel Fühlen und Streben, Anziehung und Abstoßung ebensogut mit Empe- dokles Liebe und Haß nennen können. Schon der aufgeklärte Demokrit würde aber wahrscheinlich dieses Weltbild abgelehnt haben, nicht weil es willkürlich ist — darin blieb ja auch die Atomistik in den Grenzen der dichtenden Metaphysik —, sondern weil es die innere Einheit der Gedanken vermissen lasse; und der grimme Heraklit würde über diese Philosophie schwerlich milder als über die seiner andern Zeitgenossen geurteilt haben. In der Tat gehört diese Spekulation ganz und gar dem poetischen Stadium der Metaphysik an. Sie bewegt sich in einer Reihe will¬ kürlicher Einfälle und unbestimmter Analogien, bet denen man sich trotz modernen Anspielungen in die Zeit zurückversetzt fühlt, wo die Kunst des strengen logischen Denkens noch nicht entdeckt war, und die Positive Wissenschaft sich noch auf ihrer Ktndheitsstufe befand. Gerade in diesen Eigenschaften besitzen aber die »Welt¬ rätsel« doch wieder einen typischen Wert. Sie zeigen an einem mustergiltigen Beispiel, daß, wenn jemand, ohne sich viel um das zu kümmern, was die Ge¬ schichte des Denkens bis dahin geleistet hat, frisch und fröhlich daran geht, sich seine Weltanschauung nach eignem Bedürfnis zu modeln, er immer wieder da an¬ fängt, wo auch die Philosophie angefangen hat, mit Dichtung und Mythus. Den meisten wird diese Form primitiver Metaphysik durch ihre Religion entgegengebracht. Wo das nicht der Fall ist, wo der einzelne frei seinen spekulativen Neigungen Grenzboten III 1907 49

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/381
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/381>, abgerufen am 14.05.2024.