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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

wirklich Schritte zutrauen darf, die zwar, vom ernsthaft politischen Standpunkt aus
gesehen, als Heller, selbstmörderischer Wahnsinn erscheinen müssen, die aber an dieser
Stelle doch möglich sind, weil einerseits das radiale, heißblutige Temperament dieses
Volks zu allem fähig ist, andrerseits eine Geschäfts- und Sonderinteressenpolitik
herrscht, die um ihrer eignen Macht willen unbekümmert das Ansehen des Staats
preisgeben würde, wenn sie nur die Möglichkeit behält, aus den Instinkten der
magyarischen Volksmasse Nutzen zu ziehen. Es gibt eben in Ungarn zu viele Leute,
die -- ganz buchstäblich genommen -- vom Chauvinismus leben. Deshalb sind
die Bestrebungen der ungarischen Unabhängigkeitspartei, die für jeden sachlich ur¬
teilenden Politiker den Gipfel des Unwahrscheinlichen zu ersteigen scheinen, doch
bis zu einem gewissen Grade ernst zu nehmen. Ein politischer Typus wie zum
Beispiel Franz Kossuth, der in die Rolle eines Staatsmanns geschoben wurde,
weil seine Landsleute ihn in dieser Beziehung für "erblich belastet" hielten, wäre
sonst unmöglich. Und doch ist auch hier dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in
den Himmel wachsen. Auch in Ungarn gibt es eine Macht, die die magyarischen
Volksinstinkte leicht auf andre Wege bringen könnte, wenn sie ernstlich den Versuch
dazu machen wollte. Das ist die Krone. Die ungarischen Volksmänner haben des¬
halb mit ihrer parlamentarischen Macht alles versucht, diese für sie gefährliche
Macht soviel wie möglich auszuschalten. Diesen Versuchen hat freilich der greise
Monarch in allen entscheidenden Fragen eine bemerkenswerte Festigkeit und Zähig¬
keit entgegengesetzt. Aber seine konstitutionelle Gewissenhaftigkeit sowie vielleicht
auch manche persönlichen Erinnerungen und Empfindungen, die ihn wohl verhindert
haben, das volle Gewicht der ungarischen Krone in die Wagschale zu werfen, haben
ihn auch nicht einen Schritt weiter gehn lassen, als zur Abwehr der radikalen
Ansprüche notwendig war. Dieselbe strenge Gewissenhaftigkeit in der Wahrung der
Kronrechte hat den Monarchen jetzt aber bewogen, den Thronfolger zu den Ver¬
handlungen heranzuziehen, und man gewinnt den Eindruck, daß ein gewisser Zu¬
sammenhang zwischen diesem Hervortreten des Thronfolgers und der Nachgiebigkeit
der ungarischen Staatsmänner zu konstruieren ist. Es scheint, daß die Ungarn
doch die Sorge beschlichen hat, ein jüngrer, kräftiger Herrscherwille könne sich der
Machtmittel erinnern, die ein König von Ungarn auch heute noch in der Hand
hat. Am Horizont droht die Frage der Wahlrechtsreform, und der König braucht
nur die Initiative in dieser Frage zu ergreifen, um einen großen Kehraus in dem
Prachtbau am Donanufer in Budapest zu veranstalten. Das fürchten die Herren
mehr als die Minderung des internationalen Ansehens ihres Staats, und darum
haben sie sich gehütet, den Bogen weiter zu überspannen. Wir können es mit
Genugtuung begrüßen, daß die Grundlage, auf der die internationale Machtstellung
der uns verbündeten Monarchie ruht, unerschüttert geblieben ist.

In der innern Politik werden die Auseinandersetzungen, die den bevorstehenden
parlamentarischen Winterfeldzug einzuleiten pflegen, etwas lebhafter. Überall aber,
außerhalb des Zentrums und der Sozinldemokratie, spricht sich die wachsende Über¬
zeugung von der Notwendigkeit der Blockpolitik aus. In der Reihe der Parteitage
ist der der Nationalliberalen besonders zu bemerken, weil die Befürchtung nicht ganz
von der Hand zu weisen war, daß die Gefahr einer Spaltung durch die Entwicklung
der sogenannten jungliberalen Bewegung bevorstünde. Die Auseinandersetzungen
zwischen der Parteileitung und der nationalliberalen Jngend hatten schon im vorigen
Jahr in Goslar einen teilweise peinlichen Charakter angenommen. Neuerdings schien
es, als ob die Stellungucchme der süddeutschen Jungliberalen den Zwiespalt ver¬
schärft habe. Die Nichtbeachtung der Altersgrenze drohte den eigentlichen Zweck der
Jngendvereine zu verschieben, und ihre von der Parteileitung abweichende Auffassung
verschiedner Fragen mußte dadurch eine Bedeutung gewinnen, die dem Bestände
der Gcsamtpa reel verhängnisvoll werden konnte. Jetzt kann nach dem Ergebnis des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

