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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gesetzgeberischen Aufgaben gegenüber, die er sich nicht aus freier Wahl gestellt
hatte, sondern deren Lösung durch die Umstände in seine Hand gelegt worden war.
Er hat diese Aufgaben mit Hilfe der ihm gegebnen Reichstagsmehrheit gelöst, nicht
ohne die Mithilfe des Zentrums durch kleine Geschenke, die bekanntlich die Freund-
schaft erhalten, zu erkaufen. Dann aber mußte er darauf bedacht sein, das Reichs-
schisf in einen: festen Kurs zu steuern, für den er selbst die Verantwortung über¬
nehmen konnte. Danach sehnten sich die besten Kräfte im Reich; es war die
Bedingung künftigen Vertrauens. Bis dahin hatte man seine Geschicklichkeit erkannt
und gerühmt, aber das rechte Vertrauen war noch ausgeblieben. Zwei Klagen
waren es hauptsächlich, die für einen großen Bruchteil der nationalgesinntcn
Deutschen als Hindernis dazwischen standen. Die eine Klage beruhte darauf, daß
das Verhältnis des Reichskanzlers zum Zentrum gründlich mißverstanden wurde.
Auf Schwäche und persönliche Vorliebe wurde zurückgeführt, was in Wahrheit der
Forderung praktischer Staatszwecke entsprungen war. Die zweite Klage, die dem
Reichskanzler seine Tätigkeit erschwerte, ist durch die Schlagworte "Zickzackkurs"
und "Persönliches Regiment" bezeichnet. Man wollte damit sagen, daß man die
scheinbare Programm- und Prinzipienlosigkeit schwer empfand und sie darauf zurück¬
führen zu können glaubte, daß der Reichskanzler gegenüber der starken Persönlichkeit
des Kaisers nicht die normale Stellung eines Verantwortlicher Staatsmanns habe,
sondern sich einem stets wechselnden persönlichen Willen anpassen, infolgedessen auch
allerlei unberechenbare Einflüsse neben sich dulden müsse. Wir wollen hier nicht
darauf eingehen, worin der Irrtum und Fehler dieser weitverbreiteten Anschauung
steckte. Wir stellen hier nur ihr Vorhandensein fest, und zwar ihr Vorhandensein
in Kreisen, deren willige und vertrauensvolle Unterstützung und Mitarbeit der
Kanzler auf die Dauer nicht entbehren konnte.

Fürst Bülow konnte, ja mußte bei der Natur der ihm obliegenden Aufgaben
diese Klagen lange Zeit über sich ergehen lassen, ohne ihnen durch die Tat zu
begegnen. Dann aber kam die Zeit, wo er handeln mußte, wenn er nicht ans die
Bezeichnung eines Staatsmanns dauernd verzichten wollte. Er mußte der lähmenden
Verstimmung der nationalen Kreise über den immer stärker triumphierenden Ultra-
montnnismus ein Ende machen, und er mußte ferner zeigen, daß er nach wie vor
der Vertrauensmann des Kaisers und der Verantwortliche Leiter einer einheitlichen
und entschlossen auf ein Ziel gerichteten Politik sei. Das waren die beiden nächsten
Aufgaben, die es zu lösen galt.

