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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

einige Dutzend Kilometer fertiggestellt; der Bahnverkehr ist noch kaum über den
Küstengürtel hinausgelangt, und das letzte Ziel, eine Erreichung der großen
Seen durch die Schienenwege, steht noch in der weitesten Ferne. Dabei ist es
bemerkenswert und für uns Deutsche beschämend zugleich, daß das deutsche
Hinterland am Viktoriasee und insbesondre der deutsche Haupthafen an diesem
See, Muanza, in den letzten Jahren trotz des langsamen Fortschreitens der
deutschen Bahnbauten schon einen starken Aufschwung ihres Handels, ihres Auf-
und Einfuhrverkehrs zu verzeichnen hatten, und zwar infolge der 1903 erfolgten
Eröffnung der -- englischen Ugandabahn, die Britischostafrika von der Küsten¬
stadt Mombassa bis nach Viktoriastation am Viktoriasee durchzieht, und die in einer
fast beispiellosen Weise das Handels- und Verkehrsleben der gesamten Länder
um den Viktoriasee, der englischen wie der deutschen, befruchtet und gefördert
hat, wobei sie selbst vorzügliche Einnahmen zu verzeichnen hat. Zum ersten¬
mal hat hier ein tiefbinnenländisches Gebiet der deutschostafrikanischen Besitzungen
einen rapiden Verkehrsaufschwung zu verzeichnen, nämlich eine Vermehrung des
Handels um das Neunfache binnen zehn Jahren, und dies erfreuliche Resultat
verdanken wir einer englischen Bahn! Daß die pekuniären Vorteile dieses Auf¬
schwungs bei der Lage der Dinge natürlich auch zumeist in englische Taschen
fließen, sei nur nebenbei erwähnt.

In Togo, das ja von unsern Schutzgebieten überhaupt bisher relativ am
günstigsten dasteht, sieht es mit den Bahnbauten besser aus. Es gibt hier zwei
zwar nnr kurze, aber wichtige Bahnlinien, die am 18. Juli 1905 eröffnete
Küstenbahn Lome-Anecho und die am 27. Januar 1907 dem Verkehr über-
gebne Binnenlandstrecke Lome-Pallme. Die Kosten des Baues der zuletzt
genannten Bahn wurden dem Schutzgebiet in Gestalt eines Darlehns vorge¬
streckt. Die Bahn kostet deshalb dem Reich voraussichtlich nichts, denn daß
es der ertragfähigen Kolonie Togo gelingen wird, aus eigner Kraft das Dar¬
lehn in der vorgeschriebnen Zeit zurückzuerstatten, kann kaum zweifelhaft sein.
Der offenbar sehr glückliche Ausweg, die Kosten eines Bahnbaues in den
Kolonien nur als Darlehn vorzustrecken und nach und nach von dem Schutz¬
gebiet zurückzahlen zu lassen, wird bekanntlich auch bei der neuen südwestafrika-
nischen Bahnlinie Kubub-Kectmanshoop Anwendung finden und dürfte künftig¬
hin bei unsern kolonialen Eisenbahnbauten wohl die Regel werden.

In Deutschsüdwestafrika verfügen wir zurzeit über drei Bahnlinien,
von denen eine nicht staatlicher, sondern privater Besitz ist. Es ist dies die
^78 Kilometer lange, sogenannte Otavibahn, die zwischen Swcikopmund und
Tsumeb gebaut und am 25. August 1906 fertiggestellt worden ist, und die
hauptsächlich dazu dient, die Kupferminen der vielgenannten Otavi-Gesellschaft
M erschließen.

Diese der Otavi-Gesellschaft gehörende Bahn, die unter sehr großen Schwierig¬
keiten während des großen Aufstandes gebaut und vollendet worden ist, hat trotz
ihres privaten Charakters unsre militärischen Operationen im Aufstandsgebiet


Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

einige Dutzend Kilometer fertiggestellt; der Bahnverkehr ist noch kaum über den
Küstengürtel hinausgelangt, und das letzte Ziel, eine Erreichung der großen
Seen durch die Schienenwege, steht noch in der weitesten Ferne. Dabei ist es
bemerkenswert und für uns Deutsche beschämend zugleich, daß das deutsche
Hinterland am Viktoriasee und insbesondre der deutsche Haupthafen an diesem
See, Muanza, in den letzten Jahren trotz des langsamen Fortschreitens der
deutschen Bahnbauten schon einen starken Aufschwung ihres Handels, ihres Auf-
und Einfuhrverkehrs zu verzeichnen hatten, und zwar infolge der 1903 erfolgten
Eröffnung der — englischen Ugandabahn, die Britischostafrika von der Küsten¬
stadt Mombassa bis nach Viktoriastation am Viktoriasee durchzieht, und die in einer
fast beispiellosen Weise das Handels- und Verkehrsleben der gesamten Länder
um den Viktoriasee, der englischen wie der deutschen, befruchtet und gefördert
hat, wobei sie selbst vorzügliche Einnahmen zu verzeichnen hat. Zum ersten¬
mal hat hier ein tiefbinnenländisches Gebiet der deutschostafrikanischen Besitzungen
einen rapiden Verkehrsaufschwung zu verzeichnen, nämlich eine Vermehrung des
Handels um das Neunfache binnen zehn Jahren, und dies erfreuliche Resultat
verdanken wir einer englischen Bahn! Daß die pekuniären Vorteile dieses Auf¬
schwungs bei der Lage der Dinge natürlich auch zumeist in englische Taschen
fließen, sei nur nebenbei erwähnt.