wirklich Schritte zutrauen darf, die zwar, vom ernsthaft politischen Standpunkt aus
gesehen, als Heller, selbstmörderischer Wahnsinn erscheinen müssen, die aber an dieser
Stelle doch möglich sind, weil einerseits das radiale, heißblutige Temperament dieses
Volks zu allem fähig ist, andrerseits eine Geschäfts- und Sonderinteressenpolitik
herrscht, die um ihrer eignen Macht willen unbekümmert das Ansehen des Staats
preisgeben würde, wenn sie nur die Möglichkeit behält, aus den Instinkten der
magyarischen Volksmasse Nutzen zu ziehen. Es gibt eben in Ungarn zu viele Leute,
die — ganz buchstäblich genommen — vom Chauvinismus leben. Deshalb sind
die Bestrebungen der ungarischen Unabhängigkeitspartei, die für jeden sachlich ur¬
teilenden Politiker den Gipfel des Unwahrscheinlichen zu ersteigen scheinen, doch
bis zu einem gewissen Grade ernst zu nehmen. Ein politischer Typus wie zum
Beispiel Franz Kossuth, der in die Rolle eines Staatsmanns geschoben wurde,
weil seine Landsleute ihn in dieser Beziehung für „erblich belastet" hielten, wäre
sonst unmöglich. Und doch ist auch hier dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in
den Himmel wachsen. Auch in Ungarn gibt es eine Macht, die die magyarischen
Volksinstinkte leicht auf andre Wege bringen könnte, wenn sie ernstlich den Versuch
dazu machen wollte. Das ist die Krone. Die ungarischen Volksmänner haben des¬
halb mit ihrer parlamentarischen Macht alles versucht, diese für sie gefährliche
Macht soviel wie möglich auszuschalten. Diesen Versuchen hat freilich der greise
Monarch in allen entscheidenden Fragen eine bemerkenswerte Festigkeit und Zähig¬
keit entgegengesetzt. Aber seine konstitutionelle Gewissenhaftigkeit sowie vielleicht
auch manche persönlichen Erinnerungen und Empfindungen, die ihn wohl verhindert
haben, das volle Gewicht der ungarischen Krone in die Wagschale zu werfen, haben
ihn auch nicht einen Schritt weiter gehn lassen, als zur Abwehr der radikalen
Ansprüche notwendig war. Dieselbe strenge Gewissenhaftigkeit in der Wahrung der
Kronrechte hat den Monarchen jetzt aber bewogen, den Thronfolger zu den Ver¬
handlungen heranzuziehen, und man gewinnt den Eindruck, daß ein gewisser Zu¬
sammenhang zwischen diesem Hervortreten des Thronfolgers und der Nachgiebigkeit
der ungarischen Staatsmänner zu konstruieren ist. Es scheint, daß die Ungarn
doch die Sorge beschlichen hat, ein jüngrer, kräftiger Herrscherwille könne sich der
Machtmittel erinnern, die ein König von Ungarn auch heute noch in der Hand
hat. Am Horizont droht die Frage der Wahlrechtsreform, und der König braucht
nur die Initiative in dieser Frage zu ergreifen, um einen großen Kehraus in dem
Prachtbau am Donanufer in Budapest zu veranstalten. Das fürchten die Herren
mehr als die Minderung des internationalen Ansehens ihres Staats, und darum
haben sie sich gehütet, den Bogen weiter zu überspannen. Wir können es mit
Genugtuung begrüßen, daß die Grundlage, auf der die internationale Machtstellung
der uns verbündeten Monarchie ruht, unerschüttert geblieben ist.

In der innern Politik werden die Auseinandersetzungen, die den bevorstehenden
parlamentarischen Winterfeldzug einzuleiten pflegen, etwas lebhafter. Überall aber,
außerhalb des Zentrums und der Sozinldemokratie, spricht sich die wachsende Über¬
zeugung von der Notwendigkeit der Blockpolitik aus. In der Reihe der Parteitage
ist der der Nationalliberalen besonders zu bemerken, weil die Befürchtung nicht ganz
von der Hand zu weisen war, daß die Gefahr einer Spaltung durch die Entwicklung
der sogenannten jungliberalen Bewegung bevorstünde. Die Auseinandersetzungen
zwischen der Parteileitung und der nationalliberalen Jngend hatten schon im vorigen
Jahr in Goslar einen teilweise peinlichen Charakter angenommen. Neuerdings schien
es, als ob die Stellungucchme der süddeutschen Jungliberalen den Zwiespalt ver¬
schärft habe. Die Nichtbeachtung der Altersgrenze drohte den eigentlichen Zweck der
Jngendvereine zu verschieben, und ihre von der Parteileitung abweichende Auffassung
verschiedner Fragen mußte dadurch eine Bedeutung gewinnen, die dem Bestände
der Gcsamtpa reel verhängnisvoll werden konnte. Jetzt kann nach dem Ergebnis des