Wie die erste gelöst worden ist, zeigt die Reichstagsauflösung. Man streitet
sich noch immer darum, ob Fürst Bülow auf den Bruch mit dem Zentrum lauge
hingearbeitet oder ob er nur die ihm durch fremdes Verdienst gebotne Gelegenheit
ergriffen hat. Auch hier wird wohl, wie es beim Staatsmann und Feldherrn die
Regel ist, die Wahrheit in der Mitte liegen: es ist nicht alles Zufall, was als
Zufall erscheint, aber auch nicht alles Berechnung. Der Entschluß für eine be¬
stimmte Richtung war gefaßt, aber unter den verschiednen Möglichkeiten der Aus¬
führung wurde ruhig auf die gewartet, die durch die Gelegenheit als die günstigste
geboten wurde. Wenn man aber auch annimmt, daß diese Gelegenheit den Reichs¬
kanzler selbst überraschte, so wird damit sein Verdienst kaum verkleinert. Denn
das entschlossene Zufassen bedeutete in diesem Augenblick immer noch sehr viel; es
zeigte sich darin jener Zusammenklang der eignen berechnenden Überlegung mit dem
allgemeinen Volksempfinden, der den echten Staatsmann kennzeichnet. Wer dieses
intuitive Erfassen des rechten Augenblicks versteht, behält in der Staatskunst fast
immer Recht, auch gegenüber einer sonst viel tiefer dringenden, intellektuellen Er¬
fassung der politischen Probleme. Das darf man bei Beurteilung des Konflikts
Bülow--Posadowsky nicht vergessen.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gesetzgeberischen Aufgaben gegenüber, die er sich nicht aus freier Wahl gestellt
hatte, sondern deren Lösung durch die Umstände in seine Hand gelegt worden war.
Er hat diese Aufgaben mit Hilfe der ihm gegebnen Reichstagsmehrheit gelöst, nicht
ohne die Mithilfe des Zentrums durch kleine Geschenke, die bekanntlich die Freund-
schaft erhalten, zu erkaufen. Dann aber mußte er darauf bedacht sein, das Reichs-
schisf in einen: festen Kurs zu steuern, für den er selbst die Verantwortung über¬
nehmen konnte. Danach sehnten sich die besten Kräfte im Reich; es war die
Bedingung künftigen Vertrauens. Bis dahin hatte man seine Geschicklichkeit erkannt
und gerühmt, aber das rechte Vertrauen war noch ausgeblieben. Zwei Klagen
waren es hauptsächlich, die für einen großen Bruchteil der nationalgesinntcn
Deutschen als Hindernis dazwischen standen. Die eine Klage beruhte darauf, daß
das Verhältnis des Reichskanzlers zum Zentrum gründlich mißverstanden wurde.
Auf Schwäche und persönliche Vorliebe wurde zurückgeführt, was in Wahrheit der
Forderung praktischer Staatszwecke entsprungen war. Die zweite Klage, die dem
Reichskanzler seine Tätigkeit erschwerte, ist durch die Schlagworte „Zickzackkurs"
und „Persönliches Regiment" bezeichnet. Man wollte damit sagen, daß man die
scheinbare Programm- und Prinzipienlosigkeit schwer empfand und sie darauf zurück¬
führen zu können glaubte, daß der Reichskanzler gegenüber der starken Persönlichkeit
des Kaisers nicht die normale Stellung eines Verantwortlicher Staatsmanns habe,
sondern sich einem stets wechselnden persönlichen Willen anpassen, infolgedessen auch
allerlei unberechenbare Einflüsse neben sich dulden müsse. Wir wollen hier nicht
darauf eingehen, worin der Irrtum und Fehler dieser weitverbreiteten Anschauung
steckte. Wir stellen hier nur ihr Vorhandensein fest, und zwar ihr Vorhandensein
in Kreisen, deren willige und vertrauensvolle Unterstützung und Mitarbeit der
Kanzler auf die Dauer nicht entbehren konnte.

Fürst Bülow konnte, ja mußte bei der Natur der ihm obliegenden Aufgaben
diese Klagen lange Zeit über sich ergehen lassen, ohne ihnen durch die Tat zu
begegnen. Dann aber kam die Zeit, wo er handeln mußte, wenn er nicht ans die
Bezeichnung eines Staatsmanns dauernd verzichten wollte. Er mußte der lähmenden
Verstimmung der nationalen Kreise über den immer stärker triumphierenden Ultra-
montnnismus ein Ende machen, und er mußte ferner zeigen, daß er nach wie vor
der Vertrauensmann des Kaisers und der Verantwortliche Leiter einer einheitlichen
und entschlossen auf ein Ziel gerichteten Politik sei. Das waren die beiden nächsten
Aufgaben, die es zu lösen galt.

Wie die erste gelöst worden ist, zeigt die Reichstagsauflösung. Man streitet
sich noch immer darum, ob Fürst Bülow auf den Bruch mit dem Zentrum lauge
hingearbeitet oder ob er nur die ihm durch fremdes Verdienst gebotne Gelegenheit
ergriffen hat. Auch hier wird wohl, wie es beim Staatsmann und Feldherrn die
Regel ist, die Wahrheit in der Mitte liegen: es ist nicht alles Zufall, was als
Zufall erscheint, aber auch nicht alles Berechnung. Der Entschluß für eine be¬
stimmte Richtung war gefaßt, aber unter den verschiednen Möglichkeiten der Aus¬
führung wurde ruhig auf die gewartet, die durch die Gelegenheit als die günstigste
geboten wurde. Wenn man aber auch annimmt, daß diese Gelegenheit den Reichs¬
kanzler selbst überraschte, so wird damit sein Verdienst kaum verkleinert. Denn
das entschlossene Zufassen bedeutete in diesem Augenblick immer noch sehr viel; es
zeigte sich darin jener Zusammenklang der eignen berechnenden Überlegung mit dem
allgemeinen Volksempfinden, der den echten Staatsmann kennzeichnet. Wer dieses
intuitive Erfassen des rechten Augenblicks versteht, behält in der Staatskunst fast
immer Recht, auch gegenüber einer sonst viel tiefer dringenden, intellektuellen Er¬
fassung der politischen Probleme. Das darf man bei Beurteilung des Konflikts
Bülow—Posadowsky nicht vergessen.