In Togo, das ja von unsern Schutzgebieten überhaupt bisher relativ am
günstigsten dasteht, sieht es mit den Bahnbauten besser aus. Es gibt hier zwei
zwar nnr kurze, aber wichtige Bahnlinien, die am 18. Juli 1905 eröffnete
Küstenbahn Lome-Anecho und die am 27. Januar 1907 dem Verkehr über-
gebne Binnenlandstrecke Lome-Pallme. Die Kosten des Baues der zuletzt
genannten Bahn wurden dem Schutzgebiet in Gestalt eines Darlehns vorge¬
streckt. Die Bahn kostet deshalb dem Reich voraussichtlich nichts, denn daß
es der ertragfähigen Kolonie Togo gelingen wird, aus eigner Kraft das Dar¬
lehn in der vorgeschriebnen Zeit zurückzuerstatten, kann kaum zweifelhaft sein.
Der offenbar sehr glückliche Ausweg, die Kosten eines Bahnbaues in den
Kolonien nur als Darlehn vorzustrecken und nach und nach von dem Schutz¬
gebiet zurückzahlen zu lassen, wird bekanntlich auch bei der neuen südwestafrika-
nischen Bahnlinie Kubub-Kectmanshoop Anwendung finden und dürfte künftig¬
hin bei unsern kolonialen Eisenbahnbauten wohl die Regel werden.

In Deutschsüdwestafrika verfügen wir zurzeit über drei Bahnlinien,
von denen eine nicht staatlicher, sondern privater Besitz ist. Es ist dies die
^78 Kilometer lange, sogenannte Otavibahn, die zwischen Swcikopmund und
Tsumeb gebaut und am 25. August 1906 fertiggestellt worden ist, und die
hauptsächlich dazu dient, die Kupferminen der vielgenannten Otavi-Gesellschaft
M erschließen.

Diese der Otavi-Gesellschaft gehörende Bahn, die unter sehr großen Schwierig¬
keiten während des großen Aufstandes gebaut und vollendet worden ist, hat trotz
ihres privaten Charakters unsre militärischen Operationen im Aufstandsgebiet


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[0553] Die deutschen Eisenbahnen in Afrika einige Dutzend Kilometer fertiggestellt; der Bahnverkehr ist noch kaum über den Küstengürtel hinausgelangt, und das letzte Ziel, eine Erreichung der großen Seen durch die Schienenwege, steht noch in der weitesten Ferne. Dabei ist es bemerkenswert und für uns Deutsche beschämend zugleich, daß das deutsche Hinterland am Viktoriasee und insbesondre der deutsche Haupthafen an diesem See, Muanza, in den letzten Jahren trotz des langsamen Fortschreitens der deutschen Bahnbauten schon einen starken Aufschwung ihres Handels, ihres Auf- und Einfuhrverkehrs zu verzeichnen hatten, und zwar infolge der 1903 erfolgten Eröffnung der — englischen Ugandabahn, die Britischostafrika von der Küsten¬ stadt Mombassa bis nach Viktoriastation am Viktoriasee durchzieht, und die in einer fast beispiellosen Weise das Handels- und Verkehrsleben der gesamten Länder um den Viktoriasee, der englischen wie der deutschen, befruchtet und gefördert hat, wobei sie selbst vorzügliche Einnahmen zu verzeichnen hat. Zum ersten¬ mal hat hier ein tiefbinnenländisches Gebiet der deutschostafrikanischen Besitzungen einen rapiden Verkehrsaufschwung zu verzeichnen, nämlich eine Vermehrung des Handels um das Neunfache binnen zehn Jahren, und dies erfreuliche Resultat verdanken wir einer englischen Bahn! Daß die pekuniären Vorteile dieses Auf¬ schwungs bei der Lage der Dinge natürlich auch zumeist in englische Taschen fließen, sei nur nebenbei erwähnt. In Togo, das ja von unsern Schutzgebieten überhaupt bisher relativ am günstigsten dasteht, sieht es mit den Bahnbauten besser aus. Es gibt hier zwei zwar nnr kurze, aber wichtige Bahnlinien, die am 18. Juli 1905 eröffnete Küstenbahn Lome-Anecho und die am 27. Januar 1907 dem Verkehr über- gebne Binnenlandstrecke Lome-Pallme. Die Kosten des Baues der zuletzt genannten Bahn wurden dem Schutzgebiet in Gestalt eines Darlehns vorge¬ streckt. Die Bahn kostet deshalb dem Reich voraussichtlich nichts, denn daß es der ertragfähigen Kolonie Togo gelingen wird, aus eigner Kraft das Dar¬ lehn in der vorgeschriebnen Zeit zurückzuerstatten, kann kaum zweifelhaft sein. Der offenbar sehr glückliche Ausweg, die Kosten eines Bahnbaues in den Kolonien nur als Darlehn vorzustrecken und nach und nach von dem Schutz¬ gebiet zurückzahlen zu lassen, wird bekanntlich auch bei der neuen südwestafrika- nischen Bahnlinie Kubub-Kectmanshoop Anwendung finden und dürfte künftig¬ hin bei unsern kolonialen Eisenbahnbauten wohl die Regel werden. In Deutschsüdwestafrika verfügen wir zurzeit über drei Bahnlinien, von denen eine nicht staatlicher, sondern privater Besitz ist. Es ist dies die ^78 Kilometer lange, sogenannte Otavibahn, die zwischen Swcikopmund und Tsumeb gebaut und am 25. August 1906 fertiggestellt worden ist, und die hauptsächlich dazu dient, die Kupferminen der vielgenannten Otavi-Gesellschaft M erschließen. Diese der Otavi-Gesellschaft gehörende Bahn, die unter sehr großen Schwierig¬ keiten während des großen Aufstandes gebaut und vollendet worden ist, hat trotz ihres privaten Charakters unsre militärischen Operationen im Aufstandsgebiet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/553>, abgerufen am 15.05.2024.