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[0116] Maßgebliches und Unmaßgebliches wirklich Schritte zutrauen darf, die zwar, vom ernsthaft politischen Standpunkt aus gesehen, als Heller, selbstmörderischer Wahnsinn erscheinen müssen, die aber an dieser Stelle doch möglich sind, weil einerseits das radiale, heißblutige Temperament dieses Volks zu allem fähig ist, andrerseits eine Geschäfts- und Sonderinteressenpolitik herrscht, die um ihrer eignen Macht willen unbekümmert das Ansehen des Staats preisgeben würde, wenn sie nur die Möglichkeit behält, aus den Instinkten der magyarischen Volksmasse Nutzen zu ziehen. Es gibt eben in Ungarn zu viele Leute, die — ganz buchstäblich genommen — vom Chauvinismus leben. Deshalb sind die Bestrebungen der ungarischen Unabhängigkeitspartei, die für jeden sachlich ur¬ teilenden Politiker den Gipfel des Unwahrscheinlichen zu ersteigen scheinen, doch bis zu einem gewissen Grade ernst zu nehmen. Ein politischer Typus wie zum Beispiel Franz Kossuth, der in die Rolle eines Staatsmanns geschoben wurde, weil seine Landsleute ihn in dieser Beziehung für „erblich belastet" hielten, wäre sonst unmöglich. Und doch ist auch hier dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Auch in Ungarn gibt es eine Macht, die die magyarischen Volksinstinkte leicht auf andre Wege bringen könnte, wenn sie ernstlich den Versuch dazu machen wollte. Das ist die Krone. Die ungarischen Volksmänner haben des¬ halb mit ihrer parlamentarischen Macht alles versucht, diese für sie gefährliche Macht soviel wie möglich auszuschalten. Diesen Versuchen hat freilich der greise Monarch in allen entscheidenden Fragen eine bemerkenswerte Festigkeit und Zähig¬ keit entgegengesetzt. Aber seine konstitutionelle Gewissenhaftigkeit sowie vielleicht auch manche persönlichen Erinnerungen und Empfindungen, die ihn wohl verhindert haben, das volle Gewicht der ungarischen Krone in die Wagschale zu werfen, haben ihn auch nicht einen Schritt weiter gehn lassen, als zur Abwehr der radikalen Ansprüche notwendig war. Dieselbe strenge Gewissenhaftigkeit in der Wahrung der Kronrechte hat den Monarchen jetzt aber bewogen, den Thronfolger zu den Ver¬ handlungen heranzuziehen, und man gewinnt den Eindruck, daß ein gewisser Zu¬ sammenhang zwischen diesem Hervortreten des Thronfolgers und der Nachgiebigkeit der ungarischen Staatsmänner zu konstruieren ist. Es scheint, daß die Ungarn doch die Sorge beschlichen hat, ein jüngrer, kräftiger Herrscherwille könne sich der Machtmittel erinnern, die ein König von Ungarn auch heute noch in der Hand hat. Am Horizont droht die Frage der Wahlrechtsreform, und der König braucht nur die Initiative in dieser Frage zu ergreifen, um einen großen Kehraus in dem Prachtbau am Donanufer in Budapest zu veranstalten. Das fürchten die Herren mehr als die Minderung des internationalen Ansehens ihres Staats, und darum haben sie sich gehütet, den Bogen weiter zu überspannen. Wir können es mit Genugtuung begrüßen, daß die Grundlage, auf der die internationale Machtstellung der uns verbündeten Monarchie ruht, unerschüttert geblieben ist. In der innern Politik werden die Auseinandersetzungen, die den bevorstehenden parlamentarischen Winterfeldzug einzuleiten pflegen, etwas lebhafter. Überall aber, außerhalb des Zentrums und der Sozinldemokratie, spricht sich die wachsende Über¬ zeugung von der Notwendigkeit der Blockpolitik aus. In der Reihe der Parteitage ist der der Nationalliberalen besonders zu bemerken, weil die Befürchtung nicht ganz von der Hand zu weisen war, daß die Gefahr einer Spaltung durch die Entwicklung der sogenannten jungliberalen Bewegung bevorstünde. Die Auseinandersetzungen zwischen der Parteileitung und der nationalliberalen Jngend hatten schon im vorigen Jahr in Goslar einen teilweise peinlichen Charakter angenommen. Neuerdings schien es, als ob die Stellungucchme der süddeutschen Jungliberalen den Zwiespalt ver¬ schärft habe. Die Nichtbeachtung der Altersgrenze drohte den eigentlichen Zweck der Jngendvereine zu verschieben, und ihre von der Parteileitung abweichende Auffassung verschiedner Fragen mußte dadurch eine Bedeutung gewinnen, die dem Bestände der Gcsamtpa reel verhängnisvoll werden konnte. Jetzt kann nach dem Ergebnis des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/116>, abgerufen am 17.06.2024.