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[0053] Maßgebliches und Unmaßgebliches gesetzgeberischen Aufgaben gegenüber, die er sich nicht aus freier Wahl gestellt hatte, sondern deren Lösung durch die Umstände in seine Hand gelegt worden war. Er hat diese Aufgaben mit Hilfe der ihm gegebnen Reichstagsmehrheit gelöst, nicht ohne die Mithilfe des Zentrums durch kleine Geschenke, die bekanntlich die Freund- schaft erhalten, zu erkaufen. Dann aber mußte er darauf bedacht sein, das Reichs- schisf in einen: festen Kurs zu steuern, für den er selbst die Verantwortung über¬ nehmen konnte. Danach sehnten sich die besten Kräfte im Reich; es war die Bedingung künftigen Vertrauens. Bis dahin hatte man seine Geschicklichkeit erkannt und gerühmt, aber das rechte Vertrauen war noch ausgeblieben. Zwei Klagen waren es hauptsächlich, die für einen großen Bruchteil der nationalgesinntcn Deutschen als Hindernis dazwischen standen. Die eine Klage beruhte darauf, daß das Verhältnis des Reichskanzlers zum Zentrum gründlich mißverstanden wurde. Auf Schwäche und persönliche Vorliebe wurde zurückgeführt, was in Wahrheit der Forderung praktischer Staatszwecke entsprungen war. Die zweite Klage, die dem Reichskanzler seine Tätigkeit erschwerte, ist durch die Schlagworte „Zickzackkurs" und „Persönliches Regiment" bezeichnet. Man wollte damit sagen, daß man die scheinbare Programm- und Prinzipienlosigkeit schwer empfand und sie darauf zurück¬ führen zu können glaubte, daß der Reichskanzler gegenüber der starken Persönlichkeit des Kaisers nicht die normale Stellung eines Verantwortlicher Staatsmanns habe, sondern sich einem stets wechselnden persönlichen Willen anpassen, infolgedessen auch allerlei unberechenbare Einflüsse neben sich dulden müsse. Wir wollen hier nicht darauf eingehen, worin der Irrtum und Fehler dieser weitverbreiteten Anschauung steckte. Wir stellen hier nur ihr Vorhandensein fest, und zwar ihr Vorhandensein in Kreisen, deren willige und vertrauensvolle Unterstützung und Mitarbeit der Kanzler auf die Dauer nicht entbehren konnte. Fürst Bülow konnte, ja mußte bei der Natur der ihm obliegenden Aufgaben diese Klagen lange Zeit über sich ergehen lassen, ohne ihnen durch die Tat zu begegnen. Dann aber kam die Zeit, wo er handeln mußte, wenn er nicht ans die Bezeichnung eines Staatsmanns dauernd verzichten wollte. Er mußte der lähmenden Verstimmung der nationalen Kreise über den immer stärker triumphierenden Ultra- montnnismus ein Ende machen, und er mußte ferner zeigen, daß er nach wie vor der Vertrauensmann des Kaisers und der Verantwortliche Leiter einer einheitlichen und entschlossen auf ein Ziel gerichteten Politik sei. Das waren die beiden nächsten Aufgaben, die es zu lösen galt. Wie die erste gelöst worden ist, zeigt die Reichstagsauflösung. Man streitet sich noch immer darum, ob Fürst Bülow auf den Bruch mit dem Zentrum lauge hingearbeitet oder ob er nur die ihm durch fremdes Verdienst gebotne Gelegenheit ergriffen hat. Auch hier wird wohl, wie es beim Staatsmann und Feldherrn die Regel ist, die Wahrheit in der Mitte liegen: es ist nicht alles Zufall, was als Zufall erscheint, aber auch nicht alles Berechnung. Der Entschluß für eine be¬ stimmte Richtung war gefaßt, aber unter den verschiednen Möglichkeiten der Aus¬ führung wurde ruhig auf die gewartet, die durch die Gelegenheit als die günstigste geboten wurde. Wenn man aber auch annimmt, daß diese Gelegenheit den Reichs¬ kanzler selbst überraschte, so wird damit sein Verdienst kaum verkleinert. Denn das entschlossene Zufassen bedeutete in diesem Augenblick immer noch sehr viel; es zeigte sich darin jener Zusammenklang der eignen berechnenden Überlegung mit dem allgemeinen Volksempfinden, der den echten Staatsmann kennzeichnet. Wer dieses intuitive Erfassen des rechten Augenblicks versteht, behält in der Staatskunst fast immer Recht, auch gegenüber einer sonst viel tiefer dringenden, intellektuellen Er¬ fassung der politischen Probleme. Das darf man bei Beurteilung des Konflikts Bülow—Posadowsky nicht vergessen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/53>, abgerufen am 15.05.2024.